Lebensdaten
1862 – 1946
Geburtsort
Bad Salzbrunn (Waldenburger Bergland, Niederschlesien)
Sterbeort
Agnetendorf (Riesengebirge)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Dichter ; Nobelpreisträger für Literatur (1912)
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118546937 | OGND | VIAF: 71404832
Namensvarianten
  • Hauptmann, Gerhart Johann Robert
  • Hauptmann, Gerhart
  • Hauptmann, Gerhart Johann Robert
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Zitierweise

Hauptmann, Gerhart, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546937.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Robert (1824–98), Kaufm. u. Hotelbes. u. Gastwirt „Zur Preuß. Krone“ in S., 1877-82 Pächter d. Bahnhofswirtsch. in Sorgau (Niedersalzbrunn), S d. Ehrenfried, Weber, dann Gastwirt, seit 1839 Pächter, dann Bes. d. Hotels „Zur Preuß. Krone“ in S., aus schles. Weberfam. in Warmbrunn, u. d. Karoline Hoske (Schuhmachers-T aus Warmbrunn);
    M Maria (1827–1906), T d. Ferd. Strähler (1796–1870), Aktuar in Breslau, dann Rendant u. Brunnen-Insp. in S., u. d. Christiane Stenzel;
    B Georg (1853–99, Adele Thienemann), Kaufm., Carl (s. 2);
    - 1) Dresden 1885 ( 1904) Marie (1860–1914, Schw d. Schwägerin), T d. Berthold Thienemann (1819–80), aus Naumburg, Großkaufm. in Berlin, Bes. d. Hohen Hauses b. Radebeul, u. d. Rosamunde Merz, 2) Agnetendorf 1904 Margarete (1875–1957), T d. Kaufm. Fritz Marschalk in Berlin u. d. Sängerin Laura Marschalk (1834–98); Schwager Max Marschalk (1863- 1940), Komp. (u. a. Musik zu Bühnenwerken H.s), Musikkritiker (s. Riemann); Schwägerinnen Elisabeth Marschalk (⚭ Emil Strauß, 1866–1960, Schriftsteller), Gertrud Marschalk (⚭ Moritz Heimann, 1925, Schriftsteller, s. NDB VIII);
    3 S aus 1), u. a. Ivo (1886-1973), Maler, 2 S aus 2) (1 jung †), Benvenuto (1900–65, 1] N. N., aus England, 2] 1928 Elisabeth, 1908–33, T Georg II., Fürst v. Schaumburg-Lippe, 1846–1911, 3] 1932-38 Annalise N. N., * 1905, errichtete 1994 e. Stiftung f. d. Gerhart-Hauptmann-Haus auf Hiddensee, 4] Barbara, T d. Max v. Schillings, 1868–1933, Komp., Dirigent, u. d. Barbara Kemp, 1881–1959, Opernsängerin, s. Munzinger), Dr. rer. pol., Diplomat, Dramaturg; E Arne G. (1932–92), Physiker.

  • Biographie

    H. hat aus der Sicht des Alters über das erste Vierteljahrhundert seines Lebens in der autobiographischen Darstellung „Das Abenteuer meiner Jugend“ (1937) ausführlich berichtet. In mannigfaltigen Brechungen spiegelt sein dichterisches Werk Elemente der eigenen Biographie, H. hat von sich bekannt: „Die Jugend legt die Fundamente aller unserer künftigen Werke in unseren Geist.“ Auf die Zeit der frühesten Kindheit, die er in seinem Geburtsort verlebte, besonders auf das Milieu des väterlichen Hotels, verweisen so verschiedene Dichtungen wie das Drama „Fuhrmann Henschel“ (1899) oder der 1. Akt der „Dorothea Angermann“ (1926) und die späte Novelle „Die Spitzhacke“ (1931). Nach dem Besuch der Salzbrunner Dorfschule wechselt der Knabe 1874 nach Breslau in das Zwinger-Realgymnasium über; es beginnen Jahre seelischer Bedrückung, innerer wie äußerer Not; vorzeitig verläßt er als Unterquartaner 1878 die Schule. Als Landwirtschaftslehrling bei Verwandten auf schlesischen Gütern in Lohnig und Lederose kommt der Jüngling in Berührung mit herrnhutisch-pietistischem Christentum, von dem er sich nach inneren Kämpfen distanziert. Nach einem gescheiterten Versuch als Bildhauerschüler an der Kunst- und Gewerbeschule in Breslau (1880–82) hört er in Jena ein Semester Kollegs unter anderem bei Haeckel und Eucken, reist 1883 erstmals nach Italien und läßt sich darauf noch im gleichen Jahr in Rom als freier Bildhauer nieder. 1884 nach Deutschland zurückgekehrt, hält er sich vorübergehend in Hamburg und Dresden auf und ist zwei Semester an der Berliner Universität immatrikuliert, wo er unter anderem Ernst Curtius, E. Du Bois-Reymond, Treitschke und Deussen hört. 1885-89 wohnt er in Erkner bei Berlin, um fern der Großstadt sich ganz der literarischen Arbeit zu widmen. Er schließt Bekanntschaft mit M. Kretzer, C. Bleibtreu, B. Wille, W. Bölsche, den Brüdern Hart, mit R. Dehmel und O. E. Hartleben sowie mit A. Holz und J. Schlaf. 1888 lebt er ein dreiviertel Jahr in Zürich. Die Begegnung mit dem Schweizer Psychiater A. Forel veranlaßte ihn zu psychiatrischen Studien, die für sein späteres dichterisches Schaffen bedeutsam wurden. Er verkehrt in dem Zürcher Freundeskreis seines Bruders Carl, dem unter anderem C. Henkkell, P. Hille, J. H. Mackay, A. Ploetz und F.|Wedekind angehören. Im August 1889 erscheint H.s erstes Drama „Vor Sonnenaufgang“ mit einer Widmung an Holz und Schlaf. O. Brahm und Th. Fontane nehmen das Stück positiv auf, und am 20.10.1889 findet in einer nicht öffentlichen Vorstellung des Vereins „Freie Bühne“ die skandalumwitterte Berliner Uraufführung statt, welche der europäischen Literaturbewegung des Naturalismus die deutsche Bühne öffnet und zugleich den literarischen Durchbruch H.s bedeutet. In den nächsten Jahrzehnten erscheint alljährlich ein neues Drama H.s, Uraufführungen seiner Werke – bis 1914 sind es rund 25 – bilden fortan einen festen Bestandteil der Theatersaison. Studienreisen zu dem geplanten Drama „Die Weber“ führen den Dichter 1891 nach Schlesien zurück, mit dessen Landschaft, Menschen, Kultur und Mundart sein Leben und Werk bis zum Tode eng verbunden bleiben. Gemeinsam mit dem Bruder Carl nimmt er in Schreiberhau Wohnung (1891–93), es kommt jedoch bald zu Unstimmigkeiten zwischen den Brüdern. 1893/94 bahnt sich die Auflösung der dann erst 1904 geschiedenen 1. Ehe an. Die folgenden Jahre hält sich H. abwechselnd in Schreiberhau, Dresden und Berlin auf, er unternimmt Reisen in die USA (1894) und nach Italien (1897). Das Jahrzehnt der Ehewirren hat der Dichter in dem nur leicht verschlüsselten autobiographischen Roman „Buch der Leidenschaft“ (1930) literarisch dargestellt. 1901 bezieht er mit Margarete Marschalk das Haus Wiesenstein im schlesischen Riesengebirge. Es bleibt sein fester Wohnsitz bis an sein Lebensende; daneben verbringt er jedoch regelmäßig große Teile des Jahres in Italien oder dem Tessin und auf der Ostseeinsel Hiddensee. Größere Auslandsreisen führen ihn nach England (1905), nach Griechenland (1907) und abermals in die USA (1932). Zu den zahlreichen Ehrungen, die H. zuteil wurden, gehören die Verleihung des Nobelpreises (1912) und die Ehrendoktorwürden der Universitäten Oxford (1905), Leipzig (1909), Prag (1921) und Columbia, New York (1932).

    H.s Werk ist überaus reich an Stoffen, Stilen und Formen und kann an Fülle und Mannigfaltigkeit innerhalb der deutschen Literatur nur dem Goethes verglichen werden. Insgesamt hat H. im Laufe seines langen Lebens über 40 Dramen veröffentlicht, hinzu kommen 5 Romane, 11 Erzählungen, kleinere und größere Versepen, die autobiographischen Schriften, Reden und Aufsätze sowie Gedichte. Sein literarischer Nachlaß ist äußerst umfangreich; zahlreiche Dramen- und Romanfragmente – viele davon so weit ausgeführt, daß ihnen selbständiger dichterischer Werkcharakter zukommt – erweitern noch das Bild der ausgreifenden Schaffenskraft H.s, das seine vollendeten Werke spiegeln; besonders reich ist die Masse an Entwürfen, Vorstufen und verschiedenen Fassungen der bereits zu Lebzeiten H.s erschienenen Werke. Der Blick in die Werkstatt des Autors verrät etwas von den Anstrengungen, deren seine Gestaltungskraft fähig war, es zeigt sich ein hohes Maß an bewußtem Willen zur dichterischen Struktur, ein unablässiges selbstkritisches Ringen vor allem mit den Großformen des Aufbaus; es wird eine künstlerische Meisterschaft offenbar, deren Sache weder ängstliche Schonung des einmal Entworfenen und Geformten war noch artistisches Feilen und Bessern im einzelnen, der vielmehr eigentümlich war, oft den Zugriff auf den Stoff insgesamt zu wiederholen, in neuen Ansätzen ein neues Ganzes zu gestalten. Es entsprach der Abundanz dieser Produktivität, daß von der Fülle ihrer Entwürfe nicht alles zur Vollendung reifte. Von bedeutendem Interesse sind auch die unveröffentlichten Tagebücher H.s: Sie zeigen ihn, in höherem Grade als sein dichterisches Werk vermuten läßt, als einen wach und scharfblickend seine Zeit beobachtenden, Welt registrierenden, der Reflexion zugewandten Geist. – Kulturgeschichtlich gehören H.s Dichtungen in die Epoche des Übergangs vom 19. zum 20. Jahrhundert, sie sind geprägt von der geistigen Situation des späten 19. Jahrhunderts, darin vergleichbar dem Schaffen H. von Hofmannsthals und Th. Manns. Der Leistung und Gestalt H.s kann man nur gerecht werden, wenn man sein Dichtertum stets im Zusammenhang mit den Ideen und Bewußtseinsformen seiner Zeit sieht: mit ihren politisch-sozialen Tendenzen, der Entwicklung von Industrie und Technik wie der Wissenschaftsgeschichte, mit den zeitgenössischen Strömungen in Architektur, Malerei und Bildhauerkunst.

    H.s öffentlicher Ruhm beruht vornehmlich auf der Theaterwirksamkeit seiner Dramen, ungeachtet des hohen Ranges auch seiner Prosa- und Versepik. Anknüpfend an Vorbilder wie Ibsen und Tolstoi, beginnt er mit sozialen und gesellschaftskritischen Dramen und erreicht 1892 mit den „Webern“ einen ersten Gipfelpunkt seines Schaffens. Das Stück, das die Entstehung einer Massenbewegung darstellt, handelt von dem mißglückten schlesischen Weberaufstand des Jahres 1844. Daß es H. nicht auf Darlegung sozialer Ideologien, sondern auf dichterische Gestaltung leidvollen menschlichen Schicksals ankam, zeigen Meisterwerke wie die Tragödien „Fuhrmann Henschel“ (1899) und „Rose Bernd“ (1903), deren Helden an ihrer Umwelt|tragisch zugrunde gehen, und die Tragikomödie „Die Ratten“ (1911). Der Naturalismus der H.schen Frühzeit folgte keinem politischen Dogma, sondern war ein Rückgriff auf die elementare Menschennatur, eine dichterische Reaktion auf das unfruchtbare, in literarischen Klischees erstarrte Epigonentum der Zeit wie auf den selbstgenügsamen Fortschrittsoptimismus der Gründerjahre. Dem lautstarken Patriotismus der Wilhelminischen Ära, aber auch allen sozialistischen Gesellschaftsutopien setzte H. eine skeptische Geschichts- und Menschenauffassung entgegen. Schon sehr früh, beispielsweise in der Traumdichtung „Hanneles Himmelfahrt“ (1894), gelangte er über die engen Grenzen strikt naturalistischer Darstellungskunst hinaus. Traum und Phantasie werden ihm Erkenntnisorgan und Medium der poetischen Weltgestaltung. Er war ein neuer Naturnachahmer, der aus Erlebnis und Erinnerung, aus Kräften der Sehnsucht und des Eros elementare Urbilder des Menschlichen schuf. So mischen sich in den späteren Dramen Märchen- und Sagenelemente mit mystischer und mythischer Symbolik („Und Pippa tanzt!“ 1906, „Indipohdi“ 1921, „Veland“ 1925); neben der dichterischen Spiegelung menschlich-seelischer Urphänomene in mythischer oder geschichtlicher Vergangenheit und einem Stilwillen, dem die metrisch gebundene Sprache des Verses gemäß war, erhält sich der realistische, auf Wirklichkeit und Gegenwart zielende Darstellungsstil, so in „Vor Sonnenuntergang“ (1932), bis in die Spätzeit. Die Komödien H.s – allen voran „Der Biberpelz“ (1893) – sichern ihm einen hervorragenden Platz in der nicht allzu reichen Geschichte des deutschen Lustspiels. – Höhepunkt des dramatischen Alterswerkes ist die „Atridentetralogie“ (1941 ff.), die an dem alten Tragödienstoff den Schrecken über die blutigen Greuel der eigenen Gegenwart, einen Protest gegen die Furchtbarkeit der Menschen und ihrer Götter gestaltet, den bitteren Schmerz enttäuschter Menschenliebe, insgeheim getragen aber auch von der Sehnsucht nach Frieden und Erlösung.

    Die Erzählungen, Romane und Versepen H.s sind ebenso vielgestaltig wie das dramatische Werk, mit dem sie, wie untereinander, mannigfaltig thematisch verflochten sind. Die Dichtung H.s hat als ein Ganzes trotz ihrer Vielgestaltigkeit die innere Einheit einer individuellen Weltgestaltung. Die ersten Novellen, „Fasching“ (1887) und „Bahnwärter Thiel“ (1892), sind Meisterleistungen naturalistischer Erzählkunst, doch es zeigt sich auch hier schon eine Durchformung des Stoffes mit leitmotivischer Symbolik, die über die naturalistische Stilintention hinausweist. „Der Narr in Christo Emanuel Quint“ (1910), H.s erster Roman, stellt in moderner Parallele zum Leben Christi die Passion eines von pietistischer Glaubensekstase besessenen schlesischen Tischlerssohnes dar. Eine gegensätzliche Gestalt ist der abgefallene Priester in der berühmtesten der H.schen Erzählungen, dem „Ketzer von Soana“ (1918), der sich einem antik-heidnischen Eroserlebnis ergibt. Naturreligiosität und Erosmystik bestimmen auch die heitere Ironie des Romans „Die Insel der Großen Mutter“ (1924). Eines der bedeutendsten Werke H.s und zugleich eines der wichtigsten für das Verständnis seines Welt- und Zeitbildes ist das Hexameterepos „Till Eulenspiegel“ (1928), in dem die verschiedenen Wirklichkeitsebenen von Politik und Mythologie, von Realität und Phantasie, von geschichtlicher Erinnerung und Träumen aus den Tiefen des Unbewußten zu einer großen dichterischen Phantasmagorie des modernen Weltbildes gestaltet sind. Das Terzinenepos „Der große Traum“ (1942) und das Romanfragment „Der neue Christophorus“ (1943) enthalten H.s Altersweisheit, das im dichterischen Symbol ausgedrückte Ergebnis seines religiösen und philosophischen Denkens. Diese Werke bezeugen insbesondere, daß trotz der naturhaften Lebensverwurzelung seiner gestaltenden Impulse und des Hineinreichens der schöpferischen Inspiration in das Reich der Träume und Visionen auch das Bewußtsein eines denkend der Wirklichkeit der Kultur zugewandten Geistes zum Wesen dieses Dichters gehört. Viele seiner Werke sind auf dem Grunde einer dualistischen Weltbetrachtung errichtet, eines unversöhnlichen Widerstreits der Gegensätze, eines Antagonismus von Himmel und Hölle, Olymp und Hades, Licht und Schatten, Leben und Tod. Suchte man eine Formel für den zentralen Gehalt der Dichtung H.s, so wäre die polare Spannung seines Wesens vielleicht zu erfassen, wenn man ihn den Dichter des Leides, ja der „Bluthistorie der Menschheit“ und zugleich den Dichter des Eros, des Dionysischen und der glückhaften Fülle des Lebens nennt. Letztlich beruhen die Konflikte der H.schen Dichtung auf dem Ringen darum, mit der nackten Faktizität einer Wirklichkeit fertig zu werden, die keine außerwirkliche Ordnungsmacht mehr über sich hat und daher ganz auf ihre eigenen Kräfte zurückverwiesen ist. Diese Wirklichkeit dennoch als einen geistig-sinnhaften Kosmos erfahren und dichterisch vermitteln zu können, ermöglichte H. die bild- und sinnschaffende Magie einer poetisch-mythischen Anschauung und Gestaltung. Der innerste Erfahrungsgrund seiner|Dichtung bleibt dennoch die metaphysisch-religiöse Betroffenheit durch den ewigen Kampf, der in allem Leben, in der ganzen Schöpfung tobt und der noch die Beziehung stiftet zwischen Mensch und Gott. Aber H. hat seiner Erkenntnis des ausweglosen, mit der Existenz gegebenen Leidens des Menschen immer wieder die Stimme des humanen Gewissens, der humanen Vernunft entgegengesetzt. Durch lange Epochen seines Lebens hat er eine öffentliche Wirkung in solchem Sinne als eine soziale Verantwortung angesehen, der er sich nicht entziehen durfte. So konnte die revolutionäre geistige Jugend der 90er Jahre in ihm den dramatischen Wortführer einer neuen sozialen Verantwortung sehen, so wendet sich sein Festspiel zur Hundertjahrfeier der Freiheitskriege (Festspiel in deutschen Reimen, 1913) mit einer Friedensvision gegen den Geist des Wilhelminischen Militärstaats, so nahm er nach dem Ende des 1. Weltkriegs teil an der Wiederaufrichtung des nationalen Bewußtseins im Geiste der Demokratie, der Völkerverständigung, der Humanitätstradition der deutschen Kultur. Doch schon in den Jahren der Weimarer Republik leitete sich ein innerer Rückzug vor den Ansprüchen der öffentlich-politischen Welt ein, der er seinem eigentlichen Wesen nach immer fremd gegenüberstand. Die „Machtübernahme“ Hitlers, die H. als entscheidende Zäsur auch des eigenen Lebens, als das Ende der eigenen historischen Epoche empfand, vollendete diesen Prozeß. Kann auch seine Haltung gegenüber der Tyrannei nach außen einer bloß äußeren Betrachtung schwankend erscheinen, mag man von dem 1933 schon über 70 Jahre alten Dichter ein öffentliches „In Tyrannos“ erwartet haben: Es war ihm weder gegeben noch gemäß, seinem Protest durch die Emigration Ausdruck zu verleihen, sein geistig-seelischer Ort lag außerhalb des Raums solcher politischen Entscheidung. Daß aber der Dichter in einem jenseits der Politik des Tages liegenden Sinne auch noch in seiner letzten Lebenszeit der tiefsten Sehnsucht nach einem Ausweg aus den Greueln der menschlichen Selbstzerstörung durch Krieg und Völkerfeindschaft Stimme verlieh, bezeugt sein flehentlicher Ausruf in einer Rede gegen Ende des Krieges: „Ich bin nahezu dreiundachtzig Jahre alt und stehe mit einem Vermächtnis vor Gott, das leider machtlos ist und nur aus dem Herzen kommt: es ist die Bitte, Gott möge die Menschen mehr lieben, läutern und klären zu ihrem Heil als bisher.“ So versteht sich auch die Leidensmetaphysik der dichterischen Schöpfung H.s letzten Endes nicht als eine Flucht in die mythische Verbildlichung, sie ruht vielmehr auf dem Grunde einer unablässigen Mahnung, sie ist in Wahrheit ein Protest in der Form der Bestätigung.

  • Werke

    Centenar-Ausg. z. 100. Geb.tag d. Dichters, hrsg. v. H.-E. Hass, bisher ersch. Bd. 1-8, 1962-67 (Bde. 1-7 umfassen das in d. Ausg. letzter Hand [17 Bde., 1942] veröff. W in e. Krit. revidierten Text, Bde. 8-12 sind d. literar. Nachlaß vorbehalten);
    Die Kunst d. Dramas, hrsg. v. M. Machatzke, 1963; Verz. d. Erstausgg. u. früheren Gesamtausgg.
    b. Behl/Voigt, Chronik, 1957, s. L;
    - J. Chapiro, Gespräche mit G. H., 1932;
    C.F.W. Behl, Zwiesprache mit G. H., 1949 (P).

  • Literatur

    Bibliogr. u. Forschungsberr.: V. Ludwig, G. H., Werke v. ihm u. üb. ihn, ²1932;
    W. Requardt, G. H.-Bibliogr., 3 Bde., 1931;
    G. H. Jb., Bd. 1-2, 1936 f. (mit Bibliogr. v. C. F. W. Behl, P);
    dass., 1948 (mit Bibliogr. v. W. Studt, P);
    W. A. Reichart, Fifty Years of H. Study in America (1894–1944), in: Mhh. 37, Wisconsin 1945, S. 1-31, fortges. ebd. 54, Nov. 1962 (G. H. gewidmetes H.), S. 297-310;
    H. D. Tschörtner, G. H., e. bibliograph. Btr., 1962;
    Eppelsheimer I-VII;
    - C. F. W. Behl u. F. A. Voigt, G. H.s Leben, Chronik u. Bild, 1942 (P), Neufassung u. d. T.:
    Chronik v. G. H.s Leben u. Schaffen, 1957 (W, P);
    R. Rohmer u. A. Münch, G. H., Sein Leben in Bildern, 1958 (P);
    K. L. Tank, G. H., In Selbstzeugnissen u. Bilddokumenten, 1959 (Bibliogr. v. P. Raabe u. W. Studt, P);
    E. Ebermayer, G. H., Eine Bildbiogr., 1962 (P);
    G. H., Leben u. Werk, = Kat. d. Gedächtnisausstellung d. Dt. Lit.archivs im Schiller-Nat.mus. Marbach a. N., 1962 (P). - F. A. Voigt, H.-Stud., 1936;
    ders., H. u. Shakespeare, 1938 (mit W. A. Reichart);
    ders., G. H. d. Schlesier, ³1953;
    ders., G. H. u. d. Antike, ²1965, hrsg. v. W. Studt;
    G. H., Stud. z. Werk u. z. Persönlichkeit, 1942;
    C. F. W. Behl, Wege zu G. H., 1948;
    S. H. Muller, G. H. u. Goethe, 1948;
    J. Gregor, G. H., Das Werk u. unsere Zeit, 1951;
    R. Mühlher, Dichtung d. Krise, 1951;
    W. Emrich, Der Tragödientypus G. H.s, in: Der Deutschunterricht, 1953, 5, S. 20-35, wieder in: W. Emrich, Protest u. Verheißung, 1960;
    R. Fiedler, Die späten Dramen G. H.s, ²1956;
    P. Böckmann, Der Naturalismus G. H.s, in: Gestaltprobleme d. Dichtung, G. Müller zu s. 65. Geb.-tag, 1957, S. 239-58;
    K. S. Guthke, G. H., Weltbild im Werk, 1961;
    F. W. J. Heuser, G. H., Zu s. Leben u. Schaffen, 1961;
    R. Michaelis, Der schwarze Zeus, G. H.s zweiter Weg, 1962;
    H. Centenary Lectures, hrsg. v. K. S. Knight u. F. Norman, London 1964;
    N. Alexander, Stud. z. Stilwandel im dramat. Werk G. H.s, 1964;
    H.-J. Schrimpf, Struktur u. Metaphysik d. soz. Schauspiels b. G. H., in: Lit. u. Ges., Festgabe f. B. v. Wiese, 1964;
    H. Steffen, Figur u. Vorgang im naturalist. Drama G. H.s, in: DVjS 38, 1964, S. 424-49;
    H.-E. Hass, Weltspiel u. Todesmysterium, Strukturen e. dichter. Widerspruchs gegen d. pol. Welt, in: G. H., Festspiel in dt. Reimen, Die Finsternisse, 1964, S. 87-136;
    ders., Einführung in: G. H., Der neue Christophorus, 1965, S. 229-62;
    B. v. Wiese, G. H., in: Dt. Dichter d. Moderne, 1965.

  • Porträts

    Gem. v. M. Liebermann, 1892, v. L. v. König, 1927 (beide im Bes. v. Frau Barbara Hauptmann,|Ronco b. Ascona/Schweiz), Abb. d. Liebermannschen P b. P. Schlenther, G. H. Leben u. Werke, ³1922, hrsg. v. A. Eloesser, u. b. Ebermayer, s. L, Abb. d. P v. König b. Behl/Voigt, Chronik, 1957, s. L;
    Büste v. A. Breker, 1942 (im Bes. d. Stadt Baden-Baden), Abb. ebd.

  • Autor/in

    Hans-Egon Hass
  • Zitierweise

    Hass, Hans-Egon, "Hauptmann, Gerhart" in: Neue Deutsche Biographie 8 (1969), S. 103-107 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546937.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA