Lebensdaten
1898 – 1956
Geburtsort
Augsburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Regisseur ; künstlerischer Leiter des Berliner Ensembles ; Musiker ; Schauspieler ; Dramatiker ; Librettist ; Lyriker ; Theaterregisseur ; Drehbuchautor
Konfession
evangelisch-lutherisch, später konfessionslos
Normdaten
GND: 118514768 | OGND | VIAF: 2467372
Namensvarianten
  • Brecht, Bert
  • Brecht, Eugen Berthold Friedrich
  • Bertold Eugen; Karl Kinner; Larsen; Jacques Malorne
  • mehr

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Zitierweise

Brecht, Bertolt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118514768.html [28.03.2024].

CC0

  • Bertolt Brecht war ein politischer Dichter, der in allen literarischen Gattungen arbeitete. Als Stückeschreiber und Regisseur revolutionierte er mit seinem „epischen Theater“ (später „dialektisches Theater“) die Bühnenkunst des 20. Jahrhunderts. Brechts Sprache ist in ihrer Kombination von Poesie, Direktheit, Traditions- und Formbewusstheit unverwechselbar. Seine Texte und sein Denken übten weit über den deutschen Sprachraum hinaus erheblichen Einfluss auf Kunst, Politik und Gesellschaft aus, weil sie die Welt als veränderungswürdig betrachten und Politisches und Künstlerisches verbinden.

    Lebensdaten

    Geboren am 10. Februar 1898 in Augsburg
    Gestorben am 14. August 1956 in Berlin
    Grabstätte Dorotheenstädtischer Friedhof (Ehrengrab) in Berlin
    Konfession evangelisch-lutherisch, später konfessionslos
    Bertolt Brecht, Münchner Stadtmuseum (InC)
    Bertolt Brecht, Münchner Stadtmuseum (InC)
  • Lebenslauf

    10. Februar 1898 - Augsburg

    1904 - 1908 - Augsburg

    Schulbesuch

    Volksschule der Kirchengemeinde bei den Barfüßern / Volksschule am Stadtpflegeanger

    1908 - 1917 - Augsburg

    Schulbesuch (Abschluss: Notabitur)

    Königliches Realgymnasium (heute Peutinger-Gymnasium)

    1917 - 1921 - München

    Studium der Naturwissenschaften, Philosophie und Literatur, seit 1918 der Medizin (ohne Abschluss)

    Universität

    1918 - 1919 - Augsburg

    Militärdienst als Militärkrankenwärter

    Reservelazarett

    1921 - 1921 - Berlin

    Immatrikulation für Medizin

    Universität

    1922 - 1924 - München

    Dramaturg; Regisseur

    Kammerspiele

    1924 - 1925 - Berlin

    Dramaturg; Regisseur

    Deutsches Theater

    1925 - 1933 - Berlin

    freier Autor; Regisseur

    1933 - 1939 - Svendborg (Dänemark)

    Exil

    1935 - Berlin

    Ausbürgerung

    1939 - 1940 - Lidingö bei Stockholm

    Exil

    1940 - 1942 - Helsinki

    Exil

    1942 - 1947 - Santa Monica (Kalifornien, USA)

    Exil

    1947 - Washington, DC

    Verhör vor dem Ausschuss für unamerikanische Aktivitäten

    United States Congress

    1947 - 1948 - Zürich

    Exil

    1949 - 1956 - Berlin-Ost

    Rückkehr; künstlerischer Leiter des Berliner Ensembles; Regisseur

    Deutsches Theater / Berliner Ensemble

    1950 - Wien

    österreichischer Staatsbürger

    1954 - Berlin-Ost

    Umzug des Ensembles in das Theater am Schiffbauerdamm

    Berliner Ensemble

    1954 - 1955 - Paris

    Teilnahme mit dem Berliner Ensemble am Festival Théâtre des Nations

    Institut international du théâtre (ITI)

    14. August 1956 - Berlin
  • Genealogie

    Vater Berthold Friedrich Brecht 1869–1939 Prokurist der Haindl’schen Papierfabriken, seit 1917 deren Direktor
    Großvater väterlicherseits Stephan Berthold Brecht 1839–1910 Lithograf; Besitzer einer Steindruckerei
    Großmutter väterlicherseits Karoline Brecht , geb. Wurzler 1839–1919
    Mutter Wilhelmine Friederike Sophie Brecht , geb. Brezing 1871–1920
    Großvater mütterlicherseits Josef Friedrich Brezing 1842–1922 Königlich-Württembergischer Stationsvorstand
    Großmutter mütterlicherseits Friederike Brezing , geb. Gamerdinger 1838–1916
    Bruder Walter Brecht 1900–1986 Dr.-Ing., 1931–1971 Professor an der Technischen Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für Papierfabrikation
    Lebenspartnerin (1917–1921) Paula Banholzer 1901–1989 Erzieherin, später verh. mit Hermann Groß, Kaufmann in Augsburg
    Sohn Frank Banholzer 1919–1943 gefallen an der Ostfront
    1. Heirat 3.11.1922 in München
    Ehefrau Marianne Zoff 1893–1984 Schauspielerin, Sängerin
    Schwiegervater Otto Andreas Zoff geb. 1866 Eisenbahn-Oberinspektor
    Schwiegermutter Zdenka Zoff, geb. Jellinek
    Tochter Hanne Marianne Hiob, geb. Brecht 1923–2009 Schauspielerin
    Scheidung 22.11.1927
    2. Heirat 10.4.1929 in Berlin
    Ehefrau Helene Brecht, geb. Weigel 1900–1971 Schauspielerin, Intendantin, Nachlassverwalterin
    Schwiegervater Siegfried Weigl 1868–1942 Prokurist des Textilunternehmens Hermann Pollack’s Söhne in Wien
    Schwiegermutter Leopoldine Weigl, geb. Pollak 1866–1927 Inhaberin einer Spielwarenhandlung in Wien
    Sohn Stefan Sebastian Brecht 1924–2009 Ph. D., Autor, verh. mit Mary McDonough, Kostümbildnerin
    Tochter Barbara Brecht-Schall, geb. Brecht 1930–2015 Schauspielerin, Nachlassverwalterin, verh. mit Ekkehard Schall (1930–2005), Schauspieler, Regisseur
    Enkelin Johanna Schall geb. 1958 Schauspielerin, Regisseurin
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    Brecht, Bertolt (1898 – 1956)

  • Biografie

    alternativer text
    Bertolt Brecht, BArch / Bildarchiv (InC)

    Augsburg oder Literarische Anfänge

    Brecht besuchte das Königliche Realgymnasium in Augsburg, wo er mit der Produktion literarischer Texte begann und Freundschaft mit dem späteren Bühnenbildner Caspar Neher (1897–1962) schloss, mit dem er lebenslang immer wieder zusammenarbeitete. Nach dem Notabitur 1917 nahm Brecht ein Studium der Medizin an der Universität München auf, das er 1921 abbrach, um als Regisseur und Dramaturg in München, seit 1924 in Berlin zu arbeiten. In dieser Zeit baute er sich einen Freundeskreis auf, zu dem neben Neher u. a. Marta Feuchtwanger (1891–1987), Lion Feuchtwanger (1884–1958), Arnolt Bronnen (1895–1959), Erich Engel (1891–1966), Marieluise Fleißer (1901–1974), Frank Warschauer (1892–1940) und Herbert Ihering (1888–1977) zählten.

    Erste Bekanntheit erlangte Brecht bereits mit seinen Theaterstücken. Sein 1918/19 in zwei Fassungen entstandenes Erstlingsdrama „Baal“, in das er von ihm verfasste Lyrik einarbeitete, wurde 1923 unter Alwin Kronacher (1880–1951) am Alten Theater in Leipzig uraufgeführt. Für „Baal“ und sein zweites, unter der Regie von Otto Falckenberg (1873–1947) an den Münchner Kammerspielen 1922 uraufgeführtes Theaterstück „Trommeln in der Nacht“, in dem sich ein Soldat zwischen der Fortsetzung des Kriegs und dem Brautbett entscheiden muss, wurde er im selben Jahr mit dem renommierten Kleist-Preis ausgezeichnet. Vorstellungen der Uraufführung seines folgenden Stücks „Im Dickicht“ – das seit Carl Eberts (1887–1980) Aufführung am Hessischen Landestheater 1927 unter dem Titel „Im Dickicht der Städte“ bekannt wurde – wurden 1923 im Münchner Residenztheater von Nationalsozialisten gestört.

    Berlin (I) oder Experiment, Politisierung und Erfolg

    Internationale Anerkennung erwarb Brecht mit „Die Dreigroschenoper“, einer freien Adaption von John Gays (1685–1732) „Beggar’s Opera“ (1728), in der deutschen Übersetzung von Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann (1897–1973). „Die Dreigroschenoper“, die im viktorianischen London spielt und in der Brecht den modernen Industriekapitalismus anprangerte, wurde bis 1933 in 18 Sprachen übersetzt und erlebte zahlreiche Aufführungen im In- und Ausland. Viele der darin enthaltenen Lieder, allen voran „Die Moritat von Mackie Messer“ und das „Lied von der Seeräuber Jenny“, wurden nicht zuletzt durch die Kompositionen von Kurt Weill (1900–1950), der auch die Musik zu Brechts „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ (1930) und „Die sieben Todsünden“ (1933) schuf, zu bekannten Schlagern.

    Nachdem er sich seit 1927 als Autor, Dramaturg und politischer Denker an den Aufführungen der Ersten Piscatorbühne (Erwin Piscator, 1893–1966) beteiligt hatte, experimentierte Brecht seit etwa 1930 mit sogenannten Lehrstücken, einer Form, die er später „Learning Play“ nannte, wobei das Lernen vor dem Lehren und das Spiel vor dem Stück betont wurden. Beim Festival „Deutsche Kammermusik Baden-Baden 1929“ wurden die Lehrstücke „Der Flug der Lindberghs“ (Musik: Kurt Weill und Paul Hindemith, 1895–1963) sowie das „Lehrstück“ (später „Badener Lehrstück vom Einverständnis“, Musik: Hindemith) uraufgeführt. Berühmt und seiner politischen wie dramaturgischen Radikalität wegen umstritten ist das Lehrstück „Die Maßnahme“ (1930), für das Hanns Eisler (1898–1962), mit dem Brecht ebenfalls mehrfach erfolgreich zusammenarbeitete, die Musik komponierte. Als legendär gilt das Stückfragment „Fatzer“ (auch „Untergang des Egoisten Johann Fatzer“, 1926/30), ein dramaturgisches Experiment, das wiederum Erfahrungen von Krieg und Desertation verarbeitet; der Dramatiker Heiner Müller (1929–1995), der es 1988 als Hörspiel mit Musik der Band „Einstürzende Neubauten“ unter dem Titel „Untergang des Egoisten Fatzer“ für den Rundfunk der DDR bearbeitete, bezeichnete es als „Jahrhunderttext“.

    Mit der Erfindung des epischen Theaters – einer Spielform, die die Trennung zwischen Spielenden und dem Publikum aufheben soll – beeinflusste Brecht die Bühnenkunst in aller Welt bis in die unmittelbare Gegenwart. Brecht war immer zugleich Schriftsteller und Regisseur – ein Mann, der das Spiel liebte. Er war ein politischer Künstler, der die Welt als eine veränderbare zeigen wollte. Walter Benjamin (1892–1940) charakterisierte diese Arbeit mit der Formulierung „Laboratorium Vielseitigkeit“. Brechts Arbeit zeichnet sich durch ihre Kollektivität aus.

    Seit Mitte der 1920er Jahre lebte Brecht als freischaffender Schriftsteller in Berlin und schrieb neben Theaterstücken Prosa und Lyrik. Sein erster Gedichtband, eine Sammlung gegenwärtiger Balladen, Legenden und Chroniken, erschien 1927 unter dem Titel „Bertolt Brechts Hauspostille“. Brechts Freundeskreis erweiterte sich um Elisabeth Hauptmann, Kurt Weill, Lotte Lenya (1898–1981), Karl Korsch (1886–1961), Walter Benjamin, Fritz Sternberg (1895–1963), Sergej Tretjakow (1892–1937), George Grosz (1893–1959), Bernard von Brentano (1901–1964) und Hanns Eisler. Seit etwa Mitte der 1920er Jahre befasste sich Brecht mit dem Marxismus, wobei ihm Korsch, Sternberg und Eisler wesentliche Gesprächspartner waren. Brecht war nie Mitglied einer Kommunistischen Partei, gleichwohl gilt er als Sympathisant der Kommunisten, was in seinen Arbeiten klar erkennbar ist. Ein Beispiel entschiedener Parteinahme für die Sache des Kommunismus, die Brecht auch das „Mittlere“ oder die „Dritte Sache“ nannte, ist das nach dem Roman von Maxim Gorki (1868–1936) geschriebene Stück „Die Mutter“, das 1932 mit Brechts Ehefrau Helene Weigel (1900–1971) in der Hauptrolle im Komödienhaus am Schiffbauerdamm uraufgeführt wurde.

    In den Jahren zwischen 1930 und 1933 widmete sich Brecht, der schon als junger Autor Filmerzählungen geschrieben hatte, intensiv dem Film. Nach dem Erfolg der „Dreigroschenoper“ prozessierte Brecht gegen die Verfilmung des Stücks durch die Nero-Film A. G. (Regie: Georg Wilhelm Pabst, 1885–1967), weil der Produzent das Drehbuch des Autors erheblich verändert hatte. Der Streit drehte sich um die Frage der Mitwirkung. Nachdem das Gericht Brechts Klage abgewiesen hatte, kam es zu einem Vergleich (dazu die Schrift „Der Dreigroschenprozeß“, 1931). Der kommunistische Kinoklassiker „Kuhle Wampe“, entstanden 1932 in Zusammenarbeit mit Slatan Dudow (1903–1963), Ernst Ottwalt (1901–1943) und Eisler, thematisiert das Elend der Arbeitslosigkeit und Möglichkeiten kommunistischen Widerstands.

    Exil oder Die Geburt des Klassikers

    Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 stand Brecht wegen seiner Nähe zu den Kommunisten auf der von Wolfgang Herrmann (1904–1945) zusammengestellten „Schwarzen Liste“, seine Bücher wurden verbrannt, er 1935 ausgebürgert. Am 28. Februar 1933 floh er mit seiner Familie und seiner Mitarbeiterin Margarete Steffin (1908–1941) über Paris nach Svendborg (Dänemark), wo er seine spätere Mitarbeiterin Ruth Berlau (1906–1974) kennenlernte, 1937 die Arbeit an dem Stück „Furcht und Elend des III. Reiches“ (Uraufführung 1938 in Paris) aufnahm und „Leben des Galilei“ (1938) verfasste. 1939 übersiedelte er nach Schweden, lebte in Lidingö bei Stockholm, schrieb „Der gute Mensch von Sezuan“ und publizierte die Sammlung „Svendborger Gedichte“ (beides 1939). Im April 1940 flüchtete Brecht vor den deutschen Truppen weiter nach Helsinki und verfasste hier das Stück „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ (1940) und die Hitler-Satire „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ (1941). Außerdem legte er in dieser Zeit grundsätzliche, politisch motivierte literaturtheoretische Schriften vor, so „Fünf Schwierigkeiten beim Schreiben der Wahrheit“ (1934). Im Mai 1941 erhielt Brecht ein Einreisevisum in die USA, gelangte mit seiner Familie von Wladiwostok (Sowjetunion) aus mit dem Schiff nach Santa Monica (Kalifornien), fasste hier aber nicht, wie von ihm beabsichtigt, als Filmschriftsteller für Hollywood-Produktionen Fuß. Realisiert wurde lediglich das wesentlich von Brecht verfasste Drehbuch zu Fritz Langs (1890–1976) Geiseldrama „Hangmen Also Die“ (1943). In den USA entstand 1944 Brechts letztes großes Theaterstück „Der kaukasische Kreidekreis“ (Musik: Paul Dessau, 1894–1979).

    Bald nachdem sein „Leben des Galilei“ als „Galileo“ 1947 in der Übersetzung und Bearbeitung von Charles Laughton (1899–1962) in englischer Sprache in Santa Monica und New York City aufgeführt worden war, wurde Brecht wegen seiner politischen Auffassungen „unamerikanischer Aktivitäten“ verdächtigt und am 30. Oktober 1947 vor dem House on Un-American Activities Committee (HUAC) unter Vorsitz von Senator Joseph McCarthy (1908–1957) verhört. Repressalien fürchtend, floh er am Tag nach dem Verhör mit Weigel in die Schweiz und inszenierte 1948 am Stadttheater Chur seine Fassung der „Antigone des Sophokles“ mit seiner Frau in der Hauptrolle. Als weitere wichtige theatertheoretische Schrift entstand das „Kleine Organon für das Theater“ (1948).

    Berlin (II) oder Die Gründung des Berliner Ensembles

    1948 folgten Brecht und Weigel einer Einladung des Schauspielers und Regisseurs Wolfgang Langhoff (1901–1966) und der Sowjetischen Kulturadministration und remigrierten nach Berlin-Ost. Hier brachten sie sein 1939 geschriebenes Stück „Mutter Courage und ihre Kinder“ am 11. Januar 1949 am Deutschen Theater in Berlin-Ost auf die Bühne – wiederum mit Weigel in der Titelrolle (Musik: Paul Dessau). Zur Spielzeit 1949/50 gründeten beide das „Berliner Ensemble“, das im Deutschen Theater gastierte und 1954 dauerhaft in das ehemalige Theater am Schiffbauerdamm übersiedelte. Brecht, der sich immer als Schriftsteller und Regisseur verstand, fand hier Gelegenheit, seine im Exil entstandenen Stücke zu inszenieren. Er bearbeitete zudem Stücke u. a. von William Shakespeare (1564–1616), Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Jakob Michael Reinhold Lenz (1751–1792) und kümmerte sich um die Ausbildung seiner Schülerinnen und Schüler, z. B. Peter Palitzsch (1918–2004), Benno Besson (1922–2006), Käthe Rülicke (1922–1992), Egon Monk (1927–2007), Manfred Wekwerth (1929–2014) und B. K. Tragelehn (geb. 1936). Bis heute sind die Stücke Brechts eine Säule der Arbeit des Berliner Ensembles. Hannah Arendt (1906–1975) nannte den Aufbau des Ensembles „vielleicht die hervorragendste kulturelle Leistung im Deutschland der Nachkriegszeit“.

    Brecht betrachtete seine Theaterarbeit als Experimente, die zeigen sollten, dass die Welt geändert werden müsse. Gleichwohl ist sein Theater kein didaktisches, die Botschaft ist der Kunst nicht untergeordnet. Theater ist Spiel, es soll Spaß machen. Brechts Stücke sind Modelle gesellschaftlichen Lebens, Entwürfe von Figuren, Vorschläge für Probehandeln.

    Brechts Verhältnis zur DDR war von kritischer Solidarität geprägt. Er sprach sich unmissverständlich für den sozialistischen deutschen Staat aus. Seine Arbeit wurde jedoch oft mit Argwohn betrachtet, in den Medien ignoriert oder gar zensiert. Eine Zerreißprobe für den Dichter war der Volksaufstand am 17. Juni 1953, bei dem Brecht seine Verbundenheit mit der Sozialistischen Einheitspartei formulierte, aber auch die „Sichtung“, also kritische Prüfung, der sozialistischen Errungenschaften forderte. „Der 17. Juni hat die ganze Existenz verfremdet“, schrieb er in sein „Journal“ im Sommer 1953. Die Erfahrungen der größten Krise der jungen Republik verarbeitete er in seinem Gedichtzyklus „Buckower Elegien“ (1953).

    Mit den Gastspielen des Berliner Ensembles auf dem Festival Théâtre des Nations in Paris 1954 und 1955 begann die ungeheure internationale Rezeption der Stücke Brechts, die Gedichte und andere Texte einschloss und ihren Höhepunkt in den 1960er und 1970er Jahren fand. In der DDR war Brecht präsent als sozialistischer Klassiker, praktisch bedeutete das eine Inanspruchnahme: Man zog heran, was man zur Bestätigung der aktuellen Politik und Kulturpolitik gebrauchen oder sich zurechtbiegen konnte. Im Westen wurde der „Klassiker der Vernunft“ (Suhrkamp Verlag) von Linksstehenden verehrt, von Konservativen skeptisch betrachtet. Dessen ungeachtet sind seine Stücke fester Bestandteil der Repertoires.

    Nachruhm

    Brechts Werk wurde gleichermaßen im Westen und im Osten Deutschlands verlegt und akademisch erforscht. In den 1980er Jahren wurde die als Gemeinschaftsprojekt der Verlage Aufbau und Suhrkamp in beiden deutschen Staaten erarbeitete „Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe“ begonnen, die nach der Wiedervereinigung 2000 mit insgesamt 30 Bänden in 33 Teilbänden abgeschlossen wurde. Dem Andenken und der Verbreitung von Brechts Werk und Denken widmen sich seit 1956 das Bertolt-Brecht-Archiv der Akademie der Künste, Berlin, und seit 1978 das Brecht-Weigel-Museum, die in seinem letzten Wohnhaus in der Chausseestraße untergebracht sind. Auch Brechts Wochenendhaus in Buckow bei Berlin (1977), sein Wohnhaus in Svendborg (1995) und sein Geburtshaus in Augsburg (1998) sind heute Gedenkstätten. 1969 wurde zudem die wissenschaftliche Internationale Brecht-Gesellschaft nach dem Modell einer von Brecht geplanten „Diderot-Gesellschaft“ gegründet, die das „Brecht Yearbook“ / „Brecht-Jahrbuch“ herausgibt; 1991 wurde die Bertolt-Brecht-Forschungsstätte Augsburg eingerichtet.

  • Auszeichnungen

    1922 Kleist-Preis der Kleist-Stiftung
    1930 Mitglied des Verbands Deutscher Bühnenschriftsteller und Bühnenkomponisten
    1949 Mitglied des P. E. N. Internationale Schriftstellervereinigung. Zentrum Deutschland (seit 1953 Präsident des Deutschen PEN-Zentrums)
    1950 Mitglied der Deutschen Akademie der Künste, DDR (seit 1954 Vizepräsident)
    1950 Mitglied des Deutschen Schriftstellerverbands
    1951 Nationalpreis I. Klasse der DDR
    1954 Deutsche Friedensmedaille des Friedensrats der DDR
    1954 Stalin-Friedenspreis, UdSSR
    1955 Mitglied des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands
    1956 Bertolt-Brecht-Archiv der Deutschen Akademie der Künste, Berlin (später Akademie der Künste)
    1969 Internationale Brecht-Gesellschaft/International Brecht Society
    1977 Brecht-Weigel-Haus, Buckow
    1978 Brecht-Weigel-Museum, Berlin
    1988 Bronzedenkmal (Sitzfigur), Bertolt-Brecht-Platz, Berlin
    1991 Bertolt-Brecht-Forschungsstätte Augsburg
    1995 Brecht-Haus, Svendborg (Dänemark)
    1995 Bertolt-Brecht-Preis der Stadt Augsburg (dreijährlich)
    1998 Brechthaus, Augsburg
  • Quellen

    Nachlass:

    Bertolt-Brecht-Archiv, Akademie der Künste, Berlin. (P) (weiterführende Imformationen) (hierzu: Bertolt-Brecht-Archiv. Bestandsverzeichnis des literarischen Nachlasses, 4 Bde., bearb. v. Hertha Ramthun, 1969–1973)

    Die Bibliothek Bertolt Brechts. Ein kommentiertes Verzeichnis, bearb. v. Erdmut Wizisla/Helgrid Streidt/Heidrun Loeper, 2007.

  • Werke

    Baal, 1920.

    Trommeln in der Nacht. Drama, 1922.

    Leben Eduards des Zweiten von England. Historie, 1924.

    Mann ist Mann. Die Verwandlung des Packers Galy Gay in den Militärbaracken von Kilkoa im Jahre Neunzehnhundertfünfundzwanzig. Lustspiel, 1926.

    Im Dickicht der Städte. Der Kampf zweier Männer in der Riesenstadt Chicago. Schauspiel, 1927.

    Bertolt Brechts Hauspostille. Mit Anleitungen, Gesangsnoten und einem Anhange, 1927.

    Die Songs der Dreigroschenoper, 1928.

    Versuche. H. 1–7, 1930–1933.

    Die Maßnahme. Lehrstück, 1930.

    Dreigroschenroman, 1934.

    Lieder Gedichte Chöre, 1934.

    Gesammelte Werke, 2 Bde., 1938. (4 Bde. geplant)

    Svendborger Gedichte, 1939.

    Furcht und Elend des III. Reiches, 1941.

    Die Mutter, 1946.

    Herr Puntila und sein Knecht Matti. Komödie in 9 Bildern, 1948.

    Antigonemodell 1948, Berlin-West 1949.

    Kalendergeschichten, Berlin-West 1949.

    Sinn und Form. Sonderheft Bertolt Brecht, Potsdam 1949.

    Theaterarbeit. 6 Aufführungen des Berliner Ensembles, hg. v. Berliner Ensemble, Dresden 1952.

    Stücke, 14 Bde., Berlin-West/Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1953–1968, Berlin-Ost (Aufbau) 1955–1968.

    Der verwundete Sokrates, Berlin-Ost 1949.

    Die Erziehung der Hirse, Berlin-Ost 1951.

    Herrnburger Bericht, Berlin-Ost 1951.

    Hundert Gedichte. 1918–1950, Berlin-Ost 1951.

    Das Verhör des Lukullus, Berlin-Ost 1951.

    Die Verurteilung des Lukullus, Berlin-Ost 1951.

    Kriegsfibel, Berlin-Ost 1955.

    Sinn und Form. Zweites Sonderheft Bertolt Brecht, Berlin-Ost 1957.

    Couragemodell 1949. Mutter Courage und ihre Kinder, Berlin-Ost 1958.

    Gedichte, 10 Bde., Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1960–1976, Berlin-Ost/Weimar (Aufbau) 1961–1978).

    Prosa, 5 Bde., Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1965, 4 Bde., Berlin-Ost/Weimar (Aufbau) 1973–1975.

    Schriften zum Theater, 7 Bde., Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1963/64, Berlin-Ost (Aufbau) 1964.

    Schriften zur Literatur und Kunst, 3 Bde., Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1967, 2 Bde., Berlin-Ost/Weimar (Aufbau), 1966.

    Schriften zur Politik und Gesellschaft, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1968, Berlin-Ost/Weimar (Aufbau) 1968.

    Gesammelte Werke, hg. v. Suhrkamp Verlag in Zusammenarbeit mit Elisabeth Hauptmann, 20 Bde., 4 gezählte Supplementbde., Frankfurt am Main 1967, 1969, 1982.

    Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe, hg. v. Werner Hecht/Jan Knopf/Werner Mittenzwei/Klaus-Detlef Müller, 30 Bde. in 33 Teilbdn., Berlin-Ost/Weimar (Aufbau) / Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1988–2000.

    Geschichten vom Herrn Keuner. Zürcher Fassung, hg. v. Erdmut Wizisla, 2004.

    Die Dreigroschenoper. Der Erstdruck 1928, hg. v. Joachim Lucchesi, 2005.

    Bertolt Brecht, Notizbücher, hg. v. Martin Kölbel/Peter Villwock, bislang 7 Bde., seit 2010. (ergänzende Elektronische Edition, Onlineressource)

    „ich lerne: gläser + tassen spülen“. Bertolt Brecht / Helene Weigel, Briefe 1923–1956, hg. v. Erdmut Wizisla, 2012.

    Brecht probt Galilei. 1955/56. Ein Mann, der keine Zeit mehr hat. Originaltonaufnahmen. Ausgew. u. komm. v. Stephan Suschke, 2020.

    „Unsere Hoffnung heute ist die Krise“. Interviews 1926–1956, hg. v. Noah Willumsen, 2022.

  • Literatur

    Biografien und Monografien:

    Walter Benjamin, Versuche über Brecht, hg. v. Rolf Tiedemann, 1966.

    Hannah Arendt, Walter Benjamin, Bertolt Brecht, 1971.

    Heiner Müller, Keuner ± Fatzer, 1981.

    Werner Mittenzwei, Das Leben des Bertolt Brecht oder Der Umgang mit den Welträtseln, 2 Bde., Berlin-Ost/Weimar 1986, Frankfurt am Main 1987. (P)

    Werner Hecht, Brecht Chronik. 1898–1956, 1997.

    Werner Hecht (Hg.), alles was Brecht ist … Fakten – Kommentare – Meinungen – Bilder, 1997.

    Günter Berg/Wolfgang Jeske, Bertolt Brecht, 1998.

    Werner Hecht, Brecht Chronik. 1898–1956. Ergänzungen, 2007.

    Erdmut Wizisla (Hg.), Begegnungen mit Bertolt Brecht, 2009.

    Jan Knopf, Bertolt Brecht. Lebenskunst in finsteren Zeiten. Biographie, 2012.

    Stephen Parker, Bertolt Brecht. A Literary Life, 2014, dt. u d. T. Bertolt Brecht. Eine Biographie, 2018.

    Handbücher und Arbeitsbücher:

    Joachim Lucchesi/Ronald K. Shull, Musik bei Brecht, 1988.

    Jürgen Hillesheim, Augsburger Brecht-Lexikon. Personen – Institutionen – Schauplätze, 2000.

    Brecht Handbuch, 5 Bde., hg. v. Jan Knopf, 2001–2003.

    Brecht Lexikon, hg. v. Ana Kugli/Michael Opitz, 2006.

    Lexikonartikel:

    N. N., Art. „Brecht, Bert(olt)“, in: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, hg. v. Herbert A. Strauss/Werner Röder, Bd. II/1, 1983, S. 148 f.

    Jan Knopf, Art. „Brecht, Bertolt“, in: Metzler Autoren Lexikon, hg. v. Bernd Lutz, 21997, S. 92–96. (P)

    Anke Hees, Art. „Brecht, Bertolt“, in: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Bd. 4, hg. v. Konrad Feilchenfeldt, 2003, Sp. 18–83. (W, L)

    Jan Knopf, Art. „Brecht, Bert(olt)“, in: Killy-Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes, hg. v. Wilhelm Kühlmann, Bd. 2, 22008, S. 149–161. (zugangsbeschränkte Onlineressource)

    Spielfilme:

    Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm, Drehbuch u. Regie: Joachim A. Lang, 2018. (mit Lars Eidinger als Brecht)

    Brecht, Drehbuch und Regie: Heinrich Breloer, 2019. (mit Tom Schilling u. Burghart Klaußner als Brecht)

  • Onlineressourcen

  • Porträts

    Gemälde (Öl/Leinwand) v. Rudolf Schlichter (1890–1955), um 1926, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München.

    10- und 25-Pfennig-Briefmarke der Deutschen Post (DDR), 1957.

    10-Mark-Gedenkmünze der Zentralbank der DDR, 1973.

    Bronzedenkmal (Sitzfigur) nach einer Zeichnung v. Fritz Cremer (1906–1993), Architekt: Peter Flierl (geb. 1929), 1988, Bertolt-Brecht-Platz, Berlin.

    70-Pfennig-Briefmarke der Deutschen Post (DDR), 1988.

    110-Pfennig-Briefmarke der Deutschen Bundespost, 1998.

    Marmorbüste v. Max Wagner (geb. 1956), 2008, Ruhmeshalle, München.

    85-Cent-Briefmarke der Deutschen Post, 2023.

    20-Euro-Sammlermünze der Bundesrepublik Deutschland, 2023.

  • Autor/in

    Erdmut Wizisla (Berlin)

  • Zitierweise

    Wizisla, Erdmut, „Brecht, Bertolt“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118514768.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA