Lebensdaten
1778 – 1842
Geburtsort
Ehrenbreitstein
Sterbeort
Aschaffenburg
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118515055 | OGND | VIAF: 73863902
Namensvarianten
  • Brentano, Clemens Wenzel Maria
  • Brentano, Clemens von
  • Brentano, Klemens
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Zitierweise

Brentano, Clemens, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515055.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Peter Anton (1735–97), kurtrierischer Geheimer Rat und Resident, Großkaufmann in Frankfurt/Main, S des aus Tremezzo eingewanderten Don Domenico Martino (1686–1755), Frankfurter Handelsherr, und der Donna Maria Elisabeth Brentano-Bonzanigo (1702–36);
    M Maximiliane (1756–93), T des kurtrierischen Geheimen Rats Georg Michael von La Roche (1720–88) und der Schriftstellerin Sophie von La Roche geborene Gutermann von Gutershofen (1731–1807), die Wieland durch lange Freundschaft verbunden war;
    Halb-B Franz (1765–1844, 1798 Antonia 1780-1869, T des Johann Melchior von Birckenstock [ 1809], bekannt durch ihren Briefwechsel mit Goethe, der sie verschiedentlich auf ihrem Gut Winkel besuchte), kurtrierischer Geheimer Rat;
    B Christian (1784–1851);
    Schw Kunigunde (Gunda, Friedrich Karl von Savigny, 1861, Rechtshistoriker), Bettina s. (1), Ludovica s. (5);
    N Franz s. (3), Lujo s. (6);
    N Maximiliane (T von Halb-B Franz, Friedrich Freiherr von Blittersdorf, 1861, badischer Staatsminister und Bundestagsgesandter);
    1) 11.12.1803 Sophie, geschiedene Gattin des Jenenser Professors Friedrich Carl Mereau, geborene Schubart (1770–1806), Schriftstellerin, 2) 21.8.1807 Auguste (1791–1832), T des Johann Jakob Bußmann (1756 bis 91), Bankier, Teilhaber des Hauses Gebrüder Bethmann, und der Maria Elisabeth Bethmann (in 2. Ehe Gmm der Cosima Wagner, 1930).

  • Biographie

    Zu Ehrenbreitstein im Haus der Großmutter La Roche geboren, verlebte B. seine ersten Kinderjahre im Haus zum Goldenen Kopf in der Großen Sandgasse in Frankfurt/Main unter vielen Geschwistern, kam sechsjährig zu der harten Tante Moehn nach Koblenz, wo er später auch das Gymnasium besuchte, war zwischendurch wieder zu Hause und in einem Heidelberger Internat, 1791-93 in einem Mannheimer Erziehungsinstitut, danach ein Semester auf der Universität Bonn. Im Herbst 1794 wurde er vom Vater in kaufmännische Lehre genommen, 1796 in eine solche nach Langensalza geschickt, wo er nicht lange aushielt, und Anfang 1797 nach Schönebeck an der Elbe zu dem Onkel Karl v. La Roche, dem Salinendirektor, um sich auf das Studium des Bergfaches vorzubereiten, das er im Sommer in Halle begann, unlustig und ohne Ergebnis. Im Frühjahr 1798 ging er dann als Student der Medizin nach Jena, wo er wenig studierte, aber mit den Führern der deutschen Romantik, mit den Brüdern Schlegel, Tieck und mit J. W. Ritter in Fühlung kam, an Savigny einen Freund gewann und starke Anregungen für seine Dichtungen erhielt, besonders von Tieck. Es entstand die literarische Satire „Gustav Wasa“, gegen Kotzebue, den Feind der Romantik, gerichtet, und der erste Band des „Godwi“ mit vielen Gedichten. Eine Liebesbeziehung zu Sophie Mereau, der Frau des Bibliothekars und Professors, die als Dichterin und Übersetzerin hervorgetreten war, führte ihn in alle Höhen und Tiefen der Liebe und nach schweren Rückschlägen 1803 zur Ehe. Inzwischen war er Savigny nach Marburg gefolgt, im Sommer 1801 in Göttingen als Student der Philosophie immatrikuliert, aber stärker dichterischem Schaffen am zweiten Band des „Godwi“ und am „Ponce de Leon“ hingegeben und der beglückenden Freundschaft mit Achim v. Arnim, unstet in Frankfurt, wieder in Jena, in Marburg gewesen, mit Arnim 1802 am Rhein gereist, hatte in Düsseldorf Theaterpläne verfolgt, aus denen das Singspiel „Die lustigen Musikanten“ erwuchs, von Liebesglück erfüllte Sommerwochen mit Sophie in Thüringen verlebt und diese nach Marburg nach sich gezogen. Dort blieben sie das erste Jahr ihrer Ehe. Nach dem raschen Tod des ersten Kindes zogen sie nach Heidelberg, wohin für den Sommer 1805 und für das Jahr 1808 auch Arnim kam und 1806 der Koblenzer Freund Josef Görres als Privatdozent, und nun die Heidelberger Romantik aufblühte.|Deren erste Frucht, „Des Knaben Wunderhorn“, Band 1, kam im Herbst 1805 heraus. B.s Eheglück, das die ersehnte Erfüllung ihm freilich nicht in vollem Maße gegeben hat, war nur von kurzer Dauer. Bei der Geburt des dritten Kindes starb Sophie. B. war wie ein Verzweifelter. Noch unsteter wurde nun sein Leben. Eine zehn Monate später unter phantastischen Umständen geschlossene Ehe mit der 16jährigen hysterischen Auguste Bußmann wurde Hölle und Farce für ihn. Nach kurzem gemeinsamem Leben in Kassel, wo er mit den Brüdern Grimm Freundschaft geschlossen, ging B. 1808 allein wieder nach Heidelberg (zweiter und dritter Band des „Wunderhorns“, Mitarbeit an der „Zeitung für Einsiedler“ u. a.), im Herbst dann mit seinem Schwager Savigny nach Landshut und, vor seiner Frau fliehend, nach München. Vom Herbst 1809 bis Sommer 1811 war er bei Arnim in Berlin, wo er an der Christlich-Deutschen Tischgesellschaft teilnahm, der er seine satirische Abhandlung „Der Philister vor, in und nach der Geschichte“ vorlas, und die Arbeit an den „Romanzen vom Rosenkranz“ wieder aufnahm, dann in Böhmen auf einem von seinen Geschwistern gekauften Gutshof Bukowan und in Prag. Die Dramen „Aloys und Imelde“ und „Die Gründung Prags“ entstanden hier. 1813 ging er nach Wien, wo er aber als Theaterdichter nicht Fuß zu fassen vermochte, und 1814 kam er nach Berlin zurück. Bei regem geselligem Leben und mancherlei schriftstellerischen Arbeiten war er hier in sich tief unbefriedigt und wie auf der Flucht vor sich selbst. Religiöse Sehnsucht, die schon in frühen Werken angeklungen war, verstärkte sich zu bitterem Leiden („Frühlingsschrei eines Knechtes aus der Tiefe“). Unter Einwirkung der jungen Luise Hensel, die, mit Leidenschaft und Sehnsucht von ihm umworben, ihn auf den Weg der Entsagung und an die katholische Kirche verwies, der er angehörte, erfolgte die entscheidende Wendung B.s. Er legte 1817 die Generalbeichte ab. Unzufrieden mit seinem bisherigen Dichten, suchte er nun seine literarischen Aufgaben im religiösen und caritativen Dienst. 5 Jahre lebte er in Dülmen in Westfalen, um die Gesichte der stigmatisierten Nonne Anna Katharina Emmerick aufzuschreiben und herauszugeben. Nach deren Tode war er in Koblenz und auf größeren Reisen für die Barmherzigen Schwestern tätig („Die Barmherzigen Schwestern in bezug auf Armen- und Krankenpflege“, 1831), lebte danach in Frankfurt und Regensburg und seit 1833 in München, still und zurückgezogen, aber noch einmal von starker Liebe zu einer Frau, der Malerin Emilie Linder, ergriffen. Er starb 1842 im Hause seines Bruders Christian in Aschaffenburg.

    Dieser unruhige Verlauf seines äußeren Lebens kennzeichnet die innere Verfassung B.s. Eine problematische Natur in dem Sinne, in dem Goethe dies Wort gebraucht, von entgegengesetzten Stimmungen zugleich erfüllt, heiße Sinnlichkeit mit überwacher Selbstreflexion verbindend und mehr als in der Wirklichkeit in einer Welt der Träume und Phantasien zu Hause, in die verfehlte Erziehungsmethoden ihn von früh auf sich hatten zurückziehen lassen, hat er nicht vermocht, einen festen Halt im Leben zu gewinnen. Die deutsch-romanische (italienisch und französisch) Blutmischung mag daran Anteil haben wie auch an seinen reichen künstlerischen Gaben. Eine übermächtige Phantasie ließ ihn die Grenzen von Dichtung und Leben verwischen, die Poesie ins Leben hineintragen, so daß er sie mehr lebte als dichtete, wofür seine reichen Briefe sprechende Zeugen sind. Sein Leben bekam so etwas Willenloses, Getriebenes. Allzuviel mit sich selbst beschäftigt, ohne mit sich fertig zu werden, hatte er etwas Selbstzerstörerisches, ja Dämonisches und konnte in sich selbst seinen fürchterlichsten Feind sehen. Den unversöhnlichen Kampf mit dem eigenen Dämon nennt Eichendorff die eigentliche Geschichte seines Lebens und Dichtens. Das Fehlen eines festen Zentrums in sich selbst trieb ihn immer wieder dazu, in der Geliebten oder im Freund seinen Halt zu suchen in einer weiblich anmutenden Hingabefähigkeit bis zum Sichfortwerfen. Seine Sehnsucht und seine Phantasie flogen dabei über alles Erleben so weit hinweg, daß dieses ihm schal wurde und immer neue Enttäuschungen brachte, die nur neue Sehnsucht weckten. Sehnsucht und Wehmut wurden so Grundtöne seiner Dichtung sowie Ironie und Witz, hinter denen sich ein an den Härten und Dissonanzen des Lebens schmerzlich leidendes Gemüt verbarg.

    So sehr hat B. Poesie gelebt, daß seine Dichtungen fast wie zufällige Früchte des Lebens wirken und ihm wenig daran lag, als Dichter anerkannt zu werden. Erzählend und singend war er ein genialer Improvisator, auch wenn er sich wiederholt um spätere Ausgestaltung und Ausfeilung des Improvisierten bemühte. Nie hat er hausgehalten mit seinem Talent. Die dichterisch wertvollsten größeren Werke, die „Chronika“ und die „Romanzen vom Rosenkranz“, sind Fragmente geblieben. Ebenso „Die mehreren Wehmüller“. Auch die Märchen kamen nicht zu dem geplanten Abschluß und erschienen erst nach seinem Tode, und er mag mehr Märchen sich ausgedacht|und erzählt haben, als überhaupt zur Niederschrift gekommen sind. Seine Gedichte hat er nicht selbst gesammelt; von so manchen gibt es verschiedene Fassungen, aber keine endgültige. Eine Gesamtausgabe der Gedichte fehlt bis heute. Zahlreiche Dramenfragmente sind überhaupt noch nicht gedruckt.

    Das erste Werk des Erzählers B., „Godwi oder das steinerne Bild der Mutter, Ein verwilderter Roman von Maria“ (I 1801, II 1802) zeigt ihn auf den Bahnen der Frühromantik. Wichtiger als das Erzählen und Gestalten ist dem jungen Dichter das Aussprechen seiner Stimmungen und seines Lebensgefühls, persönlicher Erlebnisse, Nöte und Sehnsüchte und das Bekenntnis zu einer Lebensführung, die nur aus der eigenwilligen persönlichen Eigentümlichkeit ihre Richtung gewinnt. Der zweite Teil ist noch bizarrer in der Komposition als der erste, noch „verwilderter“. Hier spielt die Ironie des Dichters mit sich selbst und seinem Werk. Der künstlerische Wert des Buches liegt im Lyrischen, Stimmungshaften der Prosa - die Nachtstimmungen werden bevorzugt - und mehr noch in den zahlreichen eingelegten Gedichten.

    Einheitlicher im Ton eines schlichten altertümlichen Erzählungsstils ist die „Chronika eines fahrenden Schülers“, die der kindlichen, gläubigen Seite von B.s Wesen entsprossen ist, seinem Erinnerungsbild der Mutter ein Denkmal setzt und Wackenroders Welt nahe steht, aber eine tiefer erlebte Darstellung des Mittelalters gibt. Die Erzählung blieb trotz späterer Überarbeitung unvollendet, weil B. ihre reine Stimmung nicht lange festzuhalten vermochte. Starke Wirkung geht auch von der komischen und spukhaften Sammelerzählung „Die mehreren Wehmüller und die ungarischen Nationalgesichter“ aus, die viel Atmosphäre und Figuren der österreichisc-ungarischen Lande in sich aufgenommen hat. Was B. auch und gerade in Zeiten tiefen Aufgewühltseins als Dichter zu leisten vermochte, zeigt die im zweiten Berliner Aufenthalt rasch entstandene „Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl“, die in einer Rahmennovelle von sehr kunstvoller und spannender Bauform und in realistischer und zugleich hintergründiger Darstellung von schweren Schicksalen erzählt, ein volkstümliches Werk im besten Sinne des Wortes. Ihr gegenüber stehen seine anderen Novellen zurück. Nicht aber seine Märchen, diese Produkte einer reichen überquellenden Phantasie nicht nur da, wo er frei erfindet, wenn auch mit Benutzung überlieferter Märchenmotive, wie in dem Märchenzyklus „Das Märchen vom Rhein und dem Müller Radlauf“, an dem seine Liebe zum Rhein und zum deutschen Wald mitgeschaffen hat, sondern auch da, wo er Märchen aus dem „Pentamerone“ des Basile nacherzählt oder vielmehr umdichtet, sie verinnerlicht, psychologisch vertieft und in eine reine höhere Sphäre hebt und trotz mancher satirischer Anspielungen auf Zeiterscheinungen den Ton zu treffen weiß, der kindlichen Zuhörern gemäß ist. Hierher gehören u. a. „Gockel, Hinkel und Gakeleia“. Dieses Märchen hat B. in späteren Jahren umgearbeitet und erweitert, um es zum Gefäß seiner Anschauungen zu machen, wobei freilich mancher ursprüngliche Reiz verloren ging.

    Der improvisierenden Art seines Schaffens lag auf dramatischem Gebiet das heitere Genre näher als das große Drama. „Ponce de Leon“, zu Goethes Preisausschreiben für das beste Intrigenlustspiel ohne Erfolg eingesandt, ist gleichwohl eine der besten romantischen Komödien, von der italienischen Komödie und Shakespeare und von der fröhlichen Heiterkeit jugendlichen Lebens mit Arnim in Göttingen befruchtet. Ein schier unersättlicher Spieltrieb wirkt sich hier aus, besonders in der Sprache. Dennoch entbehrt das Stück nicht des tieferen Sinns und persönlichen Bekennens. In stärkerem Maße ist in dem Singspiel „Die lustigen Musikanten“, das in wenigen Tagen geschaffen und u. a. von Hoffmann komponiert ist, dem leichten Spiel der Gestalten der commedia dell' arte und ihrer Fröhlichkeit tieferes Weh beigemischt. Wie andererseits das Trauerspiel „Aloys und Imelde“ zugleich auch als Komödie angesprochen werden könnte. Seine künstlerischen Werte liegen weniger im Dramatischen als im Lyrisch-Musikalischen. Das darf man auch von dem großen Drama „Die Gründung Prags“ sagen, dem ersten und einzigen Teil einer Trilogie aus der böhmischen Vorzeit, einem ideenreichen mythisierenden Werke, dem bei einer übergroßen Fülle von Geschehnissen und Personen und reicher Instrumentierung die eigentliche dramatische Handlungsführung fehlt. Dafür bietet es starke Stimmungswirkungen und große sprachliche Schönheiten. Und alle Dramen B.s enthalten unter ihren zahlreichen Liedeinlagen lyrische Kostbarkeiten.

    Lyriker war dieser Dichter in erster Linie, ein ganz ursprünglicher Lyriker, der seine Lieder improvisierend zur Laute sang, oft nur von seinen Empfindungen und Assoziationen sich leiten lassend, aber auch kunstvollen Aufbau meisternd. Nietzsche hat einmal gesagt, von allen deutschen Dichtern habe B. die meiste Musik im Leibe. Diese starke musikalische Begabung, die sowohl in dem schwingenden Rhythmus und in fortreißenden Melodien wie in reichen suggestiven Klangmitteln im einzelnen sich auswirkt, schließt bei ihm die malerischen Vorzüge nicht aus; es gelingen ihm Bildwirkungen von großer Anschaulichkeit und leuchtendem Farbenreichtum. Seine malerische Begabung zeigt sich übrigens auch direkt in seinen Zeichnungen zu seinen eigenen Büchern, allen voran in den Bildern zum Gockelmärchen.

    Am reichsten blüht B.s Lyrik in den Jahren 1802/3, da er den Volksliedton gewonnen, der aber keineswegs sein einziger bleibt, und die schöpferische Kraft seiner Phantasie in seinen Balladen geradezu auch neue Mythen geschaffen hat wie die Loreley-Sage, und dann in den Jahren, da religiöses Suchen und die Liebe zu Luise Hensel ihn tief aufwühlten und das Hinausschreien seiner Schmerzen und seiner Sehnsucht trotzdem die Form großer künstlerischer Vollendung gewann in einem Gedichtaufbau, der dem Gefühl sich öffnet und der Variation freies Spiel läßt und doch sich schließt wie ein Kreis oder eine Spirale. Zu seinem lyrischen Werk gehören auch die Romanzen vom Rosenkranz, an denen er ein Jahrzehnt lang immer wieder gearbeitet hat. Vollendet wären sie das Werk B.s geworden. Die selbst erdachte Legende von der Erfindung des Rosenkranzes wird in der Geschichte eines bologneser Geschlechtes mit einer Fülle mittelalterlicher historischer und mythischer Überlieferungen und vielen persönlichen Erlebnissen und symbolischem Ausdruck eines reichen Gehaltes durchwoben. Die spanische Romanzenform mit dem langen Durchhalten der Stimmung durch die Wiederkehr immer der gleichen Vokale am Versende und anderen Klangkünsten kommt hier zu bezaubernder Wirkung.

    Neben der reichen dichterischen Produktion ging mannigfaltige andere schriftstellerische Tätigkeit B.s einher, die zu gutem Teil aus seiner reichen Sammlung alter Bücher und Handschriften und auch aus der Aufzeichnung mündlicher Überlieferung gespeist war. „Des Knaben Wunderhorn“, das er mit Achim v. Arnim zusammen herausgegeben hat, wobei er zahlreiche Gedichte umarbeitete und auch eigene beisteuerte, hat ebenso daraus schöpfen können wie Arnims Zeitung für Einsiedler und Görres' Buch über die deutschen Volksbücher und auch die Studien und die Märchensammlung der Brüder Grimm, zu deren Gunsten B. auf den eigenen Plan einer Volksmärchensammlung verzichtet hat. Von mancherlei Neuausgaben älterer Werke, die er vorhatte, sind nur eine Bearbeitung von Jörg Wickrams „Goldfaden“ (1809) und Ausgaben von Friedrich v. Spees „Trutz Nachtigall“ (1817) und „Güldenem Tugendbuch“ (1829) erschienen. Aber auch noch seine letzten Werke zeugen von seiner reichen Belesenheit in älterer geistlicher Literatur. Aus den Aufzeichnungen, die er sich am Bette der Anna Katharina Emmerick über deren Visionen und Betrachtungen gemacht, hat er mit Umstilisierung und dichterischer Ausschmückung, nicht ohne eigene Erzählungen, Gedanken und Bekenntnisse einzuschieben und aus den Passionsbetrachtungen Martin von Kochems und aus manchen anderen Büchern zu schöpfen, zahlreiche große Manuskriptbände zusammengestellt. Von den Büchern, die daraus werden sollten, ist nur eines noch von ihm selbst ohne Nennung seines Namens veröffentlicht worden: „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesu Christi nach den Betrachtungen der gottseligen Anna Katharina Emmerick, Augustinerin des Klosters Agnetenberg zu Dülmen ( 9. Februar 1824) nebst dem Lebensumriß dieser Begnadigten“ (1833). Zwei andere erschienen erst nach seinem Tode: „Leben der heiligen Jungfrau Maria nach den Betrachtungen der gottseligen A. K. E. …“ (1852) und „Das Leben unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi nach den Gesichten der gottseligen A. K. E. … (3 Bde., 1858–60), Erbauungsbücher, die große Verbreitung gefunden haben. Das erste ist in acht Fremdsprachen, in die meisten mehrere Male, übersetzt und eines der am meisten gelesenen Andachtsbücher geworden, ein Werk tiefer Glaubensinbrunst von ergreifender Kraft der Darstellung und reiner sprachlicher Schönheit.

  • Werke

    Ges. Schrr., hrsg. v. Ch. Brentano, 1852-55 (nicht vollst.);
    Sämtl. Werke, hrsg. v. C. Schüddekopf, 1912 ff. (unvollendet, nur 9 v. 18 Bänden);
    Auswahlausgaben v. M. Preitz, 3 Bde., 1914, v. H. Amelung u. K. Viëtor, 4 Bde., 1923 (P), C. Hohoff, 2 Bde., 1948, u. a.;
    Ausgew. Gedichte z. 100. Todestag unter Benutzung d. hs. Nachlasses neu hrsg. v. Sophie Brentano u. R. A. Schröder, 1942;
    Briefe: Ges. Schrr., Bd. 8 u. 9, C. B.s Frühlingskranz aus Jugendbriefen ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte, 1844 (vgl. d. Artikel Bettina v. Arnim);
    A. v. Arnim u. die ihm nahestanden, hrsg. v. R. Steig u. H. Grimm, Bd. 1 1894: A. v. A. u. C. B. (Erg. dazu: E. Beutler. Jb. d. Freien Deutschen Hochstifts, 1934/35);
    Briefwechsel zw. C. B. u. Sophie Mereau, hrsg. v. H. Amelung, 2 Bde., 1908;
    Das unsterbl. Leben, Unbek. Briefe v. C. B„ hrsg. v. W. Schellberg u. F. Fuchs, 1939;
    C. B., Briefe, hrsg. v. F. Seebass, 2 Bde., 1951 (Ausw.);
    O. Mallon, B.-Bibliogr., 1926;
    s. a. Frels.

  • Literatur

    ADB III;
    H. Rupprich, B., Luise Hensel u. L. v. Gerlach, 1927;
    R. Guignard, C. B., 1933: P. A. v. Brentano, Schattenzug d. Ahnen d. Dichtergeschwister C. u. Bettina B., 1940;
    I. Seidel, C.|B., 1944;
    W. Pfeiffer-Belli, C. B., Ein romant. Dichterleben, 1947;Spezial-F s. Körner, S. 332 ff. - Zu Antonie: Goedeke IV/2, S. 486 (L).

  • Porträts

    Jugendbüste v. Frdr. Tieck, 1803 (Berlin, Nat.-Gal.), Abb. in: Gr. Deutsche im Bild, S. 260;
    Zeichnungen v. Wilh. Hensel, 1817–19, Wilh. v. Kaulbach, Gem. v. Emilie Linder, um 1835, Stich v. L. Grimm, 1837, Zeichnung von E. v. Steinle, 1841;
    Totenmaske (Berlin, Slg. W. Krieg).

  • Autor/in

    Paul Kluckhohn
  • Zitierweise

    Kluckhohn, Paul, "Brentano, Clemens" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 589-593 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515055.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Brentano: Clemens B., geb. 8. Sept. 1778, 28. Juli 1842, einer der geistreichsten und zugleich wunderlichsten Anhänger der sogenannten romantischen Schule, war der Sohn des aus dem Mailändischen eingewanderten reichen Frankfurter Kaufherrn Peter Anton B. und dessen zweiter Gattin Maximiliane Delaroche, über deren ungleiche Ehe die Briefe der Frau Rath, der Mutter Goethe's, so Ergötzliches zu berichten wissen. Clemens war im Hause seiner mütterlichen Großeltern zu Thal-Ehrenbreitenstein geboren; auch einen großen Theil seiner Kindheit verlebte er bei einer Tante in Coblenz. Das Naturell des Knaben war, wie das seiner Schwester Bettina, geistsprudelnd und phantasievoll, aber ungebärdig und bizarr. Kein Wunder, daß sich dieses Naturell nicht in die Enge des aufgezwungenen Kaufmannstandes fügen wollte, weder auf dem väterlichen Comptoire in Frankfurt a. M., noch in dem Laden eines ehrsamen Oel- und Branntweinhändlers in Langensalza (1795). Nach seines Vaters Tod (1797) ging B. nach Jena. Dort lebte er ausschließlich im Schlegel-Tieck’schen Kreise, in welchem die frische Werdelust der neuen romantischen Schule eben damals mit zudringlichem Ungestüm ihre ersten bedeutenden Blüthen trieb. Hier verfaßte der junge Student unter dem Pseudonym „Maria“ sein erstes Buch: „Satiren und poetische Spiele. Erstes Bändchen. Gustav Wasa“ (1800), eine Satire aus Kotzebue, sowie (1799 und 1800) seinen ersten Roman „Godwi oder das steinerne Bild der Mutter"; ein Buch, das indem es über sein eigenes und der Freunde Treiben wenig verhüllte Aufschlüsse gibt, ganz auf den Sinn der neuen Schule einging und doch durch seine renommistischen Uebertreibungen bei den Stiftern der Schule nur das peinliche Gefühl erweckte, daß die Freunde oft mehr schaden, als die schlimmsten Feinde. Nachdem sich der Jenaische Kreis aufgelöst hatte, führte B., durch seine Vermögensverhältnisse begünstigt, ein fahrendes Litteratenleben, in Dresden, am Rhein, in Wien, auf dem seinem späteren Schwager Savigny angehörigen Gut Trages bei Hanau. In diese Zeit fällt die Abfassung seines Lustspiels „Ponce de Leon" (1801), „Die lustigen Musikanten“ (1802), der „Chronika des fahrenden Schülers“ (1803). Seit 1803 lebte er in Heidelberg, mit Sophie Mereau, der geschiedenen Frau des Jenaer Professor Mereau verheirathet, mit welcher er schon in Jena allerlei Liebeshändel gehabt hatte. In Heidelberg veröffentlichte er in innigster Studiengemeinschaft mit Achim v. Arnim die herrliche, grundlegende Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ (Bd. I. 1806 mit Zueignung an Goethe, der in Nr. 18 ff. der Jenaer Litteraturzeitung von 1806 eine dem Unternehmen in der Hauptsache günstige Beurtheilung gab. Eine neue Ausgabe, aus Arnim's Nachlatz vermehrt, erschien in dessen sämmtlichen Werken Bd. 13—14 1845 bis 1846. Dritte Ausg., neu bearbeitet von A. Birlinger und W. Crecelius mit Nachweisungen der Quellen und z. Litteratur, 1874 ff.). Ferner mit Görres „Des Uhrmachers Bogs wunderbare Geschichte" (1807) (der Name Bogs ist aus den Anfangs- und Endbuchstaben der Namen Brentano und Görres gebildet) und mit anderen Freunden „Die Einsiedlerzeitung" (1808). Zu Arnim's „Trösteinsamkeit" lieferte er den „ersten Bärenhäuter“, übersetzte den Froissart, erneuerte Wickram's Historie „Der Goldfaden“ etc. Als Brentano's Frau 1806 im Kindbett gestorben, entführte er eine Nichte des Frankfurter Banquier Bethmann, Auguste Hausmann, lebte mit ihr eine Zeitlang in unglücklichster Ehe in Cassel und Landshut, und ließ sich bald wieder von ihr scheiden. Mit unzartem Witz pflegte er zu prahlen, durch diese Ehe habe er vollständig erfahren, was die Hölle sei. Darauf siedelte er nach Berlin über, wo er sehr gefeiert ward und namentlich den „Philister vor, in und nach der Geschichte“ schrieb (1811). Im J. 1811 in Prag und auf der ihm und seinen Geschwistern gehörigen böhmischen Herrschaft Bukowan, wo er ein Drama „Die Gründung Prags“ schrieb (erschienen 1815). Dann mehrere Jahre in Wien, wo er 1813 für das Hoftheater und das Theater an der Wieden die Festspiele „Am Rhein“ und „Victoria und ihre Geschwister“ schrieb, seit 1816 wieder in Berlin. Das zerfahrene, zügellose, zwischen tollem Uebermuth und ebenso toller Selbstpeinigung haltlos schwankende Wesen hatte sich durch die Reife des Mannesalters nicht gebändigt. Nach wie vor setzte er seinen ganzen Stolz darein, in allen Gesellschaften durch seinen muthwilligen Witz zu glänzen, er selbst nennt sich einen witzigen Schäker, einen vagirenden Teufelskomödianten. Und auch die Zeitgenossen sind einstimmig im Staunen über die Unerschöpflichkeit seiner sprudelnden Laune und seiner blendenden Genialität, nur vergessen sie nicht, dabei zu melden, daß er trotz alledem Allen ein unheimlicher Gesell war, durch seine hoffärtigen Tollheiten und Absonderlichkeiten, durch sein seltsames Gemisch einschmeichelndster Liebenswürdigkeit und giftig höhnender Herzenshärte. Da kam eine unerwartete Wendung. Er war als Katholik geboren; und obgleich er oft genug über die katholisirenden Dichtungen der romantischen Dichter verächtlich|als über „ein modernes, christlich aufgeschminktes Geklimper“ gespottet hatte, so war er doch, wie seine Briefe sattsam bezeugen, selbst in seiner freisten Zeit nicht freigeblieben von wundersüchtigen Anwandlungen, ja gegen Rahel sogar nicht von Bekehrungsversuchen. Jetzt wurde er unter dem Einfluß einer empfindelnden bigotten Freundin plötzlich streng kirchlich, ein eifriger Parteigänger der Jesuiten und Ultramontanen. Im nagenden Mißmuth über sein phantastisch ungezügeltes, in inhaltslosem und kokettem Genialisiren sich verzehrendes, zielloses Dasein brach er kleinmüthig in sich zusammen und fand Trost und Erhebung fortan nur in dem Gedanken, nicht sich selbst führen zu müssen, sondern von Anderen geführt zu werden. Noch glühte in ihm das alte dichterische Feuer, noch sprühte in ihm der alte muthwillige Humor; er schrieb im Jahr 1817 die tiefpoetische „Geschichte vom braven Kasperl und vom schönen Annerl" (zuerst in Gubitz' „Gaben der Milde", 1817) und die Novelle „Die mehreren Wehmüller und die ungarischen Nationalgesichter" in Gubitz' „Gesellschafter“ 1817) und „Die drei Nüsse“. Aber das krankhaft Phantastische, das den schönen Kern auch dieser Dichtungen trübt und umhüllt, überwog allmählich mehr und mehr und verlor sich zuletzt in die wahnwitzigste Mystik. Volle sechs Jahre (1818—24) verweilte Brentano zu Dülmen in Westfalen in der gottseligen Betrachtung der Leiden der stigmatisirten Jungfrau Katharina Emmerich und führte bis zu ihrem Hinscheiden über ihre Verzückungen, Gesichte und Offenbarungen ein Tagebuch, das nicht weniger als vierzehn Bände umfaßt und aus denen später das „Leben der heiligen Jungfrau Maria“ erschien (1852, den schon von Clemens B. begonnenen Druck setzte sein Bruder Christian später fort). Und in diesem pathologischen Zustand verharrte B. bis an sein Ende. Seit seinem Weggang aus Dülmen unablässige jahrelange Propagandareisen am Rhein, in der Schweiz, in Elsaß und Lothringen. Seit 1833 in München im innigsten Verkehr mit den Gleichgesinnten. Außer geistlichen Liedern beschränkte sich B. jetzt nur auf die Ausarbeitung der schon aus früherer Zeit stammenden Rheinmärchen, von denen „Gockel, Hinkel, Gakeleia“ (1838) zu einem selbständigen Buche anwuchs. 1842 starb B. an der Wassersucht, im Hause seines Bruders Christian zu Aschaffenburg. Vgl. Frühlingskranz von Bettina 1844 und Clemens Brentano's Gesammelte Briefe 1855. Gesammelte Schriften, 7 Bände, 1851—55. Eine interessante Schilderung des Dichters vom Standpunkte seiner katholischen Gesinnungsgenossen aus geben Görres' Erinnerungen an Cl. B. in den Histor.-polit. Blättern Bd. XIV f. Sicherlich hatte Clemens B. eine reiche dichterische Begabung und einen sehr feinen Sinn für das Poetische. Besonders ausgezeichnet ist sein schlichtinniger, echt volksmäßiger Liederton. Dieser Zug trat schon in seinem ersten Roman „Godwi“ hervor. In dem schönen Liede „Da sind wir Musikanten wieder, die nächtlich durch die Straßen zieh'n“, liegt der künftige Eichendorff; die Ballade von der Loreley hat sich zu einer volksthümlichen Sage ausgebildet, die späteren Dichtern die fruchtbarsten Motive bot. Auch einige seiner geistlichen Lieder sind noch von gleicher Trefflichkeit. Und dieser volksthümliche Zug, welcher ihn zu einem so thätigen und eingreifenden Mitarbeiter an des Knaben Wunderhorn machte, klingt auch in der Geschichte vom braven Kasperl und schönen Annerl wieder. Wo aber B. zu größeren Schöpfungen fortschreiten will, da versagt ihm die Kraft, da wird er formlos, witzelnd, tollpossenhaft, phantastisch irrlichtelirend. Schon in der Erzählung, noch mehr im Drama, selbst Ponce de Leon, so anmuthig durch den leichten Witz des Dialogs und durch die Frische der eingelegten volksthümlichen Lieder, ist ohne feste Charakterzeichnung, ohne durchgreifende Handlung. Ihn und seinen Freund Arnim hatte Goethe im Auge, als er von|einer Epoche der forcirten Talente sprach. Ueberreizt wie sein Dichten, war daher auch sein religiöses Treiben.

    • Korrektur

      |Klemens Brentano. Ein Lebensbild, von P. J. Bapt. Diel, S. J., herausgeg. von Wilh. Kreiten, S. J. Freiburg 1878.

  • Autor/in

    Hettner.
  • Zitierweise

    Hettner, Hermann, "Brentano, Clemens" in: Allgemeine Deutsche Biographie 3 (1876), S. 310-313 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118515055.html#adbcontent

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