Lebensdaten
1781 – 1831
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Wiepersdorf (Mark)
Beruf/Funktion
Dichter ; Schriftsteller ; Liederdichter ; Dramatiker
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118504177 | OGND | VIAF: 100175755
Namensvarianten
  • Arnim, Karl Joachim Friedrich Ludwig von (eigentlich)
  • Arnim, Ludwig Joachim von
  • Arnim, Achim von
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Zitierweise

Arnim, Achim von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118504177.html [13.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Joachim Erdmann von Arnim (1741–1804), Gesandter in Kopenhagen und Dresden, 1776-78 Directeur des spectacles unter Friedrich dem Großen;
    M Amalie Caroline von Labes (1761–81), aus neugeadelter Juristenfamilie;
    Gvv Otto von Arnim (1682–1748);
    Gmv Anna Louise von Arnim (1710–1785);
    Gmm Caroline Marie Elisabeth von Labes, geborene Daum (1730–1810), Bankierstochter und Witwe von Michael Gabriel Fredersdorf, Geheimkämmerer Friedrichs des Großen;
    B Karl Otto Ludwig von Arnim (1779–1861), Schriftsteller;
    Berlin 11.3.1811 Bettina Brentano (s. 5);| Ahnfrau Maria Margaretha von Arnim, Schw von Hans Georg von Arnim (s. 8).

  • Biographie

    A. wurde, da seine Mutter nach seiner Geburt gestorben war, mit seinem älteren Bruder Karl Otto im Hause der Großmutter von Labes in Berlin im Viereck (Pariser Platz) erzogen. 1793-98 war er Schüler des Joachimsthalschen Gymnasiums (Hauptneigung Mathematik), 1798-1800 studierte er Jurisprudenz sowie Mathematik und Physik in Halle: dort machte er im Hause des Kapellmeisters J. F. Reichardt die Bekanntschaft von L. Tieck. 1800/01 setzte er das Studium in Göttingen fort, wo er im Sommer 1801 Freundschaft mit C. Brentano schloß. Seine erste Veröffentlichung war der „Versuch einer Theorie der elektrischen Erscheinungen“ (Halle 1799); fortan betätigte er sich bis 1806 als Mitarbeiter an den „Annalen der Physik“ seines Lehrers L. W. Gilbert. Es folgte 1801-04 die große Bildungsreise mit seinem Bruder nach Dresden (Umgang mit Tieck), Prag, Regensburg, München, Wien, Frankfurt (Juni 1802 Rheinreise mit Brentano), Stuttgart, durch die Schweiz nach Oberitalien und Frankreich (in Paris Bekanntschaft mit Friedrich und Dorothea Schlegel, Mitarbeit an Schlegels „Europa“ und Helmina von Chézys „Französische Miszellen“), London, Wales, Schottland, Holland. Durch den Tod des Vaters wurde A. 1803 Herr von Wiepersdorf im Ländchen Bärwalde bei Jüterbog und von mehreren Gütern in der Uckermark. Er nahm seinen Wohnsitz in Berlin, dazwischen lebte er 1805 in Heidelberg mit Brentano (Arbeit für „Des Knaben Wunderhorn“, Band 1, 1806, d. h. Herbst 1805), seit Juni 1806 in Halle und Göttingen, vom November 1806 bis September 1807, dem preußischen Königspaar folgend, in Königsberg, ging über Weimar (Goethe), Kassel (Brüder Grimm) nach Heidelberg (Januar bis November 1808 mit Brentano und J. Görres). 1809-13 war er wieder in Berlin, gründete die „Christlich-Deutsche Tischgesellschaft“ preußischer Patrioten (1811) und arbeitete an den „Berliner Abendblättern“ H. von Kleists u. a. Zeitschriften mit. 1813 führte er als Hauptmann ein Berliner Landsturmbataillon und war Redakteur des „Preußischen Correspondenten“. Von 1814 bis zu seinem Tod lebte A. zur Bewirtschaftung seiner Güter in Wiepersdorf, zwischendurch in Berlin und auf Reisen.

    A. war ein preußischer Edelmann der besten Art, fest verwurzelt in der heimatlichen Scholle, mit Sinn für Tradition und Ehrfurcht vor der Vergangenheit, von sicherem Auftreten, aufrichtig und liebenswürdig, „eine ritterliche Erscheinung im besten Sinne“ (Eichendorff), zu gerade zum Hofdienst und über Formen, die er mit Selbstverständlichkeit beherrschte, sich doch auch hinwegsetzend, zum Scherz geneigt, lebensfreudig, ein zuverlässiger, anderen Halt gebender Freund. Die tatkräftig zupackende Hand und den sicheren Blick des Landmanns für die realen Dinge verband er mit der Universalität des Bildungsstrebens seiner Zeit, mit einfachem starkem Glauben an jenseitige Mächte und ihr Eingreifen in die irdische Gegenwart und mit einer weitschweifenden, überreichen Phantasie, die ein Hauptcharakteristikum seines Schaffens wurde. Seine dichterischen Werke, mehr Erzeugnisse dieser Phantasie als Ausdruck persönlichen Erlebens, sind oft nur erster Wurf und Schöpfungen glücklicher Improvisation. Strenges, bewußtes Ausarbeiten und Ringen um letzte Vollendung lagen ihm nicht. Er wußte seiner überschäumenden Phantasie keine Grenzen zu setzen. So konnte Goethe sein Dichten mit einem Faß vergleichen, „wo der Böttcher vergessen hat, die Reifen festzuschlagen, da läuft's denn auf allen Seiten heraus“. „Es ist wahr“, sagte W. Grimm, „manchmal war der Becher zu klein, und der Wein strömte über, oder er war zu groß und wurde nicht bis zum Rande gefüllt, immer aber war der Duft, der davon aufstieg, rein und erfrischend“.

    Trotz der Fülle der Gedichte, die er geschaffen und in seine erzählenden und dramatischen Werke eingestreut hat, war A. kein Lyriker. Allzu leicht ließ er sich von Reim und Metrum forttragen und von Assoziationen leiten. Nur vereinzelt gelangen ihm kleine lyrische Gebilde, die Eichendorff vorwegzunehmen scheinen, wie die Verse „Mir ist zu licht zum Schlafen“, oder Gedichte, in denen die Männlichkeit seines Wesens echtes Pathos gewinnt, wie der „Rundgesang an die Unterdrücker des Werdenden“, der bei seinem Erscheinen in der „Zeitung für Einsiedler“ auf die Jugend stark gewirkt hat. Auch seine Bearbeitungen von Volksliedern in der Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ sind weniger musikalisch und gegenständlich als die von Brentano, zeigen aber einen harten Marschrhythmus und viele willkürliche Eingriffe. Diese Volksliedersammlung, die nicht bloß Volkslieder enthielt, verfolgte keine gelehrten Zwecke, sondern erstrebte unmittelbare lebendige Wirkung auf das deutsche Volk in seiner Gesamtheit. Altes Sangesgut verschiedener Zeiten und Schichten sollte zu neuem Leben erweckt, die sog. Gebildeten mit der Poesie des Volkes bekanntgemacht und dem Volke aus der Poesie der Gebildeten zugeführt werden, was ihm gemäß sei. „Die Nation selbst hat in diesen Gesängen ihr Inneres aufgetan“, schrieb Görres in einer begeisterten Besprechung. In der Tat hat keine|andere Gedichtsammlung so stark sowohl auf das Publikum als auf die Dichter gewirkt. Die meisten Lyriker des 19. Jahrhunderts stehen unter ihrem Einfluß und die Vorstellungen vom Volkslied sind weithin von ihr bestimmt worden. Dem gleichen Ziele, „verlorene Töne der Poesie“ dem Volke wieder zuzuführen, Schätze vergangener Zeiten zu heben und „die hohe Würde alles Gemeinsamen, Volksmäßigen darzustellen“, dienten die von A. in Heidelberg herausgegebene „Zeitung für Einsiedler“ (1808), die, in Buchform gesammelt, den Titel „Tröst Einsamkeit“ erhielt, und auch Nacherzählungen älterer Novellen in der Sammlung „Der Wintergarten“ (1809) und Nachdichtungen älterer Dramen in der „Schaubühne“ (1813).

    Seine eigenen Erzählungen beginnen mit dem kleinen Roman „Hollins Liebeleben“ (1802), der noch in der Nachfolge von Goethes „Werther“ steht. Bedeutender ist der Roman „Armut, Reichtum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores, Eine wahre Geschichte zur lehrreichen Unterhaltung armer Fräulein aufgeschrieben“ (1810), ein Gegenwartsroman, der eine hohe und ernste Auffassung der Ehe und ihrer sittlichen Verpflichtungen und der Forderungen der Gemeinschaft vertritt und zu Bildungs-, sozialen und politischen Fragen der Zeit vom Standpunkt der Tradition und des historisch Gewordenen Stellung nimmt. Die Komposition des Werkes leidet unter allzu vielen Episoden und Einschüben, und die Darstellung des Seelischen ist weniger gelungen als die ethischen Absichten. In dem Roman „Die Kronenwächter oder Bertholds erstes und zweites Leben“ (Band 1, 1817, Band 2 unvollendet) hat A. vor der Einwirkung Walter Scotts einen historischen Roman von hohem Range geschaffen, der eine vergangene Zeit, das 16. Jahrhundert, in vielen Einzelheiten anschaulich lebendig zu machen weiß und den realen Vorgängen zugleich symbolische Bedeutung gibt. Wie hier hat A. auch in anderen Erzählungen reale historische Geschehnisse mit Märchen- und Sagenmotiven verschiedener Art verbunden, z. B. in „Isabella von Ägypten, Kaiser Karls V. erste Jugendliebe“ die feste und lebensfreudige, plastisch gestaltete Welt flandrischen Bürgerlebens zur Zeit Karls V. nicht nur mit mythischem Zigeunerwesen, sondern auch mit einem Alraun und anderen Spukgestalten durchwoben, die er, wie E. Th. A. Hoffmann seine Gespenster, mitten aus dem realen Leben aufsteigen läßt. Die in dem gleichen Bande „Novellen“ (1812) erschienene Erzählung „Die drei liebreichen Schwestern und der glückliche Färber“ ist im Gegensatz dazu eine realistische Erzählung aus der Zeit Friedrich Wilhelms I. mit sehr lebendiger Menschengestaltung, scharfer Beobachtung der Umwelt und erfrischendem Humor. Dieses Nebeneinander von Werken überquellender Phantasie, die die Grenzen des Wirklichen weit überschreitet, und wirklichkeitsnahen Erzählungen mit anschaulicher Gestaltung ist für A.s reiches Erzählungswerk überhaupt charakteristisch. Aus den Erzählungen der zweiten Art sei noch „Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau“ (1818) herausgehoben, in ihrer streng geschlossenen Komposition, psychologischen Problemstellung und lebendigen Charakteristik eine meisterhafte Novelle, in der A. von Kleist gelernt hat.

    Ist der reiche Erzähler A. heute noch viel zu wenig bekannt und gewürdigt, so gilt das erst recht von dem fast vergessenen und schon zu seiner Zeit kaum beachteten Dramatiker. Manche dramatischen Werke A.s stehen auf der Grenze von Dramatik und Epik in jener unheilvollen Vermengung der Gattungen, zu der Tieck verführt hatte, oder haben wie „Die Gleichen“ (1819) mehr dichterische und ethische als eigentlich dramatische Werte. Dennoch besaß A. eine ursprüngliche dramatische Begabung. Das kann z. B. ein Vergleich seines sehr lebendigen Studentenspiels „Halle und Jerusalem, Studentenspiel und Pilgerabenteuer“ (1811) mit der Vorlage, dem Drama „Cardenio und Celinde“ des Andreas Gryphius, zeigen oder die Charaktere des Dramas „Der Auerhahn“ (1813) oder des späten Dramas "Woldemar“ und dessen straffer dramatischer Bau mit analysierender Technik. Auch auf die knappe und lebendige Handlungsführung des kleinen Schauspiels „Die Vertreibung der Spanier aus Wesel im Jahre 1629“ sei hingewiesen, das in der Tat eines klugen, entschlossenen Mannes für die Zeit des Dichters ein Beispiel geben will. Diesem Ziel dienten auch das „heroische Lustspiel“ „Die Kapitulation von Oggersheim“, ein sehr ergötzliches Stück voll Situations- und Charakterkomik, sowie das Puppenspiel „Die Appelmänner“, das saftige Fröhlichkeit und die überraschendsten märchenhaften Wendungen mit ernstem Gehalt und lebendiger Charaktergestaltung vereint. Nur ein Teil der Dramen A.s wurde von ihm selbst veröffentlicht, andere erst aus dem Nachlaß in den „Werken“; mehrere sind bis heute ungedruckt geblieben.

    Die historische Bedeutung des Dichters A. liegt einmal trotz seiner überquellenden Phantasie in der Wendung zu realistischer Darstellung, die er sowohl in seinen Erzählungen wie in seinen Dramen genommen hat, und zum anderen in der Neubelebung alten dichterischen Gutes, in erster Linie in|der Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“. Er hat damit wie als Tagesschriftsteller die innere Neugeburt und den Geist der Befreiungskriege vorbereiten helfen. Sein Leben lang ist er für das Echte, Lebendige und für Erhaltung wertvoller Tradition eingetreten und hat das Bewußtsein der Abhängigkeit des Einzelnen von überpersönlichen Mächten und die Wendung vom Subjektivismus zur Gemeinschaft gestärkt.

  • Werke

    Sämtl. Werke, hrsg. v. W. Grimm (u. Bettina v. A.), 22 Bde., 1839–56;
    Ausw., hrsg. v. R. Steig, 3 Bde., 1911;
    Ausw., hrsg. v. A. Schlier, 3 Bde., 1920;
    Dt. Lit. in Entwicklungsreihen, Reihe Romantik, hrsg. v. P. Kluckhohn, Bd. 10, 12, 17-19, 21-23, 1934 ff., A. v. A. u. die ihm nahe standen, hrsg. v. R. Steig u. H. Grimm, Bd. 1: A. v. A. u. C. Brentano, 1894 (wesentl. Berichtigungen u. Ergg. b. E. Beutler, in: Jb. d. Freien Dt. Hochstifts, 1934/35, S. 367 ff.), Bd. 2: A. v. A. u. Bettina Brentano, 1913, Bd. 3: A. v. A. u. J. u. W. Grimm, 1904 (Briefwerk, mit Biogr. u. P); s. a. Körner.

  • Literatur

    ADB I;
    Goedeke VI, 1898, S. 67-77;
    A. v. A. u. die ihm nahe standen (s. W);
    R. Guignard, A. v. A., Paris 1936;
    I. Seidel, A. v. A., 1944; s. a.
    A.-Bibliogr., hrsg. v. O. Mallon, 1925;
    Körner, S. 332 ff.

  • Porträts

    v. P. E. Ströhling, 1804 (Familienbesitz in Wiepersdorf);
    Totenmaske (Berlin, Slg. W. Krieg).

  • Autor/in

    Paul Kluckhohn
  • Zitierweise

    Kluckhohn, Paul, "Arnim, Achim von" in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 365-368 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118504177.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Arnim: Ludwig Joachim v. A., einer der freisinnigsten Anhänger der sg. romantischen Schule, geb. 26. Juni 1781 zu Berlin, 21. Jan.1831. Er studirte in Halle und Göttingen Naturwissenschaften und schrieb sogar einige naturwissenschaftliche Abhandlungen für Zeitschriften; aber schon früh überwogen in ihm die dichterischen Neigungen. Besonders an Goethe's und Herder's ersten Schriften hatte er seinen Sinn für das Ursprüngliche und Naturwüchsige der Volkspoesie genährt; und diese Richtung war es besonders, welche ihn alsbald in die Reihen Tieck's und der beiden Schlegel führte. Reisen durch alle Theile|Deutschlands, durch die Schweiz und Oberitalien, durch Frankreich und England wurden von ihm unternommen, eigens um Volkslieder zu sammeln. Die Ausbeute dieser Studien war die in den J. 1806—1808 von ihm im Verein mit seinem Freund Clemens Brentano in Heidelberg herausgegebene Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“. Seit 1810 lebte er, mit Brentano's Schwester Bettina verheirathet, abwechselnd in Berlin und auf seinem Gute Wiepersdorf bei Dahme in der Mark. Aus dieser Zeit stammen seine zahlreichen Dichtungen, die durchaus im Sinn der romantischen Schule gehalten sind. Die bekanntesten dieser Dichtungen sind die Romane „Armuth, Reichthum, Schuld und Buße der Gräfin Dolores" (1810) und „Die Kronenwächter“ (1817), das Schauspiel „Halle und Jerusalem“ (1811), einige kleinere Novellen, wie „Isabella von Aegypten“, „Kaiser Karls V. erste Jugendliebe", und die unter dem Titel „Landhausleben“ gesammelten Erzählungen. „Sämmtliche Werke“ 1839—1856 herausgegeben von Bettina unter der Aegido Wilhelm Grimm's.

    Das bleibendste Verdienst hat sich Achim v. A. um die deutsche Litteratur durch des Knaben Wunderhorn erworben. Diese Volksliedersammlung ist zwar weit entfernt von den Ansprüchen, welche wir heutzutage an philologische Genauigkeit und urkundliche Treue zu stellen gewohnt sind: aber sie ist von einer dichterischen Feinfühligkeit, die für die gesammte deutsche Lyrik der Folgezeit die reichsten Früchte getragen hat. Die eigenen Dichtungen Arnim's sind zum größten Theil bereits dem jetzigen Geschlecht völlig entfremdet. Sie sind zwar anziehend durch viele überaus feine und ächt dichterisch empfundene Einzelheiten, ja zuweilen auch durch ergreifende Ansätze großen historischen Stils, aber als Ganzes doch ebenso wie die Dichtungen seines Freundes und Schwagers Brentano und seiner Gattin Bettina phantastisch forcirt, verschwimmend formlos, ohne feste Composition und Charakterzeichnung, ja ohne einheitliche Grundideen; sie sind, um ein Gleichniß Goethe's zu gebrauchen, „wie ein Faß, das überall ausläuft, weil der Bötticher vergessen hat, die Reifen festzuschlagen." Nur einzelnen kleineren Novellen gelingt die volle künstlerische Durchbildung: „Fürst Ganzgott und Sänger Halbgott“ und „Der tolle Invalide auf dem Fort Ratonneau“, sind sogar unvergleichliche Meisterstücke tiefsten Humors. Gleichwol ist A. eine der liebenswürdigsten und wohlthuendsten Erscheinungen in den Wirrnissen der deutschen Romantik. Eine innerlich gefaßte und vornehme Natur, hat er sich nie in die romantischen Phantastereien genialisirender Libertinage oder katholisirender Frömmelei verloren; was A. aus der Romantik gewonnen hatte, war, wie namentlich „Die Kronenwächter“ bezeugen, eine im schönsten Sinn ritterliche, tief patriotische Gesinnung. (Vgl. Goed. Grdr. III. S. 37 ff.)

  • Autor/in

    Hettner.
  • Zitierweise

    Hettner, Hermann, "Arnim, Achim von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 1 (1875), S. 557-558 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118504177.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA