Lebensdaten
1834 – 1919
Geburtsort
Potsdam
Sterbeort
Jena
Beruf/Funktion
Zoologe ; Naturphilosoph
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118544381 | OGND | VIAF: 73923565
Namensvarianten
  • Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August
  • Haeckel, Ernst
  • Haeckel, Ernst Heinrich Philipp August
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Zitierweise

Haeckel, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118544381.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl (1781–1871), preuß. Oberregierungsrat f. Kirchen- u. Schulsachen in Merseburg, S d. Christian, Bleichereibes. in Kunnersdorf/Schlesien, u. d. Joh. Regina Rilke;
    M Charlotte (1799–1889), T d. Christoph Sethe (1767–1855), preuß. WGR, Chefpräs. d. Rhein. Revisions- u. Kassationshofs in Berlin (s. ADB 34), u. d. Philippine Sack;
    B Karl (1824–97), Landgerichtsrat in Potsdam;
    - 1) Berlin 1862 Anna (1835–64, Cousine), T d. Chrstn. Sethe (1798–1857), Provinzialsteuerdir. in Stettin, Geh. Finanzrat (s. ADB 34), u. d. Theodore Bölling, 2) Jena 1867 Agnes (1842–1915), T d. Emil Huschke (1797–1858), Prof. d. Anatomie u. Physiol. in J., u. d. Emma Rostosky;
    1 S, 2 T aus 2), Walter (1868–1939), Maler u. Schriftsteller, Elisabeth ( Hans Meyer, 1858–1929, Prof. d. Geogr. u. Chef d. Bibliogr. Inst. in Leipzig), Emma (gemütskrank).

  • Biographie

    H. war bereits als Schüler ein ausgezeichneter Pflanzenkenner und wollte Botaniker werden, studierte jedoch, auf Wunsch der Eltern seit 1852 in Berlin, Würzburg und Wien Medizin. Unter dem Einfluß von Kölliker, Leydig und H. Müller galt sein besonderes Interesse der vergleichenden Anatomie und Histologie, außerdem fesselte ihn in Würzburg die „mechanische Auffassung der Lebensvorgänge“ von Virchow, dem er kurze Zeit (1856) assistierte. Die Richtung seiner späteren zoologischen Arbeiten bestimmte Johannes Müller (Berlin) der (neben Kölliker) H. für das Studium der niederen Seetiere (Helgoland 1854, Nizza 1856) begeisterte. H. promovierte 1857 mit einer Dissertation über die Gewebe des Flußkrebses in Berlin, bestand dort 1858 das Staatsexamen und gab danach die Medizinerlaufbahn auf, um sich der vergleichenden Anatomie und Zoologie zu widmen. Auf einer Studienfahrt in Italien (1859/60) arbeitete er über Radiolarien und entdeckte 144 neue Arten. Auf Anraten und mit Unterstützung des Anatomen C. Gegenbaur habilitierte sich H. 1861 auf Grund einer Abhandlung über die Grenzen und Ordnungen der Rhizopoden an der Medizinischen Fakultät in Jena für vergleichende Anatomie, wurde 1862 außerordentlicher Professor und trat 1865 als Ordinarius für Zoologie in die Philosophische Fakultät über; gleichzeitig gründete er ein Zoologisches Institut. H. lehnte ehrenvolle Berufungen (Würzburg, Wien, Straßburg, Bonn) ab und blieb bis zu seinem Tode in Jena (Emeritierung 1909).

    Die fachzoologischen Arbeiten H.s (zum Teil große Monographien) behandeln die Morphologie, Systematik (Beschreibung von rund 4000 neuen Arten) und die Entwicklungsgeschichte der Radiolarien, Medusen, Siphonophoren, Schwämme und Echinodermen und waren für spätere Bearbeiter dieser Tiergruppen unentbehrlich. Das mit den Methoden der vergleichenden Anatomie und der Embryologie ermittelte System der Organismen deutete H. im Sinne der Lehre Darwins, für die er seit 1862 leidenschaftlich eintrat. Programm und Ziel seiner Bemühungen um den Ausbau der Darwinschen Theorie enthält die „Generelle Morphologie der Organismen“ (1866), in der die Morphologie in Anatomie (Struktur- und Grundformenlehre) und Morphogenie (Entwicklungsgeschichte) gegliedert wird. Die Morphogenie ist nach H.s Auffassung durch die kausale Verknüpfung von Ontogenie und Phylogenie (Individual- und Stammesentwicklung) bedingt, die er 1872 als „Biogenetisches Grundgesetz“ (Rekapitulation der Phylogenie in der Ontogenie) bezeichnete. Das natürliche System soll die realen Abstammungsverhältnisse der Organismen widerspiegeln und umfaßt die Protisten („Urwesen“), Pflanzen und Tiere. Um die stammesgeschichtliche Entwicklung zu veranschaulichen, entwarf H. zahlreiche „Stammbäume“ mit Einschluß des Menschen; außerdem wurde von ihm eine Hypothese von der Entstehung erster kernloser Lebewesen (Moneren) aus anorganischer Materie aufgestellt. Bereits 1866 vertrat er die „Einheit der Natur“, wonach der Kosmos („das allumfassende Naturganze“) sowohl im anorganischen als auch im organischen Bereich durch das „allgemeingültige Kausalgesetz“ beherrscht wird. Dementsprechend bildet nach H. nicht nur die Naturwissenschaft, sondern die Wissenschaft überhaupt eine Einheit: „Alle wahre Naturwissenschaft ist Philosophie und alle wahre Philosophie ist Naturwissenschaft. Alle wahre Wissenschaft aber ist Naturphilosophie.“ Die Vorstellung eines „persönlichen Schöpfers“ lehnte er ebenso ab wie die Trennung von Materie und Geist und stellte solchen „dualistischen Auffassungen“ seinen „Monismus“ entgegen. Danach sind Kraft und Stoff (Geist und Materie) untrennbar miteinander verbunden und können nicht losgelöst voneinander wirksam werden. Die Summe aller Kräfte, also auch aller Materie, ist Gott als notwendige Ursache aller Dinge und als das Kausalgesetz selbst („Gott = Natur“).

    Die Frühstadien der Embryonalentwicklung bezeichnete H. als Morula, Blastula und Gastrula (1872); die zweischichtige Gastrula war für ihn nach dem „Biogenetischen Grundgesetz“ ein Abbild der hypothetischen Stammform („Gastraea“) der vielzelligen Tiere. Auf dieser Annahme basiert seine „Gastraea-Theorie“ (1874-77) vom einheitlichen Ursprung aller Metazoen und von der Homologie der beiden primären Keimblätter.

    Die Mannigfaltigkeit der organischen Formen beruht nach H. auf der Wechselwirkung zwischen Vererbung und Anpassung unter dem Einfluß der Selektion, wobei als „formende Substanz“ der Zellkern die „konservative“, das Plasma die „progressive Vererbung“ bewirken soll. Die Fixierung günstiger individueller Anpassungen erklärte H. rein spekulativ durch Abänderung der Molekularbewegung der „Plastidule“ (Lebensteilchen). Vergleichende Anatomie und Ontogenie blieben für H. auch später die wichtigsten Urkunden der Stammesgeschichte, während die Paläontologie ihm vor allem die historische Folge der einzelnen Gruppen bestätigte („Systematische Phylogenie“, 1894-96). Die Bedeutung der Fortschritte der Zytologie und der Genetik nach der Wiederentdeckung Mendels (1900) hat H. verkannt.

    Durch erfolgreiche populäre Vorträge und Werke (unter anderem „Natürliche Schöpfungsgeschichte“, 1868) hat H. wesentlich zur Verbreitung der Entwicklungslehre beigetragen. Das Ringen um eine Weltanschauung auf naturwissenschaftlicher Grundlage kommt vor allem in dem aufsehenerregenden Buche „Die Welträtsel“ (1899) zum Ausdruck. Der Kampf gegen kirchliche Dogmen und H.s oft nicht sicher gegründeten theoretischen Verallgemeinerungen führten sowohl mit weltanschaulichen Gegnern als auch mit Fachwissenschaftlern zu scharfen Auseinandersetzungen, die sich in einer Reihe von Streitschriften widerspiegeln.

    Charakteristisch für H. sind seine künstlerischen Bestrebungen, die auch die Abbildungen in den wissenschaftlichen Werken beeinflußt haben. Auf vielen Reisen, darunter zwei Tropenfahrten (Ceylon 1881/82, Java und Sumatra 1900/01) entstanden zahlreiche Aquarelle und farbige Reiseschilderungen, die heute noch ihre Anziehungskraft ausüben. Aus diesen Neigungen erwuchs der Leitsatz seiner „Monistischen Naturreligion“ vom „Wahren, Guten und Schönen“, den auch das Tafelwerk „Kunstformen der Natur“ (1899-1904) illustriert.

    Wertvolle Anregungen hat H. als akademischer Lehrer zahlreichen Schülern (unter anderem A. Dohrn, O. und R. Hertwig, A. Lang, Johann Walther, H. Driesch, W. Kükenthal) vermittelt, die später jedoch vielfach andere Auffassungen, besonders bezüglich der Phylogenie, vertraten. Jena verdankt ihm das „Phyletische Museum“ (Museum für Abstammungslehre), die Übereignung seines umfangreichen Nachlasses und Wohnhauses (Ernst-Haeckel-Haus und Institut für Geschichte der Biologie) sowie eine Reihe von Stiftungen (unter anderem eine außerordentliche Professur für Phylogenie).

    H. hat die Entwicklung der neueren Zoologie nachhaltig beeinflußt. Von ihm erstmals geprägte Begriffe (unter anderem Ontogenie, Phylogenie, Ökologie, Chorologie) haben sich eingebürgert, das „Biogenetische Grundgesetz“ und die „Gastraea-Theorie“ werden noch heute diskutiert. Seine naturwissenschaftlich-materialistischen und weltanschaulichen Ansichten haben in Zustimmung und Widerspruch zur Klärung der Probleme beigetragen. Das Ungestüm, mit dem H. „gegen althergebrachte ehrwürdige Glaubenssätze und Vorstellungen Sturm lief, war die Quelle seiner Kraft, als es galt, dem Darwinismus freie Bahn zu brechen und der zoologischen Wissenschaft frische Impulse und neues Leben zu verleihen“ (R. Hertwig).

    H. gehörte rund 90 gelehrten Gesellschaften und Akademien an, die ihm zum Teil hohe wissenschaftliche Auszeichnungen verliehen.

  • Werke

    Weitere W u. a. Die Radiolarien, 1862;
    Zur Entwicklungsgesch. d. Siphonophoren, Utrecht 1869;
    Die Kalkschwämme (Calcispongiae), 3 Bde., 1872;
    Anthropogenie od. Entwicklungsgesch. d. Menschen, 1874;
    Die Perigenesis d. Plastidule od. d. Wellenzeugung d. Lebensteilchen, 1876;
    Biolog. Stud., H. 1 u. 2, 1870/77;
    Freie Wiss. u. freie Lehre, 1878;
    Das System d. Medusen, 2 T., 1879-80;
    Ind. Reisebriefe, 1882;
    Grundriß e. allg. Naturgesch. d. Radiolarien, 1887;
    Report on the Radiolaria, on the Siphonophorae, on the Deep-Sea Keratosa collected by H. M. S. Challenger, London 1887, 1888, 1889;
    Plankton-Stud., 1890;
    Der Monismus als Band zw. Rel. u. Wiss., 1892;
    Aus Insulinde, 1901;
    Die Lebenswunder, 1904;
    Der Kampf um d. Entwicklungsgedanken, 1905;
    Sandalion, 1910;
    Gottnatur (Theophysis), 1914;
    Fünfzig J. Stammesgesch., 1916;
    Kristallseelen, 1917;
    Gemeinverständl. Werke, hrsg. v. H. Schmidt, 6 Bde., 1924.

  • Literatur

    W. Bölsche, E. H., ein Lb., 1900;
    W. May, E. H., Versuch e. Chronik s. Lebens u. Wirkens, 1909 (W, L);
    Was wir E. H. verdanken, hrsg. v. H. Schmidt, 2 Bde., 1914 (W, P);
    Dem Andenken an E. H., Btrr. v. Heider, Walther, R. Hertwig, Ziehen, Krumbach, in: Naturwiss. Berlin 7, 1919, Sonderh. (W, P);
    O. Taschenberg, in: Leopoldina 55, 1919;
    J. Schaxel, in: Naturwiss. Wschr. NF 19, 1920;
    M. Verworn, in: Zs. f. allg. Physiol. 19, 1921;
    F. Maurer, Das Gehirn E. H.s, 1924;
    H. Schmidt, E. H., Leben u. Werke, 1926;
    H. Schmidt, E. H., 1934;
    G. Heberer, E. H. u. s. wiss. Bedeutung, 1934;
    W. Harms, in: Hdwb. d. Naturwiss. V, 1934;
    E. H., eine Schriftenfolge, hrsg. v. V. Franz, 2 Bde., 1943/44 (P);
    J. Walther, Im Banne E. H.s, 1953 (P);
    G. Uschmann, Gesch. d. Zool. u. d. zoolog. Anstalten in Jena 1779-1919, 1959 (W, L, P);
    ders. u. I. Jahn, Der Briefwechsel zw. Th. H. Huxley u. E. H., in: Wiss. Zs. d. Univ. Jena, Math.-naturwiss. R., 9, 1959/60 (P);
    E. H., Forscher, Künstler, Mensch (Briefe, hrsg. u. erl. v. G. Uschmann), 1962 (P);
    J. Hemleben, E. H., 1964 (P);
    R. Hertwig, in: DBJ II, S. 397-412 (L, u. Tl. 1919, W, L).

  • Porträts

    Gem. v. F. v. Lenbach, 1899 (Jena, Ernst-Haekkel-Haus), Abb. in: Die Gr. Deutschen im Bild, 1937.

  • Autor/in

    Georg Uschmann
  • Zitierweise

    Uschmann, Georg, "Haeckel, Ernst" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 423-425 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118544381.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA