Lebensdaten
1863 – 1921
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
Physiologe ; Zoologe
Konfession
-
Normdaten
GND: 117390828 | OGND | VIAF: 17547411
Namensvarianten
  • Verworn, Max Richard Constantin
  • Verworn, Max
  • Verworn, Max Richard Constantin
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Zitierweise

Verworn, Max, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd117390828.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus preuß. Beamtenfam.;
    V Ferdinand;
    M Emilie Niederhausen;
    Jena 1895 Josephine Huse (1864–1926), aus New York; kinderlos.

  • Biographie

    Nach dem Besuch des humanistischen Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums in Berlin schrieb sich V. 1883 für Zoologie und Medizin an der dortigen Universität ein. Er hörte Vorlesungen von Emil Du Bois-Reymond (1818–96), Rudolf Virchow (1821–1902) sowie Franz Eilhard Schultze (1840–1921) und wurde 1887 mit einem „Beitrag zur Kenntniss der Süsswasser-Bryozoen“ zum Dr. phil. promoviert. Seine med. Ausbildung setzte er in Jena fort, wo er von Ernst Haeckel (1834–1919), William Preyer (1841–97) und Wilhelm Biedermann (1852–1929) beeinflußt wurde (Dr. med. 1889, med. Staatsexamen 1889/90). 1890 veröffentlichte V. seine „Psycho-physiologischen Protisten-Studien“, in welchen er für eine psychische und gegen eine rein physiko-chemische Erklärung der vielfältigen Bewegungsformen von Einzellern argumentierte. 1890/91 unternahm er eine Studienreise an die Zoologische Station in Neapel und in Villefranche-sur-Mer sowie an die westliche Sinaiküste. Nach seiner Habilitation im Fach Physiologie 1891 in Jena und vor einer weiteren Studienreise an die Sinaiküste 1894/95 erschien V.s „Allgemeine Physiologie“ (1894, ⁷1922, engl., franz., russ. u. ital. Überss.). 1895 zum ao. Professor in Jena ernannt, erhielt er 1901 einen Ruf als Professor für Physiologie nach Göttingen. 1902 gründete V. die „Zeitschrift für Allgemeine Physiologie“. Die Nachfolge Eduard Pflügers übernahm er 1910 in Bonn. 1911 folgte er einer Einladung zu den Silliman Lectures an der Yale Univ. (Connecticut).

    V.s großes Verdienst war die Vereinheitlichung der Allgemeinen Physiologie am Ende des 19. Jh. durch eine zellularphysiologische Ausrichtung analog zu Virchows Zellularpathologie, worüber er in Gegensatz zu Jacques Loeb (1859–1924) geriet. Aus den Lehren Pflügers, Ewald Herings und Eduard Buchners leitete V. in Verbindung mit eigenen Untersuchungen die Hypothese ab, daß die lebendige Substanz im Protoplasma der Zelle aus komplex zusammengesetzten, proteinartigen Makromolekülen bestehe, die bei intramolekularer Aufnahme von Sauerstoff destabilisiert werden und unter CO2 -Abgabe zerfallen, um sich durch eine selbsterhaltende Tätigkeit wieder zu regenerieren (Biogenhypothese, 1903). Wenn auch die Entdeckung des Atmungsferments Otto Warburg gelang, so entfaltete V.s Biogenhypothese eine einigende Kraft über unterschiedliche Experimente zu allgemeinphysiologischen Themen, welche die Regeneration, die Protoplasmaströmung und deren Reaktion auf elektrische Reizung, die Kontraktion des Muskels, die Flimmerbewegung, die Ermüdung, Erschöpfung und Erholung, die Reflexbewegungen, Schlaf und Narkose sowie Reizleitung und Anästhesie der Nervenfaser betrafen. Die Erregungsleitung der Nerven beispielsweise verstand V. im Anschluß an Biedermann chemisch und beteiligte sich aus dieser Perspektive an der Entwicklung grundlegender Konzepte (Dekrement, Alles-oderNichts Reaktion u. Saltatorik), wobei er gegen den elektrischen Ursprung der relevanten Phänomene argumentierte.

    V. setzte die Merotomie als zentrale experimentelle Methodik vielfältig ein. So zeigten 1892 selbst kernlose Teilstücke tierischer Einzeller anhaltende Lebenserscheinungen, womit Albert v. Köllikers Grundsatz „cellula ancilla nuclei“ relativiert wurde. Aber auch systemische Verfahren erregten Aufsehen: Mittels Ganzkörperpräparationen an Warmblütern gestaltete V. die Theorie der Reflexe und Nervenzentren entscheidend mit; er demonstrierte, daß die Selbststeuerung der lebendigen Substanz durch die eingelagerten Biogene das Phänomen der Automatie der Zentren erklären konnte. Damit glich er den innerhalb der Physiologie vorherrschenden Trend zur Organisolierung aus. Im Gegensatz zu seinen Schülern übernahm V. zeitgenössische apparative Meßmethoden nur zögerlich.

    Inkonsistenzen zwischen V.s eher traditionellen physiologischen Konzepten sowie seiner Biogenhypothese und der streng mechanistisch orientierten Physiologie traten v. a. bei seinen meta-physiologischen Arbeiten hervor: Obwohl sich selbst als Mechanisten bezeichnend, verlieh V. seinen Biogenen vielfältige, vitalistisch anmutende Aktivitäten; allein das Konzept der Selbstregulierung konnte später erst innerhalb der Kybernetik befriedigend objektiviert werden. V. schloß zwar an Haeckels Monismus an, ließ aber dessen naturalistische Tendenzen zugunsten eines Psychomonismus fallen. In Anlehnung an Ernst Mach (1838–1916) und Richard Avenarius (1843–96) entwickelte er seit 1907 gegen Wilhelm Roux’ mechanistisches Programm seine Lehre des Konditionalismus, wonach die Physiologie nicht Ursachen, sondern nur gleichwertige und gleichnotwendige Bedingungen der Lebenserscheinungen aufdecken könne. In diesem Rahmen beteiligte sich V. auch an der Entwicklung der Psycho-Physiologie. Zu V.s Schülern zählen Hans Rr. v. Baeyer (1875–1941), Silvestro Baglioni, Oskar Bondy, Friedrich Wilhelm Fröhlich (1879–1932), Paul Jensen (1868–1952), Alexander Lipschütz (1883–1980), Hidezurumaru Ishikawa (1878–1947), Hisomu Nagai (1876–1957), August Pütter (1879–1929) und Hans Winterstein (1879–1963).

  • Auszeichnungen

    A korr. Mitgl. u. Soemmering-Preis d. Senckenberg. Naturforschenden Ges. (1893);
    Carus-Preis d. Leopoldina (1896);
    o. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Göttingen (1903, ausw. 1910) u. d. Leopoldina (1908);
    Mitgründer d. Anthropolog. Ges. in Göttingen (Vors. 1904–10);
    Sc. D. (Univ. Cambridge 1909);
    ausw. Mitgl. d. Ac. dei Lincei (1910);
    LL.D. (St. Andrew, Schottland, 1912).

  • Werke

    W Gleichgewicht u. Otolithenorgan, 1891 (Habil.schr.);
    Die physiol. Bedeutung d. Zellkernes, in: Pflügers Archiv f. d. gesammte Physiol. d. Menschen u. d. Thiere 51, 1892, S. 1–119;
    Ein chem. Modell d. Erregungsvorganges, ebd. 167, 1917, S. 289–308;
    Die Bewegung d. lebendigen Substanz, Eine vgl.-physiol. Unters. d. Contractionserscheinungen, 1892;
    Modern Physiology, in: The Monist 4, 1894, S. 355–74;
    Btrr. z. Physiol. d. Centralnervensystems, 1. Theil, 1898;
    Ermüdung, Erschöpfung u. Erholung der nervösen Centra d. Rückenmarks, in: Archiv f. Anatomie u. Physiol., Physiol. Abt. 152, 1900, Suppl., S. 152–76;
    Das Neuron in Anatomie u. Physiol., 1900;
    Die Biogenhypothese, Eine krit.-experimentelle Stud. über d. Vorgänge in d. lebendigen Substanz, 1903;
    Die cellularphysiol. Grundlage d. Gedächtnisses, in: Zs. f. Allg. Physiol., 6, 1907, S. 119–39;
    Die cellularphysiol. Grundlage d. Abstraktionsprozesses, ebd. 14, 1912, S. 277–96;
    Kausale u. konditionale Weltanschauung, 1912;
    Narkose, 1912;
    Irritability, A Physiological Analysis of the General Effect of Stimuli in Living Substance, 1913 (dt. u. d. T.: Erregung u. Lähmung, Eine allg. Physiol. d. Reizwirkung, 1914); Hg.: Pflügers Archiv f. d. gesammte Physiol. d. Menschen u. d. Tiere, 1900–11, u. Zs. f. Allg. Physiol., 1902–23 (letzter Bd. postum); – Mithg.: Hdwb. d. Naturwiss., 1912–15.

  • Literatur

    L J. Loeb, Einige Bemm. über d. Begriff, d. Gesch. u. Lit. d. allg. Physiol., in: Pflügers Archiv f. d. gesammte Physiol. d. Menschen u. d. Thiere, 1897, S. 249–67;
    P. Jensen, In Sachen d. Aggregatzustandes d. lebendigen Substanz, ebd., 1900, S. 172–80;
    J. Vészi, Die physikal.-chem. Theorie d. Narkose, in: ebd., 1918, S. 313–36;
    A. Boutwood, A Scientific Monism, in: Proceedings of the Aristotelian Soc., NF 1, 1900/1, S. 140–66;
    W. T. Sedgwick, The Expansion of Physiology, in: Science, NF 25, 1907, S. 332–37;
    M. Kronenberg, Kausale u. konditionale Weltanschauung, in: Die Naturwiss. 47, 1913, S. 1143–47;
    C. E. P., Obituary, Prof. M. V., in: Nature 109, 1921, S. 213;
    S. Baglioni, in: Rivista Biologica 4, 1921, S. 3–10 (W-Verz., P);
    C. J. Warden, The Development of Modern Comparative Psychology, in: The Quarterly Review of Biology 3, 1928, S. 486–522 (P);
    R. Wüllenweber, Der Physiol. M. V., Diss. Bonn, 1968;
    J. J. Schloegel u. H. Schmidgen, General Physiology, Experimental Psychology, and Evolutionism, Unicellular Organisms as Objects of Psychophysiological Research, 1877–1918, in: Isis 93, 2002, S. 614–45;
    Complete DSB;
    Göttinger Gel.; Qu Steingeräte-Slg. (Univ. Heidelberg, Zentrum f. Altertumswiss., Inst. f. Ur- u. Frühgesch. u. Vorderasiat. Archäol.).

  • Porträts

    P Photopositiv v. J. Lawitzky, 1887 (Portraitslg., Mus. f. Naturkde., Berlin); Photogr. v. P. Matzen, 1907, (Slg. Voit, Univ. Göttingen), Abb. in: Göttinger Gel., S. 309; Photogr., um 1910, Abb. in: Das Antlitz d. Wiss., Gel.porträts aus drei Jhh., 2012, S. 71.

  • Autor/in

    Gerhard Müller-Strahl
  • Zitierweise

    Müller-Strahl, Gerhard, "Verworn, Max" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 771-773 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd117390828.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA