Lebensdaten
1863 – 1920
Geburtsort
Wendisch-Hermsdorf (Spreewald)
Sterbeort
Blankenese bei Hamburg
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118679236 | OGND | VIAF: 2509022
Namensvarianten
  • Dehmel, Richard Fedor Leopold
  • Dehmel, Richard
  • Dehmel, Richard Fedor Leopold
  • mehr

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Zitierweise

Dehmel, Richard, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118679236.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Vorfahren Hufschmiede in der Gegend v. Hirschberg (Schlesien);
    V Fedor (1835–1932), Revier- u. Stadtförster in Hirschberg u. bei Kremmen (Mark), S des Joh. Balthasar, Seilermeister in Kotzenau, u. der Charl. Hillmanns, Lehrerin in Berlin;
    M Louise (1829–1905), Directrice in der Spitzenabteilung des Modehauses Gerson in Berlin, T des Polizeiwachtmeisters Fließschmidt in Wendisch-Buchholz;
    1) Berlin 1889 ( 1899) Paula (1862–1918), Märchendichterin, T des Julius Oppenheimer, Dr. phil., Prediger der jüdischen Reformgemeinde in Berlin, 2) London 1901 Ida (1870–1942), geschiedene Auerbach, T des KR u. Weingroßhändlers Coblenz (gestorben 1910) in Bingen; Schwager Franz Oppenheimer ( 1943), Nationalökonom, Carl ( 1941), Chemiker;
    1 S, 2 T aus 1), u. a. Vera ( 1918 Otto Tügel [* 1892], Maler u. Schriftsteller); 1 Adoptivsohn.

  • Biographie

    Die Stadtschule in Kremmen, das seine eigentliche Heimat war, vertauschte D. 1873 mit dem Sophiengymnasium in Berlin. Nachdem er in Danzig 1882 das Abitur bestanden hatte, studierte er ohne klares Berufsziel in Berlin. Er war Burschenschafter und befreundet mit dem Nationalökonomen Franz Oppenheimer, sowie mit dem Mediziner Carl Ludwig Schleich. 1887 promovierte D. in Leipzig zum Dr. rer. pol., wurde daraufhin in Berlin vom Verband der Privaten Deutschen Versicherungsgesellschaften als Sekretär angestellt und konnte heiraten. Das erste Gedichtbuch brachte dank der Vermittlung von Georg Ebers 1891 Göschen heraus: „Erlösungen. Eine Seelenwanderung in Gedichten und Sprüchen“. Der 28jährige ist hier stark von Vorbildern, zum Beispiel Schiller, abhängig; doch enthält die Sammlung auch schon Gedichte wie „Stromüber“ und „Dahin“ (später „Anno Domini 1812“). Das Buch trug D. die Freundschaft Liliencrons ein. Besonders fruchtbar für sein Schaffen wurde die Liebe zu Hedwig Lachmann (1865–1918), Tochter eines Vorsängers in der Synagoge, später Gattin von Gustav Landauer, selbst Dichterin. In „Aber die Liebe“ (1893; gleichzeitig mit „Jugend“ von Max Halbe und „Hanneles Himmelfahrt“ von Hauptmann) hat D. seinen eigenen Ton - mehr Appell als Suggestion - gefunden. Er begann jetzt auf weitere Kreise zu wirken.

    Seit 1895 lebte er als freier Schriftsteller. Eine dritte Schaffensperiode begann, als D. Frau Ida Auerbach 1895 begegnete. Sie und Stefan George waren in Bingen Nachbarskinder und befreundet gewesen. Nun entwickelte sich aus einem Briefwechsel und Gesprächen über George und Liliencron ein immer leidenschaftlicheres Verhältnis zwischen D. und Frau Auerbach. Die Liebesgedichte verschiedenster Art in „Weib und Welt“ (1896) bilden den Höhepunkt von D.s Werk. Inbrunst zum Weib wird Inbrunst „zur ganzen Welt“. Je schlichter D. bleibt, desto dichter und dichterischer faßt er eine Stimmung. Hier liegt nicht seine bahnbrechende, aber seine bleibende Leistung. Armin Knab, Conrad Ansorge und Richard Strauß haben solche Gedichte vertont. Börnes von Münchhausen erstattete wegen Gotteslästerung mit „Venus Consolatrix“ Anzeige bei der Staatsanwaltschaft; das Gedicht mußte überschwärzt werden. 1901 machte sich D. in Blankenese in der Nachbarschaft Liliencrons ansässig. Der Ruhm kam mit „Zwei Menschen, Roman in Romanzen“ (1903). In 7jähriger Arbeit war ein kunstvoller Bau entstanden; drei Umkreise aus je 36 Romanzen zu 36 Versen und so weiter. Eine etwas grobschlächtige Handlung gibt dabei die Ansatzpunkte der lyrischen Zwiesprache zwischen Mann und Frau. D. hat seinen eigenen Liebesroman ins zeitgemäß Poetische erhoben. Für heutiges Empfinden streift dieser „Jugendstil“, Zwitter von Exaltation und Banalität, mitunter fast an ungewollte Parodie. Seit dem Erfolg der „Zwei Menschen“ galt D. bis in den Ersten Weltkrieg hinein für die fortschrittliche Allgemeinheit als der Repräsentant deutscher Lyrik, wie Gerhart Hauptmann der Repräsentant deutscher Dramatik war. Starken Eindruck machte D. mit Vortragsreihen, auf denen er fremde und eigene Verse las (vergleiche Hans Carossa, „Der Dichterabend“, in: „Das Jahr der schönen Täuschungen“). Seine naturalistischen wie seine phantastischen Dramen sind wenig geglückt. Die letzten bedeutsamen Gedichte hat D. unter dem Titel „Schöne wilde Welt“ (1913, stark erweitert 1920) zusammengefaßt. Der 51jährige meldete sich 1914 als Kriegsfreiwilliger. Unbeabsichtigt gewann er damit höchste Volkstümlichkeit. Sehr bald mußte D. krankheitshalber in die Etappe. Die militärische und politische Führungsschicht enttäuschte ihn dann mehr und mehr. 1917 ging sein Drama „Die Menschenfreunde“ über fast alle deutschen Bühnen. Unmittelbar vor der Katastrophe rief D. nochmals zu äußerstem Widerstand auf; danach richtete er einen „Warnruf“ an die Sieger.

    D. selbst sieht sich herkommen von Heine, Nietzsche, Liliencron, von Ibsen und Strindberg. Aber auch die Welt Richard Wagners und Max Klingers ist der seinen verwandt. Wo man ihn aus diesem Grund unter die|„Neuromantiker“ der Jahrhundertwende einreiht, verwischt man das Entscheidende, die ihn kennzeichnende Zwischenstellung zwischen dem Naturalismus und dem künftigen Expressionismus. Mit den Naturalisten teilt er unter anderem das starke soziale Empfinden, den Blick für die moderne Umwelt, die gelegentliche Neigung zum Alltagswort. Die Expressionisten aber hat sein ekstatisches Lebensgefühl angeregt und die, bei ihm selbst freilich noch nicht sehr tiefgreifende, Auflockerung der lyrischen Sprache. Der „Mensch im Überschwang“ ist schon eine Forderung D.s: „Was den Menschen entzückt, entsetzt, empört, das erlöst ihn, weil's ihn außer sich bringt, weil's ihn mit Leben erfüllt“. Stets mischt, wie solche Verse zeigen, nüchterne Reflexion sich ein. D. nennt das seine „erzgründliche Inbrünstigkeit“. Der antinaturalistische Preis des „schönen wilden“ Lebens, des Eros, der befreiten Sinnlichkeit führt ihn von Nietzsche aus zunächst in dieselbe Richtung mit Wedekind. Er geht wider die erstarrten Konventionen vor allem der Sexualmoral an und wirkt hier weit über das Ende des 1. Weltkriegs hinaus. Andererseits legt jedoch D. auch auf Ordnung und Pflicht des Geistes starken Nachdruck. „Ich will ergründen alle Lust“ wechselt mit dem Anruf „Du sollst dich selbst erziehen“. Sinne und Geist in ein humanes Gleichgewicht zu bringen, Herrschaft über die eigenen Ekstasen war wohl D.s innerste Absicht. Er glaubte an eine Mission des Dichters und die schöpferische Macht seines Wortes und hat den Mut dazu bei den Jüngeren geweckt. Der Neuansatz der deutschen Lyrik zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist in hohem Maße ihm zu danken.

  • Werke

    Ges. Werke, 10 Bde., 1906-09;
    Volksausg., 3 Bde., 1920 (in d. Ges. Werken sind d. Gedichte überarbeitet u. ganz neu angeordnet);
    Ausgew. Briefe, 2 Bde., 1922/23 (P);
    Fitzebutze, 1900 (mit Paula D.);
    Der Buntscheck (Sammelbd. versch. Autoren, hrsg. v. D.), 1904;
    Blinde Liebe, 1912 (Umdichtung nach Laurence Housman);
    Volkesstimme -Gottesstimme, 1914;
    Kriegsbrevier, 1917;
    Zwischen Volk u. Menschheit, Kriegstagebuch, 1919;
    Die Götterfam., Kosmopolit. Komödie, 1921;
    Mein Leben, 1922, = Drucke d. D.-Ges.;
    Lieder d. Bilitis, 1923 (Umdichtung nach Pierre Louys);
    Bekenntnisse, 1926;
    Unveröff. Briefe, in: Die Inspiration, 1946.

  • Literatur

    Bibliogr.: W. Frels, in: Die Schöne Lit. 25, 1924, S. 365-74;
    O. Olzien, Bibliogr. z. dt. Lit.-gesch., 1953;
    - J. Bab, R. D., 1926 (P);
    H. Slochower, R. D., 1927;
    R. Vogel, Die Frau in R. D.s Dichtung, Diss. Leipzig 1931;
    I. Maione, Contemporanei di Germania, D. …, Turin 1931;
    P. vom Hagen, R. D., Die dichterische Komposition s. lyr. Gesamtwerkes, 1932;
    E. Reichert, Das Naturgefühl in d. Lyrik R. D.s, Diss. München 1933;
    E. Funke, Der Strukturtypus d. Lyrik D.s, in: Journal of the Engl. and Germanic Philol. Urbana, Ill., 1935;
    R. Beckmann, R. D., Ein Lb. vom Mediziner gesehen, Diss. Jena 1945 (ungedr.);
    H. Wingelmayer, R. D. als Dramatiker u. Erzähler, Diss. Wien 1948;
    H. Spiero, in: DBJ II, S. 513-20 (u. Tl. 1920, W, L);
    Kosch, Lit.-Lex. - Zu Paula: DBJ II (Tl. 1918, L);
    Nekr. zu Kürschner, Lit.-Kal. 1901 bis 1935 (W). - Qu.: Das D.-Archiv d. Univ.-Bibl. Hamburg besitzt u. a. d. Korr. D.s mit d. Dichtern seiner Zeit, vgl. R. D. z. Gedächtnis (Ausstellungskat.), 1930.

  • Autor/in

    Heinz Otto Burger
  • Zitierweise

    Burger, Heinz Otto, "Dehmel, Richard" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 564-565 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118679236.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA