Lebensdaten
1881 – 1948
Geburtsort
Breslau
Sterbeort
Moscio bei Ascona (Schweiz)
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Übersetzer ; Auslandskorrespondent ; Biograf ; Jurist
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118780778 | OGND | VIAF: 44454588
Namensvarianten
  • Cohn, Emil (ursprünglich)
  • Ludwig, Emil
  • Cohn, Emil (ursprünglich)
  • mehr

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Zitierweise

Ludwig, Emil, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118780778.html [13.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann Cohn, seit 1883 Ludwig (1838–1906), Augenarzt, Prof. d. Augenheilkde. in B. (s. BLÄ);
    M Valeska, T d. Emanuel Friedlaender ( 1880), Bergbauunternehmer in Gleiwitz, u. d. Anna Julie Friedländer;
    Om Fritz v. Friedländer-Fuld ( 1917), oberschles. Kohlenmagnat (s. NDB V);
    Vt Robert Friedländer-Prechtl (1874–1950), Schriftsteller (s. Kürschner, Lit.-Kal. 1932 unter Prechtl);
    - 1906 Elga Wolff (* 1884);
    2 S.

  • Biographie

    L. studierte in Heidelberg, Lausanne, Breslau und Berlin Jura, später auch Geschichte, u. a. bei K. Breysig, F. Dahn, F. v. Liszt, G. Simmel und W. Sombart. Unter dem Eindruck der Lektüre von Goethe, Schopenhauer und Nietzsche und der Bekanntschaft mit Richard Dehmel entstanden schon früh erste Gedichte und Dramen. Nach Abschluß des Studiums arbeitete L. 1904/05 im Handelshaus seines Onkels. 1906 zog er als freier Schriftsteller in die Schweiz. Nach Reisen in Italien, Ceylon und Afrika verfaßte er erste psychologische Studien über Bismarck und Wagner. Während des 1. Weltkriegs war er Berichterstatter für das „Berliner Tageblatt“ in London, Wien, Athen und Konstantinopel. Anfängliche Kriegsbegeisterung schlug bald um in Pazifismus. Während der Weimarer Republik vertrat L. einen kosmopolitischen Liberalismus. Seit 1902 Christ, trat er 1922 aus Protest gegen die Ermordung seines Freundes Rathenau wieder zum jüdischen Bekenntnis zurück. Der Durchbruch zum Welterfolg gelang ihm mit der dreibändigen Biographie „Goethe, Geschichte eines Menschen“ (1920). Weitere Bestseller wurden die Biographien „Napoleon“ (1925), „Wilhelm II.“ (1926) und „Bismarck“ (1927, Neuausg. 1975). Mit Übersetzungen in 27 Sprachen und einer Gesamtauflage von 2, 5 Mill. Exemplaren im Jahr 1930 war L. einer der erfolgreichsten Autoren seiner Zeit.

    L. wirkte entscheidend mit an der Entwicklung einer neuen Art belletristischer historischer Biographie, die nach den Umbrüchen des Weltkrieges eine weltanschauliche Neuorientierung anzubieten versuchte und die Literatur der 20er Jahre mitgeprägt hat. Unter Berufung auf Plutarch, Carlyle, Taine, Burckhardt und Breysig und in bewußter Abkehr vom detailbesessenen historischen Roman sowie von wissenschaftlicher Geschichtsschreibung vereinfacht, veranschaulicht und popularisiert er Geschichte. Daten und Namen werden vernachlässigt, Politik wird aus dem Charakter der Politiker erklärt. Im Sinne Diltheys ist kausale Argumentation durch intuitive Darstellung und Einfühlung ersetzt. Erzählt werden weniger Taten und Tatwirkungen als seelische Stimmungen. Mit Hilfe der Psychoanalyse versucht L. die herrschenden Heldenklischees aufzulösen. In den Vordergrund rücken Anekdoten, authentische Gespräche und Briefe. In klarer Abgrenzung von völkischen Geschichtsmystifikationen sind seine Helden innerlich zerrissen und in ihrem Handeln von unbewußten Motiven und individuellen Mängeln bestimmt. Geschichte wird „als Erzählung von Menschen empfunden, die so waren wie wir“. Dabei hält L. an der traditionellen Vorstellung vom „entscheidenden Einfluß des einzelnen genialen Menschen im Weltgeschehen“ gegen soziologische Positionen fest. Die Helden als Elite des Volkes – ein Zugeständnis an die Republik – zeichnen sich durch größeres Volumen an Tatkraft, Leidenschaft und Geist aus. Im Sinne Nietzsches werden sie der Jugend als Vorbilder für Mut und Willensstärke vorgestellt. Kritische Auseinandersetzung liegt L. fern. Er will „Hegels Plan einer Vorsehung“ vermitteln. Dementsprechend überhöht er historische Zufälle und Erlebnisse zu „symbolischen Szenen“, gibt seinen Biographien einen harmonisierenden Aufbau und wählt eine gehobene, stark metaphorische Sprache.

    Im Ausland galt L. als kultureller Repräsentant der neuen Republik, der Goethe entnationalisiert, Bismarck für Nichtdeutsche popularisiert, die Hohenzollernlegende in Deutschland zerstört und die monarchische Reaktion I. verhindert habe, indem er das Bild Wilhelms II. als eines bösen Kriegstreibers in das einer kranken, komplexbeladenen, tragischen Figur verkehrte. Während die Literaturwissenschaft L. nicht zur Kenntnis nahm, entzündete sich unter den Historikern mit dem Erscheinen der Biographie Wilhelms II. eine heftige Debatte um die Legitimität historischer Belletristik. Man wies L. sachliche Unrichtigkeiten nach, warf ihm unwissenschaftliche Vereinfachungen, das Aussparen der historischen Hintergründe und Effekthascherei vor. Während L. sich mit einer Reihe von kunst- und geschichtstheoretischen Aufsätzen zu verteidigen suchte, traten bei seinen Kritikern allmählich politische Aversionen gegen die bei ihm sichtbare demokratische Haltung in den Vordergrund. Nicht nur der „Völkische Beobachter“ diffamierte ihn 1932 mit rassistischem Vokabular. Im selben Jahr nahm L. die Schweizer Staatsbürgerschaft an. 1933 wurden seine Bücher verbrannt. Im Exil blieb L. als einer von wenigen deutschen Schriftstellern erfolgreich. Vortragsreisen durch ganz Europa und Übersetzungen seiner Werke sicherten ihn materiell ab. In seiner Villa oberhalb des Luganer Sees gewährte er Flüchtlingen Unterkunft und zahlte bedürftigen Schriftstellern gelegentlich Beihilfen. Beim PEN-Kongreß 1936 in Buenos Aires setzte er eine internationale Protestnote gegen die Behandlung Carl v. Ossietzkys und anderer Intellektueller in Deutschland durch. So war L. zunächst auch in sozialistischen Exilkreisen angesehen und Mitarbeiter in verschiedenen Exilzeitschriften. Nach seiner Übersiedlung in die USA (1940) wurde L. Sonderbeauftragter Präsident Roosevelts für Deutschland. Durch eine in der New York Times abgedruckte Rede, in der er den Faschismus aus dem Charakter der Deutschen ableitete, und durch die Forderung der Umerziehung der Deutschen nach dem Krieg löste er heftige Kontroversen aus, die sich auf seine Methode der Geschichtsinterpretation sowie seine literarischen Werke und seine Person ausweiteten. Seine Gegner waren u. a. Paul Tillich, Alfred Kantorowicz und Hannah Arendt. 1945 kehrte er in die Schweiz zurück. Während L. in der DDR wegen seiner die Geschichte auf die Personen von Individuen reduzierenden Betrachtungsweise als unpolitisch verurteilt wird und als mit Recht vergessen gilt, beginnt man in der Bundesrepublik seine Bedeutung vor allem für das Verständnis der Situation der Intellektuellen in der Zeit der Weimarer Republik zu erfassen.

  • Werke

    Weitere W. Romane: Manfred u. Helena, 1911;
    Diana, 1918;
    Meeresstille u. glückl. Fahrt, 1921. -
    Dramen: Napoleon, 1906;
    Renaissance, 1904-10 (Trilogie);
    Friedrich, Kronprinz v. Preußen, 1914;
    Bismarck, 1922-24 (Trilogie);
    Versailles, 1931. -
    Monographie: Wagner od. d. Entzauberten, 1913. - Biographien:
    Rembrandt, 1923;
    Jesus, 1928;
    Lincoln, 1930;
    Michelangelo, 1930;
    Juli 1914, 1931;
    Mussolini, 1932;
    Hindenburg, 1934;
    Roosevelt, 1938;
    Drei Diktatoren, 1939;
    Stalin, 1945;
    Beethoven, 1945;
    S. Freud, 1946. -
    Essays: Genie u. Charakter, 1924 (Slg.);
    Kunst u. Schicksal, 1927 (Slg.);
    Historie u. Dichtung, in: Neue Rdsch. 40, März 1929, S. 358-81, erweitert u. d. T. Die Kunst d. Biogr., 1936;
    Führer Europas, 1934 (Slg.). -
    Autobiographie: Geschenke d. Lebens, Ein Rückblick, 1931 (P). - Gesammelte Werke, 5 Bde., 1945 f. - W-Verz.:
    Books by E. L., 1940;
    G. v. Wilpert, A. Gühring, Erstausgg. dt. Dichtung, 1967.

  • Literatur

    Hist. Belletristik, hrsg. v. d. Schriftleitung d. HZ, 1928 (mit Btrr. v. H. Delbrück, W. Mommsen, H. v. Srbik);
    E. L. im Urteil d. dt. Presse, 1928;
    E. L. im Urteil d. Weltpresse, 1928;
    W. Mommsen, „Legitime“ u. „Illegitime“ Gesch.schreibung, e. Auseinandersetzung mit E. L., 1930;
    N. Hansen, Der Fall E. L., 1930;
    M. Kienzle, Biogr. als Ritual, in: Triviallit., hrsg. v. A. Rucktäschel u. H. D. Zimmermann, 1976, S. 230-48;
    Kosch, Lit.-Lex.;
    Kunisch;
    Internat. Bibliogr. z. Gesch. d. dt. Lit., 1969-77;
    W. Sternfeld, E. Tiedemann, Dt. Exillit. 1933–45, 1970;
    J. Roden, Stefan Zweig and E. L., in: Stefan Zweig - The world of yesterday's humanist today, hrsg. v. M. Sonnenfeld, 1983, S. 236-45;
    Rhdb. (P).

  • Porträts

    Zeichnung v. O. Gulbransson, 1930, Abb. in: E. L., Geschenke d. Lebens, s. W;
    Phot. v. Underwood, ca. 1928, in: E. L. im Urteil d. dt. Presse, s. L.

  • Autor/in

    Adalbert Wichert
  • Zitierweise

    Wichert, Adalbert, "Ludwig, Emil" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 426-427 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118780778.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA