Lebensdaten
1893 – 1946
Geburtsort
Rosenheim (Oberbayern)
Sterbeort
Nürnberg
Beruf/Funktion
NS-Politiker ; Oberbefehlshaber der Luftwaffe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118540157 | OGND | VIAF: 39385942
Namensvarianten
  • Göring, Hermann Wilhelm
  • Göring, Hermann
  • Göring, Hermann Wilhelm
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Zitierweise

Göring, Hermann, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118540157.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1838–1913), Dr. iur., 1885-90 Reichskommissar f. Dt.-Südwestafrika, 1891-96 Min.resident in Haiti u. San Domingo (s. L), S d. Landger.dir. Wilhelm in Emmerich u. d. Caroline de Nerée (aus nd.rhein. Beamtenfam.);
    M Franziska (1859–1923, kath.), T d. Peter Paul Tiefenbrunn, aus Reit/Tirol, Werkführer u. Herbergsbes. in München (in d. Au), später Tändler, u. d. Taglöhners-T Elisabeth März;
    Urur-Gvv Michael Chrstn. (s. 2);
    Groß-Ov Peter (s. 3);
    Halb-B Heinrich (* 1879), Prof., Augenarzt;
    Schw Olga (* 1889, ڭ Dr. iur. Fritz Rigele), führte 1931-35 G.s Haushalt, Paula ( 1920 Dr. iur. Franz Hueber, * 1894, österr. Min. d. Justiz 1930 u. 1938/39);
    1) Stockholm 1923 Carin (1888–1931), gesch. v. Kantzow, T d. schwed. Obersten Karl Alexander Frhr. Fock u. d. Huldine Beamish, 2) Berlin 1935 Emmy (1899-1973), Schauspielerin, T d. Kaufm. Heinr. Sonnemann in Hamburg u. d. Emmy Sagell;
    1 T aus 2).

  • Biographie

    G.s unsteter, abenteuerlicher Lebensweg begann in einem bürgerlichen Elternhaus konservativer Prägung. Allerdings war er die ersten Lebensjahre durch auswärtige Missionen seines Vaters meistens von seinen Eltern getrennt. Da er sich in Fürth und Ansbach als ein schwieriger Schüler erwies, wurde er auf Veranlassung seines Vaters in die Kadettenanstalt von Karlsruhe aufgenommen und für die Offizierslaufbahn bestimmt. Den Beginn des Weltkrieges erlebte er als junger Leutnant der Infanterie in Mühlhausen (Elsaß). Anfang 1915 wurde er in die Fliegertruppe übernommen. Nach ersten Erfolgen als Jagdflieger übernahm er im Frühjahr 1917 die Jagdstaffel 27. Im Juli 1918 wurde ihm das Kommando des berühmten Richthofen-Geschwaders übertragen. Bei Kriegsende gehörte er als Pour-le-mérite-Träger mit 22 Abschüssen zu den bekanntesten deutschen Jagdfliegern.

    Nach dem Krieg war G. als Vertreter deutscher Flugzeugfirmen und als Pilot in Skandinavien tätig. 1921 nach Deutschland zurückgekehrt, nahm er unter dem Einfluß seiner Frau für kurze Zeit ein Studium der Nationalökonomie und Geschichte in München auf. Im November 1922 lernte er Adolf Hitler bei einer Kundgebung auf dem Münchener Königsplatz kennen und schloß sich der NSDAP an. Hitler übertrug G. sofort die Führung seiner im Aufbau befindlichen Sturmabteilung (SA), weil er sich von dem berühmten Fliegerhauptmann eine starke Werbewirkung versprach. Bei dem Putsch am 9.11.1923 wurde G. schwer verwundet; er floh nach Österreich. Mittellos kam er 1924 nach Schweden. Durch die Folgen seiner Verletzung zum Morphinisten geworden, mußte er sich einer längeren Entziehungskur unterziehen, ohne daß seine Abhängigkeit von Drogen völlig beseitigt wurde. Auf Grund einer Amnestie kehrte G. Ende 1926 nach Deutschland zurück. Er arbeitete in Berlin als Vertreter deutscher Firmen (BMW, Heinkel) und erneuerte Ende 1927 seine Verbindung mit Hitler. Am 20.5.1928 kam er für die NSDAP in den Reichstag und widmete sich von nun an fast ausschließlich der politischen Arbeit. Es gelang ihm (als „Diplomat der Nazis“), für Hitler wichtige Verbindungen zu Adels-, Offiziers- und Industriekreisen herzustellen.

    Am 30.8.1932 wurde G. zum Präsidenten des Reichstages gewählt. Nach dem Bruch zwischen Hitler und Gregor Straßer befestigte|er seine Stellung im engsten Führungskreis der NSDAP. Am 30.1.1933 wurde G. Mitglied der Reichsregierung. Vor allem übernahm er mit dem preußischen Innenministerium die Leitung der Polizei im größten Teil Deutschlands. Unter seiner Verantwortung erfolgten damit die stufenweise nationalsozialistische Durchdringung des Polizeiapparats, die Gründung der Geheimen Staatspolizei und anderer Sondereinheiten, die Errichtung von Konzentrationslagern und die polizeilichen Maßnahmen zur Gleichschaltung des gesamten öffentlichen Lebens. G.s Beteiligung am Reichstagsbrand ist bis heute umstritten; sein Auftreten als Zeuge in dem folgenden Prozeß vor dem Reichsgericht fügte dem internationalen Ansehen der Regierung Hitler Schaden zu.

    Am 11. April 1933 wurde G. zum Preußischen Ministerpräsidenten, am 5. Mai 1933 zum Reichsminister der Luftfahrt ernannt. Im März 1935 übernahm er als General der Flieger den Oberbefehl über die neugegründete Luftwaffe. Im gleichen Jahr fiel ihm das neugeschaffene Amt des Reichsforstmeisters zu; bereits 1934 hatte er sich als Reichsjägermeister bestellen lassen. Im Oktober 1936 übertrug Hitler G. die Funktion des Reichsbeauftragten für den Vierjahresplan mit weitreichenden Verordnungs- und Koordinierungsrechten gegenüber den zuständigen Behörden und der Wirtschaft. Seine wichtigste Aufgabe war es, in 4 Jahren möglichst umfassend die wirtschaftliche Autarkie Deutschlands zu verwirklichen und alle Kräfte in den Dienst der neuen Rüstungspläne zu stellen.

    Diese zunehmende Machtfülle führte bald zu Spannungen mit anderen Kräften des Staates und der Partei. Die gefährliche Rivalität der SA im Wirkungsgebiet der Polizei war nach der blutigen Unterdrückung der Röhm-Gruppe am 30.6.1934 gebannt. Am 1.5. hatte G. die Leitung des preußischen Innenministeriums an Frick abgegeben. Aber das Aufkommen der SS schuf bald neue Reibungen, vor allem, nachdem Himmler im Juli 1936 den Befehl über die gesamte Polizei des Reiches übernahm und Heydrich als Chef der Gestapo fungierte. Schacht wurde zum Sprecher von Finanz- und Wirtschaftsgruppen, die ab 1936 vor den währungspolitischen Folgen einer zu forcierten Aufrüstung und des Vierjahresplanes warnten und sich massiven Eingriffen des sachunkundigen G. in ihr Arbeitsgebiet vorsichtig widersetzten. Ribbentrop schließlich beargwöhnte nach seiner Ernennung zum Außenminister (1938) den Einfluß G.s auf Hitlers Planungen in der auswärtigen Politik. G. hatte 1938/39 das Vorgehen gegen Österreich und die Tschechoslowakei voll und ganz gebilligt und unterstützt. Aber in den Wochen vor dem Kriegsausbruch unternahm er, wie Birger Dahlerus bestätigt hat, einige Bemühungen, den militärischen Konflikt zu vermeiden oder ihn zumindest zu begrenzen. Er war dabei in der künstlich dramatisierten Polenfrage (abweichend von Hitler und Ribbentrop) offenbar zu einem gewissen Einlenken bereit. Am 1.9.1939 hatte Hitler G. in einer Reichstagsrede zum 2. Mann in Staat und Partei und damit zum ersten Anwärter für die Nachfolgeschaft proklamiert. Im Juli 1940 wurde er zum Reichsmarschall ernannt. Aber sein tatsächlicher Einfluß auf die Staatsgeschäfte und militärischen Operationen ging ständig zurück. Zu einer deutlichen Erschütterung seiner Stellung kam es, als die Luftwaffe nach den Erfolgen im Polen- und Frankreichfeldzug im Sommer 1940 die „Schlacht um England“ verlor und G. sich seinen administrativen Aufgaben immer weniger gewachsen zeigte. Die Entfaltung von Luxus sowie seine zeitraubenden, fragwürdigen persönlichen Neigungen – insbesondere die Jagd auf Kunstwerke in den besetzten Gebieten – riefen wachsende Kritik hervor. Einen weiteren Prestigeverlust für G. bedeuteten die immer schwereren Luftangriffe der Alliierten auf die Zentren der deutschen Wirtschaft, für deren uneingeschränkten Schutz er sich 1939 öffentlich verbürgt hatte. Im späteren Verlauf des Krieges waren er und die Verantwortlichen völlig außerstande, die überspannten militärischen Forderungen Hitlers (zum Beispiel auf Versorgung der Stalingrad-Armee im Winter 1942/43) zu verwirklichen. Am 22.4.1945 erwog G., von Berchtesgaden aus die Führung der Staatsgeschäfte zu übernehmen, weil er Hitler nicht mehr für handlungsfähig hielt. Er unterwarf sich sofort einer anderslautenden Weisung des „Führers“; dennoch wurde er auf Veranlassung von Bormann durch ein SS-Kommando verhaftet, mit Erschießen bedroht und erst Anfang Mai freigelassen. Am 8.5. geriet er in amerikanische Gefangenschaft. Vom November 1945 bis Oktober 1946 stand G. als wichtigster Angeklagter vor dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. Obwohl im Verlauf des Prozesses seine unmittelbare oder mittelbare Verantwortung für zahlreiche Verbrechen nachgewiesen wurde, gelang es ihm, sich bei dem Gericht und in der Publizistik des Westens durch die Art seiner Verteidigung einen gewissen persönlichen Respekt zu verschaffen. Am 1.10.1946 wurde er in allen Punkten der Anklage für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Am 15.10.|beging er durch das Einnehmen von Zyankali Selbstmord.

    Eine Bewertung von G.s Persönlichkeit ist schwierig. Die Urteile vieler aufmerksamer, kritischer Beobachter weichen stark voneinander ab. Fraglos hatte er die Fähigkeit, durch persönlichen Charme Vertrauen zu erwecken, Menschen zu gewinnen und zu fesseln. G. erschien großen Teilen des deutschen Volkes lange als bürgerlicher, soldatisch-konservativer Gegenpol zu den Fanatikern und Doktrinären in der NSDAP; er besaß bis in die letzten Kriegsjahre hinein in breiten Schichten beträchtliche Popularität. Es entsprach diesem Bild, wenn Goebbels ihn den „aufrechten Soldaten mit dem Kinderherzen“ nannte; ausländische Diplomaten, wie Neville Henderson, schätzten ihn ungleich mehr als Ribbentrop. G.s politisches Denken war unkompliziert, von militärischen Kategorien bestimmt und gelegentlich humanitären Gesichtspunkten zugänglich. Er führte ein sehr glückliches Familienleben. Obwohl er früh seine kirchlichen Bindungen gelockert hatte, bewahrte er sich (unter dem Einfluß seiner ersten Frau) einen subjektiven Gottesglauben. So stand er in einer gewissen Distanz zu dem weltanschaulichen Fanatismus eines Himmler und Rosenberg und den perfektionistischen Terrormethoden der SS. G. ging es um einen starken, autoritären Staat, der für „Ordnung“ sorgte. Das überkommene Rechtsstaatsdenken und die liberalen Freiheitsideen waren ihm allerdings völlig fremd. So hatte er keine Skrupel, Verfassung und Gesetzesordnung flagrant zu verletzen. Während er in den Monaten nach der Machtergreifung ein großes Maß an Verwaltungsarbeit leistete und auch später bei der Förderung der Luftfahrt sowie dem Aufbau der Luftwaffe organisatorische Fähigkeiten zeigte, versagte er bei der Durchführung des Vierjahresplanes gegenüber den ihm fremden wirtschaftspolitischen Aufgaben. Die unbekümmerte Häufung von Ämtern und neuen Aufgaben machte zunehmend beträchtliche Bildungslücken und sein sprunghaftes, zu stetiger Arbeit ungeeignetes Naturell sichtbar. Der Drang zur Repräsentation und zum übersteigerten Luxus und damit auch seine krankhafte Eitelkeit, die oft belächelt wurde, wuchsen mit der Machtfülle; G. setzte sich dabei schon vor Kriegsbeginn auch in seinen privaten Ambitionen mit Methoden des Drucks und der indirekten Erpressung über die Grenzen von Recht und Moral hinweg und führte nach 1939 in den besetzten Ländern regelrechte Beutezüge auf Kunstwerke aus öffentlichem und privatem Besitz durch. Er bewahrte sich trotz dieser korrupten Züge die Sympathien seiner meisten engeren Mitarbeiter und trat gelegentlich krassen Unmenschlichkeiten der SS entgegen. Aber seine blinde persönliche Ergebenheit gegenüber Hitler und der schnelle Rückgang seines politischen Einflusses während der Kriegsjahre machten alle Hoffnungen, die manche Kritiker des Systems oder Oppositionelle auf ihn richteten, zunichte. In der Gefangenschaft und vor dem Militärgericht zeigte G. wieder Eigenschaften des persönlichen Muts, der geschickten, präzisen Argumentation und der Verantwortungsfreude, die in den Jahren seines Aufstiegs weithin verlorengegangen waren. Trotz des Zerwürfnisses in den letzten Kriegsjahren bekannte er sich uneingeschränkt zu Hitler und den Grundzügen seiner Politik. Er setzte sich offensichtlich das Ziel, durch seine Aussagen und Erklärungen das Dritte Reich und damit sich selbst im Urteil des deutschen Volkes und der Geschichte zu rechtfertigen. Diese Haltung hat er nach dem Urteil der meisten, die ihn in seinen letzten Wochen sprechen konnten (Douglas M. Kelley, Gustav M. Gilbert, Werner Bross), bis zu seinem Tode eingenommen.

  • Werke

    Aufbau e. Nation, 1934.

  • Literatur

    E. Gritzbach, H. G., Werk u. Mensch, ²1938 (P);
    D. M. Kelley, 22 Cells in Nuremberg, London 1947;
    G. M. Gilbert, Nuremberg Diary, New York 1947;
    B. Dahlerus, Der letzte Versuch, London - Berlin, Sommer 1939, 1948;
    W. Bross, Gespräche mit H. G. während d. Nürnberger Prozesses, 1950;
    E. Butler u. G. Young, Marshal without Glory, The troubled life of H. G., London 1951;
    W. Frischauer, Ein Marschallstab zerbrach, Eine G.-Biogr., 1951. - Zu V Heinrich: O. Hintrager, Südwestafrika in d. dt. Zeit, 1955, S. 19-25 (P);
    BJ 18 (Tl. 1913, L).

  • Autor/in

    Gerhard Stoltenberg
  • Zitierweise

    Stoltenberg, Gerhard, "Göring, Hermann" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 525-527 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118540157.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA