Lebensdaten
1875 – 1967
Geburtsort
Liegnitz
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
sozialdemokratischer Politiker ; Reichstagspräsident
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118728725 | OGND | VIAF: 8182585
Namensvarianten
  • Löbe, Paul
  • Löbe, Paul
  • Loebe, Paul
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Zitierweise

Löbe, Paul, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728725.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1843–98), Tischler;
    M Pauline Leuschner (1852–1947);
    Wohlau 1901 Clara (1879–1964), T d. Otto Schaller (1851–1936), Tischler in L., u. d. Pauline Mehwald;
    1 S.

  • Biographie

    Das Interesse an der Politik vermittelte dem wißbegierigen und von der Armut im kinderreichen Elternhaus entscheidend geprägten L. der Vater. Schon als 14jähriger beteiligte sich L. am Reichstagswahlkampf (1890), indem er mit gleichgesinnten Jungen in den umliegenden Dörfern des Kreises Liegnitz sozialistische Flugblätter verteilte. Da sich sein Wunsch, Lehrer zu werden, aus finanziellen Gründen nicht verwirklichen ließ, erlernte er den Beruf des Schriftsetzers. Schon der 16jährige schrieb Artikel für die Breslauer sozialdemokratische „Volkswacht“ und baute eine Jugendgruppe auf, in der Werke sozialistischer Schriftsteller gelesen und diskutiert wurden. 1893 trat er in die SPD und 1895 in den „Verband deutscher Buchdrucker“ ein. 1896 ging L. für mehrere Monate auf die „Walz“, die ihn über Wien, Budapest, Triest, Venedig und Rom bis Neapel führte. Nach fast zweijährigem Aufenthalt in Mitteldeutschland (Dessau und Ilmenau), wo er sich in der Arbeiterbewegung betätigte, kehrte er in seine Heimat zurück, um nach dem Tod des Vaters seine Mutter und seine drei jüngeren Geschwister zu ernähren. Er trat zunächst als Setzer und 1899 als Redakteur in die Breslauer „Volkswacht“ ein, die früher Wilh. Liebknechts Schwiegersohn Bruno Geiser geleitet hatte. Wegen seiner wiederholten scharfen Kritik am Wilhelminischen Staat wurde er zu mehrmonatigen Gefängnisaufenthalten verurteilt, die er zur Weiterbildung nutzte.

    Rasch stieg L. zum führenden Sozialdemokraten in Breslau auf. 1900 übernahm er den Ortsvorsitz und wurde 1904 in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Seit 1903 kandidierte er – erfolglos – bei Reichstagswahlen (zuerst in Ratibor) und seit 1910 ebenso bei Landtagswahlen. L. setzte sich energisch dafür ein, daß der 1901 aus dem Londoner Exil zurückgekehrte Eduard Bernstein ein Jahr darauf im Wahlkreis Breslau-West kandidieren konnte. Er hielt auf dem Dresdener Parteitag 1903 mit nur wenigen Genossen zu Bernstein, als dieser stark angegriffen wurde. – Im Sommer 1918 waren die „Fränk. Tagespost“ und die Breslauer „Volkswacht“ die ersten Blätter, die die Forderung nach Abdankung des Kaisers aufstellten. Im Nov. 1918 leitete L. zusammen mit dem späteren ersten sozialdemokratischen Oberpräsidenten von Schlesien, Felix Philipp, den Breslauer Volksrat, der den Übergang von der Monarchie zur Republik in Breslau besonnen, fast feierlich durchführte: mit einer Großkundgebung in der Jahrhunderthalle, die zum „Dom der Demokratie“ erklärt wurde. Ende Dez. lehnte L. die Berufung in den Rat der Volksbeauftragten ab, da er sich „für eine solche Aufgabe noch nicht hinreichend vorbereitet“ hielt. Bei den Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung in Weimar führte er jedoch zusammen mit den beiden späteren Reichskanzlern Gustav Bauer und Hermann Müller im Wahlkreis Breslau die SPD-Liste an. Im Namen der Fraktion gab er schweren Herzens die Zustimmung zum Versailler Vertrag. Als Vorsitzender des Österr.-deutschen Volksbundes setzte er sich für die Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich ein. 1921 wandte er sich entschieden gegen die trotz des deutschen Abstimmungssieges erfolgte Teilung Oberschlesiens.

    Am 25.6.1920 wurde L., der bereits in der Weimarer Nationalversammlung das Amt eines Vizepräsidenten bekleidet hatte und später (seit 1921) dem Preuß. Staatsrat angehörte mit 397 von 420 Stimmen zum Präsidenten des Reichstags gewählt. Von einer kurzen Unterbrechung im Sommer 1924 abgesehen, hatte er dieses Amt 12 Jahre lang bis zum Sommer 1932 inne, als er von Hermann Göring abgelöst wurde. Während er in den ersten Jahren „mit innerer Befriedigung“ amtieren konnte, wurde ihm seit 1930 durch das Verhalten der antidemokratischen Parteien auf der Rechten und Linken seine Tätigkeit ungemein erschwert. Dessen ungeachtet war L. „einer der besten Präsidenten, die der Deutsche Reichstag je gehabt hat: gerecht und unparteiisch, ruhig, sicher und liebenswürdig in seinen Formen“ (Eyck). Nach dem Tode Friedrich Eberts wurde ihm von seiner Partei die Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten angeboten, die er jedoch ablehnte, da „auf diesen Platz ein Mann aus härterem Holz gehörte“. Als Präsident der „Interparlamentarischen Konferenz“ leitete er zahlreiche internationale Kongresse und setzte sich als Mitbegründer der Paneuropa-Bewegung für eine enge Zusammenarbeit der europ. Staaten ein.

    L., der 1932/33 als Redakteur beim „Vorwärts“ tätig war, wurde im Juni 1933 nach der Emigration des alten Vorstandes zum provisorischen Leiter der SPD im Inland gewählt, jedoch kurz darauf – nach dem Verbot der Partei – verhaftet und in das schles. KZ Dürrgoy eingeliefert. Nach seiner Entlassung im Dez. 1933 war er arbeitslos, bis er 1935 im Berliner Verlag Walter de Gruyter eine Stelle als Korrektor erhielt. Obwohl sich L. nie zu den Widerstandskämpfern zählte, wurde er nach dem 20. Juli 1944 abermals verhaftet und für einige Wochen ins KZ Groß-Rosen b. Striegau gebracht. Das Kriegsende erlebte er als Flüchtling in der Grafschaft Glatz. Auch ihm blieb die Vertreibung nicht erspart, unter der er bis an sein Lebensende litt. – Seit Sept. 1945 führte L. in Berlin Verhandlungen mit führenden Sozialdemokraten, insbesondere mit Otto Grotewohl, über die Stabilisierung der eben wiedergegründeten Partei. Als Mitherausgeber des „Telegraf“ widersetzte er sich der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED. 1947 kam es zu Differenzen zwischen ihm und Kurt Schumacher, da er zusammen mit Ernst Lemmer und Jakob Kaiser (beide CDU) auch dann noch für die Erhaltung der deutschen Einheit eintrat, als sich die beiden Parteiführungen schon mit einer vorläufigen Teilung abgefunden zu haben schienen.

    1949 zog L. für West-Berlin in den Bundestag ein, dessen konstituierende Sitzung er als Alterspräsident leitete; er trug wesentlich zur Kontinuität des deutschen Parlamentarismus von Weimar zu Bonn bei. 1949 wurde er zum Präsidenten des Deutschen Rates der europ. Bewegung, 1954 zum Präsidenten des Kuratoriums „Unteilbares Deutschland“ gewählt. Als aufrichtiger Patriot und überzeugter Europäer setzte sich L. unermüdlich für die Einigung Westeuropas, die Wiedervereinigung Deutschlands und seine vertriebenen Landsleute ein.

  • Werke

    Der Weg war lang, Lebenserinnerungen, 1949, ³1955 (P).|

  • Nachlass

    Nachlaß: Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.

  • Literatur

    A. Scholz u. W. G. Oschilewski (Hrsg.), Lebendige Tradition, 1955;
    E. Eyck, Gesch. d. Weimarer Republik, 1956;
    W. W. Schütz, Der gerade Weg, 1966;
    H. Neubach, Franz Gf. Ballestrem u. P. L., zwei Reichstagspräsidenten aus Schlesien, in: Schles. Stud., hrsg. v. A. Hayduk, 1970;
    ders., in: Große Schlesien, hrsg. v. H. Hupka, ²1979.

  • Porträts

    Bronzebüste v. Ritz (Bonn, Bundeshaus).

  • Autor/in

    Helmut Neubach
  • Zitierweise

    Neubach, Helmut, "Löbe, Paul" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 20-21 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118728725.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA