Dates of Life
1858 – 1918
Place of birth
Berlin
Place of death
Straßburg
Occupation
Philosoph ; Soziologe
Religious Denomination
konfessionslos
Authority Data
GND: 118614436 | OGND | VIAF: 39384262
Alternate Names
  • Simmel, Friedrich Eduard Georg
  • Simmel, Georg
  • Simmel, Friedrich Eduard Georg
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Citation

Simmel, Georg, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118614436.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogy

    Aus schles. jüd. Fabrikanten- u. Kaufmannsfam.;
    V Eduard Maria (1810–74, jüd., seit 1830 kath.), Kaufm. in B., Gründer d. Chocolaterie Simmel in Potsdam, Gründer u. Mitinh. d. Süßwarenfabrik „Felix u. Sarotti“, 1845 preuß. Hoflieferant, S d. Isaak (* um 1780), aus Dyhernfurth (Schlesien), seit 1840 Bürger in Breslau; Vormund seit 1874 Julius Friedländer (1827–92), aus Breslau, Dr. phil., Math., Doz. in Kalifornien, dann Buch- u. Musikalienhändler in B., Antiquar, Verleger v. a. f. math. u. naturwiss. Lit., seit 1860 Inh. d. „Musikedition Peters“ (s. K. F. Pfau, Biogr. Lex. d. Dt. Buchhandels, 1890; NDB X, S. 691*), S d. Raphael Friedländer, Buchhändler, gründete 1828 e. Buchhandlung in B.;
    M Flora Bodstein (1818–97, luth.), aus Breslau; 6 ältere Geschw u. a. Eugen (1839–85), Ztg.redakteur in B.;
    1890 Gertrud (Ps. Marie-Louise Enckendorff) (1864–1938), aus Potsdam, Malerin, Schriftst., mit Max u. Marianne Weber befreundet, Vfn. v. „Vom Sein u. vom Haben d. Seele“, 1906, „Realität u. Gesetzlichkeit im Geschlechtsleben“, 1910, „Über d. Religiöse“, 1919 u. „Kindschaft zur Welt“, 1927 (s. Philosophinnen-Lex.; W, L), T d. Albert Kinel (1825–1911), aus Rosenberg (Oberschlesien), 1880–92 Dirigent im Reichsamt f. d. Verw. d. Reichseisenbahnen, 1895–1901 Präs. d. Preuß. Ak. d. Bauwesens, Wirkl. Geh. Reg.rat (s. BJ 16, Tl.);
    1 S Hans (1891–1943, Else Rapp, 1895–1964, Dr. med., Ärztin), bis 1933 ao. Prof. f. Innere Medizin in Jena, in KZ Dachau interniert, emigrierte 1939 über d. Schweiz u. Großbritannien n. Colorado Springs (Kalifornien, USA) (s. Rhdb.; BHdE II; L); aus Verbindung mit Gertrud Kantorowicz (Ps. Gertrude Pauly) (1876–1945 Theresienstadt), Dichterin, Übers., Kunsthist. (s. L) 1 außerehel. T Angela (Angi) Kantorowicz (1907–44), emigrierte n. Palästina;
    Gvm d. Ehefrau N. N. Kinel (1788–1839), 1827–39 Bgm. in Rosenberg (s. NND 17);
    N Marianne Leonore (* 1923), Prof. f. Psychol. an d. Brandeis Univ. (Waltham, Massachusetts, USA) b. Boston (s. BHdE II).

  • Biographical Presentation

    S. wurde nach dem frühen Tod seines Vaters gefördert von seinem Vormund Julius Friedländer, der ihm nach dem Abitur am Friedrichwerderschen Gymnasium in Berlin 1876 ein Studium an der Univ. Berlin ermöglichte und ihm ein beachtliches Vermögen hinterließ. Seit 1876 studierte S. Geschichte, daneben Kunstgeschichte, Völkerpsychologie und später Philosophie. Zu seinen Lehrern zählen u. a. Johann Gustav Droysen, Theodor Mommsen, Heymann Steinthal, Moritz Lazarus, Hermann Grimm, Adolf Bastian und Friedrich Harms. 1880 reichte S. seine Dissertation zum Thema „Psychologisch-ethnographische Studien über die Anfänge der Musik“ zur Promotion zum Dr. phil. ein, diese wurde jedoch abgelehnt. 1881 reichte S. erfolgreich die Arbeit „Das Wesen der Materie nach Kant's Physischer Monadologie“ ein, mit der er bereits mit einem Fakultätspreis ausgezeichnet worden war. 1884 wurde seine Habilitationsschrift zur Raum- und Zeitlehre Kants angenommen, den mündlichen Probevortrag bestand er erst beim zweiten Versuch 1885; seitdem war er unbesoldeter Privatdozent an der Univ. Berlin. 1900 wurde er nach wiederholtem Antrag zum Extraordinarius ohne Prüfungsberechtigung unter Verzicht auf Gehaltsansprüche ernannt. 1908 und 1915 scheiterten seine Bemühungen um einen Lehrstuhl für Philosophie an der Univ. Heidelberg, ungeachtet der Unterstützung durch Eberhard Gothein und Max Weber. Das mehrfache Ausbleiben von Beförderungen und Berufungen S.s läßt sich wesentlich auf den herrschenden Antisemitismus an den dt. Universitäten und in der allgemeinen Hochschulpolitik zurückführen. Erst 1914 wurde S. zum o. Professor für Philosophie in Straßburg ernannt, wo ihm durch die Unruhen des 1. Weltkrieges und durch seinen frühen Tod (Leberkrebs) keine|größeren Wirkungsmöglichkeiten mehr vergönnt waren.

    Während seiner langen Berliner Zeit wurde S. zu einer wichtigen Person des Kulturlebens der Stadt, nicht nur der Universität. Seine öffentlich angekündigten Vorlesungen über Kant, Schopenhauer, Darwin, Nietzsche und ähnliche Themen übten große Anziehungskraft auf die kulturelle Elite der Hauptstadt des Dt. Reiches aus. In seinen Seminaren beschäftigte er sich mit Themen der Logik und der Geschichte der Philosophie, Ethik, Sozialpsychologie und Soziologie. Mit Ferdinand Tönnies, Werner Sombart und Max Weber zählt S. zu den bedeutendsten Mitbegründern der Soziologie als einer eigenständigen, empirisch fundierten und theoretisch elaborierten Sozialwissenschaft. S. wirkte maßgeblich bei der Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Soziologie“ (DGS) 1909 mit.

    In seinem programmatischen Aufsatz „Das Problem der Soziologie“ (1894) definierte S. die Soziologie als Wissenschaft von den Prozessen und Formen der Wechselwirkung; der Begriff „Gesellschaft“ solle durch „Vergesellschaftung“ ersetzt werden, um diesen prozeßhaften Ablauf der gegenseitigen Beeinflussung zu verdeutlichen. Entsprechend ging es ihm nicht um die Konstruktion einer universalen Gesellschaftstheorie, sondern, so der Untertitel eines seiner Hauptwerke „Soziologie“ (1908), um „Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung“. In seinem wohl bekanntesten Werk „Die Philosophie des Geldes“ (1900) vertritt S. die These, daß das Geld als das „reinste“ Symbol der modernen Gesellschaft und als generalisiertes Interaktionsmedium immer mehr Einfluß auf die Gesellschaft, die Politik und das einzelne Individuum bekomme. Mit seinen vielseitigen Forschungsinteressen, die ihn auch zu abgelegenen Themen führten, dabei jedoch durchgehend die ihm eigene soziologische Perspektive verfolgten, legte S. eine Basis für zahlreiche Spezialsoziologien. So gilt etwa sein Vortrag über „Die Großstädte und das Geistesleben“ (1903) als ein Gründungsdokument der Stadtsoziologie und sein Aufsatz über die „Philosophie der Mode“ (1905) als Ausgangspunkt einer Soziologie der Mode. Die enorme Vielfalt seiner Arbeiten lieferte die Vorlage für ein ambitioniertes soziologisches Programm mit erheblichem Anschlußpotential für die spätere soziologische Forschung. Vor allem durch seine – häufig auch persönliche – Wirkung auf Gelehrte wie Theodor W. Adorno, Reinhard Bendix, Ernst Bloch, Siegfried Kracauer, Georg Lukács, Karl Mannheim, Max Scheler und Alfred Schütz wurden viele seiner Konzepte und Perspektiven, nicht immer mit Nennung seines Namens, auch außerhalb Deutschlands weitergeführt. Seine zahlreichen Essays und Detailuntersuchungen lenkten die Aufmerksamkeit nachfolgender soziologischer Forschung auf die Komplexität und Widersprüchlichkeit historischer und sozialer Wirklichkeiten und schufen damit Grundvoraussetzungen der wissenschaftlichen Soziologie.

  • Awards

    Dr. rer. pol. h. c. (Freiburg, Br. 1911);
    Mitgl. d. Dt. Ges. f. Soziol. (1909–18);
    Mitgl. d. Inst. Internat. de Sociologie;
    – G.-S.-Ges.;
    Gedenktafel am ehem. Wohnhaus in Berlin-Westend (1988).

  • Works

    Weitere W Zur Psychologie d. Frauen, 1890;
    Über sociale Differenzierung, 1890;
    Einl. in d. Moralwiss., 1892/93;
    Die Probleme d. Gesch.philos., 1892;
    Kant, Sechzehn Vorll. gehalten an d. Berliner Univ., 1904;
    Zur Psychol. d. Scham, 1901;
    Kant u. Goethe, 1906;
    Die Rel., 1906;
    Schopenhauer u. Nietzsche, Ein Vortragszyklus, 1907;
    Hauptprobleme d. Philos., 1910;
    Philosoph. Kultur, 1911;
    Goethe, 1913;
    Rembrandt, Ein kunstphil. Versuch, 1916;
    Der Krieg u. d. geistigen Entscheidungen, 1917;
    Grundfragen d. Soziol., 1917;
    Der Konflikt d. modernen Kultur, 1918;
    Zur Philos. d. Kunst, Phil. u. kunstphil. Aufss., hg. v. Gertrud Simmel, 1922;
    Fragmente u. Aufss. aus d. Nachlaß u. Veröff. d. letzten J., hg. v. Gertrud Kantorowicz, 1923, Nachdr. 1967;
    G. S. Gesamtausg. (GSG), hg. v. O. Rammstedt, 24 Bde., 1989–2008;
    Mithg.:
    American Journal of Sociology.

  • Literature

    M. Susman u. M. Landmann (Hg.), G. S., Brücke u. Tür, 1957;
    K. Gassen u. M. Landmann (Hg.), Buch d. Dankes an G. S., Briefe, Erinnerungen, Bibliogr., 1958, Nachdr. 1993 (W, P);
    H. Böhringer u. K. Gründer (Hg.), Ästhetik u. Soziol. um d. Jh.wende, G. S., 1976;
    H.-J. Dahme, Soziol. als exakte Wiss., G. S.s Ansatz u. seine Bedeutung in d. gegenwärtigen Soziol., 1981;
    ders. u. O. Rammstedt (Hg.), G. S. u. die Moderne, 1984;
    O. Rammstedt (Hg.), S. u. d. frühen Soziologen, 1988;
    W. Jung, G. S. z. Einf., 1990;
    M. Featherstone (Hg.), G. S., 1991;
    J. Kintzelé u. P. Schneider (Hg.), G. S.s Philos. d. Geldes, 1993;
    K. C. Köhnke, Der junge S. in Theoriebeziehungen u. soz. Bewegungen, 1996;
    K. Lichtblau, G. S., 1997;
    S. Moebius, S. lesen, Moderne, dekonstruktive u. postmoderne Lektüren d. Soziologie v. G. S., 2001;
    A. Rammstedt, Paul Ernsts Freundschaft mit G. u. Gertrud S. im Spiegel d. überlieferten Korr., in: Paul Ernst, Außenseiter u. Zeitgenosse, hg. v. H. Thomé, 2002, S. 187–204;
    D. Frisby, G. S., 2002;
    B. Nedelmann, in: Klassiker d. Soziol., Bd. I, hg. v. D. Kaesler, ⁵2006, S. 128–50;
    BBKL X (W, L);
    Enz. Philos. Wiss.theorie;
    NDBA;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    zu Gertrud Kantorowicz:
    Kürschner, Lit.-Kal., Nekr. 1936–1970;
    Bibliographia Judaica;
    Biogr. Hdb. Kunsthist.;
    zur Fam.:
    H. S., Auszüge aus d. Lebenserinnerungen, in: Böhringer/Gründer (Hg.), Ästhetik u. Soziol. (s. o.), S. 247 ff.

  • Author

    Dirk Kaesler
  • Citation

    Kaesler, Dirk, "Simmel, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 421-422 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118614436.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA