Lebensdaten
1824 – 1903
Geburtsort
Filehne (Provinz Posen)
Sterbeort
Meran
Beruf/Funktion
Philosoph
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118570439 | OGND | VIAF: 37040031
Namensvarianten
  • Lazarus, Moritz
  • Lacarus, M.
  • Lacarus, Moric
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Lazarus, Moritz, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118570439.html [16.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Aaron Leb (1790–1874), Kaufm. u. 2. Vorsitzender d. Rabbinatskollegiums in F., S d. Rabbiners Leser in Hannover u. d. Esther Wronke;
    M Bina Wollenberg (1802–69);
    B Leiser (1822–79), Rabbiner in Prenzlau, Rektor d. jüd. theol. Seminars in Breslau;
    Schw Jeannette ( Hermann Steinthal, 1823–99, Philologe in Berlin, s. Enc. Jud. 15);
    - 1) Berlin 1850 Sarah (1819–94), T d. Elias Moses Lebenheim (1778–1850), Lederhändler in Brandenburg, dann in Berlin, 2) 1895 Nahida Ruth (1849–1928), Wwe d. Dr. Max Remy, T d. Kunsthistorikers Max Schasler (1819–1903) u. d. Schriftstellerin Nahida Sturmhoefel (182289, beide s. Kürschner, Lit.-Kal., Nekr.).

  • Biographie

    L. wurde durch seine Herkunft früh mit der Verschiedenheit der Denk- und Lebenstraditionen von Menschen unterschiedlicher Sprach-, Religions- und ethnischer Gemeinschaften vertraut. Er studierte in Berlin Philosophie und Geschichte und wurde mit der Arbeit „de educatione aesthetica“ 1849 promoviert. Er blieb dann 10 Jahre, während derer er vorübergehend u. a. eine Redakteurstätigkeit an der „Bürgerwehrzeitung“ ausübte, ohne ein von ihm erhofftes akademisches Amt in Berlin. Während dieser Jahre lehrte er im privaten Kreis. Deutschnational in seiner Gesinnung, stand er in ausgedehntem Briefwechsel mit bedeutenden Zeitgenossen. 1860 erhielt er einen Ruf nach Bern, wo er zunächst Honorarprofessor, dann 1862-66 o. Professor und Dekan war. Anschließend kehrte er ins Vaterland zurück, lehrte 1868-72 an der preuß. Kriegsakademie und wurde 1873 auf einen Lehrstuhl für Philosophie an der Univ. Berlin berufen. 1897 übersiedelte er nach Meran.

    Als Hochschullehrer stützte L. sein breit gefächertes Lehrangebot in den Gebieten der Philosophie, Kultur- und Kunstgeschichte, Individual- und Völkerpsychologie, Pädagogik, Moralstatistik, angewandte Rechtslehre und Ethik auf eine umfassende jüdisch-abendländische Bildung, die für sein Selbstverständnis entscheidend war. Seine Lieblingsidee einer „Völkerpsychologie“, die L. in Geschichte und Gegenwart des kulturellen Zusammenlebens der Völker zu verfolgen versuchte, erhielt in der 20 Bände umfassenden „Zeitschrift für Völkerpsychologie“ (1860-90) ein bleibendes Zeugnis durch die Zusammenarbeit und Freundschaft mit seinem Schwager Heyman Steinthal. L., den Bismarck einmal den geistigen Stifter der gesamtdeutschen Idee genannt hat, sah im preuß.-deutschen Problem die eigentliche Geburtsstätte seiner völkerpsychologischen Gedanken, die zum Teil schon bei J. S. Mill, Vico, Herder, Humboldt u. a. anzutreffen sind. Den Sozialwissenschaften und dem modernen Kulturrelativismus des 20. Jh. vorgreifend, hat L. mit seiner „Völkerpsychologie“ die Prinzipien einer neuen Gesetzeswissenschaft vom Zusammenleben der Individuen mitformuliert. Diese neue Wissenschaft sollte aus der ideographischen Geschichtswissenschaft und Geschichtsphilosophie herausgelöst werden und weitere Humanwissenschaften, so die Sprachwissenschaft, Rechtswissenschaft, Individualpsychologie, Ethik, Religionswissenschaft, Völkerkunde und Ethnologie durch einen erfahrungswissenschaftlichen Zugang vereinigen. Methodisch bevorzugte L. die Kategorien der Herbartschen Psychologie. Im Gegensatz zu Herbart ging er aber vom logischen und psychologischen Primat der sozialen Gemeinschaft aus und versuchte, im Vorfeld des modernen Positivismus, das „Faktische“ volksspezifischer Manifestationen in Sprache, Recht, Sitte, Religion, Kunst, Wissenschaft, Arbeit, Wirtschaft und Technik zu beschreiben und zu verallgemeinernden Aussagen über Wechselwirkungen solcher Erscheinungen des „objektiven Geistes“ zu kommen. Mit dem Begriff des „objektiven Geistes“ an Hegel anknüpfend, versuchte sich L. von dessen metaphysischem Postulat einer gesetzmäßigen Entfaltung der Vernunft in der Geschichte loszulösen, blieb aber dem deutschen Idealismus verhaftet, indem er die geistigen Ideen als „wahrhaft wirkliche“, geschichtsbildende Mächte, die sich nicht auf die Psychologie von Individuen reduzieren lassen, ansah. Als fortschrittsgläubiger Humanist gab L. aber die Hoffnung auf die Entwicklung der sittlichen und geistigen Kräfte im Zusammenleben der Völker nicht auf. Er verstand sich selbst mehr als ethischen Praktiker der Völkerpsychologie denn als systematischen Theoretiker. So ist auch zu verstehen, daß er von Zeitgenossen in seiner wissenschaftlichen Leistung widersprüchlich beurteilt worden ist.

  • Werke

    Weitere W u. a. Die sittl. Berechtigung Preußens in Dtld., 1850;
    Über d. Begriff d. Möglichkeit e. Völkerpsychol., in: Dt. Museum, Zs. f. Lit., Kunst u. Öffentl. Leben, 1, 1851, S. 113-26;
    Das Leben d. Seele in Monogrr. üb. s. Erscheinungen u. Gesetze, 3 Bde., 1855-57;
    Über d. Ursprung d. Sitten, 1860;
    Über d. Ideen in d. Gesch., 1865;
    Ideale Fragen, 1878;
    Was heißt „national“? 1879;
    Über d. Reize d. Spiels, 1884;
    Die Ethik d. Judentums I, 1898, II, 1911 (aus d. Nachlaß). - Autobiogrr.: M. L.s Lebenserinnerungen, bearb. v. N. Lazarus (Ehefrau) u. A. Leicht, 1906;
    Aus meiner Jugend, hrsg. v. N. Lazarus, 1913. - Briefe:
    Ein dt. Professor in d. Schweiz, 1910;
    M. L. u. H. Steinthal, Die Begründer d. Völkerpsychol. in ihren Briefen, hrsg. v. I. Belke, 1971 (W-Verz.).

  • Literatur

    A. Leicht, L. als Begründer d. Völkerpsychol., 1904;
    C. Sganzini, Die Fortschritte d. Volkerpsychol. v. L. bis Wundt, 1913;
    J. Lorenz, L. als Pädagoge, Diss. Halle 1914;
    H. Cohen, Das Problem d. jüd. Sittenlehre, Eine Kritik v. L.s Ethik d. Judentums, in: Jüd. Schrr. III, 1924;
    A. Lewkowitz, in: Mschr. f. Gesch. u. Wiss. d. Judentums 68, 1924, S. 185-92;
    D. Baumgart, in: Year Book of the Leo Baeck Inst. 2, 1957, S. 205-17;
    M. Meyer, ebd. 11, 1966, S. 146-53, S. 168 f.;
    N. Rotenstreich, Jewish Philos. in Modern Times, 1968, S. 43-51;
    I. Belke, Liberal Voices on Antisemitism in the 1880's, Letters to M. L. 1880-1883, in: Year Book of the Leo Baeck Inst. 23, 1978, S. 185-92;
    BJ VIII (W, L);
    Enc. Jud., X, 1934 u. X, 1971 (P);
    Ziegenfuß;
    Überweg IV, S. 263 f., 268, 669 f. - Zu Ehefrau Nahida Ruth:
    S. Pataky, Lex. dt. Frauen d. Feder, 1898;
    Wininger, Große jued. Nat.-Biogr., 1925-36.

  • Porträts

    Gem. v. F. v. Lenbach.

  • Autor/in

    Elke Natorp
  • Zitierweise

    Natorp, Elke, "Lazarus, Moritz" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 11-13 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118570439.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA