Lebensdaten
1848 – 1929
Geburtsort
Bergen (Rügen)
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Historiker ; Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118524518 | OGND | VIAF: 51867965
Namensvarianten
  • Delbrück, Hans Gottlieb Leopold
  • Delbrück, Hans
  • Delbrück, Hans Gottlieb Leopold
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Zitierweise

Delbrück, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118524518.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Berthold (1817–68), Dr. iur. h. c., Appellationsgerichtsrat in Greifswald (s. ADB V), S des Gottlieb (s. Genealogie 1 u. 3) u. der Charlotte Klein s. Genealogie (1);
    M Laura (1826–1911), T des Leopold v. Henning (1791–1866) auf Schönhoff, Prof. der Philos. in Berlin (s. ADB XI), u. der Emilie Krutisch (1805–53);
    Ov Adelbert s. (3), Rudolph s. (6);
    B Max s. (7), Ernst (1858–1933), Präs. des Statistischen Reichsamts (seit 1912);
    Schw Emilie ( 1904, M des Gärungsforschers Frdr. Hayduck, * 1880);
    Vt Berthold s. (1), Clemens s. (2), Heinrich s. (5);
    Leipzig 1884 Lina (1864–1943), T des Carl Thiersch ( 1895), Prof. der Chirurgie in Leipzig, u. der Johanna (1836–1925, T des Justus v. Liebig, 1873);
    3 S, 4 T, u. a. Max (* 1906), Prof. der Biologie in Pasadena (USA), Emmy (* 1905, Klaus Bonhoeffer, 1945, s. NDB II*).

  • Biographie

    Nach dem Studium in Greifswald, Heidelberg und Bonn promovierte D. 1873 bei Sybel mit einer Dissertation über die Glaubwürdigkeit Lamberts von Hersfeld. Seine Promotion war die erste in deutscher Sprache in der philosophischen Fakultät Bonn. Als leidenschaftlicher Gegner Bismarcks ging er in den Krieg von 1870/71, als sein Bewunderer kehrte er zurück. 1874-79 übernahm er die Erziehung eines jüngeren Sohnes des Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Während dieser Zeit bearbeitete er die zwei letzten Bände der von G. H. Pertz begonnenen Ausgabe von Gneisenaus Nachlaß und schrieb selbst eine Biographie über Gneisenau (1882), die ihn zu weiteren kriegswissenschaftlichen Studien (Die Perser- und Burgunderkriege, Über die Verschiedenheit der Strategie Friedrichs und Napoleons und andere) anregte. Aus diesen Vorarbeiten entstand seine vierbändige „Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte“ (1900-20). Bedeutsam war die von ihm dort angewandte Sachkritik an Stelle der bisherigen Quellenkritik, die ihn mit den phantastischen Zahlen der antiken Historiker aufräumen ließ und zu völlig neuen Ergebnissen, zum Beispiel bei der Beurteilung der Perserkriege führte. Seine Theorie über Ermattungsstrategie (Friedrich der Große) und Vernichtungsstrategie (Napoleon) wie überhaupt seine Beschäftigung mit der Geschichte der Kriegskunst wurde von den Militärschriftstellern scharf angegriffen, von seinen historischen Fachgenossen - D. hatte sich 1881 habilitiert - nicht voll anerkannt. Erst 1895 erhielt er ein Ordinariat und ein Jahr später den Lehrstuhl des verstorbenen Treitschke. Die Akademie der Wissenschaften nahm ihn wie so manchen großen Vorgänger nicht auf.

    D.s Bedeutung liegt indessen nicht allein in der Erschließung eines bisher in der Fachgeschichte vernachlässigten Gebietes, sondern in der engen Verbindung von wissenschaftlicher und politischer Tätigkeit. Er war der letzte Vertreter jener Gruppe deutscher Historiker von Dahlmann bis Treitschke, die durch eine nationalpolitische Publizistik und aktive Teilnahme am politischen Leben über ihre Lehrtätigkeit hinaus in der breiten Öffentlichkeit wirkten. In den 80er Jahren hatte er ein freikonservatives Mandat im Preußischen Abgeordnetenhause (1882–85) und im Reichstag (1884–90), nicht um „Berufspolitiker“ zu werden, sondern um als „Gelehrter in der Politik“ für seine historische Wissenschaft zu lernen. 1882 hatte er eine politische Wochenschrift herausgegeben, im nächsten Jahr wurde er neben Treitschke Mitherausgeber der „Preußischen Jahrbücher“, einer Zeitschrift für Politik, Geschichte, Literatur und Staatswissenschaften, die 1858 von den Vertretern des konstitutionellen Liberalismus gegründet worden war. 1889 trennte er sich wegen sozialpolitischer Differenzen von Treitschke - man kann D. zu den Kathedersozialisten rechnen - und der Verleger übergab ihm und nicht Treitschke die weitere Alleinherausgabe der Jahrbücher. Die „Politischen Korrespondenzen, in denen er allmonatlich die Ereignisse der Innen- und Außenpolitik kommentierte und kritisierte, enthalten den Niederschlag seiner politischen Anschauungen. In innenpolitischen Fragen (Nationalitätenpolitik, soziale Frage, Wahlrechtsproblem) verhielt er sich liberal-fortschrittlich und richtete seine Kritik besonders gegen die Konservativen und Nationalliberalen. In außenpolitischen Fragen, besonders in der Diskussion um die Weltpolitik und den damit zusammenhängenden Flottenbau, gehörte er zu den „Stürmern und Drängern“, begann allerdings seit 1907 für einen langsameren Bau der Flotte einzutreten. Seine Auseinandersetzung mit den Alldeutschen, die auf den Konflikt in der Nationalitätenpolitik zurückgeht, gewann nun in der Diskussion um die Flotten- und Weltpolitik an Schärfe. Er lehnte die völkischen Ideen und die Hegemoniebestrebungen der Alldeutschen radikal ab und hat immer nur an eine „friedliche Weltpolitik“ in Anlehnung an England gedacht. Trotz seiner eigenen, etwas phantastischen kolonialpolitischen Ziele blieb er auch während des Weltkrieges ein überzeugter Anhänger der Erhaltung des europäischen Gleichgewichtes. Der Höhepunkt seines politischen Wirkens war im Weltkrieg, als er der Führer derjenigen wurde, die für eine maßvolle Kriegszielpolitik eintraten, Gegner des uneingeschränkten U-Bootkrieges waren und die Abschaffung des Dreiklassenwahlrechts in Preußen forderten. Er gab zwar 1919, nunmehr 71jährig, die Redaktion der Preußischen Jahrbücher ab, kämpfte jedoch unermüdlich in der stets eigenen Weise nach zwei Fronten weiter: gegen die „Kriegsschuldlüge“ und gegen die „Dolchstoßlegende“. Seine schärfsten Angriffe richteten sich gegen Tirpitz und Ludendorff, in denen er die „Verderber“ des Deutschen Reiches sah.

    D. hat sich selbst immer einen „aufgeklärten Konservativen“ genannt. Es entstand das Kuriosum, daß sein Kampf gegen Nationalismus, soziale Reaktion und gegen den Klassenegoismus der höheren Stände ihn zum Verteidiger seiner eigenen Gegner, der Sozialdemokraten und nationalen Minderheiten machte. Er war und blieb indessen ein Anhänger der konstitutionellen Monarchie und konservativer Staatsauffassung (siehe auch sein Buch „Regierung und Volkswille“, 1914). Seine Kritik richtete sich nur deshalb gegen die Konservativen und Nationalliberalen, weil es ihm gerade um die Erhaltung der bestehenden politischen Ordnung zu tun war. Die Herrschaft der Rechts- und Mittelparteien bedeutete ihm die Garantie für die Großmachtstellung des Deutschen Reiches, aber im Gegensatz zu vielen Konservativen und Nationalliberalen sah er dem nationalen Machtanspruch des Staates klare Grenzen im Rechtsempfinden und in der Erhaltung eines europäischen Gleichgewichts gesetzt.

  • Werke

    Weitere W u. a. Hist. u. polit. Aufsätze, 1887;
    Die Polenfrage, 1894;
    Bismarcks Erbe, 1915;
    Ludendorffs Selbstporträt, 1922;
    Weltgesch., 5 Bde., 1923-28;
    W-Verz. in: Kürschner, Gel.-Kal. 1928/29.

  • Literatur

    M. Hobohm, H. D., d. Siebzigjährige, 1918 (P);
    F. J. Schmidt, K. Molinski, S. Mette, H. D., d. Historiker u. Politiker, 1928;
    Am Webstuhl d. Zt., hrsg. v. E. Daniels u. P. Rühlmann, 1928 (Radierung v. H. Tiburtius, Bronzeplakette v. K. Dautert);
    F. Meinecke, in: HZ 140, 1929, S. 702 ff.;
    P. Rassow, H. D. als Historiker u. Politiker, in: Die Sammlung, H. 3, 1949, S. 134-44;
    G. Gut, Stud. z. Entwicklung H. D.s als pol. Historiker, Diss. FU Berlin 1951 (ungedr.);
    A. v. Harnack, H. D. als Historiker u. Politiker, in: Die Neue Rdsch. 63, 1952, S. 408-26;
    A. Thimme, H. D. als Kritiker d. Wilhelmin. Epoche, 1955;
    J. Ziekursch, in: DBJ XI, S. 89-95 (L u. Tl. 1929, W, L). - Qu: Nachlaß D.s in d. Dt. Staatsbibl. Berlin;
    Briefe D.s an Althoff, v. Bethmann Hollweg, v. Sybel u. v. Valentini in d. betr. Nachlässen u. Akten d. Reichskanzlei in d. Dt. Zentralarchiven I u. II, Potsdam u. Merseburg;
    Ms. „Erinnerungen an H. D.v. L. Delbrück (im Bes. d. T, Frau Helene Hobe).

  • Autor/in

    Anneliese Thimme
  • Zitierweise

    Thimme, Anneliese, "Delbrück, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 3 (1957), S. 577-578 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118524518.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA