Worringer, Wilhelm

Dates of Life
1881 – 1965
Place of birth
Aachen
Place of death
München
Occupation
Kunsthistoriker ; Kunsttheoretiker
Religious Denomination
konfessionslos
Authority Data
GND: 118807900 | OGND | VIAF: 27143983
Alternate Names

  • Worringer, Robert Wilhelm
  • Worringer, Wilhelm
  • Worringer, Robert Wilhelm
  • Worringer, Wilhelm R.
  • Voringer, Vilchem
  • Worringer, Wilhelm Robert
  • Voringā, Wiruherumu
  • 沃林格

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Citation

Worringer, Wilhelm, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118807900.html [15.12.2025].

CC0

  • Worringer, Robert Wilhelm

    | Kunsthistoriker, * 13.1.1881 Aachen, † 29.3.1965 München, ⚰ München, Nordfriedhof. (konfessionslos)

  • Genealogy

    V Peter Gustav (1843–1889), Gastwirt, ab 1877/78 in Aachen, ab 1884 Pächter d. Restaurants im Zool. Garten, Köln, S d. Wilhelm, Schreiner in Kettwig, u. d. Amalia Schuerenberg;
    M Bertha Cilles (1852–1941), Gastwirtin, führte ab 1884 d. Restaurant im Zool. Garten, Köln, alleine fort;
    3 B Paul (1876–1950, Josefine Elisabeth v. Frankenberg), Verlagsbuchhändler in Neuwied, Gustav (1877–1931), Gastwirt, Adolf (1882–1960, Olga Oppenheimer, 1886–1941, KZ Lublin, Malerin, s. Jüd. Frauen im 19. u. 20. Jh., hg. v. J. Dick u. M. Sassenberg, 1993; Rhein. Expressionistinnen, hg. v. A. Münster, 1993, S. 114–23; AKL, T d. Max Samuel Oppenheimer, 1852–1922, aus Duisburg, Tuchgroßhändler in Köln), Gastwirt in Köln u. Düsseldorf, betrieb d. Restaurant im Zool. Garten, Köln, Schw Emilie (Emmy) (1878–1961), Künstlerin, 1911–13 Mitbegründerin u. -organisatorin d. avantgardist. Künstlervereinigung „Gereonsklub in Köln“, Kunsthändlerin, Graphologin;
    Köln 1907 Marta Schmitz (s. 2; P);
    3 T Brigitte (1908–34), Ärztin am Westend-Krankenhaus in Berlin-Charlottenburg, Renate (1911–1996, Hans Schad, 1900–62, Bankkaufm.), Dramaturgin, Lucinde (1918–1998, Fritz Sternberg, 1895–1963, sozialist. Theoretiker, Publ., s. NDB 25), Schausp., Lektorin.

  • Biography

    W. studierte nach dem Besuch des Kgl. Marzellengymnasiums in Köln ab 1901 in Freiburg (Br.), München und Berlin – zunächst mit literaturgeschichtlichem, ab 1903 mit kunstgeschichtlichem Schwerpunkt u. a. bei Berthold Riehl (1858–1911), Heinrich Wölfflin (1864–1945) und dem Münchner Privatdozenten und Schmarsow-Schüler Artur Weese (1868–1934). Nach Weeses Berufung an die Univ. Bern wurde W. dort im Jan. 1907 mit der Arbeit „Abstraktion und Einfühlung.|Ein Beitrag zur Stilpsychologie“ zum Dr. phil. promoviert.

    Danach lebte W. als freier Autor in München, wo er v. a. in Schriftstellerkreisen verkehrte, u. a. mit Paul Stern (1888–1944), Franz Dülberg (1873–1934) und Oskar H. Schmitz (1873–1931). Im Sommer 1908 übernahm er die Münchner Redaktion der „Monatshefte für Kunstwissenschaft“. Im selben Jahr erschien auch seine im Auftrag des Piper-Verlags verfaßte und an ein breites Publikum gerichtete Monographie über Lukas Cranach. 1909 reichte er seine Habilitationsschrift „Formprobleme der Gotik“ an der Univ. Bern ein, an der er nach Abschluß des Verfahrens als Privatdozent Kunstgeschichte lehrte. Auf Betreiben von Paul Clemen (1866–1947) wurde er 1914 an die Univ. Bonn umhabilitiert. 1915 meldete er sich als Kriegsfreiwilliger (Kanonier in Frankreich bis Juni 1918), rückte jedoch in den folgenden Jahren zunehmend von seiner Kriegsbegeisterung ab.

    Nach dem Krieg entwickelte W. eine rege Vortragstätigkeit im In- und Ausland; publizistisch widmete er sich in erster Linie der dt. Malerei und Buchkunst der Spätgotik. Daneben führte er die stilpsychologischen Studien der Vorkriegsjahre weiter („Ägyptische Kunst“, 1927; „Griechentum und Gotik“, 1928). In Bonn wurde W. 1925 zum ao. Professor ernannt; seine Hoffnungen auf eine o. Professur hingegen erfüllten sich trotz aussichtsreicher Bewerbungen (u. a. in Rostock und Greifswald) lange Zeit nicht. Erst 1928 erging der Ruf auf die Professur für Kunstgeschichte an die Univ. Königsberg, wo er bis 1944 lehrte, unterbrochen nur von einer Gastprofessur 1932/33 in Prag. Im Aug. 1944 flüchtete W. mit seiner Frau nach Berlin. Die Option, 1945 in Nachfolge Wilhelm Pinders (1878–1947) den Berliner Lehrstuhl anzutreten, zerschlug sich ebenso wie Angebote aus Göttingen und Jena, so daß W. schließlich 1947 die Nachfolge von Wilhelm Waetzold (1880–1945) als Professor für Kunstgeschichte in Halle antrat. Von dort setzte er sich, um sich politischen Vereinnahmungen in der DDR zu entziehen, 1950 mit seiner Ehefrau nach München ab. Seine letzten umfangreicheren Diskussionsbeiträge galten dem Problem künstlerischer Zeitgenossenschaft („Fragen und Gegenfragen, Schriften zum Kunstproblem“, 1956).

    W.s Ruhm basiert im wesentlichen auf seinen Frühwerken. Während spätere Publikationen wenig Resonanz fanden, wurden die Dissertations- und die Habilitationsschrift v. a. außerhalb der Fachdisziplin Kunstgeschichte breit rezipiert – u. a. von Ernst Bloch (1885–1977), Hermann Hesse (1877–1962), Paul Ernst (1866–1933), Franz Marc (1880–1916) und Paul Klee (1879–1940). Ausgehend von der These, daß Kunst stets auf psychische Bedürfnisse reagiere und künstlerische Produktion nicht vom „Können“, sondern von einem apriori vorhandenen, nach Zeiten und Völkern verschiedenem „Wollen“ abhänge, hatte W. hier mit „Abstraktion“ und „Einfühlung“ bzw. „klassischem“ und „gotischem Formwillen“ zwei antithetische Gestaltungsprinzipien für die Entwicklung der Kunst postuliert: Dem „Einfühlungsdrang“, der ästhetisches Erleben als Akt der Selbstwahrnehmung gestaltet (vgl. Theodor Lipps, 1851–1914, in seiner „Ästhetik“, 1903/06), stellte er einen „Abstraktionsdrang“ gegenüber, der in der Kunst die Befreiung aus der als bedrohlich wahrgenommenen Natur sucht. Die beiden Pole werden zwar in eine zeitliche Abfolge (vom „primitiven“ zum „klassischen“ bzw. „orientalischen“ Menschen) zueinander gesetzt, zugleich aber auch mit unveränderlichen rassepsychologischen Dispositionen verknüpft.

    So kritisch die Kollegenschaft auf den spekulativen Charakter von W.s Denkfigur reagierte, so positiv war die Aufnahme auf seiten der Kunstkritik, die in ihr eine historische Begründung für abstrakte Tendenzen der Moderne zu finden glaubte. Die Zuordnung eines abstrakt-gotischen „Kunstwollens“ an die Gefühlswelt eines „nordischen Völkerkonglomerats“ eröffnete zudem die Möglichkeit, für den dt. Expressionismus ein nationales, bisweilen auch nationalistisches Narrativ zu entwickeln. W. selbst wollte den Bezug zwischen den Werken der Avantgarde und seinen Schriften auf „Zeitnotwendigkeiten“ beschränkt wissen. Ab 1918 äußerte er sich zunehmend kritisch zur expressionistischen Kunst; in dem 1921 erschienenen Vortrag „Künstlerische Zeitfragen“ sprach er ihr sogar ihren Zeitbezug ab – eine Diagnose, die er in abgewandelter Form 1948 in der Auseinandersetzung mit Hans Sedlmayrs (1896–1984) Modernismuskritik wiederholte („Problematik der Gegenwartskunst“). Gleichwohl wurde W. von Georg Lukács 1934 in der marxistischen Expressionismusdebatte als Vordenker der als subjektivistisch gebrandmarkten Kunstrichtung angegriffen. Seit den 1980er Jahren werden zivilisationskritische Aspekte seiner Schriften in der Philosophie, der Medientheorie und den Literaturwissenschaften rezipiert.

    Zum Freundeskreis des Ehepaares W. gehörten in Bonn u. a. Louise Dumont (1862–Worringer|1932), Romano Guardini (1885–1968), Max Ernst (1891–1976), Max Scheler (1874–1928), Leo Spitzer (1887–1960) und Carola Giedion-Welcker (1893–1979), in Königsberg Paul Hankamer (1891–1945), Guido Frhr. Kaschnitz v. Weinberg (1890–1958), Alfred Partikel (1888–1945) und Hanns Hopp (1890–1971).

  • Awards

    |Mitgl. d. Sächs. Ak. d. Wiss. (1949).

  • Works

    |u. a. Abstraktion u. Einfühlung, Ein Btr. z. Stilpsychol., 1908, zahlr. Aufll., zuletzt Neuausg. hg. v. H. Grebing, Mit e. Einl. v. C. Öhlschläger, 2007, zahlr. Überss., u. a. engl. u. span. (1953), franz. (1978), ital. (2008);
    Lukas Cranach, 1908;
    Formprobleme d. Gotik, 1911, u. a. engl. (1920), franz. (1941), ital. (1986);
    Die altdt. Buchill., 1912;
    Künstler. Zeitfragen, 1921;
    Urs Graf, Die Holzschnitte z. Passion, 1923;
    Die Anfänge d. Tafelmalerei, 1924;
    Ägypt. Kunst, Probleme ihrer Wertung, 1927;
    Griechentum u. Gotik, 1928;
    Problematik d. Gegenwartskunst, 1948;
    Fragen u. Gegenfragen, Schrr. z. Kunstproblem, 1956;
    Schrr., hg. v. H. Boehringer, H. Grebing u. B. Söntgen, Unter Mitarb. v. A. Zerbst, 3 Bde., 2004 (u. a. mit W.s Vorlesungsmss.);
    Nachlaß: GNM Nürnberg, Dt. Kunstarchiv.

  • Literature

    |E. Fidder (Hg.), Neue Btrr. dt. Forsch., W. W. z. 60. Geb.tag, 1943 (P);
    K. Zylmans, Kommunikation über Kunst, Eine Fallstud. z. Entstehungs- u. Rezeptionsgesch. d. „Blauen Reiters“ u. v. W. W.s „Abstraktion und Einfühlung“, 1988;
    M. Bushart, Der Geist d. Gotik u. die expressionist. Kunst, 1990;
    N. H. Donahue (Hg.), Invisible cathedrals, The expressionist art history of W. W., 1995;
    H. Boehringer u. B. Soentgen (Hg.), W. W.s Kunstgesch., 2002;
    H. Grebing, Die Worringers, Bildungsbürgerlichkeit als Lebenssinn, W. u. Marta W., 1881–1965, 2004 (P);
    H. L. Nickel, Der Wiederbeginn nach d. Zweiten Weltkrieg, Erinnerungen an W. W. u. Hans Junecke, in: W. Schenkluhn (Hg.), 100 J. Kunstgesch. an d. Martin-Luther-Univ. Halle-Wittenberg, 2004, S. 181–90;
    C. Öhlschläger, Abstraktionsdrang, W. W. u. d. Geist d. Moderne, 2005;
    J. Dittrich, A Life of Matter and Death, Inorganic Life in W., Deleuze, and Guattari, in: Discourse 33, 2011, S. 242–62;
    N. Gramaccini u. J. Rößler (Hg.), Hundert J. „Abstraktion u. Einfühlung“, Konstellationen um W. W., 2012 (P);
    Munzinger;
    Killy;
    Altpreuß. Biogr. III;
    Dict. of Art;
    Metzler Kunsthist. Lex;
    Dict. of Art Historians.

  • Portraits

    |Photogrr., Abb. in: H. Grebing (s. L), S. 94, 106 u. 114;
    Kohlezeichnungen v. Marta Worringer, um 1942 u. 1948, Abb. ebd., S. 186 u. 232;
    Doppelporträt W. W. u. Herbert Koch v. C. Crodel, Farbholzschnitt, 1922 (Stadtmus. Jena), Abb. in: N. Gramaccini u. J. Rößler (s. L), S. 182;
    Porträt v. R. Seewald, Lith., 1928, Abb. in: R. Jensch, Richard Seewald, Das graph. Werk, 1973, Nr. 209.

  • Author

    Magdalena Bushart
  • Citation

    Bushart, Magdalena, "Worringer, Robert Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 502-504 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118807900.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA