Lebensdaten
1864 – 1944
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
Germanist ; Literaturwissenschaftler
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 11876425X | OGND | VIAF: 37712030
Namensvarianten
  • Walzel, Oskar Franz
  • Walzel, Oskar
  • Walzel, Oskar Franz
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Walzel, Oskar, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11876425X.html [19.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V August (1825–99), aus W., Kaufm., Samen- u. Getreidegroßhändler in W., S d. August Friedrich (1802–68), aus Braunau/ Inn, k. u. k. Artillerielt., Buchdrucker, u. d. Fortunata Franchetti (1801–76), Sängerin (s. ÖBL; Kutsch-Riemens; ÖML);
    M Franziska Maria (Fanny) (1826–1908), aus W., T d. Simon Krippel u. d. Elisabeth Lemmer;
    1 Schw Eugenie Ernestine (1862–1943, August Eugen Rr. Trojan v. Bylanfeld, 1862–1925);
    Berlin 1894 Hedwig (1870–1944, Ghetto Theresienstadt), aus Berlin, T d. Hermann Karo (jüd.), Bankier, u. d. Sophie Blumenthal;
    Ov Cäsar v. W. (1832–1900, Adel 1879, Auguste Hezner, 1838–1928), aus Braunschweig, k. u. k. Gen.major, Camillo (Ps. F. Zell) (1829–95, Auguste, 1849–1934), Librettist (s. ÖBL);
    Tante-v Constanze (1834–1913, 1] Werner Tiemann, 2] Carl Gante);
    N Felix Trojan (1895–1968), Dr. phil., o. Prof. f. Phonetik in W., Otto Trojan, Schausp.;
    Schwägerin Ellen Karo (1878–1934).

  • Biographie

    Nach Privatunterricht und Besuch des Franz-Josef-Gymnasiums in Wien studierte W. hier seit 1883 Dt. Philologie bei Richard Heinzel (1838–1905), Jacob Minor (1855–1912) und Erich Schmidt (1853–1913), bei dem er 1887 mit einer Arbeit über „Friedrich Schlegels Abhandlung über das Studium der griechischen Poesie“ (ungedr.) zum Dr. phil. promoviert wurde. Nachdem Schmidt in Berlin die Nachfolge Wilhelm Scherers (1841–86) angetreten hatte, folgte ihm W. 1887. In Berlin hörte er den Philosophen Wilhelm Dilthey (1833–1911) und den Philologen Johannes Vahlen (1830–1911). 1888–93 war W., der während seiner Studienzeit in den Künstlerkreisen des Jungen Wien verkehrt hatte, Privatlehrer Leopold v. Andrians (1875–1951) und anschließend k. k. Hofbibliothekar. Neben seiner Anstellung an einer Töchterbildungsanstalt lehrte W. 1894–97 als Privatdozent in Wien, nachdem er ohne Qualifikationsschrift mit einem Vortrag über „Lessings Begriff des Tragischen“ habilitiert worden war.

    1897 wurde W. o. Professor für Dt. Literatur in Bern. 1907 folgte er einem Ruf an die TH Dresden und erhielt zudem einen Lehrauftrag an der Dresdner Kunstakademie. Während des 1. Weltkriegs war er auch als Ersatzlehrer am Gymnasium eingesetzt. 1921 wurde W. nach Bonn berufen (em. 1933). Die Nationalsozialisten entzogen ihm 1936 aufgrund seiner Ehe mit einer Jüdin und politischer Denunziation die Venia legendi; seine Frau verstarb 1944 kurz nach ihrer Deportation im Ghetto Theresienstadt, W. kam bei einem Luftangriff um.

    Besonders durch seine intensive Romantikforschung (Dt. Romantik, 2 Bde., 1908, ⁵1923 / 26) entfaltete W. eine bis heute anhaltende Wirkung. Aus dem engsten Zirkel der germanistischen Scherer-Philologie kommend, überwand er deren positivistischen Ansatz und entwickelte eine systematische, um die Einheit und Formgesetzlichkeit des literarischen Werks bemühte Literaturwissenschaft.

    W. ersetzte die analytische durch eine synthetische Literaturbetrachtung, die ihren Ursprung im klassisch-romantischen Denken hat. Gleichfalls orientierte er sich an der von Dilthey und Rudolf Unger (1876–1942) vorbereiteten stiltypologischen und geistesgeschichtlichen Kritik, am Formalismus des Kunstwissenschaftlers Heinrich Wölfflin (1864–1945) sowie – im transdisziplinären Sinne der Romantik – an der zeitgenössischen Kunst, Literatur und Musik. Er dachte nicht nur über die Disziplingrenzen hinaus, sondern versuchte zugleich, den wissenschaftlichen Diskurs mit der künstlerischen Produktion zu versöhnen. Aktiver noch als in Wien beobachtete W. in Dresden die Kunstavantgarde. Seine Verdienste für die Einbeziehung der Gegenwartsliteratur in die Fachdiskussion (Die dt. Dichtung seit Goethes Tod, 1919, ⁵1929) sowie für die Herausbildung einer formorientierten (Gehalt u. Gestalt im Kunstwerk d. Dichters, 1921, Nachdr.|1957) und intermedialen (Wechselseitige Erhellung d. Künste, 1917) Literaturwissenschaft werden bis heute hervorgehoben und stießen zu Lebzeiten auch im Ausland auf Resonanz, besonders in der Sowjetunion, wo W. 1928 / 29 im Zuge einer Vortragsreise Ehrenmitglied zweier Akademien wurde. Zu seinen Schülern zählen Jonas Fränkel (1879–1965), Luise Thon (1899–1945), Wilhelm Worringer (1881–1965) und Viktor M. Žirmunskij (1891–1971).

  • Auszeichnungen

    |sächs. GHR (1910);
    sächs. Medaille Bene merentibus (1914);
    Rr.kreuz d. sächs. Verdienstordens (1915);
    Dr. h. c. (Belfast 1929, Gent 1935);
    Mitgl. d. d. Goethe-Ges. Weimar (1886), d. dt. Bibliogr. Ges. (1902, aufgelöst 1912), d. Shakespeare-Ges., d. Kleist-Ges. (1. Vors. 1930) u. d. Maatschappij der Nederlandse Letterkunde, Leiden (1932), Ehrenmitgl. d. Leningrader Staatsak. f. Kunstwiss. (1928) u. d. Kunst-Ak. Moskau (GAChN 1929);
    – O.-W.-Str., Bonn;
    O.-W.-Preis f. hervorragende Abschlußarbb. u. O.-W.-Vorlesungen, TU Dresden (seit 2010).

  • Werke

    Weitere W Von 1870 bis 1900, Strömungen d. neuesten dt. Lit., 1900;
    Die Wirklichkeitsfreude d. neueren Schweizer Dichtung, 1908 (Dresdner Antrittsvorl.);
    Hebbel-Probleme, 1909, Nachdr. 1973;
    Das Prometheus-Symbol v. Shaftesbury zu Goethe, 1910, ²1932, Nachdr. 1968;
    Vom Geistesleben d. 18. u. 19. Jh., 1911;
    Leben, Erleben u. Dichten, 1912;
    Ricarda Huch, Ein Wort über d. Kunst d. Erzählens, 1916;
    Vom Geistesleben alter u. neuer Zeit, 1922;
    Das Wortkunstwerk, Mittel seiner Erforsch., 1926, Nachdr. 1968;
    Dt. Dichtung v. Gottsched bis z. Gegenwart, 2 Bde., 1927 / 30;
    Neuere dt. Dichtung u. d. Schule, 1929;
    Poesie u. Nichtpoesie, 1937;
    Romantisches, 1934;
    Florenz in dt. Dichtung, 1937;
    Wachstum u. Wandel, hg. v. C. Enders, 1956 (Autobiogr.);
    Späte Schrr., 1994;
    Nachlaß: Univ.bibl. Bonn (Findbuch 2007);
    DLA Marbach/ Neckar.

  • Literatur

    |C. Enders, O. W.s Persönlichkeit u. Werk, in: ZDP 75, 1956, S. 186–99;
    J. Hermans, Synthet. Interpretieren, Zur Methodik d. Lit.wiss., 1968;
    P. Salm, Drei Richtungen d. Lit.wiss. Scherer, W., Staiger, 1970, engl. 1968;
    R. Rosenberg, „Wechselseitige Erhellung d. Künste“, Zu O. W.s stiltypolog. Ansatz d. Lit.wiss., in: H. U. Gumbrecht (Hg.), Stil, Geschichten u. Funktionen e. kulturwiss. Diskurselements, 1986, S. 269–80;
    K. Naderer, O. W.s Ansatz e. neuen Lit.wiss., Mit e. bibliogr. Anhang, 1992;
    W. Schmitz, in: Ch. König (Hg.), Wiss.gesch. d. Germanistik in Porträts, 2000, S. 115–27;
    T. Neumann, „… beim Heine aber könnte uns d. Rahm v. d. Milch geschöpft werden“, O. W.s Heine-Ausg. im Insel-Verlag, Briefe u. Dok., in: Archiv f. Gesch. d. Buchwesens 54, 2001, S. 219–70;
    D. Burdorf, Poetik d. Form, Eine Begriffs- u. Problemgesch., 2001, S. 418–29;
    R. Rosenberg, Über d. Erfolg d. Barockbegriffs in d. Lit.gesch., O. W. u. Fritz Strich, in: ders., Verhandlungen d. Lit.begriffs, Stud. zu Gesch. u. Theorie d. Lit.wiss., 2003, S. 141–53;
    H. Schmid, O. W. u. d. Prager Schule, in: A. Jedlič ková (Hg.), Felix Vodič ka 2004, 2004, S. 28–47;
    F. Almai, Expressionismus in Dresden, Zentrenbildung d. lit. Avantgarde zu Beginn d. 20. Jh. in Dtld., 2005;
    K. Weimar, O. W.s Selbstmißverständnisse, in: Mitt. d. Dt. Germanistenverbandes 53, 2006, H. 1, S. 40–58;
    A. Nebrig, Künstler. Form, O. W. u. d. Staatl. Ak. d. Kunstwiss. in Moskau, in: A. A. Hansen-Löve (Hg.), Form u. Wirkung, Phänomenolog. u. empir. Kunstwiss. in d. Sowjetunion d. 1920er J., 2013, S. 93–110;
    ders., O. W.s formanalyt. Lit.wiss. in Dresden, in: ders., Disziplinäre Dichtung, Philol. Bildung u. dt. Lit. in d. ersten Hälfte d. 20. Jh., 2013, S. 68–79;
    Bonner Gel. VI (P);
    Stadtlex. Dresden;
    Professoren TU Dresden;
    Internat. Germanistenlex. (W, L);
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    Killy;
    ÖBL.

  • Porträts

    |Bronzebüste v. J. v. Barby (Univ. Bonn, Germanist. Seminar).

  • Autor/in

    Alexander Nebrig
  • Zitierweise

    Nebrig, Alexander, "Walzel, Oskar" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 386-387 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11876425X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA