Lebensdaten
1853 – 1936
Geburtsort
Schildfeld bei Bennin (Kreis Hagenow, Mecklenburg-Vorpommern)
Sterbeort
Baden-Baden
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11745561X | OGND | VIAF: 51862371
Namensvarianten
  • Schmarsow, August Hannibal
  • Schmarsow, August
  • Schmarsow, August Hannibal
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schmarsow, August, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11745561X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V N. N., wohl e. Angehöriger d. Hauses Hohenzollern (s. NDB IX); de jure jedoch Christian Schmarsow;
    M Elise Oldenburg (?);
    Wiesbaden 1891 Maria Adriana (* 1854), T d. Lambertus Vincentius van Rossem (1805–79), Leiter d. Fa. Gerd van Rossem & Co. in Rotterdam, u. d. Berendina Hoffmann (1817–81);
    1 T; Schwager Gerard van Rossem|(1844-1919), Prediger in Boxtel, Rossum, Bergen op Zoom u. Diventer.

  • Biographie

    Nach dem Gymnasialbesuch in Rostock wollte S. zu Jacob Burckhardt (1818–97) nach Basel gehen, begann dann aber 1873 Kunstgeschichte, Philosophie und Germanistik in Zürich, v. a. bei Johann Rudolf Rahn (1841–1912), zu studieren. 1874 hörte er in Straßburg hauptsächlich positivistische Philosophie bei Ernst Laas (1837–85); schließlich wechselte er nach Bonn zu Carl Justi (1832–1912), den er später als seinen eigentlichen Lehrer ansah. 1877 wurde er in Straßburg mit einer philosophiehistorischen Arbeit promoviert und ging 1878 als Wissenschaftl. Hilfsarbeiter an das Kupferstichkabinett der Berliner Museen. Nach einer Studienreise nach Italien habilitierte er sich 1881 mit „Raphael und Pinturicchio in Siena“ bei Herman Grimm (1828–1901) und Max Jordan (1837–1906) und wurde in Göttingen Privatdozent, 1882 a. o. Professor und Direktor des Universitätsmuseums. 1885-93 war er Extraordinarius in Breslau. Im Wintersemester 1888/89 verlegte S. seinen Unterricht für acht Studenten verschiedener Universitäten – unter ihnen Aby Warburg (1866–1929) – nach Florenz, wo er sich 1892 um die Einrichtung eines Deutschen Kunsthistorischen Instituts bemühte (1897 eröffnet). 1893 wurde er auf Empfehlung des Kulturhistorikers Karl Lamprecht (1856–1915), mit dem er sich später überwarf, als Ordinarius nach Leipzig berufen (Dekan 1903/04). S.s Antrittsvorlesung „Das Wesen der architekton. Schöpfung“ (gedr. 1894, engl. Übers. 1994) bedeutete eine gegen den Historismus gerichtete Wende im Verständnis von Bauwerken. Mehrere spätere Lehrstuhlinhaber gingen aus S.s Schule hervor, doch gab es auch Kritik an seinen Auffassungen, seiner Lehrmethode und autoritären Amtsausübung. Im Okt. 1919 bat S. um Entlassung, nachdem auch die Fakultät, mit der er seit Jahren im Streit lag, ihn nicht in Schutz nahm. S., ein schwieriger, äußerst selbstbewußter und schroff formulierender Gelehrter, vertrat seine Ansichten weiter in vielen Publikationen. Seit 1928 lebte er in München.

    S. trug wesentlich dazu bei, daß sich die Kunstgeschichte zu einer selbständigen Disziplin mit eigenen theoretischen Grundlagen, Zielen und Methoden entwickelte. Er forschte v. a. zur ital., niederländ. und dt. Malerei der Renaissance und des Barocks sowie zur mittelalterlichen Architektur, Plastik und Glasmalerei und beachtete stets auch die zeitgenössische Kunst. Für die Formen von Kunstwerken, besonders die Komposition und deren Rhythmik, wie für ihre geschichtlichen Veränderungen wollte er eigene und allgemein gültige Gesetzmäßigkeiten ermitteln, sie auf Begriffe oder sogar mathematische Formeln bringen und alle Künste, also auch Dichtung, Musik, Theater usw. in einem System Hegelscher Art erfassen. Dieses theoretische Anliegen durchdrang auch seine kunsthistorischen Einzelstudien. S. nutzte Erkenntnisse der sich lebhaft entwickelnden Psychologie und Anregungen aus verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen. Er konkurrierte polemisch mit den anderen großen „Formalisten“ Alois Riegl (1858–1905) und Franz Wickhoff (1853–1909) in Wien und Heinrich Wölfflin (1864–1945) in Berlin und München, deren Geschichtsverständnis und Terminologie letztlich, auch dank faßlicherer Formulierungen, mehr Überzeugungskraft gewannen. Für einige Schüler wie Oskar Wulff (1864–1946) und Johannes Jahn (1892–1976) blieb S. jedoch maßgeblich. Wertvoll waren S.s Erkenntnis, wonach für das Verständnis von Baukunst die Gestaltung wie das Erleben des Innenraums und nicht die Form der Raumummantelung ausschlaggebend sei, wie auch die Überzeugung, daß die dt. Spätgotik kein Verfall der franz. Hochgotik, sondern eine Kunst mit eigenen, neuen Werten war. S.s Streben nach Zusammenarbeit der Kunstgeschichtsforschung mit der Völkerpsychologie blieb noch weitgehend frei von den nationalistischen und rassistischen Tendenzen, die sich bei seinem Schüler und Leipziger Nachfolger Wilhelm Pinder (1878–1947) zeigten.

  • Auszeichnungen

    GR;
    Mitgl. d. Sächs. Ges. d. Wiss. (o. 1894, korr. 1930), d. Ges. d. Wiss. Göttingen (ausw. 1923), d. Ac. Royale d'Archéol. Antwerpen, d. Ital. Raffael-Ak. Urbino;
    Komtur d. Verdienstordens d. sächs. Albrechtsordens;
    Rr. d. Verdienstordens d. Ernestin. Linie Altenburg.

  • Werke

    Weitere W Leibniz u. Schottelius, die unvorgreifl. Gedanken, Diss. 1877;
    Melozzo da Forlì, Ein Btr. z. Kunst- u. Kulturgesch. Italiens im XV. Jh., 1886;
    Die Kunstgesch. an unseren Hochschulen, 1891;
    Die Bildwerke d. Naumburger Domes, 1892;
    Masaccio, der Begründer d. klass. Stils d. ital. Malerei, 5 Bde., 1895-99;
    Btrr. z. Ästhetik d. bildenden Künste, 3 Bde., 1896-99;
    Zur Frage nach dem Malerischen, Sein Grundbegriff u. seine Entwicklung, 1896;
    Barock u. Rokoko, Eine krit. Auseinandersetzung über d. Malerische in d. Architektur, 1897, Neudr. 1999;
    Reformvorschläge z. Gesch. d. Dt. Renaissance, in: Berr. über d. Verhh. d. Sächs. Ges. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 51, 1899, S. 41-76;
    Die oberrhein. Malerei u. ihre Nachbarn um d. Mitte d. 15. Jhs., in: Abhh. d. Sächs. Ges. d. Wiss., Phil.-hist. Kl. 22, Nr. 2, 1903, S. 1-112;
    Grundbegriffe d. Kunstwiss., am Übergang v. Altertum zum MA krit. erörtert u. in systemat. Zus.hange dargest., 1905, Neudr. 1998;
    Kunstwiss. u. Völkerpsychol., in: Zs.|f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 2, 1907, S. 305-39, 409-500;
    Anfangsgründe jeder Ornamentik, ebd. 5, 1910, S. 191-215, 321-55;
    Kunstwiss. u. Kulturphilos. mit gemeinsamen Grundbegriffen, ebd. 13, 1919, S. 165-90, 225-58;
    Kompositionsgesetze in d. Kunst d. MA, 1915, 1920;
    Gotik in d. Renaissance, 1921;
    Ital. Kunst im Za. Dantes, 1928;
    Bibliogrr.:
    Rivista d'arte 18, 1936, S. 427-33;
    H. F. Mallgrave, E. Ikonomou (s. L), S. 301-09;
    Autobiogr.:
    Rückschau beim Eintritt ins siebzigste Lebensj., in: Die Kunstwiss. d. Gegenwart in Selbstdarst., hg. v. J. Jahn, 1924, S. 135-56 (P).

  • Literatur

    H. Wölfflin, in: Repert. f. Kunstwiss. 17, 1894, S. 141 f.;
    F. Wickhoff, in: Kunstgesch. Anz. 2, 1905, 4, S. 103-6;
    Kunstwiss. Btrr., A. S. gewidmet, 1907;
    F. Knapp, in: DLZ v. 21.4.1917;
    O. Wulff, in: Kunstchronik, Beibl. z. Zs. f. bild. Kunst 55, 1919/20, Nr. 16, S. 318-24;
    ders., in: Zs. f. Kunstgesch. 2, 1933, S. 207-09;
    J. Jahn, Methoden u. Probleme der neueren Kunstwiss., in: AKG 18, 1928, 2, S. 129-47, bes. S. 139-42;
    W. Passarge, Die Philos. d. Kunstgesch. in d. Gegenwart, 1930, S. 18;
    ders., in: Zs. f. Ästhetik u. allg. Kunstwiss. 30, 1936, S. 179-82;
    E. Ullmann, in: Max Steinmetz (Hg.), Bed. Gel. in Leipzig, I, 1965, S. 109-15 (P);
    ders., Der Btr. A. S.s z. Architekturtheorie, Habil.schr. Leipzig 1967 (Typoskr.);
    U. Kultermann, Gesch. d. Kunstgesch., 1966, Überarb. 1990, 1996 (P);
    M. Podro, The Critical Historians of Art, 1982, S. 51, 144-46;
    H. F. Mallgrave u. E. Ikonomou, Empathy, form, and spare: Problems in German Aesthetics 1873-1893, 1994, S. 57-66, 82-85;
    R. Thiede, Das Kunsthist. Inst. in Florenz, in: Mitt. u. Berr. f. d. Angehörigen u. Freunde d. Univ. Leipzig, H. 5, 1995, S. 32 f. (P);
    Qu.texte z. Architekturtheorie, hg. v. F. Neumeyer unter Mitwirkung v. J. Cepl, 2002;
    Rhdb. (P);
    Dict. of Art;
    P. Betthausen, in: Metzler Kunsthist. Lex.; |

  • Quellen

    Qu Univ.archiv Leipzig.

  • Porträts

    Bronzebüste v. Max Lange (Verbleib unbekannt, früher Leipzig, Kustodie d. Univ.), Abb. in: Leipziger Gel I, S. 109;
    Photogr., 1913 (Florenz, Kunsthist. Inst.).

  • Autor/in

    Peter H. Feist
  • Zitierweise

    Feist, Peter H., "Schmarsow, August" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 121-123 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11745561X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA