Lebensdaten
1863 – 1944
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Basel
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 118717995 | OGND | VIAF: 3265648
Namensvarianten
  • Goldschmidt, Adolph
  • Goldschmidt, Ad.
  • Goldschmidt, Adolf
  • mehr

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Zitierweise

Goldschmidt, Adolph, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118717995.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Martin Meyer Goldschmidt (1823–1903), Kaufm. u. Bankier in H., S d. Isaac Meyer G. (1790-1858), Lotteriekollekteur, später Bankier in H., u. d. Adeline Wolffsohn;
    M Louise (1839–1919), T d. Kaufm. Adolph Arnold u. d. Rosa Marianne Hahn; ledig.

  • Biographie

    Nach drei Jahren kaufmännischer Lehre, zuletzt in London, studierte G. seit 1884 Kunstwissenschaft in Jena (Denkmälerinventarisation), Kiel (mittelalterliche Schnitzaltäre) und Leipzig (1889 promoviert) bei dem zugkräftigen, die Interessen auf das Mittelalter lenkenden Anton Springer, nebenher Germanistik. Ein anschließender längerer Aufenthalt in Süditalien eröffnete weite Perspektiven auf Antike und Orient, Byzanz und Normannentum. 1892 wurde G. Privatdozent, 1903 außerordentlicher Professor in Berlin, 1904 ordentlicher Professor in Halle. Hier organisierte er das Kunsthistorische Seminar, begründete den Hallenser Kunstverein und war mitbeteiligt an der Wiederbelebung des Lauchstädter Theaters. 1912 ging er als Nachfolger von Wölfflin nach Berlin (1929 emeritiert). 1927 und 1930 las er als Gastprofessor an der Harvard University. 1939 emigrierte er nach Basel. – G. war wiederholt langjähriger Vorsitzender der Berliner Kunstgeschichtlichen Gesellschaft, im Deutschen Verein für Kunstwissenschaft von der Gründung 1908 an tatkräftiger Abteilungsleiter, 1912-32 Mitherausgeber des Jahrbuchs der Preußischen Kunstsammlungen.

    G. selbst hat seinen Standort in der Kunstwissenschaft bezeichnet: Gegenüber kulturgeschichtlichem Überbau, begriffsgeschichtlicher Systematisierung im Blick auf reine Formentwicklung oder Ideengeschichte, auch gegenüber interpretierender Durchleuchtung des Einzelkunstwerks zielte seine Forschung auf „die Präparierung des Materials, die kritische Sonderung der Objekte“ zur Ermittlung „der Umstände, unter denen sie entstanden, wo und wann sie geschaffen wurden“. Dies gab seinen Publikationen einen monographischen Zug, indem bestimmte Werkgruppen zusammengefaßt und auf ihre kunstgeschichtliche Einordnung hin präzis befragt wurden. In allen Breiten ein Spezialist ersten Ranges, hat er mit einzigartigem kritischem Scharfblick für spezifische Merkmale und für Prozesse des Formwandels, mit immenser Denkmälerkenntnis und unvoreingenommenem Urteil die mittelalterliche und nachmittelalterliche Kunstforschung um bleibende Feststellungen, gültige Ordnungen und um Einsichten in maßgebende Strömungen aufs fruchtbarste bereichert. Weil er, mit dem Gesamtgebiet vertraut, es so genau abzutasten verstand, vermochte er dem Einzelfall seine richtige Stelle anzuweisen. Dabei waren ihm alle Kunstgattungen in gleichem Maße gegenwärtig, und er spürte an jedem Einzelgebilde übergreifende Stilarten auf. Je vollständiger der Überlieferungsbestand, um so aussichtsreicher die Einordnung. Deshalb maß er der Buchmalerei und den Elfenbeinen wegen ihrer reichlichen und unberührten Erhaltung erstrangige Bedeutung für unser Geschichtsbild von mittelalterlicher Malerei und Skulptur zu. Ihnen widmete er erschöpfende Gesamtveröffentlichungen: das zweibändige Werk über die karolingische und ottonische Buchmalerei (1928) und das sechsbändige Corpus der Elfenbeine (1911–34), das seinen Gelehrtenruhm krönte.

    Schon im ersten Jahrzehnt (bis 1900) hat G. Grundlegendes über Gebiete veröffentlicht, die ihn nicht mehr losgelassen haben. In gleichbleibenden Fragenkreisen ergaben sich ihm wieder und wieder neue Fortschritte. Seine erste Abhandlung über Miniaturen galt dem Utrecht-Psalter und dem Nachweis seines Ursprungs im karolingischen Reims. Kurz darauf schlug seine den Albani-Psalter (englisch, 12. Jahrhundert) behandelnde Habilitationsschrift eine Brücke zur Kathedralskulptur. Auf solche Zusammenschau der Künste, auch unter der Frage, bei welcher jeweils die prägende Kraft lag, kam er später mehrmals zurück. Im Alter konzentrierte sich sein Interesse auf die spätmittelalterliche, in Deutschland am reichlichsten entstandene volkstümliche Buchmalerei. Aus ebenso früh einsetzenden Einzelstudien über Elfenbeine ist das monumentale, die byzantinischen einschließende Corpus herangereift, das höchste Anforderungen stellte; durch neue Gruppierungen wurden ganze Epochen erhellt. Viele Bestimmungen haben aus der intimen Kenntnis der Buchmalerei Gewinn gezogen und ihr Gewinn gebracht. Benachbart lag die kritische Ausgabe der deutschen Bronzetüren des frühen Mittelalters (1926–32); lange zuvor hatte er die frühchristliche Entstehungszeit der Holztür von Sant Ambrogio in Mailand dargetan. Nicht geringer ist sein Verdienst um deutsche Kunst im Übergang vom romanischen zum gotischen Stil. Bei regionaler Begrenzung auf die Hauptorte der sächsischen Skulptur des 12. und 13. Jahrhunderts wurden die europäischen Horizonte sichtbar gemacht: Italien, Byzanz, französische Kathedralgotik. In Magdeburg wurde der Erstling eines Figurenportals in Deutschland aufgespürt und als ein Ableger von Notre Dame in Paris gültig rekonstruiert. Wichtigsten Anteil hat er an den Bemühungen, spätgotische Malerei Niederdeutschlands zu Ansehen zu bringen. Seine Dissertation hob Lübecks Kunstschaffen ans Licht und gab Persönlichkeiten wie Hermann Rode und Bernt Notke zum ersten Male feste Konturen. Spätere Entdeckungen vermehrten das Oeuvre von Meister Bertram und fügten dem Lebenswerk von Meister Francke einen zweiten, früheren Bilderzyklus hinzu. Lagen also von vornherein Skandinavien und die Niederlande in seinem Gesichtskreis, so folgte noch eine Reihe selbständiger Untersuchungen zur niederländischen Malerei vom 15. bis 17. Jahrhundert. Den Werdegang des Hugo van der Goes hat er überzeugend geklärt, Persönlichkeiten wie Lombard und Willem Buyttewech als erster mit einer ansehnlichen Zahl von Werken verlebendigt, eine ganz neu gesehene Periodisierung der holländischen Malkunst im goldenen 17. Jahrhundert souverän entworfen. Über all dies hinaus hat er schon als junger Doktor die normännische Architektur Siziliens in Angriff genommen, als hochangesehener Forscher im Einvernehmen mit Paul Kehr den Grund zur Frühmittelalterforschung in Spanien gelegt, und es sollte nicht vergessen werden, daß er mit zuerst Michelangelos Kunst als Ausdruck innerlichen Konfliktes verständlich gemacht hat. In voller Beherrschung seines erstaunlichen Anschauungsbesitzes hat der Alternde gelegentlich die Summe gezogen: Die Deszendenz illustrierter Enzyklopädien des Mittelalters legte er mit knapper Sachkunde dar, verfolgte auf Bahnen seines Freundes Aby Warburg im Mittelalter nachlebende Antike, leuchtete unter dem Titel „Formenspaltung“ in Geheimnisse der Formenphantasie hinein.

    G. war ein Meister in der von Franz Kugler geprägten, für Berlin charakteristisch gewordenen methodischen Tradition. Mit den Staatlichen Museen stand er in dauerndem belebendem Austausch, mit ihren Leitern verbanden ihn zum Teil Studienfreundschaften. Seine universale Kennerschaft sicherte ihm weltweites Ansehen. Seine Bedeutung, so heißt es, liege darin, daß er die Kunstgeschichte zu einer objektiven oder exakten Wissenschaft ausgestaltet habe. In der Tat pflegte er mit strenger Disziplin seine Beobachtungen und Schlußfolgerungen kontrollierbar vorzutragen. Daher das Zwingende seiner Erkenntnisvermittlung. Er war denn auch als Forscher so groß wie erfolgreich als akademischer Lehrer. Ganzen Reihen junger Gelehrter, deutscher und ausländischer, hat der gütige, jedem ernsten Streben günstige Mentor die Richtung gewiesen und sie für die von ihm erschlossenen Problemkreise gewonnen.|

  • Auszeichnungen

    1914 o. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss.;
    1915 Geh. Reg.rat;
    1922 Mitgl. d. Dt. Archäol. Inst.;
    1933 Adlerschild d. Dt. Reiches.

  • Werke

    Bibliogr. in: A. G.-Festschr. 1923 u. 1935 (mit Liste d. b. G. entstandenen Diss.), vollst. in: A. G. z. Gedächtnis, hrsg. v. C. G. Heise, 1963. - Memoiren (ungedr., wenige Exemplare in Privatbes.);
    Darst. s. wiss. Entwicklung in d. Antrittsrede vor d. Preuß. Ak. d. Wiss., in: SB d. Preuß. Ak. d. Wiss., 1914, S. 753-56 (dazu Erwiderung d. Präs. d. Ak. H. Diels, S. 756-58);
    G.s Leitgedanken finden sich in s. Btr. Kunstgesch., in: Aus 50 J. dt. Wiss., Festschr. f. F. Schmidt-Ott, 1930, S. 192-97. - Nachgelassene Briefe im Kunsthist. Inst. d. FU Berlin u. in d. Univ.bibl. Basel.

  • Literatur

    E. Gall, in: Zs. f. bildende Kunst, 1922/23, Kunstchronik, S. 265 ff.;
    A. Luther, in: Literar. Zbl. f. Dtld., 1935, S. 506;
    Burlington Mgz. 84, London 1944, S. 52;
    K. Weitzmann, in: College Art Journal, New York 1944, S. 47 ff.;
    O. Homburger, in: Phoebus 1946, S. 73 ff.;
    K. Schefold, in: Göttinger Univ.-Ztg., 1946/47, S. 9;
    ders., in: Theol. Lit. Ztg., 1948, S. 179;
    H. Mode, Historiker u. Kenner d. Kunst, A. G., in: 450 J. Univ. Halle, 1952, S. 325 ff.;
    H. Kauffmann, in: Der Tagesspiegel (Berlin) v. 15.1.1963, Nr. 5274;
    A. G. z. Gedächtnis 1863-1944, hrsg. v. C. G. Heise, 1963 (mit Btrr. v. H. Jantzen, O. Homburger, O. Frhr. v. Taube, E. Panofsky, C. G. Heise, W-Verz. v. H. Ladendorf).

  • Porträts

    Lith. V. S. v. Sallwürk, 1909 (Dresden, Kupf.kab.);
    Radierung v. M. Liebermann (Schiefler Kat. Nr. 132), 1913;
    Gem. v. K. v. Kardorff, 1933;
    Phot. in: Bildnisse berühmter Mitgll. d. Dt. Ak. d. Wiss. zu Berlin, 1950;
    Radierung v. R. Großmann, Abb. in: R. Großmann, Kat. Staatsgal. Stuttgart, 1963.

  • Autor/in

    Hans Kauffmann
  • Zitierweise

    Kauffmann, Hans, "Goldschmidt, Adolph" in: Neue Deutsche Biographie 6 (1964), S. 613-614 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118717995.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA