Lebensdaten
1866 – 1938
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Kunsthistoriker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118931725 | OGND | VIAF: 41916836
Namensvarianten
  • Schlosser, Julius Ritter von
  • Schlosser, Julius
  • Schlosser, Julius Alwin
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Schlosser, Julius von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118931725.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Wilhelm (1820–70, österr. Ritter), k. u. k. Mil.oberintendant, S d. Andreas S. (1778-1860), aus Pisek (Böhmen), Dr. med., Oberstabsarzt, zuletzt in Temeswar, u. d. Therese Gröber;
    M Sophie (1830–1916), T d. Georg Eiberger (1799–1851), aus Bayern, Kdt. d. 4. Gendarmerie-Rgt., zuletzt in Freiwaldau (Schlesien), u. d. Franziska Magnino;
    Schw Franziska (1850–1920, Ferdynand Zródlowski, 1843–94, Dr. iur. Prof. d. Rechte an d.|Univ. Lemberg, s. Leksykon historii Polski);
    1) 1893 1913 Amalia Wilhelmine Philippine (1871–1921), T d. Wenzel Hecke (1824–1900), aus Reichenberg (Böhmen), Agrarwiss., 1854 Doz., 1857 Prof. f. Pflanzenbau u. d. landwirtsch. Betriebslehre an d. Höheren Landwirtsch. Lehranstalt in Ungar.-Altenburg, Oberdir. d. k. k. Staatsgestüts in Radautz, 1872-95 o. ö. Prof. d. landwirtsch. Betriebslehre an d. Hochschule f. Bodenkultur in Wien, 1874/75 u. 1879/80 Rektor, Konsulent d. k. k. Ackerbauministeriums, 1875-77 Mitgl. d. Reichsrats, Hofrat (s. ÖBL; Biogr. Lex. Böhmen; Hist. Lex. Wien; Biogr. Hdb. Pflanzenbau), 2) nach 1913 ? Neda Ftitscheff (1881–1960), aus Bulgarien;
    1 S aus 1) Johann (Hans, Hanns) (1899–1971, Gertraude (Traute] Freyn, 1911–2001, Prof. f. Musik), Graphiker, 1 T aus 1) Julie (1896–1974, Ludwig Petschacher, 1889–1944, ao. Prof. f. Innere Med. an d. Univ. Innsbruck, seit 1931 Leiter d. Inneren Abt. d. St. Johannishospitals in Salzburg, s. Fischer; BLÄ; Pogg. VI-VII a).

  • Biographie

    S., der sich selbst als „Urschüler“ von Franz Wickhoff (1853–1909) bezeichnete, zählt mit Alois Riegl (1858–1905) und Max Dvořák (1874-1921) zu den führenden Vertretern der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“. Seit 1884 studierte er in Wien Geschichte, Kunstgeschichte und (bei Otto Benndorf, 1838–1907) Klassische Archäologie; 1888 wurde er von Wickhoff mit einer Dissertation über den „Ordo Farfensis“ und die frühmittelalterliche Klosteranlage promoviert. 1887-89 absolvierte er den von Theodor v. Sickel (1826–1908) geleiteten Kurs des Instituts für österr. Geschichtsforschung, den er mit einer Hausarbeit über die Schriftquellen zur karoling. Kunst abschloß. 1889 begann S. seine langjährige Tätigkeit an den ksl. Sammlungen in Wien (heute; Kunsthist. Mus.), zuerst an den Münz-, Medaillen- und Antikensammlungen, dann seit 1897 als Kustos der Sammlung mittelalterlicher und der Renaissancezeit angehöriger Kunstgegenstände, schließlich 1901-22 als Direktor der Waffen- und kunstindustriellen Sammlungen (später: f. Plastik u. Kunstgewerbe). Er begründete die Sammlung alter Musikinstrumente, deren Katalog er 1920 verfaßte. Schon 1892 an der Univ. Wien habilitiert, 1900 an die Dt. Univ. Prag berufen (die Stelle wurde allerdings nicht besetzt), wurde S. 1901 in Wien zum Titular-Extraordinarius und 1905 zum Titular-Ordinarius ernannt. 1905 und 1909 war er als Nachfolger von Riegl bzw. Wickhoff im Gespräch, lehnte aber einen vollständigen Wechsel vom Museum zur akademischen Laufbahn ab. Erst 1922 erklärte er sich bereit, die nach Dvořáks Tod freigewordene Professur zu übernehmen, um gegen die konträre, antihistorische und antihumanistische Position Josef Strzygowskis (1862–1941), des Inhabers der zweiten Wiener Kunstgeschichte-Lehrkanzel, die durch Wickhoff begründete Schultradition zu sichern. Dieser setzte S. mit der Chronik der „Wiener Schule der Kunstgeschichte“ (1934) ein Denkmal. 1936 wurde S. emeritiert.

    Schon in der Dissertation und am Geschichtsforschungsinstitut hatte sich S., entsprechend der Orientierung der Wiener Kunstgeschichte an der strengen historischkritischen Methode, mit schriftlichen Quellen zur mittelalterlichen Kunstgeschichte beschäftigt. 1912 veröffentlichte er erstmals die „Commentarii“ des Lorenzo Ghiberti, dem er auch eine postum (1941) erschienene Monographie widmete. S.s wissenschaftliches Opus magnum, die Frucht enzyklopädischer Studien, ist die „Kunstliteratur“ (1924), bis heute das Standardwerk zur Geschichte der Historiographie und Theorie der bildenden Kunst vom Spätmittelalter bis ins 18. Jh., v. a. in Italien. Der unmittelbare Umgang des Museumspraktikers mit den Kunstobjekten regte S. in den Jahrzehnten vor dem 1. Weltkrieg zu einer Reihe vielseitiger Studien an, die sich (ganz im Sinne der durch die „Wiener Schule“ vertretenen wiss. Wertfreiheit) hauptsächlich mit randständigen Themen der Kunstgeschichte beschäftigten und deren weite kulturgeschichtliche Perspektive an die gleichzeitigen Forschungen Abv Warburgs (1866–1929) erinnert. Hervorzuheben sind neben den Aufsätzen zur höfischen Kunst des Spätmittelalters zwei Arbeiten S.s, die in den letzten Jahren neue Aktualität gewonnen haben: die genealogische Ableitung der modernen Institution Museum aus den Kunst- und Wunderkammern der Spätrenaissance (1908) und die Reflexion über die anthropologischen Wurzeln bildkünstlerischer Produktion am Beispiel der Porträtbildnerei in Wachs (1911). Das Ungenügen an der eigenen positivistisch-philologischen Methode, aber auch an den geschichtsphilosophischen Konstruktionen der zeitgenössischen Kunstgeschichte erlebte S. als intellektuelle Krise, von der ein autobiographischer Kommentar Rechenschaft ablegt (1924). Eine Lösung glaubte S. in der neuidealistischen Ästhetik des verehrten Freundes Benedetto Croce (1866–1952) zu finden, dessen Schriften er seit 1915 ins Deutsche übersetzte. Mit der von Karl Vossler (1872–1949), ebenfalls einem Freund S.s, entlehnten Unterscheidung der letztlich überhistorischen „Stilgeschichte“ des reinen künstlerischen Ausdrucks von einer bloßen „Sprachgeschichte“ der Kunst versuchte S. seit der Mitte der 20er Jahre, den Rieglschen Entwicklungsbegriff zu überwinden und die Individualität der Künstlerpersönlichkeit bzw. des Einzelkunstwerks theoretisch zu retten. An einer paradigmatischen Darstellung dieser „Stilgeschichte“ scheiterte S. jedoch, wie seine Studien über Frührenaissance-Künstler (1929, 1933) zeigen, in denen Kreativität nicht analytisch erhellt, sondern mit apodiktischem Urteil zwischen Kunst, Halb-Kunst und Nicht-Kunst unterschieden wird. S.s bleibender Rang als Kunsthistoriker liegt in den kulturgeschichtlichen Arbeiten seiner früheren Jahre, die mit interdisziplinärer Vielseitigkeit die „Sprachgeschichte“ der bildenden Kunst untersuchen.

    An solche Fragestellungen konnten Schüler S.s wie Ernst Kris (1900–57), Otto Kurz (1908–75) und Ernst H. Gombrich (1909–2001) anschließen. Die Analyse des vom späten S. als „inselhafte“ Monade isolierten Einzelkunstwerks und seiner Struktur stand hingegen im Mittelpunkt des Interesses der „Neuen Wiener Schule der Kunstgeschichte“, zu deren Hauptvertretern ebenfalls Schüler S.s wie Hans Sedlmayr (1896–1984), der S. 1936 auf der Wiener Lehrkanzel nachfolgte, und Otto Pächt (1902–88) zählten.

  • Auszeichnungen

    Mitgl. d. Österr. Ak. d. Wiss. (korr. 1908, wirkl. 1913) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (korr. 1929).

  • Werke

    Die abendländ. Klosteranlage d. früheren MA, 1889;
    Btrr. z. Kunstgesch aus d. Schr.qu. d. frühen MA, 1891;
    (Hg.) Qu. z. Gesch. d. Karoling. Kunst, 1892, Nachdr. 1974;
    (Hg.) Qu.buch z. Kunstgesch. d. abendländ. MA, Ausgew. Texte d. vierten bis fünfzehnten Jh., 1896, Nachdr. 1976 (ital. 1992);
    Die Kunst- u. Wunderkammern d. Spätrenaissance, 1908 (Nachdr. 1978;
    ital. 1974, 2000);
    Gesch. d Porträtbildnerei in Wachs, Ein Versuch, in: Jb. d. Kunsthist. Slgg. d. Allerhöchsten Kaiserhauses, XXIX, 1910–11, S. 171-258 (Nachdr. u. d. T. Tote Blicke, hg. v. Th. Medicus, 1993 (P);
    franz. 1997);
    Materialien z. Qu.kunde d. Kunstgesch., 1914-1920;
    Die Kunst d. MA, 1923 (span. 1981;
    ital. 1961, 1989);
    Die Kunstlit., Ein Hdb. z. Qu.kunde d. neueren Kunstgesch., 1924, 1985 (ital. 1935, 1956, 1964, 1967, 1977;
    span. 1976;
    franz. 1984, 1996);
    Ein Lebenskommentar, in: Johannes Jahn (Hg.), Die Kunstwiss. d. Gegenwart in Selbstdarst., 1924, S. 95-34 (P);
    Präludien, Vortrr. u. Aufss., 1927;
    Ein Künstlerproblem d. Renaissance: L. B. Alberti, 1929;
    Künstlerprobleme d. Frührenaissance, 1933;
    Die Wiener Schule d. Kunstgesch., Rückblick auf e. Säkulum dt. Gelehrtenarbeit in Österr., in: MIÖG, Erg.bd. 13, H. 2, 1934, S. 141-228;
    Stilgesch.“ u. „Sprachgesch.“ d. bildenden Kunst, Ein Rückblick, 1935;
    La storia dell'arte nelle esperienze e nei ricordi di un suo cultore, 1936;
    Xenia, Saggi sulla storia dello Stile e dello linguaggio nell'arte figurativa, 1938;
    Leben u. Meinungen d. florentin. Bildhauers Lorenzo Ghiberti, 1941;
    Briefwechsel:
    Carteggio Croce – S., hg. v. K. E. Lönne, 2003;
    eigene Archivstudien:
    Allg. Verw.archiv, Wien;
    Univ.archiv, Wien;
    Archiv d. Inst. f. Kunstgesch. d. Univ. Wien.

  • Literatur

    H. Tietze, in: Belvedere 9/10, 1926, Forum, S. 167-172;
    H. Hahnloser, ebd. 13, 1938-43, S. 137-41;
    A. Weixlgärtner u. L. Planiscig (Hg.), FS f. J. v. S., 1927 (Bibliogr.);
    H. Sedlmayr, J. Rr. v. S., Nekr., in: MIÖG 52, 1938, S. 513-19;
    E. Gombrich, Obituary, in: Burlington Magazine 74, 1939, S. 98 f.;
    O. Kurz, J. v. S., Personalità – Metodu – Lavoro, in: Critica d'arte, 11-12, 1955, S. 402-19 (P);
    R. Wagner-Rieger, in: NZZ, Nr. 4045 (108) v. 25.9.1966;
    M. Podro, Against formalism: S. on Stilgesch., in: Wien u. d. Entwicklung d. kunstgeschichtl. Methode, Akten d. XXV. Internat. Kongresses f. Kunstgesch., 1983, I, S. 37-43;
    A. Chastel, J. v. S. et la „Kunstlit.“, in: Cahiers du Musée Nat. d'Art Moderne 14, 1984, S. 38-43;
    Krit. Berr. 16, 1988, 4 (Bibliogr., P);
    E. Frodl-Kraft, Eine Aporie u. d. Versuch ihrer Deutung: Josef Strzygowski – J. v. S., in: Wiener Jb. f. Kunstgesch. 42, 1989, S. 7-52 (P);
    E. Lachnit, in: H. Dilly (Hg.), Altmeister d. Kunstgesch., 1990, S. 151-64 (P);
    Werner Hofmann, Stil- u. Sprachgesch., J. v. S.s offenes System, in: Merkur 516, 1992, S. 252 ff.;
    A. Rosenauer, Piero della Francesca visto da J. v. S., in: Piero della Francesca tra arte e scienza, hg. v. M. Dalai Emiliani, 1996, S. 593-601;
    R. de Mambro Santos, Viatico viennese, La storiografia critica di J. v. S. e la metodologia filosofica di Benedetto Croce, 1998;
    100 J. Inst. f. Kunstgesch., Univ. Bern, 2005 (P);
    A. Rihs u. H. Kraemer, Trouvaillen zu J. v. S. & Hans R. Hahnloser, Aus den Tiefen d. Archivs d. Inst. f. Kunstgesch. d. Univ. Bern, 2005 (P);
    ÖBL: Hist. Lex. Wien;
    Dict. of Art;
    Metzler Kunsthist. Lex.

  • Porträts

    Porträtbüste v. J. Thorak, um 1930 (Abgüsse: Univ. Wien, Arkadenhof;
    Wien, Zentralfriedhof);
    Photo (Archiv d. Inst. f. Kunstgesch. d. Univ. Wien).

  • Autor/in

    Hans H. Aurenhammer
  • Zitierweise

    Aurenhammer, Hans H., "Schlosser, Julius von" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 105-107 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118931725.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA