Lebensdaten
1862 – 1943
Geburtsort
Königsberg (Preußen)
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Mathematiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 11855090X | OGND | VIAF: 46779749
Namensvarianten
  • Hilbert, David
  • Chilbert, David
  • Gil'bert, D.
  • mehr

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Zitierweise

Hilbert, David, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11855090X.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Otto (1826–1907), Kreisrichter in Wehlau, dann Amtsgerichtsrat in K., S d. David Fürchtegott Leberecht (1782–1858), Stadtjustizrat u. Notar in K., u. d. Bernsteinhändlers-T Karoline Wilh. Harlan;
    M Maria Therese (1830–1905), T d. Kaufm. Carl Frdr. Erdtmann in K. u. d. Caroline Henr. Fellhaas;
    Ur-Gvv Chrstn. David, aus Brand-Erbisdorf b. Freiberg/Sachsen, Amts- u. Stadtchirurg in K.;
    - 1892 Käthe Jerosch, Kaufm.-T aus K.;
    1 S.

  • Biographie

    H. studierte bis auf 2 Heidelberger Semester, in denen er L. Fuchs hörte, in Königsberg. Unter F. Lindemann wandte er sich der damals blühenden Invariantentheorie zu und promovierte 1884 mit der Dissertation „Über die invarianten Eigenschaften spezieller binärer Formen, insbesondere der Kugelfunktionen“. Mit Mathematik und Physik als Hauptfächern bestand er 1885 das Staatsexamen. Seine Entwicklung wurde stark durch die Freundschaft mit H. Minkowski gefördert, der, obwohl jünger als H., bereits 1883 Preisträger der Pariser Akademie war und in Berlin Kummer, Kronecker, Weierstraß und Helmholtz gehört hatte, und durch die Freundschaft mit A. Hurwitz, der 1884 als Extraordinarius nach Königsberg kam und H. in die Funktionentheorie einführte. Der Mathematiker, der H. durch sein Werk am tiefsten beeinflußte, war L. Kronecker, wenn H. auch, was ihm dogmatisch in Kroneckers Werk schien, ablehnte und im Gegensatz zu Kronecker G. Cantors Mengenlehre anerkannte. Nach Studienreisen zu F. Klein in Leipzig und nach Paris, wo er Ch. Hermite traf, habilitierte sich H. 1886 in Königsberg. 1892 wurde er dort Extraordinarius, 1893 Ordinarius. 1895 folgte er einem Ruf nach Göttingen.

    H.s Tätigkeit läßt sich in mehrere Perioden aufteilen. Hauptgegenstände sind algebraische Formen (bis 1893), algebraische Zahlentheorie (bis 1899), Grundlagen der Geometrie (bis 1903), Analysis (bis 1909), theoretische Physik (bis 1914) und von 1918 an Grundlagen der Mathematik. Über diese Rubriken hinaus sind seine 23 „Pariser Probleme“ (Internationaler Mathematikerkongreß Paris, 1900) zu nennen, von denen gewaltige Anregungen ausgegangen sind.

    In der Invariantentheorie schuf H., um Endlichkeitssätze zu beweisen, eine revolutionäre direkte Methode, die fundamental für die moderne Algebra wurde. Die Invariantentheorie verschwand damit als selbständiges Gebiet. Wichtige Resultate waren die Endlichkeit der Basis von Polynomidealen und der Nullstellensatz. Aus dieser Periode datieren auch der Hilbertsche Irreduzibilitätssatz und seine Untersuchungen über die Darstellung definiter Polynome als Quadratsummen und über die Lösung der Gleichungen 9. Grades durch algebraische Funktionen von 4 Variablen. Einem Auftrag der Deutschen Mathematiker-Vereinigung Folge leistend, publizierte H. 1897 seine berühmte „Theorie der algebraischen Zahlkörper“ (Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 4, 1897, S. 175-546), den sogenannten „Zahlbericht“, eines der klassischen Stücke der Mathematik, ein Meisterwerk mathematischer Literatur, auf den ein halbes Jahrhundert lang alle schworen, die algebraische Zahlentheorie lernen wollten. Die meisten Ansätze der modernen Klassenkörpertheorie finden sich darin, aber er selber führte sie nicht aus. Die Fülle von Anregungen, die von diesem Werk ausgingen, ist heute noch nicht erschöpft. In der algebraischen Zahlentheorie stand H. auf dem Höhepunkt seines Wirkens. – Er wandte sich dann den Grundlagen der Geometrie zu. Die grundsätzlichen Ideen lagen um die Jahrhundertwende in der Luft. H. arbeitete sie in seinem Büchlein „Grundlagen der Geometrie“ (1899, ⁹1962) aus, wie kein anderer es damals hätte tun können. Klar tritt darin die Geometrie als deduktive Struktur hervor. Die Grundbegriffe der Geometrie sind nicht explizit definiert; die Axiome dienen dazu, sie implizit festzulegen. Indem er die Axiome jeweils auf ihre Tragweite prüft, gibt H. den Ton für axiomatische Untersuchungen an. Die Axiomatisierung von Algebra und Topologie geschah unter dem Einfluß der „Grundlagen der Geometrie“.

    1904 überraschte H. die mathematische Welt mit der Rettung des Dirichletschen Prinzips, wieder durch eine direkte Methode, die heute trivial erscheint, nachdem sie für die lineare Analysis mustergültig geworden ist. Er bereicherte aber auch die klassische Variationsrechnung. In der Theorie der Integralgleichungen erkannte er die Bedeutung dessen, was man heute den Hilbertschen Raum nennt, und die Bedeutung der quadratischen Formen und ihrer Spektraldarstellungen; die diesbezüglichen Methoden sind inzwischen veraltet, aber H.s geometrische Auffassung und Terminologie hat sich in der Analysis als bleibend fruchtbar erwiesen. Dieser Periode gehört auch H.s reizvollste Arbeit an, sein Beweis der Waringschen Vermutung.

    H. hat sich auch mit der Physik beschäftigt, die nach einem klassisch gewordenen Ausspruch für den Physiker ja viel zu schwer sei. Anfangs waren das axiomatische Versuche sowie statistische Mechanik, wo er die Integralgleichungen anwandte, später Relativitätstheorie und Quantenmechanik.

    Zur Grundlegung der Mathematik entwickelte H. ein Programm mit dem Ziel, die einzelnen Gebiete der klassischen Mathematik mit konstruktiven Mitteln als widerspruchsfrei nachzuweisen. Hierzu hat man zunächst die Begriffe, Sätze und Schlußweisen der zu begründenden mathematischen Theorie formal darzustellen. Der Nachweis hat dann nach H. in einer Beweistheorie zu erfolgen, für die er nur finite, das heißt im strengsten Sinne evidente Methoden zulassen wollte. Diese Forderung mußte jedoch aufgegeben und durch eine Konstruktivitätsforderung im allgemeinen Sinne ersetzt werden, nachdem aus Ergebnissen von Gödel hervorging, daß ein finiter Widerspruchsfreiheitsbeweis nicht einmal für die reine Zahlentheorie durchführbar ist. Bedeutungsvolle Teile des H.schen Programms konnten dann mit nichtfiniten, aber durchaus noch konstruktiven Mitteln ausgeführt werden, und zwar von G. Gentzen für die reine Zahlentheorie, später von anderen auch für die Arithmetik im Rahmen einer verzweigten Typenlogik, für eine prädikativ eingeschränkte Analysis und auch für gewisse nichtprädikative Teile der klassischen Analysis. Das ursprüngliche Ziel H.s, die klassische Analysis mit konstruktiven Mitteln als widerspruchsfrei nachzuweisen, erscheint zwar auch nach den heutigen Erkenntnissen unerreichbar zu sein. Sein beweistheoretisches Programm hat jedoch der mathematischen Grundlagenforschung fruchtbare Impulse gegeben und zu einigen fundamentalen Resultaten geführt.

    H. war einer der größten Mathematiker aller Zeiten. Seine Persönlichkeit wurde von vielen als eindrucksvoll beschrieben. Von H. Weyl als „Rattenfänger“ bezeichnet, zog er einen großen Kreis von Mitarbeitern und Schülern an. Zahlreiche Anekdoten kursierten über ihn; sie sind in die vortreffliche H.-Biographie von C. Reid eingegangen.

  • Werke

    u. a. Ges. Abhh. I-III, 1932-35 (mit Biogr. v. O. Blumenthal; ausführl. W-Verz., P
    ), ²1970;
    ferner Grundlagen d. Geometrie, 1899, 101968;
    Grundzüge e. Theorie d. linearen Integralgleichungen, 1912, ²1924.

  • Literatur

    O. Blumenthal, O. Toeplitz, M. Dehn, R. Courant, M. Born u. P. Bernays, in: Die Naturwiss. 10, 1922;
    L. Bieberbach, Über d. Einfluß v. H.s Pariser Vortrag …, ebd. 18, 1930;
    C. Caratheodory u. A. Sommerfeld, ebd. 31, 1943;
    Caratheodory, in: SB d. Bayer. Ak. d. Wiss., math.-naturwiss. Abt. 1943;
    K. Mayrhofer, in: Alm. d. Ak. d. Wiss. in Wien, 1943;
    H. Weyl, in: Bull. American Mathematical Society 50, 1944;
    F. W. Levin, Forscher u. Wissenschaftler im heutigen Europa, Weltall u. Erde, 1955 (P);
    H. Freudenthal, Zur Gesch. d. Grundlagen d. Geometrie, in: Nieuw Archief voor Wiskde. (4) 5, 1957;
    H. Scholz, D. H., d. Altmeister d. math. Grundlagenforschung, in: Mathesis universalis, hrsg. v. H. Hermes, F. Kambartel u. J. Ritter, 1961, S. 279-90;
    R. Courant, H. als Analytiker u. als wiss. Persönlichkeit, in: Jb. d. Ak. d. Wiss. Göttingen, 1962;
    K. Reidemeister, H.s Auffassung d. Math., ebd.;
    K. H. Hurten, in: Praxis d. Math. 4, 1962;
    K.-R. Biermann, D. H. u. d. Berliner Ak., in: Math. Nachrr. 27, 1964;
    C. Reid, H., 1970 (P);
    Pogg. V-VIIa.

  • Autor/in

    Hans Freudenthal
  • Zitierweise

    Freudenthal, Hans, "Hilbert, David" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 115-117 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11855090X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA