Wiechert, Emil

Lebensdaten
1861 – 1928
Geburtsort
Tilsit
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Physiker ; Astronom ; Geophysiker ; Hochschullehrer
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118767747 | OGND | VIAF: 3266649
Namensvarianten

  • Wiechert, Johann Emil
  • Wiechert, Emil
  • Wiechert, Johann Emil
  • Wiechert, E.
  • Wiechert, Johann E.
  • Wiechert, Johann
  • Wiechert, J. E.
  • Wiechert, J.

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Zitierweise

Wiechert, Emil, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118767747.html [16.12.2025].

CC0

  • Wiechert, Johann Emil

    | Physiker, Geophysiker, * 26.12.1861 Tilsit, † 19.3.1928 Göttingen, Göttingen, Stadtfriedhof. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Johann Christof ( 1865), Kaufm. in T.;
    M Emilie Mischel ( 1926/27);
    Göttingen 1908 Helene (1870 – um 1957/58?), Konzertsängerin, T d. Karl Ziebarth (1833–1899), aus Heiligenstadt (Eichsfeld), Dr. iur., o. Prof. f. Prozeß- u. Strafrecht an d. Univ. Göttingen, Lehrbeauftragter an d. Preuß. Forstak. Hann. Münden, 1887 GJR (s. BJ IV, S. 102), u. d. Pauline Friederike Louise Hertzberg (1836–1915), aus Halle/Saale;
    kinderlos;
    Schwager Erich Ziebarth (1868–1944), aus Frankfurt/Oder, Dr. iur.,|Dr. phil., Oberlehrer am Wilhelmsgymn. in Hamburg (s. HZ 169, 1949).

  • Biographie

    Nach dem frühen Tod des Vaters übersiedelte W.s Mutter wegen der besseren Bildungsmöglichkeiten für ihre Kinder nach Königsberg, wo W. durch das Erteilen von Privatstunden seinen Besuch des Löbenichtschen Realgymnasiums mitfinanzierte. Seit 1881 studierte er an der Univ. Königsberg Mathematik und Physik bis zu dessen Weggang 1883 bei Woldemar Voigt (1850–1919) und dann bei Paul Volkmann (1856–1938), dessen Assistent er 1890 wurde. Bei ihm 1889 mit einer Arbeit über das mechanische Problem der Gesetze der elastischen Nachwirkung zum Dr. phil. promoviert, folgte 1890 die Habilitation für Physik über Methoden der Beobachtung elektromagnetischer Wellen. Als Experimentalphysiker beschäftigte sich W. mit Kathodenstrahlen, die erste Einblicke in den atomaren Aufbau der Materie erlaubten. Als einer der ersten maß er 1897 das Verhältnis von Ladung und Masse des Elektrons und gilt neben Joseph John Thomson als dessen Entdecker. Er verfolgte diese Forschungen nicht weiter, sondern widmete sich der Beschaffenheit des Erdinneren und publizierte 1896 seine Idee eines Eisenkerns der Erde.

    Nach seinem Wechsel an die Univ. Göttingen 1897 wurde W. 1898 hier der weltweit erste ao., seit 1904 o. Professor für Geophysik. Bis zum 1. Weltkrieg begründete er eine einflußreiche Schule der Geophysik, z. B. mit Gustav Angenheister (1878–1945), Franz Linke (1878–1944), Ludger Mintrop (1880–1956) und Beno Gutenberg (1889–1960), und entwickelte insbesondere die Seismologie zu einer quantitativen Wissenschaft. Zu den instrumentellen Innovationen gehörte die Luftdämpfung von Seismographen (1898) und der Horizontal-Seismograph (1900), der das Ergebnis einer Studienreise durch Italien 1899 mit verschiedenen Seismographen war und Diagramme durch Aufzeichnung der Schwingungen auf Rußpapier produzierte. Durch die exakte Registrierung der Horizontalverschiebungen revolutionierte dieser die Erdbebenforschung. 1903 stellte W. eine Theorie für automatische Seismographen und 1907 eine für seismische Wellen auf. Aussagen zur Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Erdbebenwellen durch das Erdinnere und die Bestimmung der Entfernung bis zum flüssigen Erdkern wurden so möglich (Kern-Mantel-Grenze). 1907 entdeckte er ebenso die Reflexion der Erdbebenwellen an der Erdoberfläche. W. widmete sich auch der Luftelektrizität sowie der Theorie und den mathematischen Methoden der Geophysik. Als erfolgreicher Wissenschaftsorganisator begründete er 1903 eine weltweite Zusammenarbeit von Erdbebenstationen durch die „International Association of Seismology“, wodurch der Austausch von Daten über Erdbebenwellen durch das Erdinnere ermöglicht wurde. Dieser erlaubte es, den schalenförmigen Aufbau der Erde nachzuweisen.

    Im 1. Weltkrieg arbeitete W. für das Militär, indem er seine Methoden auf die Schallausbreitung in der Atmosphäre übertrug, die eine ähnliche Schichtstruktur wie das Erdinnere aufweist. Er wandte seine Untersuchungen von Grubensprengungen und der Ausbreitung dieser künstlichen Erdbebenwellen auf (Granaten-)Explosionen an, die mithilfe spezieller tragbarer Seismographen im Feld aufgezeichnet wurden. Diese Technologie wurde in der Nachkriegszeit zum Aufspüren von Bodenschätzen weiterentwickelt.

    In seinen letzten Jahren arbeitete W., gesundheitlich angeschlagen, an einem nicht mehr vollendeten Buch über den Äther, den er anders als Albert Einstein (1879–1955) und viele seiner Kollegen nicht aufgeben wollte. Mit David Hilbert (1862–1943) und Voigt gehörte W. zu einer Gruppe von Mathematikern und Physikern, die Ende des 19. Jh. von der Univ. Königsberg kommend in Göttingen neue mathematische und physikalische Forschungsgebiete erschlossen und so den Ruf Göttingens als Weltzentrum in diesen Bereichen begründeten.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Ak. d. Wiss. in Göttingen (1903);
    korr. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Wiss (1911), d. Russ. Ak. d. Wiss in St. Petersburg (1912) u. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1912);
    Mitbegr. (1922) u. Ehrenvors. d. Dt. Geophysikal. Ges. (1925);
    – Mondkrater (1970);
    E.-W.-Medaille d. Dt. Geophysikal. Ges. (seit 1955);
    Sonderbriefmarke d. Dt. Post (2011).

  • Werke

    |Bedeutung d. Weltäthers, in: Schrr. d. Physikal.ökonom. Ges. z. Königsberg 35, 1894, S. 4–11;
    Theorie d. automat. Seismographen, 1903;
    Über Erdbebenwellen, 1907;
    Our Present Knowledge of the Earth, in: Annual Report of the Board of Regents of the Smithsonian Institution 1908, S. 431–49 (mit K. Zöppritz);
    Bestimmung d. Weges d. Erdbebenwellen im Erdinneren, in: Physikal. Zs. 11, 1910, S. 294–311 (mit L. Geiger);
    Relativitätstheorie u. Äther, ebd. 12, 1911, S. 689–707 u. S. 737–58;
    Der Äther im Weltbild d. Physik, in: Nachrr. v. d. Ges. d. Wiss. z. Göttingen, math.-physikal. Kl., 1921, S. 29–70;
    Über d. Beschaffenheit d. Erdinneren, 1924;
    Nachlaß: Staats- u. Univ.bibl. Göttingen.

  • Literatur

    L W. Schröder, E. W., Physiker, Geophysiker, Wiss.organisator, 2000;
    J. F. Mulligan, E. W. (1861–1928), Esteemed Seismologist, Forgotten Physicist, in: American Journ. of Physics 69, 2001, S. 277–87;
    DBJ X, S. 294–302;
    Pogg. IV–VI;
    Forscher u. Erfin|der;
    Complete DSB;
    Qu Korr., Archiv d. Dt. Mus. München.

  • Porträts

    |Gedenktafel (Erdbebenwarte Göttingen);
    E.-W.-Medaille.

  • Autor/in

    Arne Schirrmacher
  • Zitierweise

    Schirrmacher, Arne, "Wiechert, Johann Emil" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 49-51 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118767747.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA