Zermelo, Ernst

Lebensdaten
1871 – 1953
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Freiburg (Breisgau)
Beruf/Funktion
Mathematiker ; Logiker
Konfession
evangelisch
Namensvarianten

  • Zermelo, Ernst Friedrich Ferdinand
  • Zermelo, Ernst
  • Zermelo, Ernst Friedrich Ferdinand

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Zitierweise

Zermelo, Ernst, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz143025.html [08.12.2025].

CC0

  • Zermelo, Ernst Friedrich Ferdinand

    | Mathematiker, Logiker, * 27.7.1871 Berlin, † 21.5.1953 Freiburg (Breisgau), ⚰ Freiburg (Breisgau), Friedhof Günterstal. (evangelisch)

  • Genealogie

    V Theodor (1834–89), Dr. phil., Gymn.lehrer, 1886 Gymn.prof. in B., S d. Ferdinand, Buchbinder u. -händler in Tilsit, u. d. Bertha Haberland;
    M Auguste (1847–78), T d. Ottomar Hugo Zieger (1818–1848), prakt. Arzt, Chirurg in Delitzsch (Sachsen), u. d. Auguste Meißner ( 1847);
    5 Schw u. a. Anna (1870–1917), Malerin, Elisabeth (1875–1952), Malerin, Margarete (1876–1959), Lehrerin;
    Freiburg (Br.) 1944 Gertrud Seekamp (1902–2003);
    kinderlos.

  • Biographie

    Nach dem Abitur am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin 1889 studierte Z. Mathematik, Physik und Philosophie an der Univ. Berlin, 1890/91 an der Univ. Halle/Saale, 1891 an der Univ. Freiburg (Br.) und anschließend wieder in Berlin, wo er als erster Doktorand von Hermann Amandus Schwarz (1843–1921) mit „Untersuchungen zur Variationsrechnung“ 1894 zum Dr. phil. promoviert wurde. 1894–97 war er Assistent von Max Planck (1858–1947) am Institut für Theoretische Physik der Univ. Berlin. 1897 an die Univ. Göttingen gewechselt, habilitierte sich Z. hier 1899 mit einer Arbeit zur Hydrodynamik für Mathematik, lehrte anschließend als Privatdozent und wirkte in der Gruppe um David Hilbert (1862–1943) an dessen Programm zur Grundlegung der Mathematik mit (1905 Titularprof.). 1907 erhielt er einen ministeriellen Lehrauftrag für „mathematische Logik und verwandte Gegenstände“ an der Univ. Göttingen; dies war der erste Schritt zur Institutionalisierung dieses Fachs als mathematischer Teildisziplin in Deutschland. 1910 nahm er einen Ruf als o. Professor für Mathematik an die Univ. Zürich an; nach Ablauf der zunächst auf sechs Jahre befristeten Stellung wurde er mit Rücksicht auf seine Tuberkuloseerkrankung 1916 in den Ruhestand versetzt.

    Seit 1921 lebte Z. in Freiburg (Br.), wo er 1926 auf Initiative von Lothar Heffter (1862–1962) und Alfred Loewy (1873–1935) zum o. Honorarprofessor für Mathematik an der Univ. Freiburg (Br.) ernannt wurde. Nach Denunziation durch die nationalsozialistische Studentenschaft, er erweise den „Deutschen Gruß“ nicht oder nur nachlässig, kam er 1935 dem Entzug seiner venia legendi durch den Verzicht auf eine weitere Lehrtätigkeit zuvor. 1946 wurde er rehabilitiert und erneut zum Honorarprofessor ernannt, mit Rücksicht auf seine Erkrankung und seine nahezu vollständige Erblindung aber von Lehraufgaben entbunden.

    Als Assistent bei Planck löste Z. mit seinen Studien zur statistischen Mechanik eine Kontroverse mit Ludwig Boltzmann (1844–1906) aus, dessen mechanische Theorie irreversibler Vorgänge in der Thermodynamik er mit dem Wiederkehreinwand konfrontierte. Nach seiner Habilitation wandte sich Z. grundlagentheoretischen Untersuchungen zu. Hilbert hatte 1900 in seinem Vortrag „Mathematische Probleme“ den Beweis der Kontinuumshypothese Georg Cantors (1845–1918) als erstes der 23 genannten Probleme aufgeführt und Cantors „merkwürdige Behauptung“ des Wohlordnungssatzes als möglichen Schlüssels für deren Beweis bezeichnet. Z. fand bereits um 1900 unabhängig von Bertrand Russell (1872–1970) eine Formulierung der mengentheoretischen Antinomie (Z.-Russellsche Antinomie) und bewies 1904 in einem kontrovers aufgenommenen Aufsatz den Wohlordnungssatz unter Verwendung des umstrittenen Auswahlaxioms. 1908 legte er einen neuen Beweis dieses Satzes vor und rechnete polemisch mit seinen Kritikern ab.

    Ebenfalls 1908 veröffentlichte Z. eine Axiomatisierung der Mengenlehre, die mit einer späteren Ergänzung von Abraham A. Fraenkel (1891–1965) und Modifikationen von Dimitry Mirimanoff (1861–1945) und Thoralf Skolem (1887–1963) bis heute die wesentliche Grundlagentheorie der Mathematik ist (Z.-Fraenkelsche Mengenlehre ohne bzw. mit Auswahlaxiom: „ZF“ bzw. „ZFC“). Bei Wiederaufnahme seiner grundlagentheoretischen Untersuchungen 1929/30 legte Z. das ergänzte Z.-Fraenkelsche Axiomensystem ZF' zugrunde. Darauf baute er eine kumulative Mengenhierarchie und infinitäre Sprachen auf und entfernte sich damit vom finitistischen beweistheoretischen Programm Hilberts. 1932 gab Z. mit Fraenkel Georg Cantors „Gesammelte Abhandlungen mathematischen und philosophischen Inhalts“ (7 Nachdrr. zw. 1962 u. 2013) heraus. In der angewandten Mathematik veröffentlichte er 1904 mit Hans Hahn (1879–1934) einen Beitrag über Varia|tionsrechnung für die „Encyklopädie der mathematischen Wissenschaften“. Z. entwickelte 1928 ein von dem Mathematiker und Schachweltmeister Emanuel Lasker (1868–1941) geschätztes Bewertungssystem für Schachturniere und formulierte und löste 1931 als erster das sog. Navigationsproblem, das die Optimierung der Reisezeit von Luftschiffen bei wechselnden Windverhältnissen betraf.

  • Auszeichnungen

    A Unterstützung d. Wolfskehl-Stiftung (1911);
    Alfred Ackermann-Teubner-Gedächtnispreis z. Förderung d. math. Wiss. (1916);
    ao. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1933);
    – E.-Z.-Str. in Freiburg (Br.) (2018).

  • Werke

    Weitere W Ueber e. Satz d. Dynamik u. d. mechan. Wärmetheorie, in: Ann. d. Physik u. Chemie NF 57, 1896, S. 485–94;
    Weiterentwicklung d. Variationsrechnung in d. letzten Jahren, in: Encyklopädie d. math. Wiss., Bd. 2, T. 1.1, 1904, S. 626–41 (mit H. Hahn);
    Beweis, daß jede Menge wohlgeordnet werden kann, in: Math. Ann. 59, 1904, S. 514–16;
    Neuer Beweis f. d. Möglichkeit e. Wohlordnung, ebd. 65, 1908, S. 107–28;
    Unterss. über d. Grundlagen d. Mengenlehre, I, ebd., S. 261–81;
    Die Berechnung d. Turnier-Ergebnisse als Maximumproblem d. Wahrscheinlichkeitsrechnung, in: Math. Zs. 29, 1929, S. 436–60;
    Über d. Begriff d. Definitheit in d. Axiomatik, in: Fundamenta Mathematicae 14, 1929, S. 339–44;
    Über Grenzzahlen u. Mengenbereiche, ebd. 16, 1930, S. 29–47;
    Über d. Navigationsproblem b. ruhender oder veränderl. Windverteilung, in: Zs. f. angew. Math. u. Mechanik 11, 1931, S. 114–24;
    Collected Works/Ges. Werke, hg. v. H.-D. Ebbinghaus u. A. Kanamori, 2 Bde., 2010–13.

  • Literatur

    L. G. H. Moore, Z.s Axiom of Choice, Its Origins, Development and Influence, 1982;
    H.-D. Ebbinghaus in Zus.arb. mit V. Peckhaus, E. Z., An Approach to His Life and Work, 2007, ²2015 (W-Verz., P);
    V. Peckhaus, in: Routledge Encyclopedia of Philosophy, Bd. 9, 1998, S. 853–55;
    Pogg. IV–VII a;
    Complete DSB;
    Lex. bed. Mathematiker;
    Biogr. Enz. Philos.;
    Enz. Philos. Wiss.theorie.

  • Porträts

    P Photogr. v. P. Matzen (Niedersächs. Staats- u. Univ.bibl. Göttingen), Abb. in: Ebbinghaus u. Peckhaus (s. L), S. 83;
    Photogr. v. A. Stanke (ebd.), Abb. in: V. Peckhaus, Hilbertprogr. u. Krit. Philos., 1990, S. 78;
    Photogr. v. F. Schmelhaus, um 1914 (Archiv d. Univ. Zürich), Abb. in: Ebbinghaus u. Peckhaus (s. L), S. 122.

  • Autor/in

    Volker Peckhaus
  • Zitierweise

    Peckhaus, Volker, "Zermelo, Ernst Friedrich Ferdinand" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 659-660 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz143025.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA