Lebensdaten
1856 – 1912
Geburtsort
Hamburg
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Theaterleiter und -kritiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118514245 | OGND | VIAF: 22161138
Namensvarianten
  • Abrahamson, Otto (ursprünglich)
  • Brahm, Otto
  • Abrahamson, Otto (ursprünglich)
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Zitierweise

Brahm, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118514245.html [20.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Julius Abrahamson (1819–88, jüdisch), Kaufmann und Agent, S des Baer Abrahamson und der Esther Ballin;
    M Emilie Simon (1831–1905);
    B Ludwig (1862–1926), Schauspieler; ledig.

  • Biographie

    Nach kurzem Realschulbesuch (1869–71) trat B. auf Wunsch des wenig begüterten Vaters 1872 als Lehrling in ein Hamburger Bankinstitut ein. Autodikaktischem Bemühen folgten 1876 Studienjahre bei H. Grimm, W. Scherer, Erich Schmidt und E. Sievers in Berlin, Heidelberg, Straßburg und Jena (Promotion 1879). Seit 1879 lebte er in Berlin und entwickelte sich bald zu einem der führenden Theaterkritiker. Wie P. Schlenther, dem Studienfreund aus der Heidelberger Zeit, war er auch dem alten Fontane verbunden, an dessen Seite er (1881-85) für die Vossische Zeitung referierte. - In den literarhistorischen Schriften des Schererschülers verliert der aufs einzelne gerichtete Blick über dem Vorgleichen und Aufspüren von Motiven, Quellen und Kausalitätsreihen die Zusammenschau des Ganzen. Im Gegensatz dazu stehen die Theaterkritiken, die in der präzisen Sprache des Wissenschaftlers stets das Wesentliche von Werk und Aufführung treffen. In ihnen zeigt sich, daß der Naturalismus für den Kritiker B. vor allem die künstlerische Möglichkeit zu einer neuen, dem naturwissenschaftlichen Weltbild gemäßen Gestaltung des Tragischen war. - Durch Georg Brandes und Julius Hoffory wurde B.s Aufmerksamkeit auf Ibsen gelenkt. Bald gehörte er, der in seinen Anfängen noch Paul Heyse (Essay 1882) für den größten Dichter der Gegenwart gehalten hatte, zu den Vorkämpfern der modernen Kunst, als deren „Pfadsucher und Pfadfinder“ er Ibsen bezeichnet hat. Von Natur skeptisch, nüchtern, voller Abscheu vor allem Gemachten und Unwahren, erkannte er am großen Beispiel die Unzulänglichkeit des epigonenhaften zeitgenössischen Literaturbetriebs, der sich in einem Spiel mit Formen erschöpfte, denen jede innere Notwendigkeit fehlte. In Ibsens Dramen fand er nicht nur die Abrechnung mit der konventionellen „Lebenslüge“ - die in Deutschland damals auch eine literarische Lüge war -, sondern auch eine dem neuen Gehalt entsprechende Form: den realistischen Dialog, die Sprache des Alltags. Nach dem Vorbild von Antoines Théâtre libre gründete B. 1889 mit Gesinnungsgenossen den Verein „Freie Bühne“, als dessen Aufgabe er den Kampf gegen die „Lüge in jeglicher Gestalt“ proklamierte. Der werdenden Kunstform des Naturalismus galt das Hauptinteresse. Die Gründung der „Freien Bühne“, zu deren Vorsitzendem er gewählt wurde, war der Schritt aus der Theorie in die Praxis und bedeutete den entscheidenden Wendepunkt seines Lebens. Die beiden ersten Werke, die das neue Unternehmen im Lessingtheater zur Aufführung brachte, bezeichnen B.s Weg und Aufgabenkreis als Theaterleiter. Es waren Ibsens in Berlin bereits bekannte, aber noch verbotene „Gespenster“ und das Erstlingsdrama des unbekannten Gerhart Hauptmann „Vor Sonnenaufgang“. - Die im nächsten Jahr erfolgende Gründung und Herausgabe (1890/91) der Wochenschrift „Freie Bühne für modernes Loben“ (später „Die neue Rundschau“) war der Höhepunkt der journalistischen Laufbahn B.s, der hier zum kritischen Kommentator des eigenen Werkes wurde, wobei der Kritiker den Dramaturgen, der Dramaturg den Kritiker ergänzte. A. L'Arronge überließ ihm 1894 das Deutsche Theater, da er sich dem Konkurrenzkampf mit der „Freien Bühne“ nicht mehr gewachsen fühlte. Pflegte der neue Direktor im Deutschen Theater neben den Modernen (Hauptmann, Ibsen, Schnitzler, aber auch Sudermann u. a.) nur noch selten die Klassiker, so fehlten sie nach seiner Übersiedlung in das von Traditionen unbelastete Lessingtheater (1904) ganz auf dem Spielplan. Noch immer diente er den beiden Dramatikern, mit denen er die „Freie Bühne“ eröffnet hatte. Bei beiden fand er, was er forderte: eine Kunst, „die die Wirklichkeit anschaut und das gegenwärtige Dasein“. Fast alle Stücke Hauptmanns, mit dem er befreundet war, haben bei ihm ihre Uraufführung erlebt, zuletzt „Die Ratten“ 1911.

    B. schenkte dem neuen Drama die neue Schauspielkunst, die es brauchte. Ohne als Regisseur hervorzutreten, wirkte er als Erzieher seines Ensembles. Das Ergebnis war ein verinnerlichter Darstellungsstil, der alles Deklamatorische ausschloß. Aus dem Theater wurde „die große Seelenbühne“. Darsteller, die auf diesem Wege nicht folgen wollten, wie Kainz und Agnes Sorma, schieden aus. Die Aufführungen, die B.s Ruhm begründet haben, sind ohne sie zustande gekommen. Die Stützen seines Ensembles waren E. Reicher, R. Rittner und Else Lehmann. - Ebensowenig wie den Klassikern vermochte sein Bühnenstil dem Symbolgehalt der letzten Ibsenschen und der um die Jahrhundertwende entstandenen Hauptmannschen Stücke gerecht zu werden. Neuere Dramatiker, die über den Naturalismus hinauswiesen, lehnte B. ab.

    Seine Einseitigkeit berührt seine theatergeschichtliche Bedeutung nicht. Er hat durch die regelmäßige Aufführung der Werke von Ibsen und Hauptmann das realistische Drama in Deutschland endgültig durchgesetzt. Er schuf den Bühnenstil des verhaltenen, psychologisierenden Kammerspiels, dem sein abtrünniger Schüler Max Reinhardt später das Extrem der Zirkusaufführungen entgegenstellen sollte. B. ist in seiner mehr kritischen als schöpferischen Art typisch für den literarischen Theaterleiter, der die Bühne ganz in den Dienst des dichterischen Wortes stellt. - Er war ein kranker Mann, als er sich entschloß, nach Ablauf des Pachtvertrages mit O. Blumenthal, wieder zu den literarischen Studien seiner frühen Zeit zurückzukehren. Das geplante Werk über Ibsen hat er nicht mehr begonnen, die Schillerbiographie ist unvollendet geblieben.

  • Werke

    Das dt. Ritterdrama d. 18. Jh., Stud. üb. Jos. Aug. v. Törring, seine Vorgänger u. Nachfolger, Straßburg/London 1880. = Qu. u. F zu Sprache u. Culturgesch. d. german. Völker 40;
    Das Leben Heinrichs v. Kleist, 1884 (preisgekrönt), ³1892, Neubearb. 1911;
    Schiller I u. II/1, 1888/92; K. Stauffer-Bern, 1892, ²1903;
    Krit. Schrr., hrsg. aus d. Nachlaß v. P. Schlenther, 2 Bde., 1913/15 (W, P);
    O. B., Briefe u. Erinnerungen, mitget. v. G. Hirschfeld, 1925 (P);
    Der Briefwechsel A. Schnitzler-O. B., hrsg. u. eingel. v. O. Seidlin, 1953, = Schrr. d. Ges. f. Theatergesch., Bd. 57.

  • Literatur

    S. Jacobsohn, Das Theater d. Reichshauptstadt, 1904, S. 81-128;
    Erich Schmidt, in: Dt. Rdsch., Jan. 1913;
    P. Schlenther, in: Die neue Rdsch., H. 2/3, 1913;
    K. Kersten, Die krit. Schrr. O. B.s, in: Dt. Rdsch., Okt. 1915;
    A. Kerr, Das Mimenreich, = Die Welt im Drama V, 1917, S. 1 bis 92;
    J. Bab, Das Theater d. Gegenwart, 1928 (P);
    Soergel, 191928 (Phot., 1911);
    H. Henze, O. B. u. d. Dt. Theater in Berlin, in: Mitt. d. Ver. f. d. Gesch. Berlins, Jg. 47, 1930, H. 3/4;
    O. Koplowitz, O. B. als Theaterkritiker, 1936;
    F. A Voigt, Hauptmannstud. I, 1936, S. 74 ff.;
    A. Eloesser, in: BJ XVII, S. 119-24 (u. XVIII, Totenliste 1912, L);
    Kürschner, Lit.-Kal. 1912 (W);
    Kosch, Theater-Lex. I (W, L);
    Kosch, Lit.-Lex. I (W, L).

  • Autor/in

    Hubert Kulick
  • Zitierweise

    Kulick, Hubert, "Brahm, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 507-508 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118514245.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA