Lebensdaten
1401 – 1464
Geburtsort
Kues/Mosel
Sterbeort
Todi (Umbrien)
Beruf/Funktion
katholischer Theologe ; Philosoph ; Bischof von Brixen
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118588095 | OGND | VIAF: 89623095
Namensvarianten
  • Cancer, Nicolaus (in Heidelberg)
  • Kues, Nikolaus von
  • Cryfftz, Nicolaus
  • mehr

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Zitierweise

Nikolaus von Kues, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588095.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Das Familienwappen enthält e. roten Krebs auf goldenem Feld, auf d. ältesten Siegel sind Mond u. ein Stern b. d. Krebs. – N. entstammte e. Moselschifferfam.;
    V Johan Cryfftz (auch Cryfftz Henne);
    M Katharina N. N. ( 1427);
    B Johannes ( 1456), Priester.

  • Biographie

    1416 schrieb sich N. unter dem Namen „Nicolaus Cancer“ an der noch jungen Univ. Heidelberg ein. Hier studierte er etwa ein Jahr lang die Artes liberales, wurde mit dem dort durch Marsilius von Inghen etablierten Nominalismus bekannt und kam in Kontakt mit der „Devotio moderna“ sowie mit der dieser nahestehenden mystischen Theologie des Johannes Gerson (1363–1429). Vermutlich 1417, spätestens 1420, ging N. nach Padua, wo er 1423 das Studium des Kirchenrechts mit dem „doctor decretorum“ abschloß. In Padua traf er u. a. mit Francesco Zabarella (um 1339–1417), Giuliano Cesarini (1398–1444) und Bernhardin von Siena (1380–1444) zusammen. Anschließend wandte N. sich nach Köln, wo er als Doktor des kanonischen Rechts immatrikuliert wurde und in Beziehung zu Heymeric van der Velde (1395–1460) trat, dem führenden Vertreter des neu aufkommenden Albertismus. 1427 wurde er Dekan des Stifts St. Florin in Koblenz. Im folgenden Jahr reiste N. mit Heymeric nach Paris, um die Schriften des Raimund Lullus zu studieren. Seit 1425 Sekretär und Rechtsberater des Erzbischofs von Trier, Otto v. Ziegenhain ( 1430), für den er auch in Rom tätig war, vertrat er seit 1430 die Ansprüche des zum Nachfolger gewählten Ulrich v. Manderscheid ( 1438) vor allem gegen den von Papst Eugen IV. (1431–47) ohne Konsens mit dem Domkapitel ernannten Konkurrenten Raban v. Helmstadt ( 1439) – ein Fall, der auch Anlaß von N.s Teilnahme am Basler Konzil seit 1432 war. Obgleich er diese Streitsache nicht mit Erfolg zu Ende führen konnte (Raban wurde 1434 bestätigt) und auch sein im Auftrag des Konzils unternommener Versuch, die Eucharistielehre des Jan Hus (1370/71-1415) einer vermittelnden Position anzunähern, fehlschlug, wurde N. seiner geschickten schiedsrichterlichen Bemühungen wegen dennoch eine der herausragenden Gestalten dieser Versammlung. Vor allem verschaffte er sich hohes Ansehen durch sein in den ersten Jahren des Konzils entstandenes, an die Lullusstudien anknüpfendes großes|Werk: „De concordantia catholica“, in dem er die Einheit der Kirche argumentativ zu sichern versuchte. Dieses Werk, das man als die letzte große spekulative Fundierung der Politik vor dem „Principe“ des Machiavelli ansehen kann, bezieht das Problem auf die metaphysisch-kosmologische Einheit des Universums überhaupt. Unter Rückgriff auf neuplatonische Elemente bei der Begründung der Hierarchie als der spezifischen Form der Einheit eines Ganzen aus Vielem, auf die mittelalterliche Kanonistik, aber auch, ohne ihn namentlich zu nennen, auf den „Defensor pacis“ des Marsilius von Padua, bestimmt N. das Verhältnis von Papst und Konzil so, daß der Papst zwar durch seinen Einberufungsakt und seine Anwesenheit die Regularität des Konzils garantiert, die Konzilsmajorität jedoch in ihrer Unfehlbarkeit über dem Papst steht.

    Da N. sich 1433 auch an dem Konzilsverfahren gegen den Papst beteiligte, galt er zunächst als ein Vertreter der Konzilsmehrheit, die das Prinzip vertrat: „quod omnes tangit, ab omnibus approbari debet“. Als er angesichts der Idee eines Unionskonzils mit der byzantin. Kirche 1436 die Seiten wechselte – vermutlich wegen des bevorstehenden Schismas, das mit der Wahl eines Gegenpapstes (Felix V., 1439–49) 1439 auch eintrat – und sich der papalen Minderheit zurechnete, wurde dies von seinen vormaligen Freunden als opportunistischer Verrat aufgefaßt. Von welcher Grundsätzlichkeit diese Wandlung in N.s Bewußtsein war, wird bis heute kontrovers diskutiert. 1437 brach N. zusammen mit einer Reihe von Kardinälen nach Konstantinopel auf, um ursprünglich noch von der Konzilsminorität in Basel initiierte, später vom Papst legitimierte Verhandlungen mit der griech.-orthodoxen Kirche zu führen und zur Teilnahme am Unionskonzil einzuladen. 1438 in Begleitung einer Abordnung der Ostkirche zurückgekehrt, vertrat N., während das päpstliche Unionskonzil zunächst in Ferrara, dann in Florenz und Rom tagte, unermüdlich die Sache des Papstes bei den deutschen Fürsten, um sie zum einen zur Aufgabe ihrer neutralen Haltung, zum andern zur Anerkennung Eugens IV. zu bewegen.

    Auf der Rückreise von Konstantinopel faßte N. die für sein weiteres philosophisch-theologisches Denken grundlegende Idee der „coincidentia oppositorum“ (Zusammenfall der Gegensätze). Wissen ist danach immer nur in der Weise der Annäherung möglich; doch ist das Verstandesdenken, das auf gegensätzlichen Bestimmungen beruht, grundsätzlich ungeeignet, den unendlichen Grund aller endlichen Wirklichkeit zu bestimmen. Daher muß das Denken in Gegensätzen, die schon dadurch endliche Pole enthalten müssen, daß sie sich von einander unterscheiden, überwunden werden. Der Tradition des Platonismus folgend, nahm N. hierbei die Mathematik als das Feld, auf dem sich diese Operationen symbolisch verdeutlichen lassen. Gott ist zwar Maximum, aber zugleich Minimum an Sein, da im Unendlichen alle Gegensätze zusammenfallen. Dies ist aber grundsätzlich zu unterscheiden von der Konzeption des neuzeitlichen Rationalismus, die Metaphysik selbst „more geometrico“ aufzubauen. Die Mathematik soll zum einen bestimmte gedankliche Operationen symbolisieren, zum anderen zeigen, daß Erkennbarkeit auf dem Konstruieren des zu Erkennenden beruht – ein Gedanke, mit dem bereits Neuplatoniker die göttliche Erkenntnis der Welt sich verständlich gemacht hatten. Im Hinblick auf die Metaphysik stand für N. fest: Da das Wissen von Gott kein gegenständliches Wissen mehr sein kann, muß es als eines gefaßt werden, das seine Gewißheit und Allgemeinheit durch die reflexive Einbeziehung jenes unvermeidlichen Nichtwissens gewinnt. N. gab dem mit diesem Gedanken befaßten Werk, einen augustinischen Ausdruck aufnehmend, den programmatischen Titel, „Docta ignorantia“ (1440, belehrte Unwissenheit bzw. wissendes Nichtwissen). Damit brach N. mit der Vorstellung der absoluten Geltung des Widerspruchsprinzips, das auch der mittelalterliche Aristotelismus (aber auch der Antiaristotelismus eines Nicolaus von Autrecourt) als das Grundprinzip aller Wirklichkeit und des diese Wirklichkeit erfassenden Denkens angenommen hatte. Dieser Gedanke N.s war für die Vorgeschichte der klassischen deutschen Philosophie, insbesondere der Hegels, von großem Belang, ebenso seine Lehre von der Unbegrenztheit der Welt für die neuzeitliche Wissenschaft, wenn auch ohne Rückbezug auf N. und unter anderen Zwecksetzungen. Hegel nennt N.s Namen an keiner Stelle. Gleichwohl kehrt bei ihm das Zentralproblem von N.s Philosophie, die gleichzeitige Inanspruchnahme widersprüchlicher Bestimmungen, wieder, jedoch universalisiert auf das Wirkliche überhaupt. N. ist dies ebenso fremd wie die mit der Kontradiktion begründete Dynamik in Natur und Geschichte. In der Schrift „De coniecturis“ (zw. 1440 u. 1444) rückt N. zudem insbesondere das Prinzip der universalen Entsprechung zwischen allen Formen der Wirklichkeit (Gott, Geistwesen, Seele, Körper in den Vordergrund. Zwar hat die Seele in gewisser Weise Anteil am göttlichen Wissen, doch muß das kognitive Weltverhältnis des Menschen als bloße „Mutmaßung“ (coniectura) bestimmt werden, da die Dinge die göttlichen Ideen nur unvollkommen repräsentieren. Gegen N.s Antiaristotelismus und den Gedanken der Koinzidenz, in dem er eine pantheistische Häresie erblickte, wandte sich der Heidelberger Scholastiker Johannes Wenck ( 1460) mit seiner Polemik „De ignota literatura“ (1442/43), auf die N. mit seiner Schrift „Apologia doctae ignorantiae“ (1449) antwortete. Es blieb dies die einzige scharfe theoretische Auseinandersetzung N.s, den der langjährige und energische diplomatische Einsatz für Kirche und Papst jedem offiziellen Häresieverdacht entzog. Das vierteilige Werk „Idiota“ (de sapientia I-II, de mente, de staticis experimentis, 1450) thematisiert aus der Perspektive des Laien die Distanzierung von der aristotelisierenden Scholastik – die sich in N.s Werk ohnehin im Verlassen der mittelalterlichen Werkform (summa, quaestio etc.) und in seiner ebenfalls von Lullus inspirierten Tendenz zu Neologismen („De possest“ [Vom Können-Ist, d. i. die Identität von Möglichkeit und Wirklichkeit], 1460; „De li non aliud“ [Über das Nicht-Andere, d. i. der unhinterfragbare Name Gottes], 1462) zeigt. Nicht nur die religiöse, auch die experimentelle Erfahrung erhält jetzt größeres Gewicht. Diese wird durch Experiment und Quantifizierung gewonnen, wodurch die platonische Mathematisierung der Natur jetzt eine in die weitere Neuzeit weisende Wendung nimmt.

    N.s zusammen mit einer Reihe von Kardinälen unternommene Bemühungen, die deutsche Nation wieder auf die Seite des Papstes (und der Konzilsminorität) zu bringen (u. a. auf den Reichstagen von Nürnberg 1438 und Frankfurt 1442) schufen schließlich auf dem Fürstentag zu Aschaffenburg (Juli 1447) die Voraussetzungen für das Wiener Konkordat (1448), das die Beziehungen zwischen Vatikan und deutscher Nation bis zum Ende des Hl. Röm. Reiches (1803) regeln sollte. Seit 1446 Kardinal in petto und päpstl. Legat, wurde N. 1448 von Nikolaus V. (1447–55) für seine Verdienste zum Kardinal erhoben.

    Anfang der 50er Jahre war N. als Ablaßprediger und Visitator in Deutschland, Österreich und den Niederlanden unterwegs, doch zeigen seine Predigten, daß er der damit vielfach verbundenen Werkfrömmigkeit keinen Vorschub leisten wollte (Meuthen). Seine strikten Anweisungen sollten auf eine Erneuerung des Glaubenslebens bei Klerikern und Laien hinwirken. 1450 wurde N. von Papst Nikolaus V. zum Fürstbischof von Brixen ernannt. Dies führte zu erbitterten Auseinandersetzungen, da kurz zuvor die Wahl des Domkapitels auf den Mitkanoniker Leonhard Wismeyer gefallen war. Der Papst annullierte diese Wahl, da sie in Unfreiheit, nämlich unter Druck Herzog Sigmunds stattgefunden habe. Im April 1452 übernahm N. die darniederliegende Verwaltung des Bistums, dessen Freiheit er verteidigen wollte. Obwohl zunächst für die ersten Jahre ein größerer Konflikt vermieden werden konnte, erhöhte sich angesichts der Maßnahmen des neuen Bischofs der Druck des Adels auf den Herzog, so daß dieser zu massiven Pressionen und Einschüchterungen griff. N. floh im Juli 1457 zunächst auf die Burg Buchenstein, 1458 reiste er von dort nach Rom. Nachdem vorübergehend eine Einigung möglich erschienen war, da Pius II. (1458–64) alle Kräfte für einen Türkenfeldzug sammeln wollte, kehrte N. 1460 zurück nach Brixen. Als er Sigmund drohte, alle Lehen dem Kaiser zurückzugeben, beschoß dieser die Burg. N. mußte bedingungslos kapitulieren und wurde gefangengesetzt. Kurz nach seiner Freilassung erklärte er alle Konzessionen, da unter Zwang gegeben, für nichtig. Erst 1464 kam es zu der Übereinkunft, daß N. zwar Bischof bleiben, die Ausübung des Amtes jedoch durch einen Vertreter geschehen solle. Seine reformierenden Bemühungen hatte N., allerdings ohne nennenswerten Erfolg, in den Jahren zuvor fortführen können: Seit 1459 Generalvikar in temporalibus, nach Pius II., mit dem ihn seit der Zeit in Basel eine Freundschaft verband, die höchstrangige Position, bemühte er sich auch an der Kurie um vielfältige und durchgreifende Veränderungen. N. wandte sich zum einen gegen eine allzu locker gewordene Observanz und gegen vielfältige Formen der Korruption (Konkubinat) – vor allem in den Klöstern –, zum andern gegen die nicht weniger vielfältigen Formen von Aberglauben. Immer wieder weist er auch Laien die Aufgabe der Überwachung zu. N.s Ungeduld und die Resistenz der Betroffenen gegenüber Opfer und Verzicht setzten dem Erfolg seiner Reformbemühungen enge Grenzen.

    1453 hatte die türkische Eroberung Konstantinopels Nikolaus V. dazu bewogen, den Widerstand gegen die zu befürchtende Expansion der Türken zu organisieren. N., der bereits 1437 auf der Reise den Koran studiert hatte, beschäftigte sich im selben Jahr intensiv mit der Frage der Toleranz bzw. der Einheit der Religionen in seinem Dialog „De pace fidei“.|Angesichts der verheerenden Glaubenskriege und der Eroberungszüge der Türken entwirft N. ein Bild der friedensstiftenden Kraft des Glaubens in Gestalt eines Konzils im Himmel, auf dem Vertreter der einzelnen Religionen Verhandlungen über ihre Gemeinsamkeiten führen und zuletzt eine Übereinstimmung in der einen, grundlegenden Wahrheit beschließen. Auf dem Fundament seiner Lehre von verschiedenen Formen der Einheit, der Ein- und Ausfaltung (complicatio – explicatio), sieht N. in jeder Religionsform die wahre Religion unentfaltet (complicite) zugrundeliegen. Die Vielheit der Religionen liege in erster Linie in der – mit diesem Gedanken relativierten – kultischen Praxis, in der sich aber eine einzige Religion verbirgt (una religio in rituum varietate). Am Wahrheitsanspruch seiner Kirche gleichwohl festhaltend, erklärt er damit zugleich die Reformbedürftigkeit ihrer Institutionen.

    N.s letzte Lebensjahre waren überschattet von körperlichen Gebrechen (neben einem Augenleiden trat eine Darmgicht auf). Damit war nicht nur eine schwere Beeinträchtigung geistiger Arbeit verbunden, N. sah sich im Juni 1461 sogar veranlaßt, sein Testament niederzulegen. Ein wiederholter Aufenthalt während des Sommers in Orvieto war wiederum mit Bemühungen um Erneuerung verbunden, die aber wie schon früher am Einfluß der führenden Familien scheiterten. Nachdem die Fürsten sich gegen einen Kreuzzug sträubten, übernahm der Papst 1464 selbst die Führung der Streitmacht. N., der von diesem Unternehmen abriet, sich aber dem Willen des Papstes fugte, sollte diejenigen militärischen Kräfte sammeln, die sich zwischen Ancona und Rom aufhielten. Während dieser Zeit wurde er selbst von schwerem Fieber befallen, und starb, nachdem er am 6. August seine zweite testamentarischen Verfügungen niedergegeschrieben hatte. Er wurde in seiner Titelkirche in Rom (S. Pietro in Vincoli) beigesetzt, das Herz seinem Wunsche entsprechend in Kues. Dort befindet sich noch heute seine umfangreiche Bibliothek sowie das Hospital, das N. 1458 im Sinne der Brüder vom gemeinsamen Geiste gestiftet hatte.

    N.s Schriften wurden von zahlreichen zeitgenössischen Humanisten in Teilen rezipiert; sie wirkten wohl indirekt auch auf Naturforscher wie Kopernicus und Kepler, hatten Einfluß auf Leonardo da Vinci sowie vor allem Giordano Bruno, durch den wiederum Gedanken N.s in Deutschland bekannt wurden und in dieser Form auch auf spätere Philosophen (Leibniz, Böhme, Hamann, Schelling, Hegel) und Schriftsteller (Lessing) wirken konnten; sie wurden aber kein Bestandteil der theol. Tradition. Im Laufe des 19. Jh. als Philosoph wieder entdeckt, wurde von ev. Seite zu Beginn der 30er Jahre dieses Jahrhunderts eine kritische Ausgabe seiner Werke veranlaßt. Seit den 50er Jahren ist er auch als Theologe Gegenstand intensiver Forschungs- und Interpretationsbemühungen.

  • Werke

    Opera, ed. Faber Stapulensis, Paris 1514 (Neudr. 1962);
    Werke, Straßburg 1488, neu hg. v. P. Wilpert, Literatur in Bildern, 1966;
    Nicolai de Cusa Opera omnia, hg. v. d. Heidelberger Ak. d. Wiss., 1932 ff. – Zu Einzeledd. u. Überss.: R. Schönberger u. B. Kible, Rep. ed. Texte d. MA, 1994, Nr. 15592-885.

  • Literatur

    E. Meuthen, N. v. K. 1401-1464, 1963, ⁷1992 (P);
    ders., Die letzten Jahre d. N. v. K., 1958;
    M. de Gandillac, N. v. C., 1953;
    K. Jaspers, N. C., 1964;
    K. Flasch, Die Metaphysik d. Einen b. N. v. K., 1973;
    K. Jacobi (Hg.), N. v. K., Eine Einf. in sein phil. Denken, 1979;
    W. Beierwaltes, Identität u. Differenz, 1980;
    ders., Denken des Einen, Stud. z. neuplaton. Philos. u. ihrer Wirkungsgesch., 1985, S. 368-94;
    H. G. Senger, N. v. K., in: Gestalten d. KGesch. IV, 1983, S. 286-307;
    Vf.-Lex. d. MA (Qu, W, L);
    Killy;
    BBKL (W, ausführl. L);
    TRE (Qu, W, L);
    Lex. MA.

  • Porträts

    P Grabrelief (um 1465) Rom, Basilica San Pietro in vincoli; Relief v. Andrea Bregno, ebd.

  • Autor/in

    Rolf Schönberger
  • Zitierweise

    Schönberger, Rolf, "Nikolaus von Kues" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 262-265 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588095.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Cusanus: Nicolaus C., geb. 1401 in Kues an der Mosel, 11. Aug. 1464 in Todi bei Spoleto, war der Sohn eines begüterten Schiffers, welcher den Namen Chrypffs (d. h. Krebs) führte; von dem rauhen Vater übel behandelt, entfloh er und fand Aufnahme als Famulus bei einem Grafen Manderscheid, welcher bald den begabten Knaben in die Schule der „Brüder des gemeinsamen Lebens“ zu Deventer schickte. Sowie die humanistisch-religiöse Richtung dieser damals einflußreichen Bildungsanstalt gewiß bestimmend auf die|geistige Entwicklung Cusanus' einwirkte, so bethätigte derselbe auch seinerseits in späteren Jahren sein dankbares Andenken durch Stiftung eines dortigen Stipendiums für arme Jünglinge aus Kues (Bursa Cusana). Durch fortgesetzte Freigebigkeit des genannten Grafen war ihm auch eine Studienreise nach Italien ermöglicht, wo er in Padua 1424 den juristischen Doctorgrad (als Doctor Decretorum) erwarb. Die Bekanntschaft, welche er ebendort mit dem Cardinal-Legaten Giuliano Cesarini anknüpfte, war für seine spätere glänzende Laufbahn ebenso einflußreich, wie die von dem Mathematiker Paulus empfangene Anregung für seine wissenschaftlichen Bestrebungen. Nach Deutschland zurückgekehrt, versuchte C. sich als Rechtsanwalt zu bethätigen, aber der tiefe Verdruß über einen beim Gerichte zu Mainz verlorenen Proceß bestimmte ihn, diese Laufbahn aufzugeben; er wendete sich zur Theologie (wo er dieselbe studirte, wissen wir nicht) und empfing um das J. 1430 die Priesterweihe. Während er wiederholt als Prediger in Coblenz auftrat, wo er Decan des Collegiatstiftes St. Florin geworden war, hatte im December 1431 das Concil zu Basel begonnen, dessen Vorsitz der genannte Cesarini führte. C. setzte die freudigsten Hoffnungen auf dieses Concil, welches in Anknüpfung an die Constanzer Beschlüsse den Standpunkt vertrat, daß das Concil über dem Papste stehe, und so begann er auf Grund einläßlicher geschichtlicher Studien sein Werk „De concordantia catholica“, an dessen Fortsetzung und Vollendung er noch in Basel arbeitete, wohin er auf Cesarini's Einladung als Mitglied des Concils im Aug. 1432 gegangen war. Diese gegen Ende 1433 dem Concil gewidmete und vorgelegte Schrift, mit welcher ein gleichzeitiger „Tractatus de auctoritate praesidendi in concilio generali“ zusammenhängt, gehört zu den hervorragendsten Documenten des damaligen kirchlichen Streites. Sowie nämlich C. in Folge gelehrter Forschung als der erste den Pseudo-Isidor für erdichtet und die constantinische Schenkung für untergeschoben erklärte (es gebührt ihm hierin die Priorität vor Laurentius Valla), so trat er in den beiden Schriften als Gegner der curialistischen Uebermacht auf, indem er die allgemeine Kirche dem römischen Patriarchate gegenüberstellte und einem allgemeinen Concil, welches seine Gewalt unmittelbar von Christus besitze, die Befugniß zuerkannte, nöthigen Falles das Wohl der Kirche für sich allein ohne Papst zu besorgen und selbst einen Papst abzusetzen; der letztere sei, wenn auch die Cathedra Petri auf göttlicher Einsetzung beruhe, als einzelner doch nur oeconomus eines Concils und könne auf demselben nur einen Ehren-Vorsitz, nicht aber Jurisdiction über dasselbe beanspruchen. Allerdings bewegte sich C. hierbei zuweilen, besonders bezüglich des Begriffes „Petrus“, in einer unbestimmteren Ausdrucksweise, so daß es ihm später, als er zur Papal-Partei übergelaufen war, ermöglicht blieb, mit nöthiger sophistischer Gewandtheit aus seinem früheren Standpunkte entgegengesetzte Folgerungen zu ziehen (s. hierüber Cl. Fr. Brockhaus, Nic. Cusani de concilii universalis potestate sententia, Lips. 1867. 8). Aber auch die weltliche Herrschaft, d. h. das deutsche Reich, zog er bei der Erörterung der concordantia catholica in Betracht, und wollte hierbei in analoger Weise den Begriff einer übereinstimmenden Harmonie durchführen, insofern er eine Reichsverfassung mit Reichsgerichtshöfen und einen das bürgerliche Element vertretenden Reichstag als Grundlage betrachtet wissen will und dem Kaiser einen Reichshofrath, welcher dem Cardinals-Collegium entsprechen solle, zur Seite stellt (Näheres siehe bei Theodor Stumpf, Die politischen Ideen des Nic. v. Cues, Köln 1865). Während des Concils suchte er (1433) die Hussiten durch ausführliche Zuschriften zum Festhalten an der Einheit der Kirche zu bewegen und war auch (1435) beim Abschlusse der sog. Compactaten zugegen, mittelst deren sich die Calixtiner mit der römischen Kirche vereinigten. Er stand damals noch in hohem Ansehen beim Concil und wurde von demselben (1436)|abgeordnet, um zwischen den baierischen Herzogen Heinrich und Ludwig Frieden zu stiften; auch trug nur der allzu große Andrang von Geschäften die Schuld daran, daß ein im gleichen Jahre von C. eingereichter Reform-Entwurf „De reparatione calendarii“ zurückgelegt werden mußte, in welchem derselbe in der That bereits auf jene nämliche Kalender-Verbesserung drang, die nach einer langen Reihe von Jahren (1577) der gregorianische Kalender zur Verwirklichung brachte.

    Als aber im J. 1437 das Basler Concil mit Heftigkeit sich gegen den Papst Eugen IV. erklärte und in stürmischen Sitzungen die Einleitung eines Processes gegen denselben berieth, erschrak C. vor der demokratischen Wendung, mit welcher er seine eigenen Grundsätze vom Concil verfochten sah, und schloß sich der päpstlichen Partei an, welche seinem Ehrgeize manch verlockende Aussicht vorgehalten haben mag. Von nun an zog in seine Seele allmählich der volle Fanatismus des Apostaten ein, und der vielversprechende Mann verlor sich, während er in äußeren Ehren stufenweise emporstieg, zugleich theils in phantastische Grübeleien theils in erfolglose kirchen-politische Reactionsgelüste. Mit der Minorität schied er (7. Mai 1437) aus dem Concil aus und begab sich nach Rom, wo ihn der Papst, welcher eine Vereinigung der griechischen Kirche mit der römischen anstrebte und zu diesem Behufe Ferrara als Concils-Ort bestimmt hatte, alsbald (1438) nach Constantinopel absandte, damit er den Gesandten des Concils zuvorkomme. Von dort brachte C. unter anderen Handschriften ein Exemplar des Joh. Damascenus mit, dessen Ansichten bekanntlich in dem Dogmenstreite über „Filioque“ stets eine hervorragende Rolle spielten. Im J. 1439 finden wir ihn wieder in Deutschland, und zwar theils im Kloster Münster-Mainfeld (an der Eifel), theils in seinem Geburtsorte Kues beschäftigt mit der Abfassung zweier Schriften, nämlich „De docta ignorantia“ und „De coniecturis“ in deren ersterer er neben dem philosophischen Hauptinhalte auch die Frage über die Papalgewalt in dem Sinne besprach, daß ihm dieselbe nunmehr nicht als eine blos numerische sondern als eine absolute Einheit erschien, wornach der Papst eine Stellung über dem Gesetze einnimmt. Von solchem Standpunkte aus trat C. zu gleicher Zeit (1439) auf den Reichstagen zu Mainz und Nürnberg, wo die Reformdecrete des Basler Concils bestätigt wurden, beredt und heftig als Vertheidiger Eugens auf, und nachdem diesem durch die Basler der Gegenpapst Felix V. (Amadeus von Savoyen) gegenübergestellt worden war, hatte C. sich bei der concilfeindlichen Curie längst so viele Verdienste erworben, daß er nun auch in officieller Sendung als päpstlicher Legat bei dem erneuten Reichstage zu Mainz (1441) und am Hofe des Königs Karl VII. von Frankreich, sowie (1442) am Reichstage zu Frankfurt für Eugen zu wirken beauftragt wurde. Dieser hatte den Sieg, welchen er am letzteren Orte errang, wesentlich den Anstrengungen des „Hercules der Eugenianer“ (— so nannte man den C. —) zu verdanken. Die Grundsätze, mittelst deren C. diese Schutzreden für Eugen führte, legte er gleichzeitig (1442) in der „Epistola ad Rodericum de Trevino“ nieder, indem er die Gedanken, welche er bereits in der Schrift „De docta ignor.“ ausgesprochen hatte, schärfer gestaltet; es ist ihm nämlich jetzt alle Kirchengewalt „complicatorie“ in ungetheilter Fülle im Papste gelegen, so daß letzterer ihm als „die Kirche in complicativer Weise“ gilt, — eine Auffassung, welche unzweifelhaft den schroffsten Gegensatz gegen den früheren Concil-Standpunkt des Verfassers enthält. Auch in den nächsten Jahren, als in Folge feindseliger Schritte Eugens gegen die Basler die Kurfürsten an ernstere Maßregeln dachten (1446), behielt C. die Hand im Spiele, und so fanden die Streitigkeiten ihren Abschluß durch das von Aeneas Sylvius formulirte Frankfurter Concordat (1447), in welchem die|Deutschen dem Eugen Obedienz erklärten und hierdurch ihre bisherige Neutralität aufgaben. Während dieser bewegten Zeit hatte C. auch die Muße zu mehreren theologisch-philosophischen Schriften gefunden, nemlich: „De quaerendo Deo", „De dato patris luminum", „De filiatione Dei“, „De genesi“.

    Der Nachfolger des im J. 1447 gestorbenen Eugen IV., Papst Nicolaus V., belohnte Cusanus' Verdienste um die Curie, indem er denselben (28. Dec. 1448) zum Cardinal ernannte und bald hernach (März 1450) dieser Würde eine wünschenswerte äußere Dotation durch eigenmächtige Verleihung des Bischofstuhles zu Brixen hinzufügte. Sowie aber letzteres lediglich ein päpstlicher Gewaltstreich war, da der Curie kein Ernennungsrecht zustand und außerdem bereits ein anderer Bischof Brixens auf legalem Wege gewählt war, so begann nun von solch schlimmer Grundlage aus eine kampfreiche und stürmische Lebensperiode des C., in welcher derselbe die bedenklichsten Seiten seines Charakters entfaltete. Die verwickelten Ereignisse, welche weit über den engeren Kreis Brixens, sowie über die Person des C. hinausreichen, haben im Vergleiche mit früheren curialistisch gefärbten Darstellungen (Fr. A. Scharpff, Der Cardinal und Bischof Nic. v. Cusa, 1843, und J. M. Düx, Der deutsche Cardinal Nic. v. Cusa, 2 Bände, 1847) erst in neuerer Zeit auf Grund einläßlichster archivalischer Forschung die richtige Beleuchtung und Würdigung gefunden durch Alb. Jäger, Der Streit des Cardinals Nic. v. Cusa mit dem Herzoge Sigmund von Oesterreich, 2 Bände, 1861, sowie durch G. Voigt, Enea Silvio de' Piccolomini als Papst Pius der Zweite, Bd. III. (1863), S. 303—421, und durch Cl. Brockhaus, Gregor v. Heimburg (1861), S. 149—220. Auf diese Werke sei hiermit bezüglich des Näheren ausdrücklich verwiesen. — Zunächst hatte C. zugleich mit der Ernennung zum Cardinale den Auftrag erhalten, eine Reform der Klöster und Kirchen Deutschlands ins Werk zu setzen, d. h. es handelte sich hierbei allerdings um eine damals gewiß nothwendige Herstellung sittlicher Zucht, aber zugleich auch um Förderung curialistischer Tendenzen, da durch Verbindung mit den sogen. Observanten überall die Fäden, welche schließlich im Papste zusammenliefen, gesponnen werden sollten, und C. benützte zu solchem Zwecke auch reichlichst das Mittel des Ablasses, so daß er eine Summe von angeblich 200000 Goldgulden aus Deutschland zum Baue der römischen Peterskirche zusammenbrachte. Er durchreiste (1451) von Salzburg beginnend Oesterreich, Baiern, Franken, Thüringen, Sachsen und die Niederlande, wo er jedoch in Lüttich auf Opposition stieß, und kehrte nach Trier und Kues zurück, woselbst er ein Hospital für 33 Arme stiftete. In allen Städten hatte er auf dieser Reise Visitatoren eingesetzt, um den natürlich nur vorübergehenden Erfolgen seiner Mission möglichst eine längere Dauer zu geben, und in gleicher Absicht hielt er hierauf drei Provincial-Concilien in Mainz, Köln und Magdeburg, womit er im Auftrage des Papstes einen Abstecher nach England verband, um zwischen diesem Staate und Frankreich Frieden zu stiften, was ihm jedoch nicht gelang. In die Jahre 1450—52 fallen seine Schriften: „Idiotae philosophiae“, „De geometricis transmutationibus“ und „De complementis mathematicis“, sowie ein erneuter theologischer Briefwechsel mit den Böhmen. Im J. 1452 kam C. in Brixen an, woselbst die dreiste Rechtsverletzung, durch welche er zum Bischof ernannt worden war, trotz Einsprache aufrecht erhalten blieb; es hatten nämlich sowol das Domcapitel, als auch Herzog Sigmund, welche beide zur Partei der Basler gehörten, erfolglos appellirt, und der Kaiser (Sigmunds Feind) den C. unter Verleihung der Regalien als Bischof anerkannt (1451), worauf letzterer am Anfange seiner Rundreise in Salzburg bei einer Verhandlung mit Sigmund diesem die weltliche Stellung als Vogt des Bisthums zugestanden und in den Temporalien gutes Einvernehmen versprochen hatte (1451). Bald aber entbrannte der Conflict. Da|nämlich (1452) das Benedictiner- Nonnen-Kloster Sonnenburg den Herzog Sigmund als seinen Vogt betrachtete und dieser in gleicher Ueberzeugung das Vogteirecht ausübte, wendete C. kühn die Angelegenheit in das kirchliche Gebiet hinüber, indem er vom Standpunkte seiner Kloster-Reform aus den Nonnen allen Verkehr mit Richtern, Amtsleuten und Dienern des Herzoges verbot und somit das Kloster von der Landesregierung abschnitt. Hiermit hatte sich die Sache sofort zu einem Kampfe zwischen der landesfürstlichen Gewalt und den auf frühere Jahrhunderte zurückgreifenden hierarchischen Ansprüchen zugespitzt. Nachdem C. sich vom Kaiser eine veraltete Schenkungsurkunde betreffs der im Brixener Lande gelegenen Silber- und Salzwerke hatte erneuern lassen und (1453) von einer Reise nach Rom die Vollmacht, sowol in geistlichen als auch in weltlichen Dingen zu reformiren zurückgebracht hatte, ging er mit einer selbst vom Papste mißbilligten Schroffheit vor und sprach (1455) über Sonnenburg den Bann aus, welchen er in möglichst grausiger Form verkünden ließ; dem Herzoge Sigmund aber entwickelte er schriftlich seine hochfliegenden Gedanken, wornach derselbe nur Vasall des Bischofs sei. In dem Gefühle, sich sowol beim Klerus des Domcapitels als auch beim Adel und nicht minder beim Volke, bei letzterem durch Verbot der Kirchweih-Jahrmärkte u. dgl., verhaßt gemacht zu haben, dachte C. öfters daran, auf seinen Bischofstuhl zu Gunsten des baierischen Prinzen Albert zu resigniren, fand aber hierin nur Widerstand; ja er redete sich in den Argwohn hinein, daß ihm Herzog Sigmund nach dem Leben stelle, und berichtete hierüber sogar an den Papst. Letzterer hielt diese Meldung ohne nähere Untersuchung wirklich für Wahrheit und verhängte schließlich (October 1457) das Interdict über Sigmund, worauf dieser in Verbindung mit dem Capitel an den besser zu unterrichtenden Papst appellirte. Zur gleichen Zeit führte der Conflict auch zu schmählichem Blutvergießen; da nämlich C. den Zinsbauern Sonnenburgs jede Leistung an das Kloster verboten hatte, letzteres aber seine rechtlichen Forderungen durch Söldner beitrieb, wurden diese (42 an Zahl), obwol sie nach Wegwerfung der Waffen um Gnade flehten, von den Leuten Cusanus' niedergemetzelt, worüber derselbe seine unverhohlenste Freude kund gab. — Nachdem Aeneas Sylvius als Pius II. den päpstlichen Stuhl bestiegen hatte, begab sich C. alsbald (Septbr. 1458) nach Rom, wo er die Würde eines Statthalters übernahm, während der Papst in Mantua weilte, um für den von ihm geplanten Kreuzzug thätig zu sein. Während dieses Aufenthaltes verkehrte C. mehrfach mit Peurbach und nahm auch seine schriftstellerische Thätigkeit wieder auf, welche in den letzten Jahren mit Ausnahme zweier kleinerer Arbeiten („De visione Dei“ und „Apologia doctae ignorantiae") geruht hatte; in Rom nämlich schrieb C. damals „De cribratione Alcoran“ und „De pace sive concordantia fidei“, sowie für den Papst, von welchem er eine Verwirklichung seiner Gedanken erwartete, eine „Reformatio generalis“, d. h. den Entwurf eines förmlichen Systems von Visitatoren, welche ihre Thätigkeit über die ganze Kirche, selbst einschließlich des Cardinal-Collegiums, erstrecken sollen. Pius II., durch dessen Vermittlung der erwähnte Sonnenburger Handel geschlichtet wurde, wünschte überhaupt eine Versöhnung zwischen Herzog Sigmund und C. herbeizuführen und veranlaßte somit beide, sich in Mantua einzufinden (November 1459); die Verhandlungen aber, bei welchen Gregor v. Heimburg die Sache Sigmunds führte, scheiterten an des Cusanus schroffer Halsstarrigkeit, und während Sigmund erzürnt abreiste, erließ der von C. aufgestachelte Papst die Bulle Execrabilis, durch welche verboten wurde, an einen künftigen Papst oder ein einzuberufendes Concil zu appelliren. Auch C. kehrte (Februar 1460) nach Tirol zurück, wo er zunächst in seinem Schlosse Andraz, dann aber in Brunneck sich aufhaltend, das alte Spiel fortsetzte, indem er neben gleichzeitiger Erneuerung des Interdictes nun dem Kaiser|die brixen’schen Lehen anbot und auch wenigstens den Verdacht erregte, mit demselben in geheimem Bunde betreffs Sendung bewaffneter Hülfe zu stehen. So kam es, daß Sigmund halb aus Nothwehr, halb aus Entrüstung den C. zu Ostern 1460 in Brunneck gefangen setzte. Nach acht Tagen, welche übrigens ohne alles Blutvergießen verliefen, machte C. die Zugeständnisse, daß er die kirchlichen Censuren zurücknahm, eine gründliche Erledigung beim Papste zu erwirken versprach, auf alle bisher erhobenen territorialen Ansprüche verzichtete und die Temporalien des Bisthums vorläufig an das Capitel übertrug. Hierauf aus der Haft entlassen (25. April), reiste er baldigst (27. April) in das Venetianische ab, um nach Rom zu gehen, verhängte aber sogleich von der Reise aus das Interdict über Brunneck, und war dann in Rom keineswegs bemüht, die versprochene Beilegung des Streites zu betreiben, sondern stellte im Gegentheile dem Papste vor, daß ihm alle Zugeständnisse nur durch Gewalt abgenöthigt worden seien und Sigmund auf alle gewonnenen Vortheile wieder verzichten müsse. Der Papst betrachtete nun wirklich das, was C. erfahren hatte, als ein Verbrechen gegen die päpstliche Autorität und citirte den Sigmund zur Verantwortung nach Rom. Natürlich appellirte dieser an den besser zu unterrichtenden Papst und fand bei diesem Schritte massenhaften Anschluß seitens des Capitels und des Klerus; den Procurator aber (Blumenau), durch welchen Sigmund die Appellation nach Rom schickte, ließ C. in Siena wegen „Ketzerei“ verhaften, und jener entzog sich nur durch die Flucht einem schrecklicheren Schicksale. Nachdem Pius II. über Sigmund und dessen Vertheidiger Gregor v. Heimburg den Bann ausgesprochen und das Interdict verschärft erneuert hatte (8. August 1460), war C. unablässig bemüht, durch zahlreiche dringliche Zuschriften die Fürsten, die Bischöfe und die Reichsstädte zum Einschreiten gegen den gebannten Herzog Sigmund aufzufordern; aber Niemand zeigte auch nur die geringste Lust, im Interesse der leidenschaftlich erregten Curie zu Thaten zu schreiten, ja die Städte Augsburg und Nürnberg, sowie der Bischof von Augsburg schlossen sich geradezu an das Brixener Capitel an. Und da in Folge hiervon der Papst an einen versöhnlichen Rückzug dachte (April 1461), war es wieder C., welcher einerseits an bewaffnete Hülfe der Schweizer dachte und andrerseits den Papst heftigst drängte, so daß dieser seine sämmtlichen Gegner wegen „Ketzerei“ zur Verantwortung nach Rom citirte. Während hieraus ein leidenschaftlicher Schriftenwechsel, bei welchem besonders Gregor v. Heimburg in den Vordergrund trat, entstanden war und C. einen förmlichen Drohbrief an den Kaiser richtete (October 1461), machte sich bei letzterem eine Wendung bemerkbar, insofern derselbe, des Conflictes überdrüssig, den Papst ersuchte, die Praktiken des Cusaners zu überwachen. Hierüber erschrak C., verlegte sich aufs Leugnen und dachte an eine Vermittlung durch Venedig, während er zugleich die völlige Unterwerfung Sigmunds anstrebte und hinterrücks sich wieder an die Schweizer wendete. Nachdem der Papst jene eigenthümliche Citation erneuert und hierauf Sigmund und das Domcapitel durch Appellation an ein Concil geantwortet hatten (Februar 1462), nahm wirklich Venedig die Vermittlung in die Hand; auf dem dort anberaumten Tage erschien C. nicht persönlich, vertrat aber, während der Papst sich nachgiebiger zeigte, unter geheuchelter Friedensliebe die weitgehendsten und unannehmbarsten Forderungen, so daß die Verhandlungen sich gänzlich zerschlugen (October 1462) und der Kampf wieder heftiger als je entbrannte. Unterdessen aber hatte sich das Verhältniß des Kaisers zu Sigmund wesentlich gebessert, und ersterer bot sich beim Papste zur endlichen Vermittlung des Streites an (Februar 1464). So trat in Wiener-Neustadt eine Conferenz zusammen (11. März), welche schließlich nach mancherlei Zwischenfällen am 25. August 1464 zu der Lösung führte, daß unter Aufhebung des Bannes und|Interdictes bezüglich der ursprünglichen Streitpunkte im ganzen auf den Salzburger Vergleich von 1451 zurückgegriffen wurde. C. aber, welcher seit 1460 von seinem Bisthum fern geblieben war, erlebte diesen Ausgang des von ihm mit aller Leidenschaft geführten Kampfes nicht mehr; der Papst hatte ihn nach. Livorno abgesandt, damit er den Auslauf der zum Kreuzzuge bestimmten genuesischen Flotte beschleunige, und auf dieser Reise erkrankt, war C. gestorben. Sein Leichnam wurde nach Rom gebracht, sein Herz aber in seinen Geburtsort Kues. — In den letzten Jahren seines Lebens hatte C. in Rom während der stürmisch bewegten Verhältnisse noch einige Schriften verfaßt, nämlich: „De apice theoriae", „De venatione sapientiae", „De possest“, „De ludo globi“.

    Was die philosophischen Anschauungen betrifft, welche C. in seinen mannigfaltigen Schriften niederlegte, so gehört er zu einer Gruppe gleichzeitiger Männer, welche — wahrlich nicht die unbedeutenderen ihrer Zeit — sich von dem Wuste der scholastischen Doctrin unbefriedigt fühlten und aus der Quelle einer unmittelbaren Mystik Erfrischung zu schöpfen suchten. Ihn einen Reformator zu nennen, ist in der That eine Uebertreibung, denn um eine solche Bezeichnung zu verdienen, gebricht es ihm, selbst abgesehen von der nöthigen einheitlichen Präcision, jedenfalls an Erfolgen; ja zuweilen macht er eher den Eindruck eines Projectenmachers, wenn er z. B. in wirklich oberflächlicher Weise sich mit der Quadratur des Cirkels beschäftigt, oder insbesondere, wenn er der unklaren Phantasie nachhängt, daß alle noch so verschiedenen Religionen in eine verschwommene und doch wieder christliche Allgemeinheit vereinigt werden könnten, sowie er auch im Koran neben lebhafter Verurtheilung desselben eine Lichtseite als Reflex der Evangelien finden zu dürfen glaubte. Wirklich reformatorisch sind einzig und allein seine Gedanken über Kalender-Verbesserung; hingegen wenn man darauf hinweisen wollte, daß er geraume Zeit vor Copernicus bereits die Bewegung der Erde gelehrt habe, so ist vor allem ersichtlich, daß er sich hierbei nicht auf astronomisch wissenschaftliche Forschung stützte, in solchen Dingen aber eine Berufung auf sogen. Ahnungen u. dgl. völlig nichtssagend ist. C. gibt nur den lediglich speculativen Grund an, daß, da alles bewegt sei, die Erde nicht das einzige Unbewegte sein könne, und wenn er dann sich näher dahin ausdrückt, daß die Erde sich um die Pole des Himmels bewege, so muß es als fraglich erscheinen, ob man sich hierbei überhaupt etwas denken könne. Als ein Grundton seiner philosophischen Betrachtungen erscheint häufig der unleugbar tiefe Gedanke einer Vereinigung des Gegensätzlichen (coincidentia contradictoriorum), welcher der Scholastik fremd geblieben war; aber C. benützt diese Auffassung nur als Mittel zur mystischen Theologie, und so entschlüpft er, wie alle Mystiker, den Forderungen systematischer Folgerichtigkeit. Ihn etwa als Pantheisten zu bezeichnen, ist eitel Unverstand, da er ja, wenn auch in phantasievoller Weise, die Grundsäulen der christlichen Theologie aufrecht hält. Er ist Mystiker nach Methode und nach Inhalt. Indem er „das Unbegreifliche in unbegreiflicher Weise begreifen“ will, verbleibt' ihm als letzte erkenntniß-theoretische Quelle die Erleuchtung, zu welcher der Mensch von den niederen Sinnen durch den Verstand sich erhebend aufsteigt. Die Versöhnung der Gegensätze erreicht ihren Höhenpunkt im Gottesbegriffe, in welchen er den letzten Indifferenzpunkt und zugleich die Erhabenheit über allem Gegensätzlichen verlegt. Es möge zur Charakteristik der philosophischen Weise des C. dienen, daß er Gott als das „Possest“ bezeichnet, d. h. dieses ungeheuerliche neue Wort bildet, um auszudrücken, daß in Gott das Können und das Sein (posse und est) identisch sind. Kaum glücklicher ist der Gedanke, daß von Gott als dem schlechthin unendlichen die Welt als das beschränkt unendliche (contracte infinitum) zu unterscheiden sei, oder daß, was mundialiter in der Welt ist, in Gott immundialiter bestehe, und wir dürfen uns nicht|wundern, wenn in eine solche abenteuerliche Denkweise bald die platonische Weltseele, bald eine förmliche Emanationslehre hineinspielt. Kurz C. ist ein nirgend faßbarer Mystiker, und auch die orthodoxe Dogmatik dürfte über desselben Christologie und Auffassung der Trinität zu bedenklichem Kopfschütteln gelangen. Symbolische Spielereien, welche in übergroßer Menge bald aus der Zahlenlehre, bald aus der Geometrie geschöpft sind und seinen speculativen Aufschwung häufig ersticken, wird man sicher nicht als Ersatz einer philosophischen Behandlungsweise, sondern nur als Belege einer phantastischen Mystik betrachten dürfen. Beifall fand die Speculation des C. bei Faber v. Stapula, bei Bovillus und auch bei Reuchlin, einen entschiedenen Einfluß aber übte sie auf Giordano Bruno aus, welcher sie jedoch mehr zu einem wirklichen Pantheismus verwerthete. — Reichhaltige Auszüge aus den Schriften Cusanus' finden sich bei Düx a. a. O. Bd. II, S. 243 ff. und insbesondere (aber mit großer Ueberschätzung) bei Fr. A. Scharpff, Der Cardinal und Bischof Nic. v. Cusa als Reformator in Kirche, Reich und Philosophie, Tüb. 1871. Näheres über die Philosophie des C. siehe bei H. Ritter, Gesch. d. Phil., Bd. IX, S. 141 ff. und bei Erdmann, Grundriß d. Gesch. d. Phil., 2. Aufl., Bd. I, S. 442 ff., sowie bei F. J. Clemens, Giordano Bruno u. Nie. v. Cusa, Bonn 1847. Eine viel zu weit gehende Parallele zog R. Zimmermann, Der Cardinal Nic. v. Cusa als Vorläufer Leibnitzens (Sitz.-Ber. d. Wiener Akad. 1852).

  • Autor/in

    Prantl.
  • Zitierweise

    Prantl, Carl von, "Nikolaus von Kues" in: Allgemeine Deutsche Biographie 4 (1876), S. 655-662 unter Cusanus, Nicolaus [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588095.html#adbcontent

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