Lebensdaten
1907 – 1999
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Journalist ; Publizist ; Historiker ; Schriftsteller ; Korrespondent ; Kolumnist
Konfession
evangelisch-lutherisch,spätestens seit 1969 konfessionslos
Normdaten
GND: 116370270 | OGND | VIAF: 24602446
Namensvarianten
  • Raimund Werner Martin Pretzel
  • Lambert Martin
  • Joachim Runge; Martin Raymond
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Biografische Lexika/Biogramme

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Zitierweise

Haffner, Sebastian, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd116370270.html [19.04.2024].

CC0

  • Sebastian Haffner emigrierte 1938 nach Großbritannien, wo er während des Zweiten Weltkriegs zu einem führenden politischen Kommentator aufstieg. Seit 1954 in der Bundesrepublik tätig, sorgte er als meinungsstarker Journalist mit provokanten Thesen und mitunter drastischen Positionswechseln immer wieder für Aufsehen, u. a. mit seinem frühen Eintreten für eine neue Ostpolitik. Mit seinen populären Geschichtsdarstellungen gelangen ihm seit den 1970er Jahren große Verkaufserfolge.

    Lebensdaten

    Geboren am 27. Dezember 1907 in Berlin
    Gestorben am 2. Januar 1999 in Berlin
    Grabstätte Parkfriedhof Lichterfelde (Ehrengrab) in Berlin
    Konfession evangelisch-lutherisch; spätestens seit 1969 konfessionslos
    Sebastian Haffner, Imago Images (InC)
    Sebastian Haffner, Imago Images (InC)
  • Lebenslauf

    27. Dezember 1907 - Berlin

    ca. 1917 - 1925 - Berlin; Berlin-Lichterfelde

    Schulbesuch (Abschluss: Abitur)

    Königstädtisches Gymnasium; Schiller-Gymnasium

    1925 - 1929 - Berlin

    Studium der Rechtswissenschaften

    Universität

    1930 - Berlin

    Erstes juristisches Staatsexamen

    1933 - Berlin

    Zweites juristisches Staatsexamen

    1933 - 1938 - Berlin

    freier Journalist; Jurist (bis Juni 1936)

    v. a. Vossische Zeitung; Die Koralle (Zeitschrift); Die Dame (Zeitschrift)

    1934 - Paris

    Auslandsaufenthalt

    1935 - Berlin

    Promotion (Dr. iur.)

    Universität

    1937 - 1938 - Berlin

    Lektor; Kritiker

    Bazar (Zeitschrift); Kleine Zeitung; Berliner Illustrierte Zeitung

    1938 - Großbritannien

    Emigration

    Februar 1940 - August 1940 - Seaton (Devon); Isle of Man

    zwei Internierungen als „Enemy Alien“

    1941 - 1942 - London

    Redakteur

    Die Zeitung (Exilblatt)

    1942 - 1953 - London

    Mitarbeiter; Leitartikler

    The Observer (Wochenzeitung)

    1948

    britischer Staatsbürger

    1954 - 1961 - Berlin-West

    Deutschlandkorrespondent

    The Observer

    1960 - 1962

    Korrespondent

    Christ und Welt (Wochenzeitung)

    1960 - 1963

    Kolumnist

    Die Welt (Tageszeitung)

    1963 - 1975

    Kolumnist

    Stern (Illustrierte)

    1964 - 1972

    Buchkolumnist

    Konkret (Studentenzeitschrift)

    1972 - Bundesrepublik

    Wiedereinbürgerung

    1975 - 1999

    freier Publizist

    2. Januar 1999 - Berlin
  • Genealogie

    Vater Carl Louis Albert Pretzel 14.8.1864–2.9.1935 aus Groß-Tychow (Pommern, heute Tychowo, Polen); Volksschullehrer und -rektor in Berlin; 1913–1932 Schriftleiter der Zeitschrift „Die Deutsche Schule“; 1919 Mitglied der DDP; Beamter im preußischen Kultusministerium
    Großvater väterlicherseits Friedrich Pretzel 28.11.1830–1883 Tischler; Volksschullehrer
    Großmutter väterlicherseits Bertha Pretzel, geb. Fiebelkorn 11.10.1833–13.6.1916
    Mutter Wanda Pretzel, geb. Lehmann 16.9.1875–2.1.1962
    Großvater mütterlicherseits Wilhelm Lehmann geb. 24./25.9.1846 Mitte der 1890er Jahre Volksschullehrer in Berlin
    Großmutter mütterlicherseits Auguste Lehmann, geb. Kamm geb. 10.12.1848
    Bruder Bernhard Pretzel geb. 12.6.1897 Lehrer, vor 1945 vermutlich in Berlin
    Bruder Ulrich Pretzel 14.7.1898–20.11.1981 1927 Dr. phil.; 1937 Mitglied des NS-Dozentenbunds; 1938 Habilitation; 1947–1968 ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Hamburg
    Schwester Eva Wissmann, geb. Pretzel geb. 1899 Lehrerin, vor 1940 vermutlich in Berlin; verh. mit dem Sprachwissenschaftler Wilhelm Wissmann (1899–1966)
    1. Heirat 1.9.1938 in Cambridge (Großbritannien)
    Ehefrau Erika Pretzel , geb. Hirsch 16.2.1899–24./25.12.1969 aus jüdischer Familie; Bibliothekarin; in 1. Ehe verh. mit dem Publizisten Harald Landry (geb. 1898), eigentlich Harald Paul Schmidt, aus Berlin
    Schwiegervater Robert Hirsch 1856–1913 Seifenfabrikant; Suizid nach Bankrott der Firma; Sohn des Pathologen und Medizinhistorikers August Hirsch (1817–1894)
    Schwiegermutter Anna Hirsch, geb. Lehmann gest. 1936 Enkelin des Hamburger Malers und Lithografen Leo Lehmann (1778–1859)
    Sohn Oliver Robert Louis Pretzel geb. 29.10.1938 Professor für Mathematik am Imperial College, London
    Tochter Sarah Haffner (eigentlich Margaret Pretzel) 27.2.1940–11.3.2018 Malerin und Schriftstellerin; 1980–1986 Dozentin an der Hochschule der Künste Berlin; 1960–1962 verh. mit dem Maler Andreas Brandt (1935–2016)
    Stiefsohn Peter Schmidt geb. 1931
    2. Heirat 1982 in Berlin
    Ehefrau Christa Rotzoll , gesch. Runge 2.1.1921–28.12.1995 Journalistin und Publizistin in Hamburg, später Berlin
    Schwägerin Annita Maria (Annemarie) Hase , geb. Hirsch 14.6.1900–22.2.1971 Kabarettistin und Chansonsängerin; emigrierte 1938 nach Großbritannien; produzierte seit 1940 für das deutsche Programm der BBC eine bekannte Sendung im Rahmen der psychologischen Kriegsführung; seit 1947 Film- und Theaterschauspielerin in Berlin
    Schwager Kurt Hirsch 12.1.1906–4.11.1986 Mathematiker; emigrierte 1934 nach Großbritannien; 1947 britischer Staatsbürger; seit 1948 Professor am King’s College in Newcastle upon Tyne; seit 1951 am Queen Mary College der University of London
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Haffner, Sebastian (1907 – 1999)

    • Vater

      Carl Louis Albert Pretzel

      14.8.1864–2.9.1935

      aus Groß-Tychow (Pommern, heute Tychowo, Polen); Volksschullehrer und -rektor in Berlin; 1913–1932 Schriftleiter der Zeitschrift „Die Deutsche Schule“; 1919 Mitglied der DDP; Beamter im preußischen Kultusministerium

      • Großvater väterlicherseits

        Friedrich Pretzel

        28.11.1830–1883

        Tischler; Volksschullehrer

      • Großmutter väterlicherseits

        Bertha Pretzel

        11.10.1833–13.6.1916

    • Mutter

      Wanda Pretzel

      16.9.1875–2.1.1962

      • Großvater mütterlicherseits

        Wilhelm Lehmann

        geb. 24./25.9.1846

        Mitte der 1890er Jahre Volksschullehrer in Berlin

      • Großmutter mütterlicherseits

        Auguste Lehmann

        geb. 10.12.1848

    • Bruder

      Bernhard Pretzel

      geb. 12.6.1897

      Lehrer, vor 1945 vermutlich in Berlin

    • Bruder

      Ulrich Pretzel

      14.7.1898–20.11.1981

      1927 Dr. phil.; 1937 Mitglied des NS-Dozentenbunds; 1938 Habilitation; 1947–1968 ordentlicher Professor für Deutsche Philologie an der Universität Hamburg

    • Schwester

      Eva Wissmann

      geb. 1899

      Lehrerin, vor 1940 vermutlich in Berlin; verh. mit dem Sprachwissenschaftler Wilhelm Wissmann (1899–1966)

    • 1.·Heirat

      in

      Cambridge (Großbritannien)

      • Ehefrau

        Erika Pretzel

        16.2.1899–24./25.12.1969

        aus jüdischer Familie; Bibliothekarin; in 1.·Ehe verh. mit dem Publizisten Harald Landry (geb. 1898), eigentlich Harald Paul Schmidt, aus Berlin

    • 2.·Heirat

      in

      Berlin

      • Ehefrau

        Erika Pretzel

        16.2.1899–24./25.12.1969

        aus jüdischer Familie; Bibliothekarin; in 1.·Ehe verh. mit dem Publizisten Harald Landry (geb. 1898), eigentlich Harald Paul Schmidt, aus Berlin

  • Biografie

    alternativer text
    Sebastian Haffner (rechts), Imago Images (InC)

    Herkunft und Ausbildung

    Haffner wuchs in einem preußisch-bildungsbürgerlich geprägten Elternhaus in Berlin auf. Gefördert von seinem reformpädagogisch orientierten Vater, entwickelte er vielseitige geistige und kulturelle Interessen und wurde zu einem hervorragenden Schüler. Nach dem Abitur 1925 auf dem humanistischen Schiller-Gymnasium in Berlin-Lichterfelde studierte Haffner bis 1929 auf Wunsch des Vaters Rechtswissenschaften. Parallel zu seiner juristischen Ausbildung, die er 1933 mit dem Zweiten Staatsexamen abschloss, verfolgte er literarische Ambitionen und veröffentlichte Ende der 1920er Jahre den Roman „Die Tochter“ in einer Hamburger Zeitung.

    Haffner, der viele jüdische Freunde und Bekannte besaß, darunter der spätere israelische Diplomat Kurt Lewin (1907–1971) und der Musikpädagoge Konrad Wolff (1907–1989), lehnte den Nationalsozialismus entschieden ab. Seit 1933 verfasste er Feuilletons und andere weitgehend unpolitische Artikel v. a. für Zeitungen und Zeitschriften des Ullstein Verlags. 1934 scheiterte sein Versuch, nach Frankreich zu emigrieren, da er in Paris keine Arbeit fand. 1936 schied Haffner freiwillig aus dem Reichsjustizdienst aus und arbeitete vorrangig als freier Schriftsteller und Journalist.

    Exil in Großbritannien

    1938 emigrierte Haffner mit seiner jüdischen Freundin und künftigen Ehefrau nach Großbritannien, wo er 1939 von dem Verleger Fredric Warburg (1898–1981) einen Vorschuss für eine autobiografisch angelegte Darstellung über das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland erhielt. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs beendete er die Arbeit an seinen Erinnerungen, die 2000 postum unter dem Titel „Geschichte eines Deutschen“ erschienen und zu einem Bestseller avancierten.

    Im Herbst 1939 begann Haffner mit der Arbeit an einem Sachbuch über das „Dritte Reich“, das 1940 unter dem Titel „Germany: Jekyll and Hyde“ publiziert wurde und zu Haffners Freilassung aus seiner zwischenzeitlichen Internierung als „Enemy Alien“ beitrug. Haffner analysierte darin das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zum Nationalsozialismus und führte einen Hang zum obrigkeitsstaatlichen Denken sowie übersteigerte Vaterlandsliebe als Gründe an, warum sich auch viele kultivierte Deutsche gegenüber dem „Dritten Reich“ loyal verhielten. Haffner, der für diese Publikation erstmals sein Pseudonym verwendete, votierte für eine Zerschlagung des Deutschen Reichs nach Kriegsende und eine Aufteilung in acht Einzelstaaten. Das Buch wurde in England weitgehend positiv rezipiert und machte Haffner in politisch interessierten Kreisen bekannt.

    1941 warb Haffner in seinem zweiten von Warburg verlegten Buch „Offensive against Germany“ für einen Propagandafeldzug gegen das NS-Regime und arbeitete anschließend bis zum Sommer 1942 als Redakteur für das von ihm mitgegründete und von Johannes Lothar (1900–1944) herausgegebene Exilblatt „Die Zeitung“. Anschließend von dem Journalisten David Astor (1912–2001) als Mitarbeiter des „Observer“ engagiert, stieg Haffner binnen kurzer Zeit zu einem der einflussreichsten Autoren dieser angesehenen Wochenzeitung auf.

    Seit 1943 warnte Haffner im „Observer“ davor, der Sowjetunion zu viele Mitspracherechte in Europa zu gewähren, und warb für ein geeintes Europa unter britischer Führung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich die antisowjetische Ausrichtung im politischen Denken Haffners, der nun auf die Einigung Westeuropas drängte, die Gründung der NATO begrüßte und einen raschen Wiederaufbau Westdeutschlands und dessen Integration in das westliche Bündnis forderte. 1953 revidierte er angesichts des Atompatts der Weltmächte seine Meinung und begann, für eine Entspannungspolitik zwischen den Blöcken einzutreten.

    Einflussreicher Journalist der frühen Bundesrepublik

    1954 kehrte Haffner als Deutschlandkorrespondent des „Observer“ nach Berlin-West zurück. Das Ultimatum, mit dem die sowjetische Führung im November 1958 den Rückzug der westlichen Alliierten aus Berlin erzwingen wollte, ließ Haffner wieder auf eine harte Linie im Kalten Krieg umschwenken. 1961 verurteilte er die Hinnahme des Baus der Berliner Mauer durch die westlichen Besatzungsmächte und kündigte seine Stelle beim „Observer“, der diese Politik unterstützte.

    Seit den 1950er Jahren war Haffner regelmäßiger Gast der von Werner Höfer (1913–1997) moderierten Fernsehsendung „Der Internationale Frühschoppen“ und steigerte so seinen öffentlichen Bekanntheitsgrad. Von 1960 an berichtete er unter Chefredakteur Giselher Wirsing (1907–1975) für die Wochenzeitung „Christ und Welt“ über die politischen, wirtschaftlichen und kirchlichen Verhältnisse in Berlin sowie in der DDR und verfasste regelmäßig Kolumnen für die Tageszeitung „Die Welt“ unter Chefredakteur Hans Zehrer (1899–1966). Infolge der „Spiegel“-Affäre 1962, die ein radikales politisches Umdenken bei ihm auslöste, wechselte Haffner 1963 als Kolumnist zu der von Henri Nannen (1913–1996) herausgegebenen Illustrierten „Stern“, in der er mit pointierten, z. T. holzschnittartigen Argumenten für innenpolitische Reformen sowie für eine Verständigungspolitik gegenüber dem Ostblock warb.

    Haffner verteidigte vehement die „68er-Bewegung“ und ihre radikalen Thesen und verfasste von 1964 bis 1972 regelmäßig Buchbesprechungen für die von Klaus Rainer Röhl (1928–2021) redigierte, sozialistisch orientierte und lange von der DDR finanzierte Zeitschrift „Konkret“. Als die sozial-liberale Bundesregierung unter Willy Brandt (1913–1992) und Walter Scheel (1919–2016) seit 1969 viel von dem umsetzte, was Haffner bereits zuvor gefordert hatte, versöhnte er sich mit der Bundesrepublik. 1975 stellte er seine Tätigkeit als Kolumnist ein.

    Politischer Publizist, Historiker und Bestseller-Autor

    In den 1960er Jahren verfasste Haffner für den „Stern“ populäre Geschichtsdarstellungen mit tagespolitischen Anspielungen. In „Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg“, 1965 als Buch veröffentlicht, warf er der Reichsleitung für die Jahre um 1914 – ebenso wie letztlich auch der Bundesregierung – Vermessenheit, Militarismus, Selbstüberschätzung und Selbstgerechtigkeit, Realitätsverlust, mangelndes diplomatisches Gespür und Unvernunft vor, wobei er Thesen der 1961 von Fritz Fischer (1908–1999) vorgelegten Studie „Griff nach der Weltmacht“ aufgriff. In dem 1969 veröffentlichten Buch „Die verratene Revolution“ beschuldigte Haffner in teils polemischen Formulierungen Reichspräsident Friedrich Ebert (1871–1925), 1918/19 eine wirkliche Demokratisierung Deutschlands verhindert zu haben – eine Kritik, die auch gegen die damalige mit CDU/CSU regierende SPD gerichtet war. Seine 1967 vorgelegte Kurzbiografie Winston Churchills (1874–1965) ist demgegenüber frei von politischen Intentionen und zeichnet ein einfühlsames Porträt des britischen Staatsmanns.

    1978 veröffentlichte Haffner bei dem Verleger Helmut Kindler (1912–2008) seine überaus erfolgreichen, in über 30 Auflagen erschienenen „Anmerkungen zu Hitler“. Das dramaturgisch geschickt angelegte Buch beleuchtet in sieben Kapiteln die wichtigsten Facetten des deutschen Diktators und wandte sich prononciert gegen die v. a. durch den Historiker Hans Mommsen (1930–2015) vertretene Interpretation Hitlers als „schwachen Diktator“. Haffner betonte die Bedeutung der nationalsozialistischen Ideologie und positionierte sich in den wissenschaftlichen Kontroversen der 1970er Jahre auf Seiten der Gegner einer hauptsächlich auf (überindividuelle) Prozesse und Strukturen fokussierten Geschichtsschreibung. Die Studie wurde v. a. von den Historikern Andreas Hillgruber (1925–1989) und Klaus Hildebrand (geb. 1941) eingehend gewürdigt.

    Ebenfalls 1978 erschien Haffners Bildband „Preußen ohne Legende“, der ein positives Bild des Hohenzollernstaats vermittelt und zu einem weiteren Verkaufserfolg wurde. Zur Bundestagswahl 1980 legte Haffner den Essay „Überlegungen eines Wechselwählers“ vor, in dem er die Stabilität des politischen Systems der Bundesrepublik würdigte und sich für eine Wiederwahl der sozial-liberalen Koalition unter Helmut Schmidt (1918–2015) aussprach. In den folgenden Jahren publizierte Haffner mehrere Sammelbände und veröffentlichte 1987 sein letztes Buch „Von Bismarck zu Hitler“, in dem er die Kontinuitäten der deutschen Geschichte von 1871 bis 1945 betonte und argumentierte, dass ein geeinter deutscher Nationalstaat weder wünschenswert sei noch in Reichweite liege. Die deutsche Wiedervereinigung von 1989/90 lehnte Haffner dann auch entschieden ab.

  • Auszeichnungen

    1978 Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
    1979 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
    1980 Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essay der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt (weiterführende Informationen)
    1983 Literaturpreis der Stadt Bad Wurzach
    1988 Prof. h. c. der Stadt Berlin-West
    2008 Kultur- und Bildungszentrum Sebastian Haffner, Berlin-Pankow
  • Quellen

    Nachlass:

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, N 2523.

    Gedruckte Quellen:

    Sebastian Haffner, Als Engländer maskiert. Ein Gespräch mit Jutta Krug über das Exil. Mit einer Nachbemerkung v. Uwe Soukup, 2002.

    Joachim Fest, Der fremde Freund. Die Widersprüche des Sebastian Haffner, in: ders., Begegnungen. Über nahe und ferne Freunde, 2004, S. 21–54.

  • Werke

    Germany: Jekyll and Hyde, 1940, leicht gek. dt. Neuausg. u. d. T. Germany: Jekyll & Hyde. 1939 – Deutschland von innen betrachtet, 1996.

    Offensive against Germany, 1941.

    Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches. Grundfehler deutscher Politik nach Bismarck damals und auch heute, 1965, 41966, überarb. u. erw. Neuausg. u. d. T. Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, 1981.

    Winston Churchill. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, 1967, 182002.

    Der Teufelspakt. Fünfzig Jahre deutsch-russische Beziehungen, 1968, gek. u. überarb. Neuausg. u. d. T. Der Teufelspakt. Die deutsch-russischen Beziehungen vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg, 1988, 41994.

    Die verratene Revolution. Deutschland 1918/19, 1969, engl. 1973, Neuausg. 1979, Neuausg. u. d. T. Der Verrat. Deutschland 1918/19, 1993, 5., korr. u. aktual. Aufl. 2002.

    Der Selbstmord des Deutschen Reiches, 1970.

    Anmerkungen zu Hitler, 1978, 312015.

    Preußen ohne Legende. Ein Stern-Buch, 1978, 61998.

    Überlegungen eines Wechselwählers, 1980, Neuausg. 2002.

    Sebastian Haffner/Wolfgang Venohr, Preußische Profile, 1980, erw. Neuausg. 1986, Neuausg. 1998, 22011.

    Sebastian Haffner/Wolfgang Venohr, Das Wunder an der Marne. Rekonstruktion der Entscheidungsschlacht des Ersten Weltkriegs, 1982.

    Zur Zeitgeschichte. 36 Essays, 1982.

    Im Schatten der Geschichte. Historisch-politische Variationen aus zwanzig Jahren, 1985, 21988, Neuausg. u. d. T. Historische Variationen. Mit einem Vorw. v. Klaus Harpprecht, 2001.

    Von Bismarck zu Hitler. Ein Rückblick, 1987, Neuausg. 2009.

    Zwischen den Kriegen. Essays zur Zeitgeschichte, 1997.

    Geschichte eines Deutschen. Die Erinnerungen 1914–1933, 2000, 14. erg. Aufl. mit einer Vorbem. u. einem Nachw. zur Editionsgeschichte v. Oliver Pretzel, 2003, 52014.

    Schreiben für die Freiheit. 1942–1949. Als Journalist im Sturm der Ereignisse, hg. v. Rainer Nitsche, 2001.

    Die deutsche Frage. 1950–1961. Von der Wiederbewaffnung bis zum Mauerbau, hg. v. Rainer Nitsche, 2002.

    Das Leben der Fußgänger. Feuilletons 1933–1938, hg. v. Jürgen Peter Schmied, 2004, 52005.

  • Literatur

    Horst Möller, Exilpublizistik in Großbritannien. Sebastian Haffner und Die Zeitung, in: Gerhard A. Ritter (Hg.), Rivalität und Partnerschaft. Studien zu den deutsch-britischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Anthony J. Nicholls, 1999, S. 267–284.

    Uwe Soukup, Ich bin nun mal Deutscher. Sebastian Haffner. Eine Biographie, 2001.

    Daniel Kiecol, Haffner für Eilige, 2002.

    Ralf Beck, Der traurige Patriot. Sebastian Haffner und die deutsche Frage, 2005.

    Jürgen Peter Schmied, Sebastian Haffner. Eine Biographie, 2010.

    Nils Lange, Von Kommunisten und Kolumnisten. Sebastian Haffner, Matthias Walden und das Problem der Anerkennung der DDR, 2018.

  • Onlineressourcen

  • Porträts

  • Autor/in

    Jürgen Peter Schmied (Bonn)

  • Zitierweise

    Schmied, Jürgen Peter, „Haffner, Sebastian“ in: NDB-online, veröffentlicht am 01.01.2023, URL: https://www.deutsche-biographie.de/116370270.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA