Lebensdaten
1895 – 1952
Geburtsort
Kulm (Chelmno, Westpreußen)
Sterbeort
Bonn
Beruf/Funktion
sozialdemokratischer Politiker
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118611615 | OGND | VIAF: 57407627
Namensvarianten
  • Schumacher, Curt Ernst Karl
  • Schumacher, Kurt
  • Schumacher, Curt Ernst Karl
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Zitierweise

Schumacher, Kurt, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118611615.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Carl, Vers.beamter, dann selbst. Kaufm. f. Getreide u. Agrarbedarf, pol. lib., Stadtverordnetenvorsteher in K., S e. Glasermeisters aus d. Nähe v. Eisleben;
    M Gertrud Meseck, T e. Zimmermeisters aus d. Nähe v. Danzig;
    3 Schw Hedwig, Lotte Trinkwalter, in H., Elisabeth; - ledig.

  • Biographie

    Nach Abschluß der Schulausbildung meldete sich S. bei Kriegsausbruch 1914 freiwillig zum Militärdienst. Bereits Anfang Dezember wurde er schwer verwundet und verlor seinen rechten Arm. Im Wintersemester 1914/15 begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften und der Nationalökonomie, das er 1918 bzw. 1920 mit dem Ersten Jur. Staatsexamen und der Promotion zum Dr. rer. pol. abschloß. 1918 trat er der SPD bei und arbeitete 1920-30 als Redakteur bei der „Schwäbischen Tagwacht“, dem Organ der SPD in Stuttgart bzw. Württemberg. 1924 gehörte S. zu den Gründungsmitgliedern des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“, war 1924-31 Mitglied des Württ. Landtags und 1930-33 des Reichstags (Mitgl. d. Fraktionsvorstands) und wurde 1930 zum Vorsitzenden der SPD in Stuttgart gewählt. Er trat in allen diesen Funktionen besonders aktiv in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus hervor. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme tauchte S. zunächst unter, wurde aber bereits im Juli 1933 verhaftet und bis März 1943 in den Konzentrationslagern Heuberg, Oberer Kuhberg, Flossenbürg und Dachau (hier acht Jahre) gefangengehalten; danach arbeitete er in Hannover als Buchhalter. Im Aug. 1944 wurde er erneut verhaftet und kam für einen Monat in das KZ Neuengamme.

    Obwohl durch die KZ-Haft gesundheitlich schwer geschädigt, begann S. nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur in den Westzonen unverzüglich mit dem Aufbau der SPD, deren unumstrittener Führer er wurde. Sein Ziel war die Gestaltung eines demokratisch-sozialistischen, auf dem nationalen Selbstbestimmungsrecht gegründeten, ungeteilten Deutschland (bis 1947 sogar in den Grenzen von 1937 gedacht), geführt von der Sozialdemokratie und von ihr eingebracht in ein freies Europa. Diese Zielbestimmung machte S. zum erbitterten Gegner der Zwangsvereinigung von SPD und KPD in der SBZ im April 1946, aber auch der Politik der Westintegration, wie sie Konrad Adenauer vertrat, und des entstehenden Gesellschaftssystems eines „autoritären Besitzverteidigungsstaates“. S. war kein revolutionär orientierter Marxist, sondern stand in der Tradition sozialdemokratischer Reformpolitik, wie sie Ferdinand Lassalle und Eduard Bernstein vertreten hatten. Er befürwortete einen Pluralismus der Begründungen für das Bekenntnis zum demokratischen Sozialismus. Dessen prinzipielle Bedeutung bestand in der Prämisse, daß Demokratie und Sozialismus untrennbar miteinander verbunden seien. Daraus folgte seine Forderung nach Sozialisierung der monopolkapitalistischen Strukturen, ohne die die Demokratie nicht realisierbar sei, wie ihn das Beispiel der Weimarer Republik gelehrt habe.

    S. zielte auf eine Erneuerung der SPD gegenüber jener der Weimarer Zeit: Sie sollte im Kern zwar die Partei der Industriearbeiterschaft bleiben, aber attraktiv werden für Mittelschichten und insbesondere die Intellektuellen und die Jugend ansprechen, um mehrheitsfähig zu werden. Mit diesen Vorstellungen scheiterte er allerdings, weil sich der Wiederaufbau der Partei nach 1945 nach den alten Mustern aus der Weimarer Zeit vollzog, in der die SPD noch stark proletarisch gefärbt und im Facharbeitermilieu verankert war. Immerhin setzte S. erstmals Zeichen für die Modernisierung der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung, die den Weg zum Godesberger Programm von 1959 freimachten.

    S. wurde im Mai 1946 fast einstimmig zum Vorsitzenden seiner Partei in den Westzonen gewählt. Mit einem Direktmandat des Wahlkreises Stadt-Hannovor-Süd wurde er im Aug. 1949 Mitglied des Dt. Bundestags und Fraktionsvorsitzender der SPD. Sein volkstribunenhaft demokratischer Radikalismus unterschied ihn auffallend von der an der dt. Linken gewohnten defensiv-resignativen Haltung. Sein überzeugender, sich selbst gegenüber schonungsloser Einsatz machte ihn zu einer moralischen Instanz nach innen und zur Symbolfigur des „anderen Deutschland“ nach außen. Widerpart Konrad Adenauers, vertrat er einen progressiven Patriotismus, der auf der Behauptung nationaler Gleichberechtigung für das dt. Volk beruhte; in diesem Zusammenhang nannte er Adenauer „Kanzler der Alliierten“. Er wandte sich erfolgreich gegen eine extreme Föderalisierung des Grundgesetzes und sprach sich gegen den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Europarat in Straßburg aus, da er kein Kleineuropa „konservativ, klerikal, kapitalistisch“ wollte. Mit dieser Auffassung stand er im Gegensatz zu Parteigenossen wie Max Brauer (1887–1973), Wilhelm Kaisen (1887–1979), Ernst Reuter (1889–1953) und Willy Brandt (1913–92). Auch gelang es ihm nicht, seine Ziele der Mehrheit der Wähler zu vermitteln, wie spätestens das Ergebnis der Wahlen zum zweiten Dt. Bundestag im Sept. 1953 zeigte.

    Bereits im Juni 1948 hatte S. einen thrombotischen Verschluß der Beinarterien erlitten, in dessen Folge ihm das linke Bein oberhalb des Knies amputiert werden mußte. Im Dez. 1951 erlitt er einen Schlaganfall. Er nahm zwar seine Arbeit im April 1952 wieder auf, verstarb aber vier Monate später.

  • Auszeichnungen

    Gedenktafel am Geburtshaus in Kulm (1990).

  • Werke

    Der Kampf um d. Staatsgedanken in d. dt. Soz.demokratie, Diss. Münster 1920, neu hg. v. F. Holtmeier, 1973;
    Reden, Schrr., Korr. 1945-1952, hg. v. W. Albrecht, 1985 (Einl. auch selhst. u. d. T. W. Albrecht, K. S., Ein Leben f. d. demokrat. Sozialismus, 1985).

  • Literatur

    P. Merseburger, Der schwierige Deutsche, K. S., Eine Biogr., 1995 (P);
    P. Glotz, in: H. Sarkowicz (Hg.), Sie prägten Dtld., Eine Gesch. d. Bundesrep. in pol. Porträts, 1999 (P);
    V. Schober, Der junge K. S., 1895-1933, 2000 (P);
    Die SPD unter K. S. u. Erich Ollenhauer 1946-1963, 2 Bde., hg. u. bearb. v. W. Albrecht, 2000/03;
    K. S., Deutscher u. Europäer, Ausst.kat. Westpreuß. Landesmus. Münster-Wolbeck, 2002 (P);
    Munzinger;
    Biogr. Lex. Sozialismus;
    Altpreuß. Biogr. II;
    Biogr. Lex. Arbeiterbewegung;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    Biogr. Hdh. MdB; |

  • Nachlass

    Nachlaß: Archiv d. soz. Demokratie d. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.

  • Autor/in

    Helga Grebing
  • Zitierweise

    Grebing, Helga, "Schumacher, Kurt" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 740-741 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118611615.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA