Lebensdaten
1860 – 1934
Geburtsort
Oberweiler bei Badenweiler (Schwarzwald)
Sterbeort
Konstanz
Beruf/Funktion
Jurist ; Rechtsanwalt ; Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 1012407284 | OGND | VIAF: 171925683
Namensvarianten
  • Venedey, Martin Georg Christoph
  • Venedey, Martin
  • Venedey, Martin Georg Christoph
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Quellen(nachweise)

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Zitierweise

Venedey, Martin, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd1012407284.html [18.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Jakob (s. 2), S d. Michael (s. 1);
    M Henriette Obermüller (s. 3);
    1 B Michael (1856–93), Dr. med., Arzt;
    Konstanz 1914 (?) Mathilde (1877–1946), T d. Fidel Unglert, Schuhmacher in Altusried b. Kempten (Allgäu);
    5 S Hans (1902–69), Jur., Pol., Min. (s. W, L), Hermann (1904–80), Lehrer, Publizist, Übers. (s. W, L), Jakob Oskar Robert Ludwig (1915–96), Kaufm. in K., Gustav (1916–81), Kaufm. in K., Michael (1920–2005), Dr. med., Lungenfacharzt in Lugano (Kt. Tessin), Heilbronn u. Berlin, Moderator d. Friedenskoordination in Berlin, später Stadtrat (parteilos, f. d. PDS) in K.;
    N Elisabeth (1884–1981, Erwin Baur, 1875–1933, Dr. phil. et med., Dr. agr. h. c., Pflanzengenetiker, o. Prof. an d. Landwirtsch. Hochschule in Berlin, Dir. d. KWI f. Züchtungsforsch. in Müncheberg b. Berlin, s. NDB I; Biogr. Hdb. Pflanzenbau).

  • Biographie

    Nach Privatunterricht durch den Vater und Hauslehrer in Oberweiler besuchte V. seit 1871 das private Bendersche Institut in Weinheim und anschließend Gymnasien in Freiburg (Br.), Rottweil und Ellwangen (Abitur 1879). Seit 1879 studierte er Rechtswissenschaften in Würzburg, Tübingen, Berlin und seit 1881/82 in Freiburg (1. Staatsexamen 1885, Referendariat in Karlsruhe, 2. Staatsexamen 1889). 1889 wurde er Rechtsanwalt in Karlsruhe, seit 1891 führte er eine eigene Kanzlei in Konstanz.

    Mit Ausnahme der Wahlperiode 1899–1903 vertrat V. 1891–1919 den Wahlbezirk Stadt Konstanz und wurde für die 1890 von ihm mitbegründete linksliberale „Freisinnig-Demokratische Partei“ und die „Fortschrittliche Volkspartei“ (FVP) in die 2. Kammer des bad. Landtags gewählt. Sein parteiübergreifend hohes Ansehen führte dazu, daß er das Amt des Vorsitzenden der demokratisch-freisinnigen Fraktion ebenso inne hatte wie 1913/14, 1915/16 und 1917 das Amt des 2. Vizepräsidenten des bad. Landtags. Dem politischen Erbe seiner Familie verpflichtet, setzte er sich für die Demokratisierung des Staatswesens in Baden ein und trat in den Landtagssessionen 1894, 1895/96 und 1897/98 für eine Reform der Wahlordnung und die Einführung des direkten Wahlrechts ein. 1904 gehörte er der Verfassungskommission an, die über Änderungen der bad. Verfassungsurkunde beriet. Als linksliberaler Parlamentarier und Politiker wirkte er 1898 und 1923 als Redner und Mitglied des Denkmalausschusses an den Revolutionsjubiläen mit, die an die Freiheits- und Einheitsbewegung von 1848/49 erinnerten. V. war ein vehementer Gegner der Rüstungs- und Außenpolitik des Dt. Reichs und warnte in Landtagsreden und Zeitungsartikeln unermüdlich vor einem großen Krieg. In den Kriegsjahren gehörte er zu den wenigen Landesparlamentariern, die sich gegen die offiziellen Kriegsziele wandten, die Niederlage frühzeitig (an-)erkannten, sich im Juni 1917 im bad. Landtag für einen Verständigungsfrieden einsetzten und dafür den Kontakt mit den Kriegsgegnern suchten. Durch die Kriegserlebnisse zum überzeugten Pazifisten gewandelt, forderte V. US-Präsident Woodrow Wilson (1856–1924) in einem offenen Brief am 26. 2. 1919 dazu auf, sich für einen „Frieden des Rechts und der Gerechtigkeit“ und einen „Völkerbund von freien, gleichberechtigten Völkern“ unter Einschluß Deutschlands einzusetzen (gedr. in: Neue Bad. Landesztg., Mannheim, v. 8. 5. 1919 u. in: Konstanzer Ztg. Nr. 132, 134 u. 138 v. 16., 17. u. 22. 5. 1919).

    Bereits im Jan. 1919 wurde V. in die Bad. verfassunggebende Nationalversammlung gewählt und als Mitglied der FVP, der drittstärksten Partei nach den ersten Landtagswahlen nach Kriegsende, als Außenminister bei der Regierungsbildung vorgeschlagen. Infolge innerparteilicher Intrigen jedoch übergangen, legte er Ende Okt. 1919 sein Mandat nieder. Fortan konzentrierte er sich auf seine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Konstanz und engagierte sich in verschiedenen politischen Organisationen. Er war in den 1920er Jahren Ortsvorsitzender der Dt. Friedensgesellschaft, gehörte zu den Führern des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, war Mitglied der DDP, unterstützte die Republikanische Partei Deutschlands von 1924 und stand in ständigem Gedankenaustausch mit seinen politischen Weggefährten und persönlichen Freunden, dem früheren Fraktionskollegen Oskar Muser (1850–1935) sowie mit Ludwig Quidde (1858–1941) und Hellmut Georg v. Gerlach (1866–1935). Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 geriet V. als verfassungstreuer Demokrat und Pazifist in das Visier der lokalen NSDAP-Führung, die zum Boykott seiner Kanzlei aufrief.

    V.s Söhne knüpften an das politische Erbe des Vaters und der Familie an. Der Jurist|Hans trat 1926 als Associé in die väterliche Kanzlei ein und wirkte fortan als Strafverteidiger. Seit 1926 Mitglied der SPD, vertrat er die Sozialdemokraten 1930–33 im Konstanzer Gemeinderat. Im März 1933 kurzzeitig in Schutzhaft genommen, konnte er im Juni 1933 fliehen und lebte anschließend im franz. und schweizer. Exil. Im Aug. 1945 kehrte er nach Konstanz zurück, wurde im Okt. von der USamerik. Militärregierung zum ersten hess. Innenminister in das Kabinett von Ministerpräsident Karl Geiler (1878–1953) berufen und war Mitglied des Vorbereitenden Verfassungsausschusses. Der Verfassungsentwurf für Groß-Hessen vom 18. 6. 1946 trägt auch die Handschrift von Hans, u. a. mit seinen Bestimmungen zum Asylrecht, die vorbildhaft für die Verankerung des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz wurden. Hans setzte sich für einen Zusammenschluß von SPD und KPD ein und kam deswegen in Konflikte mit Kurt Schumacher (1895–1952) und der hess. Landesparteileitung, die im Juli 1946 zum Parteiausschluß und im August zur Niederlegung des Ministeramts führten. Seit 1948 war Hans wieder als Anwalt in Konstanz tätig und vertrat u. a. Opfer des NS-Regimes in Entschädigungsfragen.

    V.s Sohn Hermann wurde 1927 in Freiburg (Br.) zum Dr. phil. promoviert, war seit 1932 Lehrer in Konstanz und wurde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus dem Schuldienst entlassen, u. a. weil er gegen die Hissung der Hakenkreuzflagge an seiner Schule protestiert hatte. Im Juni 1933 entging er einer drohenden Festnahme durch Flucht in die Schweiz. Im Dez. 1945 kehrte er nach Konstanz zurück und trat wieder in den bad. Schuldienst ein. Seit 1946 leitete Hermann die Realschule Radolfzell, dann als Direktor (seit 1947 Oberstud.dir.) die Mädchenoberrealschule (später Ellenrieder-Gymnasium) und 1948–69 die Oberrealschule (später Alexander-v.Humboldt-Gymnasium) in Konstanz. V. war Gründer und für drei Jahre Leiter der Konstanzer Volkshochschule, Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, des Weltfriedensrats, der Dt. Begegnung und des Demokratischen Kulturbunds Deutschland, dessen Ehrenpräsidium er angehörte. 1948 war er Bundestagskandidat der FDP, 1950–52 vertrat er die DVP im Konstanzer Kreisrat. 1958 zählte er zu den Unterzeichnern des „Konstanzer Manifests“, das sich für eine Friedens- und Verständigungspolitik sowie gegen den Mißbrauch von Atomenergie und gegen Atomwaffen aussprach. Ende der 1960er Jahre trat er als Redner gegen die Notstandsgesetze auf und galt als entschiedener Gegner von Berufsverboten.

  • Auszeichnungen

    A Mitgl. d. Cimbria (Würzburg 1879) u. d. Alemannia (Freiburg 1880–1925);
    – M.-V.-Str., Konstanz (1986).

  • Werke

    W Jakob Venedey’s Flucht aus d. Gefängnisse zu Frankenthal 1832, in: Mschr. d. Frankenthaler Altertumsver. 6, Juni 1895, S. 28;
    Ruhig Blut! Ein Appell, in: Bad. Landesbote v. 23. 7. 1914;
    Zur Erinnerung an d. 20. Okt. 1849, in: Rastatter Tagbl. v. 21. 10. 1919;
    Konstanzer Fam.namen, Zur Herkunft d. Fam. u. d. Namens V., in: Konstanzer Ztg. v. 25. 3. 1920;
    Nachlaß: Univ.bibl. Frankfurt/M.;
    StadtA Konstanz;
    Landesarchiv Baden-Württ., Gen.landesarchiv Karlsruhe;
    zu Hans: Gedanken z. zukünftigen Vfg. v. Gr.-Hessen, 1946, in: H.-Ch. Beyer, Die vfg.pol. Auseinandersetzungen um d. Sozialisierung in Hessen 1946, Ms. 1977;
    Rede über d. Aufgaben d. Arbeiterbewegung b. Aufbau d. Demokr. in e. wirtschaftl. u. pol. einheitl. Dtld., in: Volksztg., Organ d. Werktätigen 1, Nr. 2 v. 30. 3. 1946;
    Erwiderung auf d. Erklärung d. Herrn Wilhelm Knothe, in: Frankfurter Rdsch. v. 26. 7. 1946;
    Nachlaß: Landesarchiv Baden-Württ., StA Freiburg;
    BA Berlin;
    Hess. StA Darmstadt;
    Hess. HStA Wiesbaden;
    StadtA Konstanz;
    zu Hermann: Jakob Venedey, Darst. seines Lebens u. seiner pol. Entwicklung bis z. Auflösung d. ersten dt. Nat.verslg. 1849, 1930 (Diss.);
    Paulskirche 1948, in: Südkurier, Konstanzer Ztg. v. 25. 5. 1948;
    Belle-Vue b. Constanz, Gesicht e. pol. Verlages im Vormärz 1840–1848, 1973;
    „Unbeugsam in d. Wahrung dessen, was ich als Recht ansah …“, Erinnerungen an d. Basler Exil 1933–1945, in: Allmende, Eine alemann. Zs. 8, 1985, H. 10, S. 28–48;
    Übers.: G. Fauquet, Der genossenschaftl. Sektor, 1937;
    P. Steiner, Physiol. Wirkungen u. therapeut. Wert d. Fleischextraktes, 1943;
    P. Tournier, Technik u. Glaube, 1945;
    J. Nehru, Ein Bündel alter Briefe, 1961; U. O. R. v. Ehrenfels, Im lichten Kontinent, Erfahrungen e. Ethnol. in Ostafrika, 1962; E. Shenklin, Zwei Krawatten, 1962; D. Tamsir Niane u. J. Suret-Canale, Afrikan. Gesch.buch, Gesch. Westafrikas, 1963; – Nachlaß: Univ.bibl. Göttingen; StadtA Konstanz; StA Kt. Basel-Stadt; Univ.bibl. Basel.

  • Literatur

    L A. Roth u. P. Thorbecke, Die bad. Landstände, LThdb., 1907, S. 122 f.;
    A. Wirth (Hg.), Gesch. d. Freiburger Burschenschaft Alemannia 1860–1935, 1935;
    A. Raus, Erinnerungen an M. V., in: Das neue Baden, Ztg. d. Demokrat. Partei f. Süd- u. Mittelbaden 2, Nr. 38 v. 19. 5. 1948, S. 1 f.;
    R. Ehrismann, Der regierende Liberalismus in d. Defensive, Vfg.pol. im Ghzgt. Baden 1876–1905, 1993;
    W. Fritsch, Republikan. Partei Dtld. (RPD) 1924, in: Lex. z. Parteiengesch., hg. v. D. Fricke u. a., Bd. 4, 1986, S. 94–96;
    L. Burchardt u. a., Gesch. d. Stadt Konstanz, Bd. 5, 1990, S. 324 (P);
    E. O. Bräunche, Die Gegenwart d. Erinnerns, Rev.jubiläen u. Archiv, in: Bad. Heimat, 1998, H. 1, S. 83–100 (L, P);
    Bad. Biogrr. III, 1990, S. 276 f. (L);
    Biogr. Lex. Burschenschaft (L, P);
    – zu Hans: Ber. über e. Interview mit H. V. z. seinem Ausschluß aus d. SPD, in: Der Tagesspiegel v. 26. 7. 1946;
    Zum Rücktritt V.s, Erklärung d. Landesparteivors. d. SPD, Wilhelm Knothe, z. d. Parteiausschluß, in: Nacht-Express v. 27. 7. 1946;
    W. Mühlhausen, Hessen 1945–1950, 1985;
    „… der Demokr. entgegengehen“, Die Sitzungsprotokolle d. Beratenden Landesausschusses v. Gr.-Hessen im|J. 1946, Eine Dok. bearb. v. B. Parisius u. J. Scholl-Seibert, 1999;
    Die Kab.protokolle d. Hess. Landesreg., Kab. Geiler 1945–1946, hg. v. A. Hedwig, 2000;
    T. Engelsing, Er glaubte an d. Einheit d. Linksparteien …, in: Südkurier, Konstanzer Ztg. v. 21. 11. 2002 (P);
    P. Zieger, Stolperstein auch f. H. V., ebd. v. 11. 4. 2012 (P);
    M. Kitzing, H. V. (1902–1969), Verteidiger d. Weimarer Demokr., Erster hess. Innenmin. d. Nachkriegszeit u. Sozialist, in: Hess. Jb. f. Landesgesch. 63, 2013, S. 131–55;
    ders., in: Baden-Württ. Biogr. V;
    Biogr. Lex. Burschenschaft (L, P);
    Munzinger;
    Radiofeature: Ber. über e. Gespräch mit H. V., neu ernannter Innenmin. d. prov. Reg. d. neugebildeten Landes Gr.-Hessen, 26. 10. 1945, Radio Frankfurt;
    zu Hermann: Alexander-v.-Humboldt-Gymn. (Hg.), Bürgerschule, Zeppelin-Oberrealschule, Alexander-v.-Humboldt-Gymn. 1830–1980, 1980;
    V. Bueb, Ihm blieb nur d. Weg in d. Schweiz, Vom Widerstand d. Dr. H. V. gegen d. NS-Staat, Ein mutiger Päd., in: Südkurier, Konstanzer Ztg. v. 26. 3. 1983 (P);
    D. Liehner, Demokr. u. Freiheit nicht z. Nulltarif, Vom Widerstand d. urdemokrat. H. V. gegen d. NS-Staat, ebd. v. 11. 7. 2002;
    P. Zieger, Sie lehnten (sich) gegen d. Nazis auf, H. V. u. Friedrich Wilhelm Sernatinger, ebd. v. 28. 6. 2011;
    M. Bosch, H. V., Gymn.lehrer in Konstanz, in: Der Widerstand im dt. Südwesten 1933–1945, hg. v. dems. u. W. Niess, 1984, S. 236–45 (P);
    S. Schröder, H. V., Leben f. d. Humanismus, in: Konstanzer Rdsch. v. 3. 2. 1995 (P);
    K. Hochstuhl, In Erfüllung d. Vermächtnisses, Rev.gedenken u. Pol. 1948 in Baden, in: Baden 1848/49, Bewältigung u. Nachwirkung e. Rev., hg. v. C. Rehm u. a., 2002, S. 317–26;
    C. Klemm, Erinnert, umstritten, gefeiert, Die Rev. v. 1848/49 in d. dt. Gedenkkultur, 2007;
    BHdE I;
    Hdb. d. dt.sprach. Emigration 1933–1945;
    Bad. Biogrr. II, 1987, S. 287 f.; Biogr. Lex. Burschenschaft (L, P)

  • Autor/in

    Birgit Bublies-Godau
  • Zitierweise

    Bublies-Godau, Birgit, "Venedey, Martin" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 751-753 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd1012407284.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA