Lebensdaten
1547 – 1606
Geburtsort
Overijsche/Isque bei Brüssel
Sterbeort
Löwen
Beruf/Funktion
Humanist ; klassischer Philologe
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 11857342X | OGND | VIAF: 51706656
Namensvarianten
  • Lips, Joest (eigentlich)
  • Lipsius, Justus
  • Lips, Joest (eigentlich)
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Zitierweise

Lipsius, Justus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857342X.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Aegidius (Gilles, 1565), Gutsbes., Bgm. in Isque, später kgl. Magistratsbeamter in Brüssel, S d. Schöffen Nicolas in Isque;
    M Isabella Durieu ( 1565);
    Ur-Gvv Justus, Richter am Gericht d. Herren v. Isque;
    Groß-Ov Martin (1492–1555), Augustinerchorherr, Freund u. Korrespondent d. Erasmus von Rotterdam (s. ADB 18);
    - 1573 Anna van den Calstere, Wwe d. Tuchhändlers Hendrik Lottyns aus L.

  • Biographie

    L. stammte aus einer wohlhabenden und einflußreichen kath. Familie. Sein Vater, ein lebensfroher Mann, der sein Vermögen nicht schonte, ließ ihm eine gute Ausbildung zuteil werden, zunächst in Brüssel und Ath, seit 1559 bei den Jesuiten in Köln. Doch als der Vater erfuhr, daß der Sohn Jesuit werden wollte, schickte er ihn an die Univ. Löwen zum Studium der Rechtswissenschaft. Aber L.s ganze Leidenschaft gehörte dem Studium der Humaniora; Löwen war damals der Mittelpunkt der späthumanistischen niederländ. Philologie. Nach dem Tode des|Vaters gewann L. durch die Widmung seines philologisch-kritischen Erstlingswerkes „Variarum Lectionum libri III“ an Kardinal Granvelle dessen mäzenatische Gunst. Granvelle nahm ihn als lat. Sekretär zu sich nach Rom, wo er ihn in den röm. Humanistenkreis (u. a. Paulus Manutius, Antonius Moretus) einführte. Während des zweijährigen Aufenthaltes studierte L., u. a. in der Vatikanischen Bibliothek, antike lat. Handschriften und verschaffte sich umfangreiche topographische und antiquarische Kenntnisse.

    1570 kehrte L. nach Löwen zurück, um nach einem in Saus und Braus vergeudeten Jahr zu einer Reise nach Deutschland aufzubrechen, die ihn zuerst nach Dôle und Wien (Begegnung mit den Humanisten um Kaiser Maximilian II.), dann nach Böhmen, Sachsen (Meißen) und Thüringen führte und schließlich 1572 mit der Annahme eines Lehrstuhls für Geschichte und Beredsamkeit an der luth. Univ. Jena endete.

    Was den 25jährigen eben zu der Zeit, als der Bürgerkrieg in den Niederlanden aufflammte und span. Truppen einen Teil seiner Besitzungen zerstörten, zur Annahme dieses ehrenden Angebotes und damit de facto zum Konfessionswechsel veranlaßte, wissen wir nicht. Auch die Motive schon nach 1½ Jahren Jena wieder zu verlassen, sind unbekannt. Immerhin fällt auf, daß L. sich nach Köln, wo er einst bei den Jesuiten in die Schule gegangen war, begab, dort den Tacitus (Text und Kommentar) bearbeitete und (1573) die um Jahre ältere Anna van den Calstere, die Witwe eines Löwener Patriziers, in dessen Haus er vor seiner Reise nach Deutschland gelebt hatte, heiratete.

    L. war als Gelehrter immer an einer Universität tätig (Jena, Löwen, Leiden, Löwen), was um so bemerkenswerter ist, als er dank seinem ererbten Vermögen und dank seiner überaus fruchtbaren Schriftstellerei ökonomisch dazu wohl nicht gezwungen gewesen wäre. Er brauchte das Milieu der Universität für seinen Lebensinhalt: legere, docere, scribere, und als seine Rückendeckung. Seine persönliche Rede scheint auf die Zeitgenossen nicht weniger gewirkt zu haben als seine gelehrten Schriften. Moritz von Oranien war unter seinen Schülern. Als Erzhzg. Albrecht und seine Gemahlin Isabella 1599 als Herzöge von Brabant zum ersten Mal nach Löwen kamen, erschienen sie unerwartet in einer Vorlesung L.s, der geistesgegenwärtig Senecas Traktat „De clementia“ erklärte und so die Freilassung von 300 in Löwen inhaftierten politischen Gefangenen erwirkte. Nur einmal – kurz nach der Heirat – scheint L. die Sehnsucht nach dem Landleben in Isque überfallen zu haben. Dort wollte er mehrere Jahre mit Tulpenzucht, Studium und Bücherschreiben verbringen. Aber das Landleben war im Bürgerkrieg zu unsicher. L. ging nach Löwen, wo er sich wieder der Jurisprudenz zuwandte u. auch öffentl. Vorlesungen darüber hielt (Leges regiae et decemvirales). Nach dem Sieg von Don Juan d'Austria über die Generalstaaten (31.1.1578) hielt er es seiner ins Zwielicht geratenen Orthodoxie wegen jedoch für besser, nach Antwerpen und Holland zu gehen, wo er in Leiden an der erst 1575 gegründeten calvinist. Universität 1578 einen Lehrstuhl für lat. Literatur und 1581 einen Lehrstuhl für Geschichte und Rechte erhielt.

    Was als Provisorium bis zur baldigen Rückkehr in die Stille des Landlebens von Isque gedacht war, wurde zu einem 12 Jahre dauernden Aufenthalt. L. stieg zu einem Stern erster Ordnung am Himmel der Philologie auf (neben Isaac Casaubonus und Joseph Scaliger). Leiden wurde nicht zuletzt durch ihn zum Mittelpunkt der niederländ. Philologie. Allerdings machte sich L. gerade auf der Höhe seines Ruhms viele Feinde: einmal mit seiner geistreichen „Satyra Menippaea“ (1581), in der er seine Kritiker verhöhnte, zum anderen brachte er, der Katholik, der sich zu den Lutheranern geschlagen hatte und jetzt an eine calvinist. Universität geflüchtet war, einen Teil des prot. Lagers gegen sich auf, weil er in seinen „Politicorum sive Civilis doctrinae libri VI“ (1589) die konfessionelle Einheit des Staates forderte und Dissidenten auszumerzen empfahl (Ure et seca). Unter diesen Umständen hielt es L. für ratsam, wiederum zu fliehen. Er reiste unter einem Vorwand nach Spa, von wo aus er einen Abstecher nach Mainz zu den dortigen Jesuiten unternahm, und dann nach Lüttich. Aus den kath. Staaten kamen großartige Lehrstuhlangebote – man wußte den Wert eines so berühmten Überläufers zu schätzen. Papst Clemens VIII., Kg. Heinrich IV. von Frankreich, die Signorie von Venedig, mehrere ital. Fürsten, der Erzbischof von Salzburg, die Bischöfe von Würzburg und Breslau, Hzg. Wilhelm V. von Bayern und dessen Bruder, Kf. Ernst von Köln, wetteiferten mit den Universitäten Bologna und Padua, Pisa und Löwen. L. entschied sich jedoch für das heimatliche Löwen. Von Philipp II. von Spanien wurde er später zum Hofhistoriographen ernannt, von Erzhzg. Albrecht erhielt er den Titel Staatsrat. Die Rückkehr in die engste Heimat|berücksichtigte er auch in seinen literarischen Plänen: er wollte eine umfassende Sammlung unveröffentlichter belg. Chroniken des Mittelalters herausgeben. Der Tod hat ihn daran gehindert. Die Schriften „Diva Virgo Hallensis“ (1604), „Lovanium, sive oppidi et academiae eius descriptio“ (1605) und „Diva Virgo Sichemensis“ (1605) gehören schon in diesen landesgeschichtlichen Zusammenhang.

    L. war ein genialer Philologe; scharfsinnig und kritisch beobachtend, mit feinem Sprach- und Stilempfinden ausgestattet, eine einfühlsame, mimetische Natur, mit einem profunden Gedächtnis und einer unerschöpflichen Arbeitskraft begabt. Er arbeitete empirisch-rational im Sinne der sich entwickelnden modernen Wissenschaftsmethode, aber seine ausschließlichen Forschungsgegenstände waren klassische Texte, d. h. die von der abendländischen Kultur noch immer benötigten Autoritäten der griech.-röm. Antike. In der textkritischen Aufbereitung dieser Literatur liegt seine größte Leistung. Seine Tacitus-Ausgabe von 1574 war in Textkritik und Kommentar eine Meisterleistung, „überhaupt der beste Kommentar, der bis dahin zu einem röm. Schriftsteller erschienen war“ (Halm). L. hat auch der antiquarischen Erforschung der röm. Geschichte sein Interesse zugewandt, aber Historiker im eigentlichen Sinne war er nicht, auch nicht Philosoph, Staatstheoretiker oder gar „Staatsrechtslehrer“ (G. Taddey).

    Wohl aber drängte es ihn, seine Gelehrtheit didaktisch mündlich und schriftlich mitzuteilen. Das geschah vor allem durch seinen glänzenden lat. Stil, der sich zunächst an Cicero, später an Tacitus und Seneca anlehnte und als „Lipsianismus“ zu einem literarischen Signum des manierislischen Zeitalters wurde durch seine sentenzenhaftmonumentale Prägnanz, durch die bewußt durch Ellipsen u. Asymmetrien verrenkte u. verdunkelte, die Schönheit im Ungewöhnlichen suchende Künstlichkeit. L. hat vor allem – er stand mit vielen bedeutenden Zeitgenossen in Briefwechsel – durch seine Briefe, von denen er selbst 800 (= etwa ⅕ des Gesamtbestandes) in verschiedenen Sammlungen herausgab, stilbildend gewirkt. Sie waren von vornherein als (später zu publizierende) Kunstwerke konzipiert. Neben Erasmus von Rotterdam war er der bedeutendste Epistolograph des Humanismus. – Hinsichtlich ihrer praktischen Verwertbarkeit waren von den antiquarischen Schriften jene besonders wichtig, welche die antike Kriegskunst dokumentierten und so auf das moderne Kriegswesen praktisch Einfluß nahmen (De militia Romana libri V, 1596; Poliorceticon, sive de machinis, tormentis et telis libri V, 1596). – Noch bedeutsamer waren im erzieherischen Sinne seine Kompendien zur stoischen Philosophie, handlich und schnell zu bewältigen auch für Welt- und Geschäftsleute. Die zwei Bücher „De constantia“ (1594) erlebten in zwei Jahrhunderten 75 Auflagen (Original und verschiedensprachige Übersetzungen). 20 Jahre später schlossen sich die „Manuductionis ad Stoicam philosophiam libri III“ und die „Physiologiae Stoicorum libri III“ (beide 1604) an. L. war nicht der erste und einzige Propagator stoischer, vernunftbegründeter Ethik und Weltauffassung in einem Jahrhundert, das, von Fatalismus und Fortunaglauben heimgesucht, aus solcher – dem Christentum nicht fremder – alter und jetzt neu dargebotener Lehre und Kraft Trost erhoffte.

    Stoisch im Inhalt sind auch die beiden in die Fürstenspiegelliteratur gehörenden politischen Werke „Politicorum sive Civilis doctrinae libri VI“ (1589; später oft übersetzt und neu aufgelegt, zuletzt 1751) und „Monita et exempla politica libri II“ (1605). In einer ungeheuren Masse von völlig ahistorisch aus den verschiedensten historischen Zusammenhängen kompilierten Historiker- und Philosophenzitaten, die – ähnlich wie in der Scholastik – als Sentenzen zeitlose Autorität beanspruchen (sollen), stecken einige realistische und zukunftsträchtige Ansätze. Nicht ohne – selbsteingestandenen – Widerspruch zu seiner eigenen Exempel- und Sentenzen-Methode formuliert er die Offenheit der jeweiligen politischen Situation, in der keine Theorie und Regel dem Politiker die Entscheidung abnehmen kann. L. lehnt in der als böse erfahrenen Welt idealistische u. rigoristische Tugendforderungen als utopisch ab. Er sucht zwischen der Staatsräson des Machiavelli, dessen Analyse der Wirklichkeit er schätzt, und den er neben Tacitus und anderen antiken Autoren als einzigen Neueren gelten läßt, und den idealistischen Tugendforderungen den Kompromiß in einem wohltemperierten Machiavellismus: „Sine virtute, calliditas ea (sc. prudentia) sit et malitia, et quidlibet potius quam prudentia“, womit er, längerfristig Herrschaftsstabilisierung und -erweiterung planend, gegenüber Machiavelli sogar recht hatte. Denn Machiavelli dachte an die Machtgewinnung und -erhaltung der ital. Renaissance-Usurpatoren, L. an die durch Erbfolgerecht und Gottesgnadentum von vornherein sehr viel mehr auf Dauer angelegten europ. Monarchien Ganz freilich wagt L. dem Herrscher die machiavellistischen Praktiken, bei ihm „prudentia mixta“ genannt, nicht vorzuenthalten, wobei er sich auf einem Parallelgeleise des moralischen Probabilismus der Jesuiten bewegt. Aber auch hier bekennt er seine Aporie: „Illud saltem dederim, principem in rebus valde afflictis et adversis … abire leviter ab humanis legibus, sed non nisi sui servandi caußa, augendi numquam … hoc ipsum timide. Deus, deus nonne palam reclamat? qui igneo illo spiritu omnes istas humanas argutiolas difflat.“ L.s Bedeutung und Wirkung lagen darin, daß er mit der Autorität des Kenners der Antike und als Moralist (im modernen Wortsinn des 16. Jh.) längst geübte Praxis zu einer – immer noch als kühn empfundenen – Theorie erhob und damit legitimierte. In zahllosen Fürstenspiegeln und Politischen Testamenten fanden die „Politica“ darum ihren Niederschlag. Als Autorität dagegen für völkerrechtliche und diplomatische, staatstheoretische und staatsrechtliche, institutionelle und organisatorische, finanz- und bildungspolitische Fragen und Reformprobleme konnte man ihn, der dazu aus den lat. Autoren wenig beizutragen hatte, nicht oder nur partiell mit Nutzen konsultieren. – Die „Politica“ des L. sprechen sich sehr formal aus politischen Gründen für die religiöse Einheit des Staates aus; das Christentum speziell wird in diesem Werk nur selten und nicht ohne Kritik erwähnt. L. lehnt dogmatische Streitigkeiten ab und plädiert für ein ethisches, ein Tat-Christentum, wobei er sich auf Luctanz beruft. Er leidet bei dem Gedanken, daß Europa „per speciem pietatis“ durch die Konfessionskriege aufgewühlt ist. Die Unterscheidung von religiösem Sein und Schein, der Rückzug auf die konfessionell unbelastete stoische Tugendlehre erläuterten z. T. die ihm so oft vorgeworfene konfessionelle Charakterlosigkeit. – L. war eine weiche, irenische, ängstliche und z. T. sicher auch unpolitische Gelehrtennatur. Sein wissenschaftlicher Ruhm und seine immense Wirkung wurde von den Zensuren und Anfeindungen der drei Religionsparteien nicht gemindert, sondern vermehrt.

  • Werke

    Weitere W u. a. F. van der Haeghen, Bibliogr. Lipsienne, Oeuvres de J. L., 3 Bde., 1886-88;
    - Tacitus-Edition: C. C. Taciti Historiarum et Annalium libri qui exstant J. Lipsii studio emendati et illustrati …, 1574;
    De Constantia libri duo, 1584, dt.: Von d. Bestendigkeit, Faks.dr. d. dt. Übers. d. A. Viritius nach d. 2. Aufl. v. 1601, mit d. wichtigsten Lesarten d. 1. Aufl. v. 1599, hrsg. v. L. Forster, 1965;
    Opera omnia, postremum ab ipso aucta et recensita, Bd. 1-4, 1637 (unvollst.);
    Lettres inédites de J. L. concernant ses relations avec les hommes d'état des provinces-unis des Pays-Bas, principalement pendant les années 1580-97, hrsg. v. G. H. M. Delprat, 1858;
    L'autobiographie de J. L., hrsg. mit franz. Übers. v. P. Bergmans, in: Messager des sciences historiques ou archives des arts et de la bibliographie de Belgique, Année 1889, 1889, S. 133-57, 318-40, 432-46;
    La correspondance de J. L. conservée au Musée Plantin-Moretus, hrsg. v. A. Gerlo, H. D. L. Vervliet u. I. Vertessen, 1967 (P);
    A. Ramírez, Epistolario de J. Lipsio y los Españoles, 1577-1606, ²1967 (lat. Text mit span. Übers.);
    J. Kluyskens, Twee onuitgegeven brieven van J. L. aan Oliverus Manareus uit 1605, in: Ons geestelijk Erf 47, 1973, S. 408-23;
    A. Gerlo, Drie onuitgegeven brieven van L. aan Marnix, in: Opstand en Pacificatie in de Lage Landen, 1976, S. 232-39;
    Koninklijke Academie voor Wetenschappen, Letteren en Schone Kunsten van Belgie (Hrsg.), Iusti Lipsi Epistolae. Cura A. Gerlo, M. A. Nauwelaerts, H. D. L. Vervliet, with an English introd., 1978 ff.: I. 1564–83, 1978, II. 1584–87, 1983;
    Two neo-latin Menippean Satires. J. L.: Somnium;
    Petrus Cunaeus: Sardi venales, hrsg. v. C. Matheeussen u. C. L. Heesakkers, 1980. |

  • Nachlass

    Nachlaß: Der größte Teil d. unveröff. Briefe L.s befindet sich im Musée Plantin-Moretus in Antwerpen sowie im Museum Lipsianum d. Univ.bibl. Leiden.

  • Literatur

    ADB 18; Bibliogr. bis 1967
    b. A. Gerlo, H. D. L. Vervliet u. I. Vertessen, Bibliographie Lipsienne en complément à la „Bibliogr. Lipsienne“, ed. F. van d. Haeghen en 1886-88, in: La correspondance de J. L. conservée au Musée Plantin-Moretus, 1967, S. 302-09 (P);
    - L. van d. Essen u. H. F. Bouchery, Waarom J. L. gevierd? 1949 (P);
    J. Ruysschaert. J. L. et les annales de Tacite, Une méthode de critique textuelle au XVIe siècle, 1949;
    C. O. Brink, J. L. and the text of Tacitus, in: Journal of Roman Studies 41, 1951, S. 32-51;
    J. L. Saunders, J. L., The Philosophy of Renaissance Stoicism, 1955;
    H. Dollinger, Kf. Maximilian I. v. Bayern u. J. L., Eine Studie z. Staatstheorie e. frühabsolutist. Fürsten, in: Archiv f. Kulturgesch. 46, 1964, S. 227-308;
    A. Gerlo u. H. D. L. Vervliet, Inventaire de la correspondance de J. L., 1564-1606, 1968;
    G. Oestreich, Geist u. Gestalt d. frühmodernen Staates, Ausgew. Aufsätze, 1969;
    H. D. L. Vervliet, L.s jeugd: 1547-78, Analecta voor een kritische biografie, 1969;
    J. Gottigny, J. L. et Jerónimo de la Cruz, Le renouveau du stoicisme aux 16. et 17. siècles, A propos de l'anniversaire d'un fait important dans la vie de J. L.: son séjour à Rome (1568–70), in: Bulletin de l'Inst. histor. belge de Rome 41, 1970, S. 219-77;
    F. De Nave, Peilingen naar de oorspronkelijkheid van L.s politiek denken, in: Tijdschrift voor Rechtsgeschiedenis 38, 1970, S. 449-83;
    ders., De polemiek tussen J. L. en Dirck Volckertsz Coornhert (1590): hoofdoorzaak van L.s vertrek uit Leiden (1591), in: De gulden Passer 48, 1970, S. 1-36;
    S. Sué. Nogmaals L. in Jena, in: Handelingen van de Kon. Zuidnederlandse Maatschappij voor Taal- en Letterkunde en Geschiedenis 26, 1972, S. 361-86;
    ders., J. L. en Jan van Hout, Politieke en filolog. aspecten van een vriendschap, ebd. 33, 1979, S. 265-87;
    J. Kluyskens, J. L.s levenskeuze: het irenisme, in: Bijdragen en Mededelingen betreffende de Geschiedenis der Nederlanden 88, 1973, S. 19-37;
    ders., Les années passées par J. L. chez les jésuites à Cologne, Etude critique, in: Archivum historicum Societatis Jesu 42, 1973, S. 312-21;
    M. A. Nauwelaerts, L'édition de la correspondance de J. L., in: Acta conventus neo-latini Lovaniensis 1971, 1973, S. 433-36;
    Th. G. Corbett, The Cult of L.: A Leading Source of Early Modern Spanish Statecraft, in: Journal of the Hist. of Ideas 36, 1975, S. 139-52;
    A. Gerlo, Tekstkritische bijdrage tot de levensbeschrijving van J. L., 1977;
    L. Forster, L. and Renaissance Neostoicism, in: Festschr. for Ralph Farell, 1977;
    G. Abel, Stoizismus u. frühe Neuzeit, Zur Entstehungsgesch. modernen Denkens im Felde von Ethik und Pol., 1978;
    M. Fumaroli, Genèse de l'épistolographie classique: rhétorique humaniste de la lettre, de Pétrarque à J. L., in: Revue d'histoire littéraire de la France 78, 1978, S. 886-905;
    S. Fisch, Joh. Matthäus Meyfarts Edition d. „Oratoria Institutio“ d. J. L., in: German.-Roman. Mschr. 62 (NF 31), 1981, S. 357-61;
    L. Roersch, in: Biogr. nat. Belge XII, Sp. 239-89;
    M. A. Nauwelaerts, in: Nat. Biogr. Woordenboek X, 1983, Sp. 403-16.

  • Porträts

    Gem. v. 1585 (Antwerpen, Musée Plantin-Moretus);
    Gem. v. P. P. Rubens (ebd.);
    Gruppenbild v. dems., bekannt unter d. Namen „Die vier Philosophen“, n. 1611 (L. vor e. Seneca-Büste mit seinen beiden Schülern, Dr. Philipp Rubens, d. Bruder d. Künstlers, u. Jan van den Wouwer u. Peter Paul Rubens selbst) (Florenz, Palazzo Pitti);
    Denkmäler in Overijsche/Isque (1853) u. Löwen (1909). -
    A. M. Berryer, Essai d'une iconographie de J. L., in: Ann. de la Société Royale d'Archéologie de Bruxelles 43, 1939-40, I, S. 5-71;
    H. F. Bouchery, Iconographie van J. L., in: De gulden Passer 19, 1941, S. 279-83.

  • Autor/in

    Heinz Dollinger
  • Zitierweise

    Dollinger, Heinz, "Lipsius, Justus" in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 676-680 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857342X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Lipsius: Justus L., eigentlich Joest Lips, ausgezeichneter Philolog und Kritiker, geb. am 18. October 1547 zu Oberysscha (Isca), einem Marktflecken zwischen Brüssel und Löwen, am 24. April 1606. Da er aus einer angesehenen und begüterten Familie stammte, erhielt er eine standesgemäße Erziehung. Der erste Unterricht ward ihm in Brüssel und Ath zu Theil, worauf er im J. 1563 an das Jesuitengymnasium in Köln geschickt wurde, wo er durch seine Wißbegierde und ungewöhnliches Gedächtniß schon als Knabe ein solches Aufsehen erregte, daß ihn die Jesuiten an sich zu ketten suchten. Als jedoch sein Vater erfuhr, daß er in den Orden einzutreten Willens sei, rief er ihn, 1565 zurück und ließ ihn die Universität in Löwen beziehen, wo er zur Vorbereitung auf einen künftigen Staatsdienst die Rechte studiren sollte, aber daneben mit Vorliebe humanistische Studien betrieb. Er weilte noch auf der Universität, als sein Vater plötzlich in Brüssel starb und auch seine Mutter ihm kurz darauf durch den Tod entrissen wurde. L. stand erst im 19. Lebensjahre, als er seine erste gelehrte Schrift „Variarum lectionum libri III“ veröffentlichte, die er dem berühmten Staatsmann Kardinal Granvelle widmete. Da sich dieser um diese Zeit vom politischen Schauplatz nach Rom zurückzog, folgte ihm L. 1567 in der Eigenschaft eines Sekretärs zur Ausfertigung der lateinischen Correspondenz des Kardinals. In dieser Stellung blieb ihm Muße genug, die alten Denkmale der ewigen Stadt gründlich zu studiren, in der Inschriftenkunde sich tüchtig zu üben, die handschriftlichen Schätze der Bibliotheken zu benützen und mit ausgezeichneten Gelehrten in näheren Verkehr zu treten. Nach einem zweijährigen Aufenthalte in Italien kehrte er nach Löwen zurück, wo er im Verkehr mit früheren Studiengenossen nicht immer, wie er später selbst bekannte, nach den strengen Regeln Cato's gelebt, sondern ein ziemlich flottes Leben geführt hat. Des tollen Treibens endlich satt, beschloß er eine größere Reise zu unternehmen, deren Ziel Wien war, wohin der große Freund der Wissenschaften, Kaiser Maximilian II. viele bedeutende Gelehrte gezogen hatte. Möglich, daß der Aufenthalt in Wien, wo damals viele Toleranz herrschte, den jungen Gelehrten auch in religiöser Beziehung zu freieren Ansichten gebracht hat, als er von Jugend auf eingesogen hatte. Wenigstens nahm er bald darauf keinen Anstand, an einer lutherischen Universität als Lehrer aufzutreten. Als er nämlich auf der Rückreise in seine Heimath in einer Zeit, wo neue Kriegsstürme in seinem Vaterlande losgebrochen, begriffen war, erhielt er die traurige Nachricht von der Verwüstung seiner väterlichen Güter durch die spanische Soldateska. Dieser Schlag bestimmte ihn eine Professur der Geschichte in Jena zu übernehmen, die er im October 1572 antrat. Er war damals in der Vollkraft seines Schaffens, wie auch vier schwungvolle Reden beweisen, die zum Theil erst nach seinem Tode im Druck erschienen sind (s. u.). Warum er bereits im März 1574 aus dieser Stellung, wiewol er mit großem Beifall lehrte, geschieden ist, läßt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, zumal als er selbst über seine Wirksamkeit in Jena in späterer Zeit ganz schweigsam war; es hat aber große Wahrscheinlichkeit, daß er durch seine am 28. Juli 1573 gehaltene Rede „De concordia“, die gegen die Raufhändel der Studenten und Streitigkeiten der lutherischen Geistlichen gerichtet war, sich viele Feinde gemacht hat und so seine Stellung unhaltbar geworden ist. Von Jena begab sich L. zunächst nach Köln, wo er 1574 eine kinderlose Wittwe, Anna van den Colster, die aus einer patrizischen Familie von Löwen stammte, heirathete und neun Monate verblieb, mit wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt. Hier besorgte er den Druck seiner Bearbeitung des Tacitus, die in erster Ausgabe zu Antwerpen 1574 erschienen ist, und arbeitete seine „Antiquae Lectiones“ aus. Das Jahr darauf führte er seine Frau in seine Heimath und dachte schon daran, sich ganz dem Landleben zu widmen, zumal als er immer ein großer Freund der Blumen und Gärtnerei gewesen war; da aber das Leben auf dem Lande durch den neuen Ausbruch kriegerischer Unruhen unsicher wurde, begab er sich 1576 nach Löwen, wo er seine früheren juristischen Studien wieder aufnahm. sich den Doctorgrad der Rechte erwarb und auch Vorlesungen mit vielem: Beifall hielt: unter seinen Zuhörern wird auch der später so berühmtgewordene Moritz von Nassau genannt. Doch auch hier war ihm keine lange Ruhe beschieden. Als am 31. Januar 1578 das Heer der Generalstaaten von Don Juan d'Austria bei Gembloux aufs Haupt geschlagen wurde, fiel auch Löwen wie andere Städte von Brabant bald in die Hände des siegreichen Feldherrn. Bei der Eroberung der Stadt blieb zwar des Lipsius' Habe durch die Verwendung eines Rathes des Don Juan, M. A. Delrius, verschont; da man aber seit seinem Aufenthalt in Jena seinen Gesinnungen mißtraute, fand L. es für gerathen sich nach Antwerpen zu flüchten, von wo er sich nach Holland begab, wo er 1579 zum Professor der Geschichte in Leyden von den Generalstaaten ernannt wurde. Wie er selbst in dem bekannten Briefe an Jo. Woverius (Epist. miscell. Cent. III, 87), der eine nicht sehr aufrichtige Autobiographie enthält, sich äußert, so gedachte er nicht in Leyden zu verbleiben (Fluctu cum pluribus eiecti sumus in Bataviam terram: insedimus, sed mente. ut stationem eam haberemus, non portum), aber weil es noch lange dauerte, bis ruhigere Zustände in seiner Heimath eintraten, wirkte er als Lehrer an einer reformirten Universität zwölf Jahre; es war die glänzendste Zeit seines Lebens, in der sein Name einer der berühmtesten von Europa geworden ist. Wie er selbst andeutet, so mochte er als geborener Katholik sich längst in einem protestantischen Lande nicht mehr heimisch fühlen; einen Bruch führte sein bekanntes Werk „Politicorum libri VI“ herbei, das 1589 zu Leyden erschienen ist. Dagegen trat ein Maler zu Amsterdam. Theodor Coornhert, 1590 mit einer Flugschrift auf, in welcher er gegen L. den Vorwurf erhob, daß er in seinem Buche die Obrigkeit auffordere, gegen Ketzer ohne weiteres die Todesstrafe zu verhängen. L. antwortete mit einer neuen Schrift „De una religione adversus dialogistam liber“, worin er erklärte, daß er allerdings die Obrigkeit für berechtigt und verpflichtet erachte, die religiöse Einheit in ihrem Lande zu erhalten, aber er sei der Ansicht, daß nicht alle Dissentierenden auf gleiche Weise zu bestrafen und nur selten mit der Todesstrafe einzuschreiten sei. In dieser Schrift ist nirgends von der katholischen Religion die Rede, sondern nur von der wünschenswerthen Erhaltung der religiösen Einheit im Staate; erst in der Ausgabe von 1598 fügte der Censor Cuyck den Satz bei, daß was L. in dem Buche von der Einen Religion geschrieben habe, nach dem Bekenntniß des Verfassers selbst und nach dem Verfolg der ganzen Erörterung von der römischen Religion als der einzig wahren zu verstehen sei. In dem oben erwähnten Briefe sagt L., daß ihn religio et fama gezwungen habe, die Stellung in Leyden zu verlassen, wiewol er dort homines benignos et beneficos gefunden habe. Er verließ 1590 plötzlich Leyden unter dem Vorwand, daß ihm ein ererbtes Uebel gebiete, die Bäder in Spaa zu gebrauchen und reiste zur See nach Hamburg, von wo er sich sogleich nach Mainz begab, um sich bei den Jesuiten wieder in den Schooß der katholischen Kirche aufnehmen zu lassen.|Die nächste Zeit verweilte er theils in Spaa, von wo aus er sich seine Entlassung am 2. Juni 1591 von den Curatoren der Universität erbat (s. Lips. epist. decades XVIII ed. Pontanus p. 10), theils in Lüttich. Als bekannt geworden war, daß L. seine Professur in Leyden niedergelegt habe, erhielt er aus allen katholischen Ländern die glänzendsten Anerbietungen zur Uebernahme eines Lehrstuhls, von Papst Clemens VIII., von König Heinrich IV. von Frankreich, Herzog Wilhelm V. von Baiern, dem Kurfürsten von Köln, der Republik Venedig, mehreren italienischen Fürsten, den Bischöfen von Würzburg (Julius), Salzburg und Breslau; er Zog es aber vor, in seinem Lande zu verbleiben, als ihm auf Empfehlung der Jesuiten eine Professur in Löwen angeboten wurde, die er im August 1592 antrat. Zu den vielen Ehren, die ihm bei seiner sehr erfolgreichen Thätigkeit in Löwen zu Theil wurden, gehört auch, daß ihn der König von Spanien zu seinem Historiographen ernannte. Sein Wunsch, Rom nochmals zu sehen, wohin er Ende 1599 aufbrechen wollte, ging nicht in Erfüllung, da in Italien eine heftige Epidemie ausgebrochen war. Was L. seit den neunziger Jahren geschrieben und gethan hat, trägt durchaus das Gepräge seiner tiefen katholischen Ueberzeugung. Die sprechendsten Denkmale dafür sind seine Schriften „De Viva Virgine Hallensi liber, quo beneficia eius et miracula, fide atque ordine descripta“ (Antverpiae 1604) und „De Diva Virgine buntur“ (Antverpiae 1605). In diesen Schriften erzählt er ausführlich die wunderthätigen Heilungen, welche durch die Fürbitte der Madonna zu Hall und Montagu geschehen seien; in der ersteren Schrift theilt er auch die Inschrift mit, mit der er eine silberne Feder dem Gnadenbilde als Dank für verliehenen Schutz seiner litterarischen Arbeiten geweiht habe. Selbst dem Glauben an Hexen, der allerdings damals allgemein verbreitet, war der sonst so helle Kopf in seinen letzten Lebensjahren nicht verschloffen, s. Particularités sur la vie de J. L. S. 252 ff.

    Durch seine zahlreichen Schriften, die eine große Leichtigkeit des Schaffens verrathen, hat sich L. den unbestrittenen Ruhm eines der größten Gelehrten seiner Zeit erworben. Sie lassen sich in drei Hauptklaffen eintheilen: 1) in philologisch-kritische, 2) antiquarische, 3) Schriften zur Philosophie und Theologie. Der ersten Classe gehören an seine mit Anmerkungen ausgestatteten Ausgaben des Tacitus (zuerst 1574. 8°), Vellejus Paterculus (Lugd. B. 1591), des Valerius Maximus (in der neuen Auflage der Ausgabe von Pighius 1594), von „Plinii Panegyricus“ (1600. 4°) und der „Opera Senecae philosophi“ (1605. Fol.), die „Animadversiones in Senecae tragoedias“ (Lugd. B. 1588. 8°), die „Notae ad Suetonii libros tres priores“ (Francof. 1588), die Abhandlung „De recta pronuntiatione latinae linguae“ (1586. 4°) und seine vermischten kritischen Schriften, gesammelt unter dem Titel: „Opera omnia, quae ad criticam proprie spectant“ (Antv. 1585. 4°), welcher umfangreiche Band folgende früher einzeln erschienene Schriften enthält: „Antiquarum lectionum libri V",."Epistolicarum quaestionum libri V", „Electorum libri II", „Variarum lectionum libri III“. „Satyra Menippaea“, eine geistreiche Satire gegen Kritiker, die ihm viele Feinde gemacht hat. Das größte Verdienst hat sich L. für die Kritik und Erklärung des Tacitus erworben, das um so höher anzuschlagen ist, als er hier fast ganz ohne Vorgänger gearbeitet hat; nur Beatus Rhenanus hatte als Kritiker Bedeutendes geleistet. Der so bündige, von allen Abschweifungen sich fern haltende Commentar des L. ist ein Meisterstück, überhaupt der beste Commentar, der bis dahin von einem römischen Schriftsteller erschienen war; als Kritiker bewährte sich L. im Tacitus ebenso besonnen als scharfsinnig, so daß die Mehrzahl seiner Vermuthungen in alle späteren Texte Eingang gefunden hat. Auch in der Kritik und fachlichen Erklärung der übrigen oben genannten Schriftsteller|und anderer römischer Prosaiker hat L. bedeutendes geleistet, nicht so glücklich war er in den Dichtern, wie im Plautus, Propertius, dem Tragiker Seneca u. a. Seine antiquarischen Schriften sind ebenfalls sehr umfangreich: „Saturnalium Sermonum libri II s. de gladiatoribus“ (1582. 4°), „De Amphitheatro liber" (1584. 4°), „Leges regiae et decemvirales" (1584), „De cruce libri III" (1593. 4°), „De militia Romana libri V" (1595. 4°), „De bibliothecis syntagma" (1585. 8°), „Poliorceticon libri IV" (1596. 4°), „Admiranda s. de magnitudine Romana“ (1598. 4°), „De Vesta et Vestalibus syntagma“ (1603. 4°). In diesen Werken hat sich L. besonders um die Aufhellung mancher Punkte der militärischen und scenischen Alterthümer viele Verdienste erworben. Von seinen philosophischen Schriften sind am bekanntesten die oft aufgelegten und übersetzten, aber in ihrem Werthe doch wol überschätzten „Libri II de constantia“, deren erste Ausgabe zu Antwerpen 1584 erschienen ist. Die „Politicorum libri VI“ (zuerst Lugd. B. 1589. 4") und die Schutzschrift „De una religione“ sind schon oben erwähnt. Verdienstlicher, wenn auch nicht frei von Einseitigkeit sind seine Schriften über die stoische Philosophie ("Manuductio ad Stoicam philosopdiam“ und „Physiologiae Stoicae libri III“ 1604. 4°), zu der er sich besonders hingezogen fühlte, zumal als die Grundsätze der Stoa zu Parallelen mit den Lehren des Christenthums reichliche Gelegenheit boten. Eine bedeutende Stelle in der schriftstellerischen Thätigkeit des L. nehmen auch seine Briefe ein, von denen er selbst ein volles Tausend in zehn Centurien herausgegeben hat. Es sind nur diejenigen, die er für gut fand, zu seinem Ruhme zu veröffentlichen; wichtiger für seine Lebensgeschichte und ganze Charakteristik sind zwei kleine Sammlungen: „Epistolarum praetermissarum decades VI“ (die sehr seltene Sammlung ist als Anhing zu „Lipsii ad Suetonii tres posteriores libros commentarii“ zu Offenbach 1610. 8° erschienen) und „Epistolarum quae in centuriis non extant decades XVIII ed. J. J. Pontanus“ (Harderwijk 1621. 8°), ferner der nicht weniger als 805 Nummern umfassende Briefwechsel, den P. Burman in den zwei ersten Bänden seiner Sylloge Epistolarum bekannt gemacht hat. Die erste Centurie, die L. selbst herausgab (zu Antwerpen 1586. 8°, und in demselben Jahre als „Editio emendatior“ bezeichnet in Duodez) enthielt auch ein Dutzend Briefe von anderen an L., die in der zweiten Auflage von 1590 durch eigene ersetzt sind, sie enthielt aber auch mehrere Briefe (Nr. 10, 69, 76), die sich auf Verhältnisse von Jena beziehen, die L. für gut fand, nebst ein vaar anderen, in späteren Ausgaben zu unterdrücken. Der geschraubte und unnatürliche Stil, den sich L. in Nachahmung des Tacitus und Seneca in seinen späteren Jahren angewöhnt hat, tritt besonders in den Briefen zu Tage. Diese mit witzelnden Antithesen, frostigen Wortspielen, orakelhaft dunklen Sätzen, unerhörten Ellipsen, sprachwidrigen neuen Wortbildungen überladene Schreibart wurde von Nachahmern, Lipsianer genannt, noch überboten, hat aber seinen schriftstellerischen Ruhm nicht erhöht. Daß jedoch Lipsius in früheren Jahren, in der Zeit, wo er seinen Commentar zu Tacitus schrieb und noch an Cicero als Vorbild sich hielt, besser zu schreiben verstand, beweisen außer andern Schriften besonders vier zu Jena gehaltene Reden, die in der kleinen Sammlung „J. Lipsii Orationes VIII Jenae potissimum habitae“ ein Jahr nach seinem Tode zuerst in Darmstadt erschienen sind. Von diesen vier Reden, die in stilistischer Beziehung das beste sind, was L. je geschrieben hat, wurde keine in seine Schriften aufgenommen, weil er in ihnen sich noch als einen warmen Verehrer der lutherischen Lehre kundgegeben hatte. Bei seinen Lebzeiten sind nur zwei im Druck erschienen, die eine jedoch, die Oratio de Concordia, gegen seinen Willen, die als Trutzschrift gegen L. durch Vermittelung des Melchior Goldast 1600 zu Zürich in 4° herausgegeben wurde. Durch diese Veröffentlichung|sehr unangenehm berührt, leugnete L. die Autorschaft in einem Schreiben an den Senat in Frankfurt (s. „Epist. cent. ad Germ. et Gallos“ num. 68) mit aller Entschiedenheit ab, aber mit Gründen, die auf seine Wahrheitsliebe ein schlechtes Licht werfen. Daß alle Reden der Darmstädter Sammlung keinen anderen Verfasser als L. haben, glaubt der Unterzeichnete in seiner Abhandlung „Ueber die Aechtheit der dem J. L. zuschriebenen Reden“ bewiesen zu haben, s. Sitzungsber. der philol. u. hist. Classe d. k. bair. Akademie 1882, Band I. S. 1 ff. Eine Gesammtausgabe der Werke des L. erschien in sehr schöner Ausstattung zu Antwerpen 1637 in 4 Bänden, Fol., sodann zu Wesel 1675 in 4 enggedruckten Bänden, 8°. Beide sind unvollständig, weil in ihnen die Reden und wichtigsten Briefe nicht enthalten sind.

    Autobiographie in einem Brief an J. Woverius in Epist. cent. III. Misc. n. 87, womit zu vergleichen die zweite Rede in den Orationes VIII, mit der L. seine Vorlesungen in Jena eröffnet hat. Auberti Miraei Vita, wieder abgedruckt mit anderen Apologien in dem Sammelwerke Lipsii sapientiae et litterarum antistitis fama postuma, ed. II, Antv. 1613. 4°. Proteus ex antro Neptuni protractus a Thoma Sagittario, Francof. 1614. 8°, die wichtigste Schrift für die Jenaer Zeit. Ant. Teissier, Eloges des hommes savans etc. A Leyde 1715. vol. 4. p. 525—544. P. Burman in der Praefatio der Sylloge Epistolarum, Bd. I, eine Philippica, die ein Gegenstück zur Panegyrik des Miraeus bildet. J. Mich. Heinsii de Justo Lipsio professore Jenensi prolusio, Weimar 1773. 4°. Fr. Baron de Reiffenberg, De J. L. vita et scriptis Commentarius, Bruxelles 1823, 248 pag. 4°, eine unkritische Compilation ohne eigenes Urtheil. J. J. Thonissen in Höfer's Nouv. Biogr. gén. tome 31. A. Räß, Die Convertiten seit der Reformation, III, 159 ff. L. Galesloot, Particularités sur la vie de Juste Lipse, Bruges 1877. 8°.

  • Autor/in

    Halm.
  • Zitierweise

    Halm, Karl Ritter von, "Lipsius, Justus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 741-745 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857342X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA