Lebensdaten
1878 – 1951
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Ehrwald (Tirol)
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118616471 | OGND | VIAF: 27078492
Namensvarianten
  • Srbik, Heinrich von
  • Srbik, Heinrich Ritter von
  • Srbik, Heinrich von
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Zitierweise

Srbik, Heinrich Ritter von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118616471.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    S.s Vorfahren väterlicherseits waren böhm. Bauern;
    V Franz (1841–1910), Jurist im k. k. Finanzmin., Vorstand d. Lottogefällsdirektion, wirkl. HR, S d. Franz (1807–97, 1868 österr. Rr.), aus Frauenberg b. Budweis, HR d. ksl. Obersthofmeisteramtes, u. d. Sophie Wagner (1823–74);
    M Walpurga (1847–98), T d. Wilhelm Heinrich Grauert (1804–52), 1836 o. Prof. f. Gesch. u. Lit. an d. Ak. Münster, 1850 f. Allg. Gesch. an d. Univ. Wien (s. ADB IX; ÖBL; W), u. d. Eva Klein (1810–90);
    B Robert (1878–1948), Oberst i. G., Dr. phil., Gletscherforscher (s. ÖBL);
    Brixen 1912 Johanna (1889–1972), T d. Anton Nissl (1852–90), 1888 o. Prof. f. Kirchenrecht an d. Univ. Innsbruck (s. ÖBL), u. d. Sophie Strele v. Bärwangen (1857–1934);
    3 K Walpurga (* 1914, 1] Hans-August v. Stockhausen, 2] Konrad Papla), Hans Heinrich (1916–88), Dr. iur., Elisabeth (* 1924, Friedrich Hiller).

  • Biographie

    Die altösterr. Beamten- und die dt. Gelehrtentradition bildeten die familiären Wurzeln für S.s Weltanschauung und Geschichtsauffassung. Am Wiener Theresianum wurde S. von seinem Lehrer Eugen Guglia (1857–1919) an die Geschichtswissenschaft herangeführt. 1897 nahm er das Geschichtsstudium an der Univ. Wien auf, das er 1902 mit einer von Oswald Redlich (1858–1944) betreuten Dissertation über Burggf. Friedrich von Nürnberg abschloß. 1898–1901 absolvierte S. als o. Mitglied den Kurs des Instituts für österr. Geschichtsforschung gemeinsam mit Wilhelm Bauer (1877–1953) und Hans Hirsch (1878–1940), seinen lebenslangen Freunden und späteren Wiener Professorenkollegen. In der vornehmlich der Geschichte des Mittelalters und den Hilfswissenschaften verbundenen Ausbildung wurde er entscheidend von Engelbert Mühlbacher (1843–1903) und nach dessen frühem Tod von Alfons Dopsch (1868–1953) beeinflußt, der ihn zur Wirtschaftsgeschichte hinlenkte.

    Seit 1902 edierte S. als Mitarbeiter der Kommission für neuere Geschichte Österreichs die österr.-niederländ. Staatsverträge; 1904–12 war er unter Emil v. Ottenthal (1855–1931) Bibliothekar am Institut für österr. Geschichtsforschung. 1907 habilitierte er sich in Wien mit der Studie „Der staatliche Exporthandel Österreichs von Leopold I. bis Maria Theresia“ (1907, Nachdr. 1969) für das Fach Österr. Geschichte, drei Jahre später wurde die venia aufgrund einer Abhandlung über Wilhelm v. Schröder auf Allgemeine Geschichte erweitert. Seit 1912 war S. ao. Professor für allgemeine Geschichte, seit 1917 o. Professor für neuere Geschichte und Wirtschaftsgeschichte in Graz. Als Reserveoffizier leistete er jeweils in den Sommerferien Dienst an der ital. Front. Noch in Graz wandte er sich nach seinen „Studien zum österr. Salzwesen“ (1917) von der Wirtschaftsgeschichte ab und mit „Wallensteins Ende“ (1920, ²1952) der politischen Ideengeschichte zu.

    1922 wurde S. als o. Professor für Geschichte der Neuzeit an die Univ. Wien berufen. Hier verfaßte er auf Einladung von Erich Marcks (1861–1938) für das Sammelwerk „Meister der Politik“ (3 Bde., 1922/23) einen Essay über Metternich, aus dem die zweibändige ideengeschichtlich fundierte Biographie „Metternich, Der Staatsmann und Mensch“ (1925; Bd. 3, 1954) erwuchs. Die Biographie brachte ihm Anerkennung und enge wissenschaftliche Beziehungen zu dt. Historikern ein, v. a. zu Friedrich Meinecke (1862–1954), dessen geistesgeschichtlicher Sichtweise sich S. besonders verbunden fühlte. Rufe nach Köln, Bonn, München und Berlin lehnte S. ab. Ein kurzes Intermezzo als Unterrichtsminister in der Regierung Schober 1929/30 unterbrach seine Editionsarbeit an den „Quellen zur dt. Politik Österreichs 1859–1866“ (5 Bde., 1934–38, Nachdr. 1967).

    Das Wissen um die Funktion der altösterr. Beamten als dt. Führungsschicht der Habsburgermonarchie und die Bindung des Vielvölkerreiches an die Tradition des Reiches sind die Wurzeln jener Gesamtdt. Geschichtsauffassung, mit der S. bemüht war, der Bedeutung Österreichs für die dt. Geschichte gegenüber einer kleindt. Geschichtsinterpretation zur Anerkennung zu verhelfen. In seinem Vortrag in Salzburg über „Gesamtdt. Geschichtsauffassung“ 1929 formulierte S. die Grundgedanken, aus denen sein Hauptwerk „Dt. Einheit, Idee und Wirklichkeit vom Hl. Reich bis Königgrätz“ (4 Bde. 1935–43, ⁴1963) hervorging. Das Werk ist ein Bekenntnis zu Österreichs historischer Tradition der Vormachtstellung im Dt. Reich, dessen Grundcharakter er nicht in der Einheit, sondern in der Vielfalt seiner Glieder darstellte. Es zielt darauf, aus einer überstaatlichen Sicht das kleindt. wie das großdt. Geschichtsbild zu überwinden und die Geschichte Österreichs, Preußens und des dritten Deutschland in einer gesamtdt. Geschichtsbetrachtung zu vereinen.

    Aus der Überzeugung, daß Österreich gemäß seiner historischen Rolle als eigentlicher Träger der Reichsidee zum Dt. Reich gehöre und das in den Friedensverträgen von 1919 festgelegte Anschlußverbot den Kleinstaat Österreich lebensunfähig gemacht habe, bekannte sich S. 1938 zum „Anschluß“, obwohl er, der extreme Positionen in Wissenschaft wie Politik stets ablehnte, der nationalsozialistischen Ideologie in ihrer totalitären Radikalität kritisch gegenüberstand. Obschon noch im selben Jahr ohne sein Wissen von Arthur Seyß-Inquart (1892–1946) für den dt. Reichstag nominiert, übte S. zwischen 1938 und 1945 keine politischen Funktionen aus. Seit 1938 als Nachfolger Oswald Redlichs (1858–1944) Präsident der Wiener Akademie der Wissenschaften und als Vorsitzender der Kommission für neuere Geschichte Österreichs (seit 1937) trat er für die Eigenständigkeit der österr. historischen Tradition und die Beibehaltung der Bezeichnung „österreichisch“ für Wiener wissenschaftliche Institutionen gegen Forderungen nach Eindeutschung der NS-Regierung ein. Seit 1942 fungierte er als Präsident der Historischen Kommission bei der Bayer. Akademie der Wissenschaften in München, blieb in diesem Amt aber kriegsbedingt seit 1943 ohne Wirksamkeit.

    Seine Verstrickung in das Machtgefüge des NS-Staates büßte S. 1945 mit dem Verlust aller wissenschaftlichen Positionen und mit|politischer Diskreditierung. In Ehrwald (Tirol), wohin er sich bereits im Febr. 1945 zurückgezogen hatte, schloß er sein Lebenswerk mit der historiographiegeschichtlichen Darstellung „Geist und Geschichte vom dt. Humanismus bis zur Gegenwart“ (2 Bde., 1950/51, P, ²1964, ital. 1996) ab.

  • Auszeichnungen

    Ehrenring d. Hist. Genootschap, Utrecht (um 1912);
    Mozartpreis d. Johann Wolfgang-Goethe-Stiftung (1935);
    Dr. rer. pol. h. c. (Heidelberg 1936);
    Österr. Ehrenzeichen f. Kunst u. Wiss. (1936);
    korr. Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (1936);
    Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Budapest, Bukarest, Göttingen, Lund, Berlin, Mainz u. Wien sowie d. Royal Historical Society London u. d. Société d'Histoire Moderne Paris.

  • Werke

    Weitere Werke u. a. Die Beziehungen v. Staat u. Kirche in Österr. während d. MA, 1904, Nachdrr. 1938, 1972;
    Wilhelm v. Schröder, 1910;
    Österr. Staatsverträge, Bd. 1: Niederlande, 1912 (Hg.);
    Ein Schüler Niebuhrs, Wilhelm Heinrich Grauert, 1914;
    Österr.-Ungarns Außenpol. v. d. Bosn. Krise 1908 bis z. Kriegsausbruch 1914, 9 Bde., 1930 (Mithg.);
    Gesamtdt. Gesch.auffassung, 1932;
    Österr. in d. dt. Gesch., 1936, ⁵1966;
    Mitteleuropa, 1937, ²1938;
    Wien u. Versailles 1692–1697, 1944;
    Aus Österr. Vergangenheit, Von Prinz Eugen bis Franz Joseph, 1949;
    – H. Rr. v. S., Die wiss. Korr. d. Historikers 1912–1945, hg. v. J. Kämmerer, 1988 (W, P);
    Nachlaß:
    Dr. Hans-Heinrich v. Srbik, München;
    Archiv d. Hist. Komm. b. d. Bayer. Ak. d. Wiss., München;
    vollst. Werk- u. Lit.verz. im Anhang d. unveröff. Memoiren S.s im Archiv d. Österr. Ak. d. Wiss., Wien.

  • Literatur

    K. A. v. Müller, Gesamtdt. Gesch.auffassung, H. Rr. v. S., in: ders., Zwölf Historikerprofile, 1935, S. 40–47;
    Gesamtdt. Vergangenheit, FS z. 60. Geb.tag, 1938;
    Wilhelm Bauer, in: Alm. d. Öster. Ak. d. Wiss. 101, 1951, 1952, S. 327–71 (P), erneut in: NÖB XII, 1957, S. 171–93 (P), F. Schnabel, in: Jb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. 1951, 1952, S. 163–70 (P);
    H. Frühwald, Großdt. u. Gesamtdt. b. H. v. S., Diss. Wien 1965;
    L. Moos, Bildungsbürgertum, Nat.probleme u. demokrat. Za., Diss. Freiburg 1967;
    R. J. Ross, H. Rr. v. S. and „gesamtdt.“ History, in: The Review of Politics 31, 1969, S. 88–107;
    P. R. Sweet, The Historical Writing of H. v. S., in: History and Theory 9, 1970, S. 37–58;
    A. Agnelli, H. Rr. v. S., 1975;
    J. Droz, H. Rr. v. S. et la conception gesamtdt. de l'histoire allemande, in: Austriaca 4/6, 1978, S. 51–77;
    G. Hamann, Kriegs- u. Nachkriegserinnerungen e. Studenten an H. Rr. v. S., in: Österr. Ak. d. Wiss., Anzeiger d. Phil.-hist. Kl. 115, 1979, S. 366–95;
    A. Wandruszka, ebd., S. 352–65;
    H. Reinalter, in: H.-U. Wehler (Hg.), Dt. Historiker VIII, 1982, S. 78–95;
    F. Fellner, in: H. Lehmann u. J. Sheehan (Hg.), Paths of Continuity, 1994, S. 171–86;
    ders., H. v. S., „Urenkelschüler Rankes“, in: ders., Gesch.schreibung u. nat. Identität, 2002, S. 330–45;
    K. Schönwälder, in: D. Kaufmann (Hg.), Gesch. d. Ks.-Wilhelm-Ges. im NS, Bd. 2, 2000, S. 528–44;
    Tirol-Lex.;
    Hist. Lex. Wien;
    BBKL X;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    Biogr. Lex. Gesch.wiss.;
    Historikerlex.;
    Lilla, MdR;
    F. Fellner u. D. A. Corradini, Österr. Gesch.wiss. im 20. Jh., 2006.

  • Autor/in

    Fritz Fellner
  • Zitierweise

    Fellner, Fritz, "Srbik, Heinrich Ritter von" in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 773-775 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118616471.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA