Dates of Life
1819 – 1896
Place of birth
Leipzig
Place of death
Frankfurt/Main
Occupation
Pianistin ; Komponistin ; Klavierpädagogin
Religious Denomination
keine Angabe
Authority Data
GND: 11861164X | OGND | VIAF: 44499359
Alternate Names
  • Wieck, Clara Josephine (geborene)
  • Schumann, Clara
  • Wieck, Clara Josephine (geborene)
  • more

Relations

The links to other persons were taken from the printed Index of NDB and ADB and additionally extracted by computational analysis and identification. The articles are linked in full-text version where possible. Otherwise the digital image is linked instead.

Places

Map Icons
Marker Geburtsort Place of birth
Marker Wirkungsort Place of activity
Marker Sterbeort Place of death
Marker Begräbnisort Place of interment

Localized places could be overlay each other depending on the zoo m level. In this case the shadow of the symbol is darker and the individual place symbols will fold up by clicking upon. A click on an individual place symbol opens a popup providing a link to search for other references to this place in the database.

Citation

Schumann, Clara, Index entry in: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11861164X.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogy

    V Friedrich (1785–1873), Klavierpäd., Klavier- u. Musikalienhändler in L., eröffnete 1815 e. Musikalienhandlung in L. (s. ADB 42; Riemann; MGG; New Grove; New Grove²), S d. Carl Friedrich Gotthelf Wieck (1758–1804), aus Dommitzsch b. Torgau, Kaufm. in Pretsch b. Torgau, u. d. Christiana Dorothea Oschatz (um 1760-n. 1813), aus Kremdiswalde b. Grimma;
    M Marianne (1797–1872, 1824, 2] 1825 August Adolf Bargiel, 1783–1841, Musiklehrer in Berlin), Pianistin, Sopranistin u. a. im Gewandhaus in L., Klavierlehrerin, T d. Georg Christian Gotthold Tromlitz (1765–1825), aus L., Kantor in Plauen, u. d. Christiana Friederica Carl (1766-n. 1825), aus Neumark; seit 1828 Stief-M Clementine (1805–93), T d. Samuel Traugott Fechner, Pastor in Groß-Särchen b. Hoyerswerda;
    Ur-Gvm Johann Georg Trom(m)litz (1725–1805), Advokat, Notar, Musikpäd., Flötist am Gewandhaus in L., Flötenbauer u. Komp. (s. ADB 38; New Grove²);
    4 Geschw u. a. Alwin Wieck (1821–85), Geiger, Musikpäd. (s. New Grove²), Gustav Wieck (1823–84), Instrumentenbauer, 3 Halb-Geschw aus 2. Ehe d. V u. a. Marie Wieck (1832–1916), Pianistin, fürstl. hohenzollernsche Hof- u. Kammervirtuosin (s. MGG; New Grove²), 4 Halb-Geschw aus 2. Ehe d. M u. a. Woldemar Bargiel (1828–97), Komp., Dirigent (s. NDB I; New Grove²; MGG²);
    Schönefeld b. Leipzig 1840 Robert Schumann (s. 1);
    4 S, 4 T; Gr-N d. Ehemanns Richard (s. 3).

  • Biographical Presentation

    Nach der Scheidung der Eltern wuchs S. bei ihrem Vater Friedrich Wieck auf, der ihr seit ihrem fünften Lebensjahr Klavierunterricht erteilte. S. genoß bei ihm eine exzellente Musikausbildung nach dessen selbst entwickelter Lehrmethode, die auch eine gezielte Schulung der Anschlagskultur, Gehörbildung und Partiturstudium umfaßte. Studien in Musiktheorie und Komposition bei Thomaskantor Theodor Weinlig (1780–1842) und Heinrich Dorn (1800–92), dem Musikdirektor am Hoftheater, ergänzten den Unterricht beim Vater. Der systematischen Vorbereitung auf die Virtuosenkarriere dienten zudem eine allgemeine körperliche Ertüchtigung durch lange Spaziergänge, die S. ihr Leben lang pflegte, sowie Unterricht durch Hauslehrer in Englisch und Französisch.

    Nach ersten Auftritten im Rahmen der von ihrem Vater veranstalteten Abendunterhaltungen debutierte S. am 8.11.1830 im Leipziger Gewandhaus als Solistin u. a. mit Kalkbrenners „Rondo brillant“ und eigenen Variationen über ein Originalthema. 1831 unternahm der Vater mit S. erste Konzertreisen nach Dresden und Weimar sowie im Februar 1832 nach Paris. Repertoire, Konzertprogramme, Kontakte zu namhaften Musikern der Zeit wie L. Spohr, F. Chopin und F. Liszt wurden vom Vater sorgfältig ausgewählt. 1831 erschienen 4 Polonaisen von S. als opus 1 im Druck. Die „Romance varié“ opus 3 widmete sie Robert Schumann, der seit 1830 bei Wieck als dessen Schüler wohnte. Am 9.11.1835 kam S.s Klavierkonzert op. 7 unter der Leitung von F. Mendelssohn Bartholdy im Leipziger Gewandhaus zur Uraufführung. Einen ersten Höhepunkt ihrer Karriere markiert der Aufenthalt in Wien vom Herbst 1837 bis März 1838, wo S. u. a. mit der Klaviersonate f-Moll op. 57 von L. v. Beethoven die Kritiker begeisterte und vom Kaiser zur k. k. Kammervirtuosin ernannt wurde.

    Zum Konflikt mit dem Vater kam es aufgrund der sich seit 1835 entwickelnden Liebesbeziehung zu Robert Schumann. 1839 unternahm S. erstmals eine Konzertreise ohne den Vater nach Paris. Da Wieck seine zur Heirat gesetzlich notwendige Zustimmung verweigerte, wurde der Streit schließlich vor dem Appellationsgericht entschieden. Nach der Hochzeit am 12.9.1840 nahm das Ehepaar S. seinen Wohnsitz zunächst in Leipzig, übersiedelte 1844 nach Dresden und 1850 nach Düsseldorf.

    Die von der Nachwelt oft verklärte und von Robert und Clara mit hohen, dabei teils konträren Erwartungen eingegangene Ehe barg reichlich Konfliktstoff. Da Claras Klavierspiel Robert beim Komponieren störte, wurde ihre künstlerische Tätigkeit deutlich eingeschränkt. Das gemeinsame Studium von Partituren und die Bewunderung für das Werk Roberts entschädigten sie nur teilweise für das fehlende eigene Schaffen. Erst 1853,|an ihrem letzten gemeinsamen Wohnsitz in Düsseldorf, ermöglichte S. ein eigenes Musikzimmer in ausreichender Distanz zum Zimmer Roberts, wieder regelmäßig zu üben und zu komponieren.

    Dennoch betrachtete S. selbst im zunächst wechselseitig geführten Ehetagebuch und in Briefen ihre Ehe als glücklich und entschied sich bewußt für den Namen Schumann, unter dem sie am 31.3.1841 im Leipziger Gewandhaus erstmals auftrat. Mit staunenswerter Energie meisterte S. die Belastungen durch insgesamt 10 Schwangerschaften in 14 Ehejahren und organisierte den Haushalt ebenso wie die Tourneepläne für gemeinsame Konzertreisen nach Norddeutschland (1842), Rußland (1844), Wien (1846) und Holland (1853), die für S. künstlerisch und finanziell überwiegend erfolgreich verliefen, für Robert aber hohe psychische und physische Strapazen darstellten. Noch ohne den sich verschlechternden Gesundheitszustand ihres Mannes zu erkennen, unterstützte ihn S. in Düsseldorf bei Chor- und Orchesterproben, übernahm Korrespondenzen und fertigte Abschriften seiner Werke an. Im Herbst 1854, ein halbes Jahr nach dem Zusammenbruch Roberts und seiner Einlieferung in die Heilanstalt Endenich bei Bonn, nahm Clara ihre Konzerttätigkeit in vollem Umfang wieder auf. Ihren Mann sah sie aufgrund eines strikten ärztlichen Besuchsverbots, das in der Literatur teilweise bezweifelt, durch einen Quellenfund in jüngerer Zeit aber bestätigt worden ist, erst zwei Tage vor seinem Tod noch einmal wieder.

    Die folgenden Jahrzehnte waren für S. geprägt durch ausgedehnte, eng aufeinanderfolgende Konzerttourneen, die sie jeweils vom Herbst bis in das Frühjahr in wichtige Musikzentren Deutschlands, nach Holland, Belgien, Frankreich, Österreich, Ungarn und in die Schweiz führten. Zu einem Schwerpunkt ihrer Konzerttätigkeit wurde England, das sie von ihrem ersten Aufenthalt 1856 bis zum Ende ihrer Laufbahn – häufig begleitet von ihrer Tochter Marie – 19mal besuchte. In London feierte S. ihre vielleicht größten Erfolge. Die Sommermonate dienten der Vorbereitung der anschließenden Tourneen, aber auch der Erholung und dem Familienleben. Dies gilt besonders für die Jahre 1863–73, in denen S. ein Haus in Lichtental bei Baden-Baden besaß und hier auch regen Kontakt zu vielen befreundeten Künstlern wie der Sängerin Pauline Garcia-Viardot (1821–1910), Hermann Levi (1839–1900) und Johannes Brahms (1833–97) pflegte. Die übrige Zeit des Jahres wurden die Kinder bei Verwandten und in Pensionaten untergebracht. 1878 nahm S. eine Berufung durch Joachim Raff (1822–82) an das Dr. Hoch's Konservatorium in Frankfurt als Erste Klavierlehrerin an. Sie verlegte ihren Wohnsitz nach Frankfurt und lebte dort bis zu ihrem Tod zusammen mit ihren Töchtern Marie und Eugenie, die die technische Unterweisung der Schüler übernahmen, während S. selbst sich ganz der Interpretation widmete. Sie konzertierte – zunehmend von nervösen Zuständen, Nervenschmerzen und Gehörproblemen geplagt – noch bis 1891 öffentlich und zog sich 1892 auch von ihrer Tätigkeit am Konservatorium zurück.

    S. war die bedeutendste Pianistin ihrer Zeit. Ihr Erfolg gründete auf ihrem ausdrucksvollem Spiel, ihrer in jungen Jahren zarten, später würdevollen Erscheinung – sie trat seit 1856 nur in schwarzer Kleidung auf – und einer sorgfältig durchdachten Programmdisposition: Ihr Repertoire wandelte sich von typischen gemischten Virtuosenprogrammen seit den 40er Jahren hin zu anspruchsvoller klassischer Literatur und stand in Wechselwirkung mit dem sich gleichfalls verändernden Publikumsgeschmack. Die Auswahl ihrer Stücke prägte das Konzertleben bis in unsere Zeit. Berühmt waren ihre Beethoven-Interpretationen, die auch im Zentrum ihres pädagogischen Wirkens standen. Mit Vorliebe spielte S. Beethovens Klaviersonaten op. 53 und op. 57 sowie das Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur, zu dem sie auch zwei Kadenzen schrieb. Nahm sie in der Frühzeit ihrer Ehe nur sparsam Werke ihres Mannes in ihre Programme auf, da diese noch keine Erfolgsgarantie boten, so wurde sie nach seinem Tod eine unermüdliche Protagonistin seines Werks. Ferner trug sie Stücke von Mendelssohn Bartholdy, Chopin, Schubert, aber auch von Bach regelmäßig vor sowie Werke von Johannes Brahms.

    Als Komponistin geriet S. nach ihrem Tod rasch in Vergessenheit und wurde erst von der Frauenmusikforschung in den 1970er Jahren wiederentdeckt. Ihre frühen Werke entstanden für den eigenen Vortrag, wie dies dem Selbstverständnis der Klaviervirtuosen jener Zeit entsprach. Besonders ihr Klavierkonzert überzeugt durch seinen lebhaften, teils schwärmerischen Gestus und hat Spuren im Klavierkonzert Robert S.s hinterlassen. Der künstlerische Austausch mit dem Ehemann zeigt sich auch in S.s Klavierliedern, die durch phantasievolle melodische Erfindung und einfühlsam auf den Text bezogene Klavierbegleitung gekennzeichnet sind. Wiederholt äußerte S. allerdings Selbstzweifel an ihren Werken und gab, möglicherweise aus einem gestiegenen Qualitätsanspruch heraus, 1856 das eigene Komponieren auf.

    Besonders seit den Frankfurter Jahren betätigte sich S. verstärkt als Herausgeberin, sah für den Musikverleger Hermann Härtel (1803–75), dem sie freundschaftlich verbunden war, zahlreiche Druckfahnen durch und zeichnete auch für die Gesamtausgabe der Werke Robert S.s verantwortlich, die 1879-86 bei Breitkopf & Härtel erschien. 1886 gab S. eine sog. „Instruktive Ausgabe“ der Klavierwerke Robert S.s heraus, in der sie in Vortragsangaben ihre Interpretation für Schüler festschrieb.

    Zeit ihres Lebens stand S. in regem Kontakt zu vielen Musikern und namhaften Persönlichkeiten, wie z. B. Felix Mendelssohn Bartholdy, Julius Stockhausen (1826–1906), Joseph Joachim (1831–1907), Franz Wüllner (1832–1902) u. a. Am wichtigsten für S. war zweifellos die Freundschaft mit Johannes Brahms, der S. 1854-56 vielfach unterstützte und zeitweise bei ihr wohnte, woraus sich eine lebenslange vielschichtige, spätestens seit Sommer 1856 aber rein platonische Beziehung entwickelte.

    Viele Briefe aus der umfangreichen Korrespondenz, die S. manchmal mehrere Stunden am Tag beschäftigte, erschienen mit dem neu erwachten Interesse an ihrer Person seit den 1990er Jahren im Druck und geben ein genaueres Bild ihrer Persönlichkeit. Im schriftlichen Austausch mit Freundinnen und Kollegen, ihren Kindern und Enkeln zeigt S. sich als ungemein selbstdiszipliniert, ernsthaft, manchmal bis an die Grenzen der Humorlosigkeit, aber auch voller teilnehmender Fürsorge. Ihre Kraft schöpfte sie aus ihrem Künstlerdasein, in das sie sich in krisenhaften Lebenslagen flüchtete.

  • Awards

    Ehrenmitgl. d. Ges. d. Musikfreunde, Wien (1883) u. d. Royal Ac. for Music, London (1881);
    Gr. Medaille f. Kunst, überreicht durch Ks. Wilhelm II. (1889);
    Gedenktafeln in Baden-Baden, Zwickau u. Frankfurt/M., Myliusstr.;
    100-DM-Schein d. Dt. Bundesbank, 1997.

  • Works

    Weitere W Klaviersonate g-moll, 1841/42;
    Sechs Lieder op. 13, 1843, Kgn. Caroline Amalie v. Dänemark gewidmet;
    Scherzo op. 14, 1845;
    Trio f. Pianoforte, Violine u. Violoncello op. 17, 1847;
    Variationen f. Klavier über e. Thema v. Robert S. op. 20, 1854;
    Drei Romanzen op. 21 f. Klavier, 1855 (J. Brahms gewidmet);
    - Bearbb.: Robert S., Quintett f. Klavier, 2 Violinen, Viola u. Violoncello op. 44, arrangiert f. Klavier zu 4 Hd. v. C. S., 1858;
    W-Verz.:
    P.-A. Koch, C. Wieck-S. (1819-1896), Kompositionen, Eine Zus.stellung d. Werke, Lit. u. Schallplatten, 1988;
    |

  • Archival Ressources

    Nachlaß: Staatsbibl. Preuß. Kulturbes., Berlin, Musikabtlg. (Komp., Briefe); Robert-Schumann-Haus Zwickau (Tagebücher Clara Wieck u. Ehetagebücher C. S., Briefe, Progr.slg., 1299 Nummern); Teilnachlässe: Heinrich-Heine-Inst., Düsseldorf (Musikmss., Briefe); Univ.bibl. Frankfurt/M. (Briefe, Programme);|

  • Primary Sources

    Qu F. Wieck, Clavier u. Gesang, Didaktisches u. Polemisches, 1853; J. Joachim, Briefe v. u. an Joseph Joachim, hg. v. Johannes Joachim u. A. Moser, 3 Bde., 1911-13; C. S. u. Johannes Brahms, Briefe aus d. Jahren 1853-1896, hg. v. B. Litzmann, 2 Bde., 1927, Nachdr. 1989; C. S., Nachlaß, Briefe aus d. Jahren 1838-1896, Kat. zus.gestellt v. U. Hertin-Loeser, Staatsbibl. Preuß. Kulturbes., Berlin, 1981; C. u. Robert S., Briefwechsel, Krit. Gesamtausg., hg. v. E. Weissweiler, 3 Bde., 1984-2001; Mein liebes Julchen, Briefe v. C. S. an ihre Enkeltochter Julie S., hg. v. D.-R. Moser, 1990; C. S. „Das Band d. ewigen Liebe“, Briefwechsel mit Emilie u. Elise List, hg. v. E. Wendler, 1996; „… daß Gott mir ein Talent geschenkt“, C. S. s Briefe an Hermann Härtel u. Richard u. Helene Schöne, hg. v. M. Steegmann, 1997; Alltag u. Künstlertum, C. S. u. ihre Dresdner Freundinnen Marie v. Lindeman n. Emilie Steffens, nach d. Quellen hg. v. R. Brunner, 2005; C. S., Blumenbuch f. Robert 1854-1856, hg. v. G. Nauhaus, 2006 (mit Faksimile); C. S., Jugendtagebücher (1828–1840), hg. v. G. Nauhaus u. N. B. Reich (in Vorbereitung).

  • Literature

    ADB 54;
    B. Litzmann, C. S., Ein Künstlerleben nach Tagebüchern u. Briefen, 3 Bde., 1902–08, Nachdr. 1971;
    M. Wieck, Aus dem Kreise Wieck-S., 1912;
    Eugenie Schumann, Erinnerungen, 1925;
    B. Borchard, Robert S. u. Clara Wieck, Bedingungen künstler. Arbeit in d. ersten Hälfte d. 19. Jh., 1985;
    dies., C. S., ihr Leben, 1991 (P);
    N. B. Reich, C. S., The artist and the woman, 1985, ²2001, dt. u. d. T. C. S., Romantik als Schicksal, 1991 (W-Verz., P);
    E. Weissweiler, C. S., Eine Biogr., 1990 (P);
    J. Klassen, C. Wieck-S., Die Virtuosin als Komponistin, Studien zu ihrem Werk, 1990;
    dies., C. S., Musik u. Öffentlichkeit, 2005;
    „Ich fahre in mein liebes Wien“, C. S., Fakten, Bilder, Projektionen, hg. v. E. Ostleitner u. U. Simek, 1996 (P);
    C. de Vries, Die Pianistin C. Wieck-S., Interpretation im Spannungsfeld v. Tradition u. Individualität, 1996;
    C. S. 1819-1896, Ausst.kat., hg. v. I. Bodsch u. G. Nauhaus, 1996 (P);
    C. S., Komponistin, Interpretin, Unternehmerin, Ikone, hg. v. P. Ackermann u. H. Schneider, 1999;
    M. Steegmann, C. S., 2001 (P);
    F. Preiss, Der Prozeß, C. u. Robert S.s Kontroverse mit F. Wieck, 2004;
    Riemann;
    MGG;
    New Grove;
    New Grove²;
    MGG² (W, Qu, L, P).

  • Portraits

    Zeichnung v. Eduard Clemens Fechner, Paris 1832 (Zwickau, Robert-Schumann-Haus), Abb. in: N. B. Reich (s. L);
    Lith. v. Andreas Staub, Wien 1838 (ebd.), danach Abb. auf d. 100-DM-Schein, 1997;
    Doppelportrait C. u. Robert S. am Piano, Daguerrotypie v. Joh. Anton Völlner, Hamburg 1850;
    farbige Pastellzeichnung v. F. Lenbach, München 1878;
    Marmorbüste v. Adolf v. Hildebrand, München 1885;
    C. S. sitzend, Fotogr., Elliott & Fry London, 1887 (alle drei Zwickau, Robert-Schumann-Haus), Abb. in: M. Steegmann (s. L), S. 135;
    C. S. im Sessel, 3 Fotogrr. v. E. Hanfstaengl, Frankfurt/M. 1894;
    Bronzebüste v. Friedrich Hausmann, 1896 (Frankfurt/M., Stiftung Dr. Hoch's Konservatorium, alle abgeb. in: C. u. Robert S., Zeitgenöss. Porträts, Ausst.kat., hg. v. B. R. Appel u. a., 1994.

  • Author

    Marion Brück
  • Citation

    Brück, Marion, "Schumann, Clara" in: Neue Deutsche Biographie 23 (2007), S. 746-749 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11861164X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographical Presentation

    Schumann: Clara Sch., hervorragende Pianistin, ist am 13. September 1819 in Leipzig als Tochter des Musikpädagogen und Clavierhändlers Frdr. Wieck geboren, der ihr erster und einziger Lehrer im Clavierspiel wurde und ihr ungewöhnliches Talent mit unermüdlicher Geduld und mit hohem musikalischen Verständniß entwickelte und zur Reife brachte. Am 20. October 1828 trat Clara zum ersten Mal in die Oeffentlichkeit, im Leipziger Gewandhaus, in einem Concert, das Ernestine Perthaler gab. (Fünfzig Jahre später feierte sie an demselben Ort das Jubiläum ihres ersten Auftretens, wobei ihr die Direction des Gewandhauses einen goldenen Lorbeerkranz überreichte. Vgl. Briefwechsel Brahms-v. Herzogenberg, Berlin 1907. I, 78.) Nachdem sie sich in Dresden in Privatkreisen hatte hören lassen, gab sie am 8. November 1830 im Gewandhaus in Leipzig ihr erstes selbständiges Concert mit Stücken von Herz, Kalkbrenner, Czerny und eigenen Variationen über ein Originalthema. „Die ausgezeichneten, sowohl in ihrem Spiele, als in ihren Compositionen bemerkbaren Leistungen der jungen Künstlerin rissen zu allgemeiner Bewunderung hin und errangen ihr den größten Beifall“, berichtet die Leipziger Zeitung darüber. Nach einem Concert in Dresden, das ebenso günstig verlief, faßte Wieck Muth zu einer größeren Kunstreise mit seiner Tochter, die über Weimar, wo Goethe die jugendliche Virtuosin sehr auszeichnete, Erfurt, Gotha, Arnstadt, Kassel, Frankfurt nach Paris führte. Ueberall gab es große Anstrengung und manche Verdrießlichkeit, aber allenthalben erregten|Clara's Leistungen auch Enthusiasmus. Im Mai 1832 kehrten sie wieder nach Leipzig zurück.

    1830 schon war Robert Schumann in den Gesichtskreis Clara's getreten. Er wohnte anfangs bei Wieck; seine ersten Compositionen, wie die Papillons, fanden bei Clara verständnißvolle Bewunderung, während der geniale junge Componist in Herloßsohn's „Kometen“ mit hohen Worten von Clara's Spiel sprach; und als er die „Neue Zeitschrift für Musik“ herausgab, da folgten die „Schwärmbriefe an Chiara“, die mit phantastischem Ueberschwang die poetische Bedeutung der Clavierspielerin Clara Wieck feierten. Es ist bekannt, daß Robert Schumann ein stilles Verlöbniß mit Ernestine van Fricken eingegangen war, aber schon 1835 hatte er sich wieder von ihr gelöst, da sein Herz Clara Wieck gehörte, und im November erlangte er von ihr das Geständniß der Gegenliebe. Von nun an beginnt das vollständige, seelische In- und Miteinanderleben des Künstlerpaares, ein geistiges Einssein, wie es kaum noch zwischen zwei Menschen dagewesen ist, ein Herzensbund, der am 12. September 1840 zur harmonischsten Ehe führte.

    Doch ehe es dahin kam, waren noch viele Schwierigkeiten zu überwinden, die hauptsächlich von Clara's Vater ausgingen. Er war ein entschiedener Gegner des Verlöbnisses seiner Tochter mit Robert Schumann, und ließ kein Mittel unversucht, die Beiden von einander zu trennen. Nachdem er zuerst vorgeschützt hatte, das Einkommen Schumann's reiche nicht aus, einen Hausstand sicher zu begründen, machte er später immer neue grundlose Einwände und verstieg sich zuletzt sogar zu der Behauptung: Schumann sei ein Gewohnheitstrinker! Man kann sich das Verhalten Wieck's nur aus zwei Motiven erklären. Einmal sah er, daß Clara durch ihre Concerte viel Geld verdiente, und da er selbst in seiner Jugend mit harter Armut schwer gerungen hatte, so hoffte er, Clara werde sich ein Vermögen erwerben, um später von gesichertem Besitz aus ruhig in die Zukunft blicken zu können. Nun mochte er fürchten, daß dieser Erwerbsproceß durch die Ehe unterbunden würde und wollte das verhindern, hoffte vielleicht auch auf eine andere glänzende Verheirathung der berühmt gewordenen Tochter. Dann aber: er hatte zehn Jahre Lebensarbeit an die Tochter gewandt, und wenn nicht alles täuscht, unterschätzte er die ursprüngliche Naturanlage und hielt das, was Clara leistete, ausschließlich für das Resultat seiner Pädagogik. Er sah ihre Künstlerschaft sozusagen als sein Eigenthum an, die Clavierspielerin Clara als sein, nur sein Geschöpf, und es mag zuerst, da er bemerkte, daß dies Geschöpf nun auf einmal sein Schicksal selbst bestimmen, eigene Wege gehen und seiner Macht entlaufen wollte, eine Art fassungsloser Bestürzung sich seiner bemächtigt haben, die dann, als er sah, daß all sein Widerstreben vergeblich war, in eine unbeschreibliche Wuth umschlug. Väterliche Bedenklichkeit, verletzte Eigenliebe, wahrer Schmerz eines gekränkten Herzens, kleinlicher Aerger — alles dies hat sich vielleicht gemischt und in ihm gewirkt, da er sein Kind mit blindem Haß verfolgte. Er hat dadurch viel Leid und Schmerzen über Robert und Clara gebracht und ihnen Jahre — die Jahre reinsten Glückes hätten sein können — verbittert und verdorben. Schumann hat das auch nie verwunden, und selbst später, als Wieck dem Ehepaar wieder versöhnlich näher getreten war, blieb das Verhältniß zwischen beiden ein rein äußerlich conventionelles; auch waren ja die Charaktere und die künstlerischen Anschauungen Beider zu verschieden, als daß sich eine wirklich herzliche Zuneigung hätte herausbilden können.

    Inzwischen hatte Clara auch ihr Compositionstalent gepflegt. Bereits 1831 war ihr erstes Werk, vier Polonaisen, veröffentlicht, dem bald andere|folgten, 1835 spielte sie sogar ein eigenes Clavierconcert mit Orchester im Gewandhaus. Der Thomascantor Weinlig und Heinrich Dorn, Richard Wagner's und Schumann's Compositionslehrer, wurden auch die ihrigen, und wenn sie später einmal von sich sagt (1839): „Ich glaubte einmal das Talent des Schaffens zu besitzen, doch von dieser Idee bin ich zurückgekommen, ein Frauenzimmer muß nicht componiren wollen, — es konnte es noch keine; sollte ich dazu bestimmt sein? Das wäre eine Arroganz, zu der mich bloß der Vater einmal in früherer Zeit verleitete“, so hat sie doch eine ganze Reihe von Werken geschaffen (auch nach ihrer Verheirathung), die sich zwar nicht durch eine tiefe Ursprünglichkeit, wohl aber, von den ersten, ganz unreifen, abgesehen, durch manchen anmuthigen Zug der Erfindung und durch Sinn für formale Feinheit auszeichnen. Das Thema ihrer Romanze op. 3 hat Schumann sogar gereizt, Variationen darüber zu schreiben (Impromptus op. 5), auch benutzte er Motive aus ihren Compositionen in seiner Fmoll-Sonate (Concert sans Orchestre), im Carneval, in den Davidsbündlern und in den Studien für den Pedalflügel.

    Von den zahlreichen Concertreisen, die Clara bis zum Jahre 1840 unternahm, ist die wichtigste die, welche sie nach Wien führte, einmal wegen der außerordentlichen Erfolge in künstlerischer Beziehung, denn trotzdem sie dem wienerischen Geschmack, der bedenklich anfing, zu verseichten, nicht entgegenkam und in ihren Concerten den dort fast ganz unbekannten Mendelssohn, Henselt, Schumann's neueste Werke und Beethoven spielte, wurde sie begeistert aufgenommen, und Grillparzer widmete ihr nach dem Vortrag der Beethoven'schen großen Fmoll-Sonate eins seiner schönsten Gedichte. Dann aber, weil sie bei dieser Gelegenheit zur k. k. Kammervirtuosin ernannt wurde (15. März 1838), eine äußere Ehrung, die ganz unerhört war für eine Ausländerin, Protestantin und so junge Künstlerin. Dann Paris (1839), wohin der erzürnte Vater sie allein hatte reisen lassen, um sie durch das Ungemach der Concertgeschäfte mürbe zu machen, was ihm auch fast gelungen wäre — doch brachte er es schließlich nur dahin, Robert und Clara fester aneinander zu binden; das that sich in dem Ultimatum kund, das beide Liebende an ihn richteten, um endlich seine Einwilligung zur Ehe zu erreichen, und als dies auch nichts fruchtete, drang Robert auf gerichtliche Entscheidung, die natürlich zu Gunsten des Paares ausfiel.

    Nach der Rückkehr aus Frankreich concertirte Clara noch in Berlin, Hamburg, Bremen, und überall suchte ihr der Haß des erbitterten Vaters Steine in den Weg zu werfen, doch über alle Anfechtung siegte ihr tapferer, treuer Sinn. An dem Tage, wo sie mit Robert vor den Altar trat, schrieb sie ernst in ihr Tagebuch: „Eine Periode meines Lebens ist nun beschlossen: erfuhr ich gleich viel Trübes in meinen jungen Jahren schon, so doch auch manches Freudige, was ich nie vergessen will. Jetzt geht ein neues Leben an, ein schönes Leben, das Leben in dem, den man über alles und sich selbst liebt, aber schwere Pflichten ruhen auch auf mir, und der Himmel verleihe mir Kraft, sie getreulich, wie ein gutes Weib, zu erfüllen.“

    Nach der Verheirathung hatten Beide anfangs „Glückes genug“. „Heute ist es ein Vierteljahr, daß wir verheirathet sind“, schreibt Clara, „wohl mein glücklichstes Vierteljahr, das ich noch erlebt habe. Ich stehe täglich in neuer Liebe zu meinem Robert auf, und scheine ich auch manchmal trübe, fast unfreundlich, so sind es nur Sorgen, deren Ursprung doch immer die Liebe zu ihm ist.“ Wurde Clara's Künstlerschaft durch Robert's Schaffenstrieb, der gerade in den ersten Jahren der Ehe besonders lebhaft war, und der Clavierübungen neben sich nicht ertrug, auch etwas in den Hintergrund gedrängt,|wenigstens was die äußere Bethätigung anbetrifft, so wuchs doch innerlich ihre Kunsterkenntniß und die Sicherheit ihres Kunstempfindens immer mehr, einestheils dadurch, daß sie sich in die Schöpfungen und die Anschauungen ihres Mannes immer tiefer einlebte, andererseits durch das intensive Studium Bach's und Beethoven's, das sie mit Robert gemeinsam betrieb, endlich durch sorgsam gewählte Lectüre, die ihren Gesichtskreis und ihre Gefühlswelt erweiterte und belebte. Schumann kränkte sich oft darüber, daß seine Frau seinetwegen ihre Uebungen aufhalten mußte, erkannte aber ebensowohl ihr inneres Wachsthum und faßt seine Beobachtungen 1842 in die Worte zusammen: „Sorge macht mir oft, daß ich Clara in ihren Studien oft hindere, da sie mich nicht im Componiren stören will .... Was freilich die tiefere musikalische Bildung betrifft, so ist Clara gewiß nicht stehen geblieben, im Gegentheil vorgeschritten; sie lebt ja auch nur in guter Musik, und so ist ihr Spiel jetzt gewiß nur noch gesunder und zugleich geistiger und zarter als früher.“

    Am 31. März 1841 bei Gelegenheit der Aufführung von Robert's B dur-Symphonie im Leipziger Gewandhaus war Clara zum ersten Mal seit ihrer Verheirathung als Clavierspielerin vor die Oeffentlichkeit getreten, und zwar mit glänzendem Erfolg. Nach dieser glücklichen Erprobung ihrer Kräfte kam ihr die Lust, sich nun öfter wieder im Concert zu versuchen, und sie unternahm Kunstreisen nach Weimar, dann nach Bremen, Oldenburg und Hamburg, bei denen Robert sie begleitete, und endlich ging Clara allein nach Kopenhagen, wo sie die angenehme Ueberraschung erlebte, daß die Werke ihres Mannes überall bekannt und geschätzt waren.

    Nach der Aufführung von Schumann's „Paradies und Peri“ (4. December 1844) führte das Ehepaar einen längst gehegten Plan aus und unternahm eine Reise nach Rußland (1844). Ueber Berlin und Königsberg ging die Fahrt nach Riga, Mitau, Dorpat, von dort nach Petersburg und Moskau, und nach vier Monaten waren sie wieder in der Heimath. Clara hatte der Ausflug große Erfolge gebracht, konnte doch Robert von Petersburg aus an Wieck schreiben, daß bei andern Künstlern, sogar bei Liszt, die Theilnahme immer abgenommen, bei ihr dagegen sich immer gesteigert hätte. Bald nach der Rückkehr erfolgte bei Schumann ein vollständiger Zusammenbruch, ein Versagen der Nerven, das ihm jede Arbeit unmöglich machte. Ein Aufenthalt in Dresden brachte Erholung, und aus dem kurzen Besuch wurde schließlich eine dauernde Niederlassung: am 13. December 1845 siedelten Robert und Clara Schumann nach der sächsischen Residenz über.

    Trotzdem Robert nun hier in der Direction eines Männergesangvereins und eines gemischten Chors eine Beschäftigung fand, die ihn von Innen nach Außen lenkte und ihm mancherlei Anregungen gab, so behagte Beiden doch die Stadt, das Leben und das im Vergleich zu Leipzig ärmliche Musiktreiben dort gar nicht, sie sehnten sich nach einem größeren Wirkungskreis in verständnißvollerer Umgebung. 1846 versuchte Clara, in Wien festen Fuß zu fassen, aber man verhielt sich dort, wo man sie vor neun Jahren überschwänglich gefeiert hatte, ziemlich kühl gegen sie, und enttäuscht kehrten sie und Robert über Berlin, wo „Paradies und Peri“ recht schlecht aufgeführt wurde, nach Dresden zurück. Bis 1849 erlebte Clara vier Mal Mutterfreuden, und ziemlich gedrückt, weil die Kinder sie von der pianistischen Arbeit sehr viel abhielten, vertraut sie dem Tagebuch den Seufzer an: „Robert sagt, Kinder sind Segen, und er hat recht, denn ohne Kinder ist ja auch kein Glück, und so habe ich mir denn vorgenommen, mit möglichst heiterm Gemüth der nächsten schweren Zeit ins Auge zu sehen. Ob es immer gehen wird, das weiß ich|nicht.“ Das Jahr 1849 brachte mit dem Dresdener Maiaufstand viel Unruhe ins Haus, brachte aber auch das Angebot für Robert, an die Stelle des scheidenden Ferdinand Hiller als städtischer Musikdirector in Düsseldorf zu treten, was nach einigem Zögern angenommen wurde. Vor dem Umzug nach dem Rhein concertirte Clara noch in Hamburg, Bremen und Altona und spielte auch am 24. Juni 1850 in einem Cuncert zu Ehren Spohr's im Gewandhaus, einen Tag vor der Aufführung der „Genoveva“ im Leipziger Stadttheater Robert's A moll-Concert und am 2. September 1850 kamen sie in ihrem neuen Bestimmungsort an.

    Die Stellung in Düsseldorf brachte ja für Schumann viel Kränkendes, er war ihren Aufgaben nicht gewachsen und wurde halb aus dem Amte gedrängt, aber auch viel Freudiges erlebte das Künstlerpaar in dieser Zeit. Dazu gehört die Reise nach Holland, die dem schöpferischen Genius wie seiner Interpretin Beweise verstehender Liebe und Ehrungen in Fülle eintrugen; dann fiel der junge Brahms wie ein Meteor in Schumann's stilles Heim, und Josef Joachim vereinigte sich mit den Freunden zu herrlichem Musiciren. Aber schon bereitete sich unter düstern Anzeichen die Katastrophe vor: Robert's umnachteter Geist trieb ihn in den Rhein, und über zwei Jahre später, am 29. Juli 1856 starb er in Endenich bei Bonn.

    In der Art, wie Clara das Ungeheure ertrug, zeigt sich nun die ganze Seelengröße und Charakterstärke dieser zarten Frau, die keinen Augenblick zögerte, die Sorge für den kranken Mann und sechs Kinder auf die eigenen Schultern zu nehmen. In ihrem Tagebuch beklagt sie sich über ihre Freundinnen, die „fromm redeten“ und vom Herrn Jesu schrieben, und fährt fort: „Für mich kann die Frömmigkeit nicht in dieser Art zu denken und zu thun [den ganzen Tag heilige Bücher lesen] bestehen. Ich suche meine Pflichten zu erfüllen, suche mein Unglück zu tragen, so gut ich es kann, aber nicht durch Beten und Lesen heiliger Bücher, sondern durch Thätigkeit und das Wirken für andere! Darin finde ich die Kraft und den Muth, noch zu leben, überhaupt.“ Und wie eine Heldin kämpfte sie nun um ihre Existenz, wies Unterstützungen, die ihr von allen Seiten angeboten wurden, standhaft zurück, zog concertirend durch Nord- und Süddeutschland, ging auch nach England, und hatte nach dem Hinscheiden Robert's wenigstens die Genugthuung, zu sehen, daß trotz aller Ausgaben, welche die beiden letzten Jahre gebracht hatten, ihr kleines Capital sich noch vermehrt hatte.

    Ihren dauernden Aufenthalt nahm Frau Sch. nun zuerst in Berlin — einestheils, weil ihre Mutter, die von Friedrich Wieck geschieden und in zweiter Ehe mit dem Musiklehrer Bargiel verheirathet war, dort lebte; sie hatte der Tochter während ihrer Conflicte mit dem Vater liebevoll zur Seite gestanden und half ihr auch jetzt, so viel sie konnte. Dann aber mochte die Nähe des treuen Freundes Josef Joachim's für die Wahl Berlins mitgesprochen haben, die Aussicht, mit diesem unvergleichlichen Meister der Geige oft zusammenwirken zu können. Von 1863 bis etwa 1874 wurde Baden-Baden ihr Hauptquartier und 1878 folgte sie einem Rufe nach Frankfurt als Hauptlehrerin für Clavierspiel am Hoch’schen Conservatorium, eine Stellung, die sie bis 1892 inne hatte. Als Lehrerin hat sie aber auch dann noch segensreich weiter gewirkt bis zu ihrem Tode am 19. Mai 1896.

    Die Bedeutung Clara Schumann's liegt nicht in ihren Compositionen, sondern in ihrem Clavierspiel. Als „Königin der Clavierspielerinnen“, wie sie Bülow einmal nennt, hat sie ein Vorbild geschaffen für die reproducirende Clavierkunst, wie es etwa Joachim für das Violinspiel aufgestellt hat, und ihre sehr zahlreichen Concertreisen nach dem Jahre 1856, die auch nur anzudeuten unmöglich ist, haben außerordentlich viel dazu beigetragen, in weiten Kreisen den Sinn für Musik in ihrer edelsten Form zu wecken, zu festigen, zu erziehen. 1827 steht von des Vaters Hand in ihrem Tagebuch geschrieben: „Wie mein Vater versichert, so habe ich jetzt bereits vielen und guten Ton auf den Flügeln, woran meine kleine, dicke, volle Hand und die Beweglichkeit meiner Finger (ohne den Ellenbogen zu gebrauchen) nicht geringen Antheil haben soll.“ Diese Angaben mögen gewiß die Qualität ihres Tones, der als schlank zwar, aber ungemein intensiv, singend und von Gefühl erfüllt geschildert wird — ich führe hier aus, was ich von J. Joachim, E. Rudorff u. A. über Clara Schumann's Spiel erfahren habe —, beeinflußt haben, was dem Spiel aber den eigentlichen Reiz gab, war, daß es immer etwas Seelisches wiederspiegelte, daß der Künstlerin das Werk, das sie interpretirte, zum eigenen Erlebniß wurde. Daraufhin war schon die musikalische Erziehung durch den Vater gerichtet gewesen. „Mein Vater läßt mich nicht musikalisch zu Tode üben, sondern bildet mit Vorsicht mich für ein seelenvolles Spiel aus“, heißt es im Tagebuch. So setzte sich die Wirkung, die Frau Sch. als Clavierspielerin ausübte, aus zwei Factoren zusammen. Auf der einen Seite sehen wir die unendliche Pietät, die sie dem Willen des Componisten gegenüber hatte: Buchstabentreue bis ins Kleinste hinein, peinlichste Befolgung jeder Vorschrift und Vortragsanweisung waren die Grundlagen ihrer Darstellung, und deshalb stand sie, bei aller Bewunderung für die hinreißende Genialität Liszt's, seinem Clavierspiel, soweit es sich nicht um seine eigenen Schöpfungen handelte, mit Reserve gegenüber, denn seine Willkür, der eine Veränderung des Textes nichts Wesentliches bedeutete, war ihrer Ehrfurcht vor den Absichten genialer Tondichter im Innersten unsympathisch. Auf der anderen Seite aber vermochte sie nun dem treu erfaßten Texte ihre eigene Empfindung zu leihen und ihm erst dadurch volles Leben zu geben. Sie sah immer auf das Wesentliche, auf den Sinn und Geist des Stückes, das sie darstellte und verschmolz, ohne jemals sich selbst virtuosisch vorzudrängen, das Fremde so völlig mit ihrem eigenen Geist und Gefühl, daß ein neues künstlerisches Gebilde unter ihren Fingern zu entstehen schien. So gehörte ihr Clavierspiel zu den höchsten Erscheinungen, die in der reproducirenden Kunst jemals dagewesen sind.

    Folgendes sind die Compositionen Clara Schumann's (nach Dr. V. Joß, Der Musikpaedagoge Friedrich Wieck und seine Familie, Dresden 1902, S. 219 ff. und Grove, A Dictionary of Music and Musicians, London 1883, Bd. III, S. 424):

    Op. 1: Quatre Polonaises (Hofmeister, Leipzig). Op. 2: Caprices, en forme de Valses (ebd.). Op. 3: Romance variée (ebd.). Op. 4: Valses Romantiques (ebd.). Op. 5 und 6: Soirées musicales (ebd.). 10 Pièces caractéristiques (ebd.). Op. 7: Premier Concert pour le Piano-Forte avec Accompagnement d'Orchestre ou de Quintuor (ebd.). Op. 8: Variations de Concert p. l. Piano-Forte sur la Cavatine du Pirate de Bellini (Vienne chez Tobie Haslinger). Op. 9: Souvenir de Vienne. Impromptu (Ant. Diabelli et Comp., Vienne). Op. 10: Scherzo (Leipsic chez Breitkopf & Härtel). Op. 11: Trois Romances (Vienne chez Pietro Mechetti). Op. 12: Zwölf Gedichte aus Rückert's „Liebesfrühling“ für Gesang und Pianoforte von Robert und Clara Schumann. (Zwei Hefte.) Nr. 2, 4, 11 rühren von Clara her (Breitkopf & Härtel, Leipzig). Op. 13: 6 Lieder (ebd.). Op. 14: Deuxième Scherzo (ebd.). Op. 15: Quatre Pièces Fugitives (ebd.) Op. 16: Drei Praeludien und Fugen (ebd.). Op. 17: Trio für Pianforte, Violine und Violoncello (ebd.). Op. 18 und 19 sind nicht erschienen. Op. 20:|Variationen über ein Thema von Robert Schumann (Breitkopf & Härtet). Das Thema stammt aus den „Bunten Blättern“, op. 99 Nr. 4 und ist auch von Brahms in seinem op. 9 zu Variationen benutzt. Op. 21: Drei Romanzen (ebd.). Op. 22: Drei Romanzen für Pianoforte und Violine (ebd.). Op. 23: 6 Lieder für eine Singstimme. Aus Rollet's „Jucunde“ (ebd.).

    Ohne Opuszahl: Cadenzen zu Beethoven's Clavier-Concerten in C moll und G dur von Clara Schumann (Leipzig und Winterthur, J. Rieter-Biedermann). 2 Cadenzen zu Mozart's Clavier-Concert in D moll. 30 Melodies de Robert Schumann pour Piano (Paris, Maison Flaxland, Durand Schoenewerk & Co. Ferner hat Clara die Fingerübungen aus Czerny's Clavierschule herausgegeben, die Gesammtausgabe von Robert Schumann's Werken revidirt und die Jugendbriefe Robert Schumann's veröffentlicht.

    • Literature

      Vgl. Clara Schumann. Nach Tagebüchern und Briefen von Berthold Litzmann. Leipzig, Bd. I 1902 (1819—1840), Bd. II 1905 (1840—1856). — Ueber Clara Schumann's Compositionen: Dr. R. Hohenemser in „Die Musik“, Berlin 1905/6, Heft 20 und 21.

  • Author

    Carl Krebs.
  • Citation

    Krebs, Carl, "Schumann, Clara" in: Allgemeine Deutsche Biographie 54 (1908), S. 262-268 [online version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11861164X.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA