Lebensdaten
1891 – 1976
Geburtsort
Kassel
Sterbeort
Tübingen
Beruf/Funktion
Historiker
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118749943 | OGND | VIAF: 9931648
Namensvarianten
  • Rothfels, Hans
  • Rothfels, H.

Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Rothfels, Hans, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749943.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    Aus seit 1516 im Raum Würzburg, Bamberg u. Freiburg (Br.) bezeugter jüd. Fam. Rothschild; deren seit 1792 in K. ansässiger Zweig, d. im Bankwesen tätig war, änderte 1840 d. Namen v. Rothschild zu Rothfels;
    V Max ( 1935), RA u. Notar in K., JR, Vorsteher d. Judengde. in K., S d. Jeremias (1800–73), Math., Mitarb. v. Gauss in Göttingen, dann Privatgel. in K. (s. Wininger);
    M Clara Wallach (1862–1914), aus Kaufmannsfam. in K;
    1) Berlin 1918 Hildegard Elisabeth Consbruch (1893–1961), aus Münster (Westfalen), 2) Königstein (Taunus) 1963 Adelaide (Ada) (* 1921), T d. Erich Frhr. v. dem Bussche-Ippenburg (1878–1957), aus Naumburg, Gen. d. Art., bis 1933 Chef d. Heerespersonalamts (s. Wi. 1935), u. d. Marie Harnier (1885–1964);
    3 S (1 früh ⚔) Klaus (* 1919), emigrierte 1938 über Großbritannien nach Kanada, Prof. d. Botanik an d. Univ. Toronto, John (eigtl. Hans-Jürgen) (* 1921), emigrierte 1938 über Großbritannien in d. USA, 1 T aus 1) Ursula Königsberg (* 1920), emigrierte 1938 über Großbritannien in d. USA.

  • Biographie

    Nach dem Abitur in Kassel studierte R. seit 1909 in Berlin, Freiburg (Br.), München und Heidelberg Geschichte, wobei er prägende Eindrücke durch seinen wichtigsten Lehrer, Friedrich Meinecke, und dessen ideengeschichtliche Methode empfing. Nach Weltkriegseinsatz und schwerer Verwundung wurde R., der auch bei Otto Hintze studiert hatte, 1918 mit einer Studie über Glausewitz bei Hermann Oncken in Heidelberg promoviert. Seit 1920 arbeitete er im Auftrag des Reichsarchivs an einem Projekt über die Bismarcksche Sozialpolitik. Die Bismarck-Thematik trat 1923 mit seiner Habilitation in Berlin in den Mittelpunkt seines Schaffens (Bismarcks engl. Bündnispolitik, gedr. 1924; Gutachter: F. Meinecke u. E. Marcks). Wiewohl diese Schrift auch als Kritik an der Politik der wilhelminischen Epoche verstanden wurde, blieb R. stets Repräsentant preuß. Traditionen und der bürgerlichen Rechten, der zwar ebenso wie Vertreter aus allen politischen Lagern den Versailler Vertrag bekämpfte, aber noch auf dem Boden der Weimarer Verfassung blieb. Denn er bemühte sich, wie er noch 1929 brieflich äußerte, die „Studentenschaft in eine positiv-staatliche Linie zu stellen“. In den folgenden Krisenjahren trat eine Radikalisierung seiner politischen Positionen ein. Sein politisches Engagement trat insbesondere in der Zeit seines Ordinariats in Königsberg 1926-34 hervor. In Studien, Lehrveranstaltungen und besonderen Arbeitskreisen zur balt. Geschichte befaßte er sich mit politischen Traditionen und aktuellen Nationalitätenproblemen in Ostmitteleuropa mit dem Ziel der Erarbeitung von Zukunftsperspektiven auf der Basis korporativer Lösungen. In Anlehnung an die als vorbildhaft empfundene estländ. Politik einer Kulturautonomie für ethnische Minderheiten schien eine Brücke von der korporativen Struktur älterer balt. Landesstaatlichkeit in eine Zukunft möglich. R. arbeitete heraus, daß schon Bismarck das Nationalitätsprinzip für Ostmitteleuropa nicht angewandt habe. Trotz radikalisierender Rhetorik, was die Führungsrolle der Deutschen in Ostmitteleuropa anging, lehnte R. Gewalt und das Instrument der Vertreibungen ausdrücklich ab. Im Unterschied zu jüngeren Historikern hielt er primär an der Kategorie des Staates fest, was ihn von „volksgeschichtlichen“ Programmen unterschied. Trotz seiner dezidiert nationalen bis nationalistischen und elitenbezogenen Konzeptionen wurde R. Opfer der nationalsozialistisch-antijüd. Politik (Scheinversetzung 1934, Entpflichtung 1935). 1938 kurzfristig verhaftet, verließ er Deutschland knapp vor Kriegsausbruch.

    Nach der Internierung in England ging R. als Gastprofessor in die USA (Brown Univ., Providence) und nahm 1946 einen Ruf nach Chicago an, suchte aber sehr bald den Kontakt zu früheren Freunden und Kollegen in Deutschland. Sein kleines Werk „The German Opposition to Hitler“ (1948, dt. zuerst 1949) war eine politische und eine wissenschaftliche Sensation. Der „bekennende Konservative“ (H. A. Winkler) legte damit ein lange Zeit viel beachtetes Standardwerk vor, das einerseits der politischen Verfemung des militärischen Widerstands als „Verrat“ entgegentrat und andererseits der These einer Kollektivschuld widersprach. Seine Interpretation Bismarcks, die er auf dem ersten dt. Nachkriegs-Historikertag 1949 in Anknüpfung an seine früheren Thesen mit großer Wirkung vortrug, stabilisierte nationalgeschichtliche Traditionen über politische Zäsuren. Das Erbe insbesondere von Ranke und Meinecke hat R., angereichert durch Erfahrungen aus dem amerik. Exil, der geschichtswissenschaftlichen Arbeit zugrundegelegt, die er, nach Ablehnung von Rufen aus Heidelberg und Erlangen, seit 1950/51 als Nachfolger Rudolf Stadelmanns von Tübingen aus leistete. Nicht ein großes Alterswerk, sondern geschichtspolitisches Wirken, umfassende Vortrags- und Herausgebertätigkeit prägten das letzte Vierteljahrhundert R.s. Er legte programmatische Grundlagen für das Fach der Zeitgeschichte, gehörte 1953-76 zu den Herausgebern der „Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte“ und betreute u. a. die „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa“ (1951-63/69); 1958-62 war er Vorsitzender des Dt. Historikerverbandes. Linksliberalen Tendenzen in der Nachkriegs-Historiographie stand er kritisch gegenüber, förderte freilich bedeutende Schüler mit abweichenden (geschichts-)politischen Präferenzen und unterstützte in den 1970er Jahren die Ostpolitik Willy Brandts. Der einflußreiche politische Historiker stand jedoch in seinen beiden letzten Lebensjahrzehnten zu fest auf der Basis älterer Traditionen, als daß er teilgenommen hätte etwa an theoriegeleiteten Innovationen und methodologischen Diskussionen. Seine Beiträge zu Problemen der Nationen, des Nationalismus und der ostmitteleurop. Geschichte behalten, jenseits volkstumszentrierter Rückständigkeiten, Bedeutung für eine europ. geweitete Perspektive dt. Historiographie. Sein politischer Weg wird strittig diskutiert; dabei geht es u. a. um seine Nähe zu jungkonservativen Kreisen und um die Frage des Verhältnisses seiner historischen und politischen Positionen zu völkischen Programmen, jedenfalls während seiner Königsberger Jahre. – Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1961); Dr. iur. h. c. (Freiburg. Br. 1961); korr. Mitgl. d. Göttinger Ak. d. Wiss. (1949); o. Mitgl. d. Heidelberger Ak. d. Wiss. (1958/59); Mitgl. d. American Hist. Ass.; Gr. BVK (1961, mit Stern 1964).

  • Werke

    Weitere W Carl v. Clausowitz, Pol. u. Krieg. Eine ideengeschichtl. Studie, 1920, Neudr. 1980;
    Carl v. Clausewitz, Pol. Schrr. u. Briefe, 1922;
    Bismarcks engl. Bündnispol., 1924;
    Otto v. Bismarck, Dt. Staat, Ausgew. Dok., 1925 (mit Einl. v. R.), spätere Ausgg. u. d. T.: Bismarck u. d. Staat, ⁵1969;
    Theodor Lohmann u. d. Kampfjahre d. staatl. Soz.pol. (1871–1905), 1927;
    Staat u. Nation in d. Gesch. Dänemarks, in: Auslandsstudien 3, 1928, S. 96-117;
    Das balt. Dt.tum in Vergangenheit u. Gegenwart, ebd. 7, 1932, S. 37-61;
    Die Universitäten u. d. Schuldspruch v. Versailles (…), Eine ungehaltene akad. Rede, 1929;
    Reich, Staat u. Nation im dt.-balt. Denken, 1930;
    Ideengesch. u. Parteigesch., in: DVjS 8, 1930, S. 753-86;
    Bismarck u. d. Osten, 1934;
    Der Vertrag v. Versailles u. d. dt. Osten, Sonderdr. 1934;
    Ostraum. Preußentum u. Reichsgedanke, Hist. Abhh., Vortrr. u. Reden, 1935 (Slg. kleinerer, f. d. Königsberger Zeit wichtiger Btrr., z. T. programmatisch-pol. Charakters);
    Theodor v. Schön, Friedrich Wilhelm IV. u. d. Rev. v. 1848, 1937;
    Frontiers and Mass Migrations in Eastern Central Europe, in: The Review of Politics 8, 1946, S. 37-67;
    1848, Betrachtungen im Abstand v. hundert J., engl. 1948, dt. 1972;
    Ges.form u. ausw. Pol., 1951;
    Grundsätzliches z. Problem d. Nationalität, in: HZ 174, 1952, S. 339-58;
    Zeitgesch. als Aufgabe, in: VfZ 1, 1953, S. 1-8 (Progr.);
    Bismarck-Briefe, 1955;
    Zeitgeschichtl. Betrachtungen, Vortrr. u. Aufss., 1959;
    Bismarck, d. Osten u. d. Reich, 1960, ²1962;
    Die Gesch. wiss. in d. dreißiger Jahren, in: Dt. Geistesleben u. NS, Eine Vortragsreihe, 1965, S. 90-107 (auch autobiograph. wichtig);
    Bismarck, Vortrr. u. Abhh., 1970;
    W-Verz. (beide unvollständig):
    W. Köllmann, in: FS f. H. R., hg. v. W. Conze, 1951, S. 409-15 (P);
    besser: B. Mann, in: Aufss. H. R. z. Gedächtnis, hg. v. W. Benz u. H. Graml, 1976, S. 287-304; W-Auswahl:
    Fünfunddreißig J. Forsch. über Ostmitteleuropa, Veröff. d. Mitgll. d. J. G. Herder-Forsch.rates 1950-1984, 1985, S. 274 f.

  • Literatur

    SB d. Heidelberger Ak. d. Wiss. 1958/59, 1960, S. 27-30;
    H. Mommsen, Gesch.schreibung u. Humanität, Zum Gedenken an H. R., in: Benz/Graml (s. o.), S. 9-27;
    ders., in: Dt. Historiker, hg. v. H.-U. Wehler, IX, 1982, S. 127-47;
    W. Benz, H. R. u. d. Problem d. dt. Ostgrenzen n. d. Zweiten Weltkrieg, in: ders. (Hg.), Miscellanea, FS f. Helmut Krausnick z. 75. Geb.tag, 1980, S. 192-213;
    W. Conze, in: HZ 237, 1983, S. 311-60;
    H. Lehmann u. J. J. Sheehan (Hg.), An Interrupted Past, 1991;
    H. Lehmann u. J. van Horn Melton (Hg.), Paths of Continuity, 1994;
    W. Neugebauer, H. R. als pol. Hist. d. Zw.kriegszeit, in: P. Drewek u. a. (Hg.), Ambivalenzen d. Päd. (…), FS Harald Scholtz z. 65. Geb.tag, 1995, S. 169-83;
    ders., H. R.s Weg z. vgl. Gesch. Ostmitteleuropas, bes. am Übergang v. früher Neuzeit zur Moderne, in: Berliner Jb. f. osteurop. Gesch. 1996/1, S. 333-78;
    H. Graml u. H. Woller, Fünfzig J. VfZ 1953-2003, in: VfZ 51, 2003, S. 51-87;
    R. Hohls u. K. H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen, 2000;
    I. Haar, Historiker im NS, 2000;
    dagegen: H. A. Winkler, H. R., ein Lobrednur Hitlers?, Qu.krit. Bemerkungen zu Ingo Haars Buch, in: VfZ 49, 2001, S. 643-52;
    I. Haar. Qu.kritik oder Kritik d. Quellen?, ebd. 50, 2002, S. 497-505;
    H. A. Winkler, Gesch. wiss. oder Gesch.klitterung? Ingo Haar u. H. R., Eine Erwiderung, ebd. 50, 2002, S. 635-52;
    Tagungsbd. d. IfZ, 2003;
    K. Borgmann (Hg.), H. R. u. d. Zeitgesch., 2004;
    Altpreuß. Biogr. IV;
    BHdE II;
    DBE;
    Baden-Württ. Biogrr. I.

  • Quellen

    Qu BA Koblenz, Nachlaß 213 (1213); Geh. StA Preuß. Kulturbes., I. Hauptabt., Rep. 76 (Kultusmin.), Nachlässe Meinecke u. Brackmann; Humboldt-Univ., Berlin, Archiv; Staatsbibl. zu Berlin, Preuß. Kulturbes., Hss.abt.

  • Autor/in

    Wolfgang Neugebauer
  • Zitierweise

    Neugebauer, Wolfgang, "Rothfels, Hans" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 123-125 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118749943.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA