Lebensdaten
1893 – 1965
Geburtsort
Osterode (Harz)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Schauspieler
Konfession
keine Angabe
Namensvarianten
  • Wernicke, Otto Karl Robert
  • Wernicke, Otto
  • Wernicke, Otto Karl Robert
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Zitierweise

Wernicke, Otto, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz140748.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Theodor Friedrich (1855–1909), Buchhalter, Brauereidir. in O., S d. Friedrich-Wilhelm (* 1821) u. d. Susanne Marie Vo(l)lrath (* 1822);
    M Bertha Friederike (1863–1922), kurzzeitig Schausp., zuletzt in Leipzig, T d. Ernst Robert Günther u. d. Johanna Therese Schulze;
    München 1924 Janina (1901–81, ev.), T d. Wolf Rotschild (Vincenty Rotszyld) (1859–1943), Vertreter f. Badewannen, u. d. Rosa (Ruchla) Her(t)z (1864–1942 Theresienstadt), aus Tschenstochau (Częstochowa) (s. Gedenkbuch NS-Verfolgung der Juden);
    1 S Erik (* 1918 / 19), 2 T Stefanie (Steffi) (1921–2006), Annemarie (* 1925 / 27, Helmuth Buchen, 1919–2016, Rundfunksprecher in München, Schausp.), Schausp., 1948–94 Mitgl. d. Bayer. Staatsschausp. München.

  • Biographie

    W. wuchs in Bitterfeld und Leipzig auf, absolvierte nach dem Schulabschluß eine Buchhändlerlehre und nahm nebenher Schauspielunterricht bei Wilhelm Walter (1889–1974) am Leipziger Schauspielhaus. 1910 debütierte er in Erfurt, es folgten Auftritte als Angehöriger von Wanderbühnen. Für die Spielzeit 1913 / 14 in Eisenach verpflichtet, wurde er 1915 eingezogen und kam zunächst an die russ. Front, später an die Westfront; hier wurde er nach Kämpfen bei Verdun als Füselier im Dez. 1916 zum Unteroffizier befördert. Im Dez. 1918 entlassen, trat W. 1920 ins Ensemble des Theaters in Bonn ein, 1924 ging er ans Bayer. Staatsschauspiel in München. In der Uraufführung von Hugo v. Hofmannsthals Lustspiel „Der Schwierige“ verkörperte er mit norddt. Schärfe den Baron Neuhoff (Residenztheater, Premiere: 7. 11. 1921, Regie: Kurt Stieler). In Erich Engels Inszenierung von Bertolt Brechts Drama „Im Dickicht“ (Residenztheater, UA: 9. 5. 1923; zweite Fassung 1927: „Im Dickicht der Städte“) spielte er den Holzhändler Shlink und zeigte seine Fähigkeit zu schneidender Charakterisierung, äußerlich diszipliniert, innerlich explosiv. 1930 wechselte W. nach Berlin, wo er schon 1929 als Gast aufgetreten war, und war engagiert am Deutschen Theater (1930, 1935, 1938–1941), am Theater am Schiffbauerdamm (1930 / 31), an der Volksbühne (1933 / 34) und ab 1942 am Preuß.|Staatstheater unter Gustaf Gründgens (1899–1963). Zwischenzeitlich war er 1932 und 1936 / 37 wieder am Bayer. Staatsschauspiel verpflichtet.

    W., von kräftiger Statur, voluminöser Stimme, die er ins lauernd Leise verändern konnte, zuweilen auch von einer gespenstischen Verhaltenheit, galt schnell als Volksschauspieler. Im Theater am Schiffbauerdamm spielte er bei der von nationalsozialistischen Störern skandalisierten Uraufführung von Paul Kornfelds (1889–1942) Tragödie „Jud Süß“ den Herzog (UA: 7. 10. 1930, R: Leopold Jeßner). Als Maurerpolier John reüssierte er unter der Regie Heinz Hilperts (1890–1967) in Gerhart Hauptmanns „Die Ratten“ (Volksbühne, P: 8. 10. 1932), ein leidenschaftlicher Kraftkerl. Das Fach der „schweren Männer“ lag ihm. Der Regisseur Jürgen Fehling (1885–1968) besetzte ihn z. B. im April 1942 am Staatstheater in Hans Rehbergs (1901–63) historischem Drama „Heinrich und Anna“ als Heinrich VIII. (UA: 23. 4. 1942) und ein Jahr später als Warwick in George Bernard Shaws „Die heilige Johanna“ (UA: 21. 4. 1943).

    Schon in München spielte W. ab 1921 gelegentlich in Filmen mit. Er schloß Bekanntschaft mit Karl Valentin (1882–1948); mit diesem in der Hauptrolle als Friseur gab er den Inhaber des Frisiersalons in dem von Engel und Brecht inszenierten Kurzfilm „Mysterien eines Frisiersalons“ (1923). Seinen Aufstieg als Filmschauspieler begann er als Kommissar Lohmann in Fritz Langs (1890–1976) Film „M“ (1931), dabei dem Vorbild des Berliner Kriminalkommissars Ernst Gennat (1880 –1939) verpflichtet. Ruhig, jovial, von Zigarrenqualm umwölkt und mit inquisitorischer Schärfe, die unerwartet hervorstach, zeichnete er die Charakterstudie eines Mannes, der, mit Logik und der technischen Macht eines modernen Polizeiapparats ausgestattet, einen Kindermörder überführt. In Langs „Das Testament des Dr. Mabuse“ (1933) variierte er diesen modernen Typus eines Kommissars. Auch in Robert Siodmaks (1900–73) Kriminalfilm „Stürme der Leidenschaft“ war er auf diese Rolle festgelegt, dagegen besetzte ihn Max Ophüls (eigtl. Max Oppenheimer, 1902–57) als ebenso umtriebigen wie ordinären Heiratsvermittler Kezal in der Opernadaption „Die verkaufte Braut“ (1932).

    W., dessen Frau jüd. Herkunft war, konnte nur mit einer Sondergenehmigung der Reichskulturkammer arbeiten, wurde aber mit Datum des 2. 3. 1939 als „Vollgültiges Mitglied“ in die Reichstheaterkammer aufgenommen. 1934 verkörperte er in dem NS-Propagandafilm „SA-Mann Brand“ (R: Franz Seitz) den Vater Brand, einen Sozialdemokraten, der seinen Sohn, der sich der SA angeschlossen hat, verachtet, sich aber schließlich mit ihm auch politisch versöhnt. Im Verlauf seiner Filmkarriere trat W. noch in weiteren Propagandafilmen auf: 1937 in Karl Ritters (1888–1977) „Unternehmen Michael“, 1939 in dem Fliegerfilm „D III 88“ von Herbert Maisch (1890–1974) und Hans Bertram (1906–93), 1941 in Gustav Ucickys (1899–1961) „Heimkehr“ und im selben Jahr in Hans Steinhoffs (1882–1945) „Ohm Krüger“, in dem er den Kommandanten eines engl. Konzentrationslagers überzeichnete. 1942 spielte er den Oberst Rochow in Veit Harlans (1899–1964) Friedrich-Film „Der große König“, schließlich 1944 in dessen Durchhaltepropaganda „Kolberg“ einen fanatischen Bauern. Doch war W. nicht auf einen filmischen Typus festzulegen. In Robert A. Stemmles (1903–74) Film „Gleisdreieck“ (1936) etwa konturierte er einen väterlich strengen Eisenbahner, im selben Jahr die Titelfigur in der Fritz-Reuter-Adaption „Onkel Bräsig“ von Erich Waschneck (1887–1970); in Theo Lingens (1903–78) Komödie „Was wird hier gespielt?“ (1940) variierte er komödiantisch die Rolle eines Kommissars.

    Nach dem 2. Weltkrieg kehrte W. 1945 an das Bayer. Staatsschauspiel zurück und reüssierte im Charakterfach. In Inszenierungen Fehlings verkörperte er beispielhaft als Meister Anton in Hebbels „Maria Magdalene“ oder als Torvald Helmer in Ibsens „Nora“ das Gefährliche im Banalen. Nach einem Unfall bei Proben zu Ludwig Tiecks (1773–1853) „Ritter Blaubart“ am Residenztheater 1951 war W. zeitweise gelähmt und seiner Sprache verlustig. Erst 1955 konnte er wieder arbeiten, sprach Hörspiele ein und wirkte als Schauspiellehrer. Für den westdt. Nachkriegsfilm war er nur noch sporadisch tätig. In Harald Brauns (1901–60) „Zwischen gestern und morgen“ (1947) spielte er den Ministerialdirektor Trunk, einen im Nationalsozialismus verhafteten Mann. 1948 wirkte er in der Rolle eines Arztes in dem Film „Lang ist der Weg“ mit, inszeniert von Herbert B. Fredersdorf (1899–1971) und dem Holocaust-Überlebenden Marek Goldstein. In Jiddisch und Polnisch gedreht, mit dt. Untertiteln versehen, erzählt der Film vom Schicksal einer jüd. Familie, die, ins Warschauer Getto getrieben, nach Auschwitz deportiert wird, und von dem Weg des Sohnes, der fliehen kann, sich den Partisanen anschließt und in ein Lager für „displaced persons“ verschlagen wird. Regie führte W. in dem Kriminalfilm „Wer fuhr den grauen Ford“ (1950), den er auch|mitfinanzierte und in dem er als Kommissar einer jugendlichen Autobande das Handwerk legt: noch einmal sein „Lohmann“ – wuchtig und markant, hier mit pädagogischem Impetus.

  • Auszeichnungen

    |E. K. (1915?);
    Bayer. Kammerschausp. (1925).

  • Werke

    Weitere W u. a. Peter Voß, d. Millionendieb, 1932 (Regie: Ewald André Dupont), Der Tunnel, 1933 (R: Kurt Bernhardt);
    Der Herr d. Welt, 1934 (R: Harry Piel);
    Straßenmusik, 1936 (R: Hans Deppe);
    Der Katzensteg, 1937 (R: Fritz Peter Buch);
    Geheimzeichen LB 17, 1937 (R: Viktor Tourjansky);
    Johannisfeuer, 1939 (R: Arthur Maria Rabenalt);
    Heimkehr, 1941 (R: Gustav Ucicky);
    Titanic, 1943 (R: Herbert Selpin), Der Herr vom andern Stern, 1948 (R: Heinz Hilpert);
    Himmel ohne Sterne, 1955 (R: Helmut Käutner);
    Der Hauptmann v. Köpenick, 1956 (R: Helmut Käutner).

  • Literatur

    |j-n. (Walter Jerven), Interviews in München, O. W., in: Film-Kurier, Nr. 250 v. 22. 10. 1927;
    G. H. (Georg Herzberg), Zum Ensemble gehören, O. W., ebd., Nr. 198 v. 24. 8. 1940;
    H. E. Weinschenk, Unser Weg z. Theater, 1941, S. 350–79;
    H. Ihering, Von Josef Kainz bis Paula Wessely, 1942, S. 195–200;
    J. Capito, O. W., ein Ufa-Star aus Osterrode, in: Heimatbll. f. d. süd-westl. Harzrand, Nr. 60, 2004, S. 10–24;
    M. Haas, Die „Gottbegnadeten-Liste“ (BArch R 55 / 20252a), in: J. Giannini, M. Haas u. E. Strouhal (Hg.), Eine Institution zw. Repräsentation u. Macht, Die Univ. f. Musik u. darst. Kunst Wien im Kulturleben d. NS, 2014, S. 239–76;
    Cine-Graph;
    Munzinger.

  • Autor/in

    Wolfgang Jacobsen
  • Zitierweise

    Jacobsen, Wolfgang, "Wernicke, Otto" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 850-852 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz140748.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA