Lebensdaten
1790 – 1865
Geburtsort
Coburg
Sterbeort
Laeken
Beruf/Funktion
König der Belgier ; Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118571842 | OGND | VIAF: 17247514
Namensvarianten
  • Leopold Prinz von Sachsen-Coburg und Gotha
  • Leopold
  • Leopold I. der Belgier
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Zitierweise

Leopold I., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571842.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hzg. Franz v. S.-C.-Saalfeld (1750–1806), S d. Hzg. Ernst Friedrich v. S.-C.-S. (1724–1800) u. d. Prn. Sophie Antonie v. Braunschweig;
    M Auguste (1757–1831), T d. Gf. Heinrich XXIV. Reuß zu Ebersdorf (1724–79) u. d. Karoline Ernestine Gfn. v. Erbach-Schönberg;
    B Ferdinand (1785–1851), Begr. d. Linie „Kohary“ d. Hauses Coburg, Hzg. Ernst I. v. S.-C. u. G. ( 1844, s. NDB IV);
    Schw Antoinette (1779–1824, 1798 Alexander Hzg. v. Württemberg, 1771–1833), Juliane (1781–1860, 1796 Konstantin Großfürst v. Rußland), Victoria (1786–1861, 1818 Eduard Hzg. v. Kent, 1767–1820);
    - 1) London 1816 Charlotte (1796–1817), T d. Kg. Georg IV. v. Hannover, seit 1810 Prinzregent, seit 1820 Kg. v. Großbritannien u. Irland ( 1830, s. NDB VI), 2) Compiègne 1832 Louise (1812–50), T d. Kg. Louis Philippe v. Frankreich (1773–1850) u. d. Marie Amalie Prn. v. Bourbon-Sizilien;
    3 S (1 früh †), 1 T, u. a. Leopold II., Kg. d. Belgier (1835–1909), Marie Charlotte (1840–1927, Erzhzg. Maximilian, 1832–67, seit 1864 Kaiser v. Mexiko);
    N Prinzgemahl Albert ( 1861, s. NDB I), Kgn. Victoria v. Großbritannien u. Irland ( 1901), Hzg. Ernst II. v. S.-C. u. G. ( 1893, s. NDB IV), Kg. Ferdinand II. v. Portugal ( 1885, s. NDB V);
    E Stephanie (1864–1945, 1881 Erzhzg. Rudolf, 1858–89), Albert I. Kg. d. Belgier (1875–1934).

  • Biographie

    Es war dem Sproß des kleinen und verarmten Herzogtums nicht in die Wiege gelegt, daß er als König der Belgier einmal an wichtiger Stelle die europ. Politik mitgestalten sollte. 1807 bemühte sich L. zusammen mit seinem Bruder Ernst bei Napoleon vergeblich um eine Entschädigung für die Zerstörungen, die durchziehende franz. Truppen in dem neutralen Herzogtum angerichtet hatten. Ende 1812, als die ersten Gerüchte über das Scheitern von Napoleons Rußlandfeldzug eintrafen, trat er in die russ. Armee ein. Er wurde dem Stab seines Schwagers, des Großfürsten Konstantin, der die Garden befehligte, zugeteilt. Auf dem Wiener Kongreß lernte er Erzhzg. Johann und Fürst Metternich, den er sich zum Vorbild wählte, kennen. Im Sommer 1814 befand sich L. im Gefolge des Zaren Alexander I. in London. Hier begegnete er zum erstenmal Charlotte, der Tochter des Prinzregenten. Im Jan. 1816 wurde die Hochzeit der Thronerbin mit L. angekündigt; sie fand am 2.5.1816 statt. Die von den Zeitgenossen als Liebesbeziehung charakterisierte eheliche Verbindung endete schon am 6.11.1817, als Charlotte ein totes Kind zur Welt brachte und im Kindbett starb. Der frühe Tod seiner Frau beendete noch nicht L.s brit. Karriere. Er blieb am Hof und wurde dort in allen wichtigen Angelegenheiten zu Rate gezogen. Nach dem Tode Eduards von Kent (1820), des Mannes seiner Schwester Victoria, unterstützte er nicht nur finanziell die Witwe, sondern übernahm auch die Miterziehung seiner Nichte Victoria, der späteren Königin von England. In dieser Zeit entwickelte sich ein sehr enges Verhältnis zwischen Onkel und Nichte, das sich in einem intensiv geführten Briefwechsel äußerte und für den späteren König der Belgier von hoher politischer Bedeutung werden sollte. Es war nicht übertrieben, wenn sich L. in seinen Briefen einen „treuen Freund und Ratgeber“ nannte und Victoria ihrerseits von ihrem „geliebten Onkel und Vater“ sprach. L. war es auch, der zusammen mit seinen Verwandten die Vermählung Victorias mit seinem Neffen Albert betrieb.

    Eine erste Gelegenheit, sein Leben am brit. Hof gegen einen wichtigen Platz in der europ. Politik einzutauschen, ergab sich, als ihm die Griechen nach dem Unabhängigkeitskrieg die Königskrone anboten. Obwohl die brit. Whigs seine Kandidatur unterstützten, hat L. das Angebot im Mai 1830 abgelehnt. In Belgien sollte sich eine andere Gelegenheit bieten – in einem Land, das sich nach dem Aufstand gegen den niederländ. König die höchst fortschrittliche Verfassung einer konstitutionellen Monarchie gegeben hatte, das allerdings zu den ganz empfindlichen Stellen im europ. Staatensystem gehörte. Zunächst hatte sich der belg. Kongreß für den Herzog von Nemours, den Sohn des franz. Königs Louis Philippe, und gegen die Kandidatur des Herzogs August von Leuchtenberg, des ältesten Sohns des Eugène de Beauharnais, ausgesprochen. Dies führte jedoch zu einer scharfen Reaktion Londons, das mit Krieg drohte. Ein früher Kabinettswechsel in Brüssel und der damit verbundene Kurswechsel der belg. Außenpolitik zugunsten Großbritanniens als des eigentlichen Hüters einer unabhängigen Existenz des neuen Staates brachten L. ins Spiel. Im Juni 1831 sprach sich eine große Mehrheit des belg. Nationalkongresses für ihn aus.

    Mit L. bestieg ein deutscher Prinz den belg. Thron, dessen politische Gedankenwelt eher dem „ancien régime“ als den liberalen Ideen seiner Zeit verbunden war. L. war, wie Metternich einmal bestätigte, ein Vertreter des „monarchischen Prinzips“. Er ging nicht unmittelbar aus der belg. Revolution hervor, war kein populärer Monarch und hat sich auch nie um Popularität bemüht. Die Verfassung, die die königlichen Befugnisse begrenzte, hat er schlicht als „Unsinn“ empfunden. Unter solchen Voraussetzungen war es nicht verwunderlich, daß die belg. Innenpolitik gerade in den Anfangsjahren von L.s Herrschaft wesentlich gekennzeichnet war durch das Bemühen des sich immer auf die konservativen Gruppen stützenden Königs um Erweiterung seiner Prärogativen und durch die sich daraus ergebende Unruhe bei den progressiven Vertretern der kath.-liberalen Union. Diese begriffen sehr wohl, auf welcher Seite die Sympathien des Königs lagen, und die Interpretation und Anwendung der Verfassung durch den Monarchen ließ einen ihrer führenden Vertreter, A. Gendebien, befürchten, „die absolute Monarchie der Vergangenheit“ könne wieder erstehen. Einen Versuch, die Verfassung aus den Angeln zu heben, hat es jedoch niemals gegeben. Eine Art „persönliches Regiment“ durchzusetzen, wie es sicherlich L.s Absicht war, hätte vielleicht unter der Voraussetzung eines Fortbestandes des kath.-liberalen Unionismus der Gründungsphase gelingen können. Diese Verbindung ist jedoch nach der Konsolidierung des Staates zerbrochen; L. war nicht Integrationsfigur genug, dies zu verhindern oder eine konservative Front zu schaffen, ebensowenig wie er den Fortschritt der politischen Demokratie zu bremsen vermochte. Zu den einflußreichsten Männern während der ersten Jahre in Belgien gehörte Christian Frdr. Frhr. v. Stockmar, ein Coburger, der den Prinzen L. bereits 1816 als Leibarzt und Sekretär nach England begleitet hatte und das volle Vertrauen nicht nur L.s, sondern auch der Kgn. Victoria und des Prinzgemahls Albert sowie des Kg. Friedrich Wilhelms IV. von Preußen genoß.

    Ein wesentliches Betätigungsfeld L.s war die Außenpolitik. In der deutschen Frage (1848) und aus Furcht vor der Politik Napoleons III. (1859) setzte er sich für eine Verständigung zwischen Preußen und Österreich ein. Zusammen mit Stockmar förderte er die Heirat des preuß. Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit Prinzessin Victoria von England. Grundsätzlich hatte die belg. Außenpolitik auszugehen von dem auferlegten garantierten Neutralitäts-Status, dessen Wahrung die Voraussetzung war für die Unabhängigkeit des Landes und der Monarchie. L. beherzigte zwar die „neutralité sincère et loyale“, wollte sie jedoch als „neutralité forte“ begriffen wissen, als bewaffnete Neutralität. Schon die Vermählung mit Louise Marie, der Tochter des franz Königs, ließ erkennen, daß L. einen Ausgleich mit Frankreich anstrebte, aber sein erfolgloser Versuch, nach dem Tode seines ersten Sohnes 1834 einen seiner Coburger Neffen zum Thronfolger zu designieren, zeigte, wie gering der Spielraum des belg. Monarchen war. Zwar hatte L. nicht die Möglichkeit, das Verhalten der europ. Garantiemächte zu bestimmen, aber er war doch ein Mittelsmann, der dank seines diplomatischen Geschicks und seiner verwandtschaftlichen Verbindungen internationales Prestige genoß. So trat L., ein landfremder Fürst ohne jede innere Beziehung zur Bevölkerung, als Protagonist eines autonomen Staates auf, indem er zwar die Neutralitätsverpflichtungen streng beachtete, innerhalb dieses Rahmens aber die Attribute der Souveränität voll konkretisierte. Durch seine betont nationale Politik wurde er zum „pater patriae“, wie ihn bei seinem Tode selbst jene nannten, die ihn zuvor bekämpft hatten.

  • Literatur

    Denkwürdigkeiten aus d. Papieren d. Frhrn. Ch. v. Stockmar, hrsg. v. E. Frhr. v. Stockmar, 1872;
    E. Corti u. C. Buffin, L. Ier, oracle politique de l'Europe, 1926;
    L. de Lichtervelde, L. Ier et la formation de la Belgique contemporaine, 1929 (P);
    A. Simon, La politique religieuse de L. Ier, 1953;
    ders., L'Unionisme Constitutionnel de L. Ier, in: Res Publica 1, 1959;
    ders., L. Ier, 1963 (P);
    G. E. Buckle (Hrsg.), The Letters of Queen Victoria, 2 Bde., 1928;
    C. Bronne, L. Ier et son temps, 1942 (P);
    ders. (Hrsg.), Lettres de L. Ier, Premier Roi des Belges, 1943 (P);
    J. Puraye u. H.-O. Lang (Hrsg.), Lettres de L. Ier, 1973 (P);
    L. Ier et son règne, Ausst.kat. Brüssel 1965 (P);
    H. Lademacher, Die belg. Neutralität als Problem d. europ. Pol. 1830-1914, 1971;
    Nouv. Biogr. 30, 1859, Sp. 804-08;
    Biogr. nat. Belge XI.

  • Porträts

    Gem. v. George Dawe (Brüssel, Palais Royal);
    Gem. v. F. X. Winterhalter (Brüssel, Hôtel de Ville);
    Lith. v. E. Villot, 1856.

  • Autor/in

    Horst Lademacher
  • Zitierweise

    Lademacher, Horst, "Leopold I." in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 272-274 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571842.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA