Lebensdaten
1640 – 1705
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Wien
Beruf/Funktion
Kaiser
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118571869 | OGND | VIAF: 54156429
Namensvarianten
  • Leopold I. von Österreich
  • Leopold I.
  • Leopold I. von Österreich
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Zitierweise

Leopold I., Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571869.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Kaiser Ferdinand III. ( 1657, s. NDB V);
    M Maria Anna Infantin v. Spanien (1606–46);
    B Ferdinand IV. (1633–54), dt. Kg.;
    Schw) Maria Anna (1635–96, Kg. Philipp IV. v. Spanien, 1665), Eleonore Marie Josephe (1653–97, 1] Kg. Michael v. Polen, 1673, 2] Hzg. Karl [IV.] V. v. Lothringen, 1690, s. NDB XI);
    - 1) 1666 Margarete Theresia (1651–73), T d. Kg. Philipp IV. v. Spanien (1605–65) u. d. Erzhzgn. Maria Anna, 2) 1673 Claudia Felizitas (1653–76), T d. Erzhzg. Karl (1628–62), Landesherr v. Tirol, u. d. Anna Medici, 3) 1676 Eleonore (1655–1720), T d. Hzg. Philipp Wilhelm v. Pfalz-Neuburg ( 1690), seit 1680 Kf. v. d. Pfalz, u. d. Elisabeth Amalie v. Hessen-Darmstadt;
    2 S (früh †), 2 T (1 früh †) aus 1) Antonie (1669–92, 1685 Kf. Max Emanuel v. Bayern, 1726), 2 T aus 2) (früh †), 3 S (1 früh †), 7 T (2 früh †) aus 3) Kaiser Joseph I. ( 1711, s. NDB X), Kaiser Karl VI. ( 1740, s. NDB XI).

  • Biographie

    Als zweiter Sohn Ferdinands III. und der span. Infantin Maria Anna sollte L. zunächst die geistliche Laufbahn einschlagen. Die Erziehung durch Johann Ferdinand Gf. Portia und die Jesuiten Christoph Miller und Johann Eberhard Nidhard förderte daher intellektuelle Fähigkeiten und eine barocke Ausprägung traditioneller habsburg. Frömmigkeit. In ihr verband sich die Neigung zur glanzvollen Form mit einer späten gegenreformatorischen Tendenz, die L. erst gegen Ende seines Lebens politischen Erwägungen nachgeordnet hat. Der jähe Tod seines Bruders Ferdinand IV., des erwählten Röm. Königs, machte L. 1654 zum alleinigen Erben der östlichen habsburg. Erblande; 1655 wurde er in Ungarn, 1656 in Böhmen gekrönt.

    Schwieriger war die Nachfolge im Reich, nachdem Ferdinand III. 1657 gestorben war. Auf dem Wahltag zu Frankfurt wurden zuerst L.s Onkel Erzhzg. Leopold Wilhelm, Kf. Ferdinand Maria von Bayern und auch Ludwig XIV. von Frankreich als Alternativen genannt. Nach der Wahl L.s am 1.8.1658 spiegelten die starken Einschränkungen in der Kapitulation die Situation nach dem Westfäl. Frieden, der dem Kaiser eine Stellung als Primus inter pares zugewiesen hatte. L. sah sich mit dem Aufstieg Brandenburg-Preußens unter dem Großen Kurfürsten und den Versuchen des Erzbischofs von Mainz, Johann Philipp von Schönborn, konfrontiert, das Reich ohne den Kaiser zu organisieren. In seiner bedächtigen und zögernden Art begegnete er dieser kritischen Situation, wobei er gleichzeitig unter die doppelte Belastung der franz. Hegemonialpolitik im Westen und der türk. Renaissance im Osten geriet.

    Der von Natur friedfertige Kaiser stand ein Leben lang unter dem Druck des Kampfes an zwei Fronten. Sein erster Krieg war eine erfolgreiche Intervention in Polen gegen die expansive Politik König Karls X. Gustav von Schweden (1655–60), die die ungar. Grenze bedroht hatte. Karl Gustav trachtete, Georg Rákóczy, den Fürsten von Siebenbürgen, zu mobilisieren. Aus den Kämpfen um dessen Nachfolge resultierte L.s erster Türkenkrieg (1662–64). Die türk. Offensive unter dem Großwesir Achmed Köprülü scheiterte mit dem Sieg der kaiserl. und Reichs-Truppen unter Raimund Gf. Montecuccoli, der für L. das Heer reorganisiert hatte, bei St. Gotthard an der Raab (Mogensdorf) am 1.8.1664. Angesichts der kritischen Lage im Westen schloß L. schon neun Tage danach den für ihn auffällig ungünstigen Frieden von Vásvár, der die türk. Position konservierte und im Kgr. Ungarn das Unbehagen steigerte, da das Land hierin die Preisgabe ungar. Interessen sah.

    Die absolutistischen und gegenreformatorischen Tendenzen L.s gegenüber Ungarn reizten zusätzlich den Oppositionsgeist der Magnaten, die ihre ständischen Freiheiten hochhielten. Bischof Leopold Gf. von Kollonitsch wurde zum Exponenten harter Maßnahmen gegen die Protestanten. Es kam zur Verschwörung einer Gruppe führender ungar. Adeliger unter dem Hofrichter Franz Nádasdy und dem Ban von Kroatien Peter Zriny; die Anführer wurden 1671 nach anfänglichem Zögern L.s hingerichtet. Nun suchte der Kaiser die ständische Verfassung Ungarns aufzuheben und die Protestanten radikal zu unterdrücken. Angesichts der anhaltenden Opposition, nun unter dem „Kuruzzenkönig“ Emerich Gf. Thököly, und der stets drohenden Koalition der Ungarn mit|den Türken mußte L. schließlich nachgeben. Er mußte das 1673 errichtete Gubernium unter dem Deutschmeister Kaspar v. Ampringen, das eine ausgeprägte Germanisierungspolitik betrieben hatte, auflösen, die ständische Verfassung restituieren und 1681 den Protestanten sogar eine begrenzte Religionsfreiheit zugestehen.

    Aber die schwelende ungar. Krise provozierte die Türken, die unter dem neuen Großwesir Kara Mustafa, auch angesichts der Konflikte L.s mit Frankreich, die Situation auszunützen trachteten. Die Offensive des Großwesirs führte zur Belagerung von Wien vom 13.7. bis zum 12.9.1683, nachdem der Kaiser und sein Hof die Stadt fluchtartig verlassen und sich erst nach Passau und dann nach Linz begeben hatten. Die heroische Verteidigung Wiens unter Ernst Rüdiger Gf. v. Starhemberg wurde gekrönt durch den Sieg des Entsatzheeres am Kahlenberg (12.9.1683) unter dem Kommando des Polenkönigs Johann Sobieski und des kaiserl. Schwagers, Hzg. Karl V. von Lothringen. Dahinter standen eine europ. Koalitionsbildung, vor allem mit Polen, das Engagement des Papstes, die Mobilisierung des Reiches und die geschickte politische und militärische Koordinationsleistung des Herzogs von Lothringen.

    Obgleich die erfolgreiche kaiserl.-poln. Koalition bald auseinanderbrach, markierte der Sieg bei Wien einen Wendepunkt in der kaiserl. Ostpolitik. Die nun einsetzende Offensive, zunächst noch unter Karl von Lothringen, führte 1686 zum Fall von Buda und 1687 zum Sieg am Berge Harsan bei Mohács. Kf. Max Emanuel von Bayern nahm 1688 Belgrad; der Sieg des Mgf. Ludwig Wilhelm von Baden, des „Türkenlouis“, 1691 bei Szlankamen führte die kaiserl. Heere weit in den Südosten. Das militärische Genie des Prinzen Eugen von Savoyen krönte den Vorstoß durch den glanzvollen Erfolg über Sultan Mehmed IV. am 11.9.1697 bei Zenta an der Theiß. Der Friede von Karlowitz (26.1.1699) brachte L. neben dem bisher türk. Ungarn Slawonien und Siebenbürgen ein, beseitigte endgültig die türk. Bedrohung Wiens und legte so die Grundlagen zur Donaumonarchie.

    Die aus der Siegesstimmung seit 1683 erwachsene absolutistisch-kath. Politik in Ungarn brachte das Land erneut auf; die Härte des unfähigen Statthalters Antonio Fürst Caraffa (Blutbad von Preschau-Eperjes 1687) steigerte den Unmut. Nun aber setzte L. auf scheinbares Entgegenkommen, um im Einvernehmen mit dem Adel eine Stärkung des Königtums zu erreichen. Der Preßburger Reichstag von 1687/88 mit der Aufhebung des Resurrektionsrechts diente in Wirklichkeit der Einschränkung der ständischen Rechte gegen Konzessionen im lokalen Bereich. Schon 1687 wurde Erzhzg. Joseph auf neuer Rechtsgrundlage zum König von Ungarn gekrönt. In Siebenbürgen vermochte der Kaiser zwar 1697 den Rückfall des Landes an das Erzhaus und den Verzicht des letzten Fürsten, Michaels II. Apáfi, durchzusetzen, aber er erkannte die Privilegien der unterschiedlichen Nationen und Religionen an. Sogar die Einwanderung von orthodoxen Serben und Albanern nach Ungarn wurde durch Konzessionen von Autonomie und Religionsfreiheit ermöglicht (1690-95). Im Gefolge des „Einrichtungswerkes“ von 1689, das die Wiederbesiedlung und die Urbarmachung des Landes mit der Rationalisierung der Verwaltung verbinden sollte, wurden zahlreiche Deutsche, die „Schwaben“, nach Ungarn geholt.

    Die stärkere Bereitschaft des Wiener Hofes, den Landestraditionen entgegenzukommen, vollzog sich unter dem Druck der westeurop. Entscheidungen – man stand vor den zentralen Problemen des span. Erbes und der franz. Expansion, die eng miteinander verbunden waren, seit Ludwig XIV. 1660 die Infantin Maria Theresia, die ältere Tochter Philipps IV. von Spanien, geheiratet hatte. Ihr Verzicht blieb allerdings durch die Unfähigkeit Spaniens, die vereinbarte Mitgift auszuzahlen, problematisch. L. hatte das Testament des Herrschers für sich, um die Einheit der Casa de Austria zu erhalten, als er 1666 die jüngere Schwester, Margareta Theresia, ehelichte.

    L.s zögernde Beharrlichkeit prägte seinen schwierigen Balanceakt zwischen östlichen und westlichen Interessen. Er hatte zunächst mit den Männern des Vaters regiert, dem Erzieher Portia und den Fürsten Weikard v. Auersperg und Wenzel Lobkowitz. 1669 wurde der bisher leitende Minister Auersperg gestürzt. Ebenso wie sein Nachfolger, der neue Obersthofmeister Fürst Wenzel Lobkowitz, hatte Auersperg hinter dem Rücken des Kaisers Verbindungen mit Frankreich angeknüpft; 1674 stürzte auch Lobkowitz. Danach berief der Kaiser keinen leitenden Minister mehr, sondern bestellte verdiente Höflinge und stützte sich auf den aristokratischen Wiener Hof, mit dem die obersten Behörden eng verbunden waren. Die Hofkanzler Johann Paul Frhr. v. Hocher, Theodor Althet, Heinrich Gf. Strattmann|und Johann Friedrich Gf. Seilern kamen als bürgerliche Aufsteiger in bestimmende Positionen. Der Diplomat Franz Frhr. v. Lisola aus der Franche Comté wirkte unermüdlich an allen antifranz. Koalitionen mit. Die Achillesferse der österr. Politik blieb die mißliche Finanzlage; der Sturz des Präsidenten Georg Gf. Sinzendorf wegen Bereicherung und Unterschleif warf ein sehr schlechtes Licht auf seine Behörde, die Hofkammer. Es gelang dann freilich Gundaker Gf. Starhemberg, den Kredit wieder zu stabilisieren.

    Die Auseinandersetzungen mit der aufkommenden franz. Hegemonialpolitik korrespondierten stets mit den ungar. Entwicklungen, die sich der franz. König auch zunutze zu machen verstand. L. war im Westen aktiv geworden, als er die Schlüsselrolle des von Ludwig XIV. angegriffenen Holland erkannte. Im holländ. Krieg (1672–79) dokumentierte sich die franz. Überlegenheit; der Kaiser – seit 1673 im Krieg – mußte mit dem Reich 1679 in Nymwegen dem bereits von den Verbündeten Spanien und Niederlande abgeschlossenen Frieden beitreten, der Frankreich die span. Freigrafschaft Burgund und Freiburg eintrug. Mit den Réunionskammern erhöhte es 1679-83 den Druck auf das Reich von seiner einst habsburg. elsäss. Basis her; 1681 okkupierte Ludwig XIV. mit Hilfe des Fürstbischofs Wilhelm Egon v. Fürstenberg die Stadt Straßburg. Das Bündnis mit Holland und Schweden 1682 blieb fruchtlos; L. mußte 1684 die franz. Gewinne anerkennen. Aber der franz. Anspruch auf das Erbe der Kurpfalz provozierte 1686 die Augsburger Allianz des Kaisers mit mehreren Ständen des Reiches. Der nachfolgende Reichskrieg gegen Frankreich 1688-97 führte zur franz. Okkupation der Rheinlande und zur Verwüstung der Pfalz. Die Wiener Politik suchte nun einen größeren Rückhalt; mit Holland, England, Spanien, Savoyen, Dänemark und einem Großteil der deutschen Fürsten verband sich L. in der Großen Allianz von 1689, die aber nicht sehr erfolgreich war. Dagegen gelangen dem Prinzen Eugen beachtliche Erfolge in Italien (1695/96). Der Frieden von Rijswijk 1697 brachte eine Stabilisierung des Status quo mit der Rückgabe von Freiburg, Luxemburg und Breisach. Das partielle österr.-franz. Zusammenspiel zugunsten der Pfälzer Katholiken sollte zum Zankapfel im Reich werden (Rijswijker Klausel).

    Das Jahr 1697 markiert die endgültige Wende. Der Zusammenbruch der türk. Stellung machte L. die Hände frei für seine westeurop. Politik. Er konnte dabei verstärkt auf den Rückhalt des Reiches zurückgreifen; der Kaiser vermochte sich nun aus dem Frieden von 1648 zu lösen und die in diesem schlummernden Möglichkeiten auszunützen. Er tat dies unauffällig, aber konsequent, unterstützt von seinem Reichsvizekanzler (1669–94) Leopold Wilhelm Gf. v. Königsegg-Rothenfels. Neben der ausgreifenden reichspolitischen Tätigkeit des Reichshofrats kam ihm dabei auch die Tatsache entgegen, daß sich der Reichstag durch die Fortschreibung der auf dem Westfäl. Frieden angestauten Probleme seit 1663 zu einem „Immerwährenden“ entwickelte. Der Wiener Hof vermochte sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen und aus ihnen Kapital zu schlagen. Das abwartende Temperament des Kaisers, sein barockes Herrscherbewußtsein, die erneuerte Katholizität des Wiener Hofes kamen dem gleichermaßen zugute. Am Ende der Regierung L.s war seine Stellung im Reich gefestigt. Eine wichtige Voraussetzung hierfür war der Anfall Tirols und der Vorlande 1665. Damit gewann die kaiserl. Politik noch einmal ein Sprungbrett ins Reich. L. vermochte in hohem Maße die alte habsburg. Klientel zu mobilisieren, ein Vorgang, der Ausgangspunkt für viele Karrieren in kaiserl. Diensten war. Einen Kulminationspunkt markierte die mühelos durchgesetzte Königswahl des zwölfjährigen Sohnes Joseph. Dessen und der Kaiserin Eleonore Krönung 1690 in Augsburg, wo sich die kaiserl. Parteigänger Schwabens versammelt hatten, zeigte eine veränderte Stellung des Kaisers im Reich an.

    Die Umkehrung der Intentionen des Westfäl. Friedens war eines der wichtigsten Ergebnisse der Regierungszeit L.s. Der Preis seiner Politik war freilich die endgültige Reduktion des kaiserl. Einflusses in Norddeutschland, die langfristig dem Aufstieg Brandenburg-Preußens zugute kam. Die österr. Politik hat allerdings diesen Raum nicht ganz preisgegeben. Mit den hannov. Welfen kam es zu einer Vereinbarung, die diesen 1692 die 9. Kurwürde sicherte. Im politischen Kräftespiel hat L. schließlich auch die preuß. Königswürde von 1700 anerkannt.

    Die Reichs- und Westpolitik des Kaisers stand vor der frühzeitig sichtbaren, aber immer weiter verzögerten Problematik des span. Erbes. Trotz zwangsläufiger Brüche in der Einheit der Casa de Austria, trotz der Erkenntnis, daß schwerlich das ganze span. Reich zu behaupten sein würde, hat die österr. Politik immer wieder dieses Ziel angestrebt Dabei konkurrierte L. mit seinem Schwager Ludwig XIV. von Frankreich. Die doppelte Problematik, daß der kränkelnde span. Habsburger Karl II. nicht Mittelpunkt einer stabilen Regierung sein konnte und daß andererseits aus der ersten, der span. Ehe des Kaisers allein die Tochter Maria Antonia hervorging, belastete die kaiserl. Politik ganz erheblich und ließ auch ein österr.-franz. Teilungsabkommen von 1668 obsolet werden. Der span. Versuch der Rettung des Weltreiches durch eine dritte Lösung, die Thronkandidatur des bayer. Kurprinzen Joseph Ferdinand, des einzigen Sohnes aus der Ehe Maria Antonias mit Max Emanuel von Bayern, zerbrach mit dem Tode des siebenjährigen Kurprinzen 1699. Die Kandidatur von L.s Sohn Karl aus der dritten Ehe mit der Neuburgerin Eleonore war daher nicht unproblematisch – sie unterlag der Abwehrhaltung des internationalen Systems gegen eine neue Reichsbildung. So mußten bereits 1703 L. und Joseph I. ihre span. Erbfolgerechte auf den Bruder übertragen.

    So sehr sich die Seemächte in diesem Raum um einen Ausgleich bemüht hatten, so hat doch das letzte Testament Karls II. von Spanien, mit dem Ziel der Unteilbarkeit des Landes, den Konflikt heraufbeschworen. Trotz allen Zögerns hat der Kaiser seinerseits an dem Grundsatz der Einheit des Hauses festgehalten. Dies führte zum Span. Erbfolgekrieg, dessen Anfänge L. noch sah. Er konnte die Triumphe des Prinzen Eugen gegen Frankreich noch miterleben, während andererseits eine Erhebung unter Franz II. Rákóczy letztmals die habsburg. Position in Ungarn in Frage stellte.

    Mit L.s Namen verbinden sich ein halbes Jahrhundert mitteleurop. Geschichte, der Wiederaufstieg des Erzhauses im Reich, die Abwehr des franz. Drucks und die Expansion Österreichs in den Südosten. L. hat die Grundlagen für den habsburg. Aufstieg zur europ. Großmacht gelegt. Seit 1679 hatte der Kaiser selbst die Regierung geführt, freilich stets unter Zuziehung von Ratgebern. Seine vielfach bezeugte Bedächtigkeit dürfte der komplexen Situation Österreichs entsprochen haben. Die Ergebnisse haben L. recht gegeben. Seine Konsolidierungspolitik kam den Erblanden mehr zugute als dem Reich – so löste er 1666 die schles. Fürstentümer Oppeln und Ratibor aus poln. Pfandschaft. Schüchternheit und Majestätsbewußtsein waren bei L. schwer zu scheiden. Persönliche Bescheidenheit und kleine Gestalt konnten den herrscherlichen Eindruck nicht mindern, den die Maler durch Betonung der häßlichen Oberlippe, der gewaltigen Allongeperücke und der span. Tracht unterstrichen. L. ritt und jagte gern, vornehmlich von Wien und den umliegenden Schlössern aus. Seine Leistung war der Ausbau des Wiener Hofes als Schaltstelle und Zentrum einer vor allem vom hohen Adel getragenen Monarchie und als Mittelpunkt des Reichsverbandes – Konsequenz der politischen und sozialen Veränderungen des Dreißigjährigen Krieges. Der Hof präsentierte sich gerne nach außen und zeigte sich in einer ausgeprägten kath. Frömmigkeit, an der der Kaiser maßgeblichen Anteil hatte. Die Wiener Dreifaltigkeitssäule von 1693 mit dem betenden L. wurde das Vorbild unzähliger anderer Säulen; barocke Herrscherpracht verband sich mit einem beträchtlichen Einfluß namhafter Kleriker auf den Kaiser. Zu nennen sind der Jesuit und spätere Bischof Emerich Spinelli, der Kapuziner Markus von Aviano, der Franziskaner Christoph de Rojas y Spinola und der Augustiner Abraham a Sancta Clara. In L. erreichte gegenreformatorischer Geist einen letzten Kulminationspunkt, vor allem in seinen ungar. Aktionen, aber in der Reichs- und europ. Politik zeichnete sich bereits ein Umschlag ab. Mit seiner Billigung versuchte Rojas sogar einen Ausgleich der Konfessionen. – Die ausgeprägte Religiosität des Kaisers verband sich mit hoher Bildung; L. beherrschte Deutsch, Latein, Spanisch, Französisch und seine Lieblingssprache Italienisch, in denen er in einer schwer lesbaren Handschrift korrespondierte. Der Kaiser betätigte sich, vor allem mit Hilfe des Hofbibliothekars Peter Lambeck, als Sammler. Er protegierte die erbländischen Universitätsgründungen in Innsbruck, Olmütz und Breslau sowie die Akademiebestrebungen von Leibniz. Im merkantilistischen Geist der Zeit strebte er eine österr. Autarkie an; dies machte Wien zu einem Zentrum prominenter Kameralisten, von denen vor allem Hörnigk, Schröder und Becher seinem Hof verbunden waren. Freilich erfüllte sich ein Großteil der merkantilistischen Pläne und Autarkiebestrebungen nicht. Übrigens suchte L. seine Finanzen auch durch Goldmacherei zu verbessern. – L. war ein ausgesprochener Musikliebhaber und unterhielt eine beachtliche Hofkapelle. Er hat selbst 79 kirchliche Kompositionen, darunter 8 Oratorien, und 155 weltliche ein- und mehrstimmige Werke geschaffen, 9 „feste teatrali“ und 17 Bände Baletti, wovon 102 Tänze erhalten sind. Er komponierte drei deutsche Singspiele, zwei deutsche Oratorien und mehrere deutsche|Kirchenlieder (H. Hantsch). Am Hof wie in den Kirchen förderte er jedoch in erster Linie ital. Musik, vor allem die ital. Oper. – In Kunst und Literatur öffnete er Wien den romanischen Einflüssen, die oft religiöse Züge trugen. Er protegierte Tanz und Spiel bis hin zum berühmten „Roßballett“ von 1667. 1659 ließ L. ein Hoftheater errichten (nach 1683 und 1689 erneuert). Auch auf den barocken Kirchenbau – vielfach geprägt durch ital. Künstler – übte der Kaiser Einfluß aus. 1692 wurde die Akademie der bildenden Künste gegründet, während das entsprechende wissenschaftliche Projekt von Leibniz zwar nicht realisiert wurde, aber doch die erneuerte Bedeutung des Reichsoberhauptes spiegelte.

  • Literatur

    ADB 18;
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  • Porträts

    Gem. v. G. Cagnacci, 1658, v. J. Thomas, 1667, v. B. v. Block, 1072 (alle Wien, Kunsthist. Mus.), s. Porträtgal. z. Gesch. Österreichs, Kunsthist. Mus. Wien, 1976.

  • Autor/in

    Volker Press
  • Zitierweise

    Press, Volker, "Leopold I." in: Neue Deutsche Biographie 14 (1985), S. 256-260 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571869.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Leopold I. (1640—1705), Regent von Oesterreich 1655—1704, deutscher Kaiser 1658—1705, war der zweite Sohn Kaiser Ferdinands III. aus dessen erster Ehe mit der spanischen Infantin Maria Anna und geboren am 9. Juni 1640. Seine Erzieher waren Graf Johann Ferdinand Portia und unter dessen Leitung die Jesuiten Christoph Müller und Johann Eberhard Nidhard, später Cardinal. L. wurde in seiner Jugend für den geistlichen Stand bestimmt, bis nach dem frühzeitigen Tode seines älteren Bruders, des römischen Königs Ferdinand IV., 1654 das Recht der Erbfolge in Oesterreich auf ihn überging. Er empfing die Huldigung der österreichischen Stände 1655, wurde im gleichen Jahre zum König von Ungarn und 1656 zum König von Böhmen gekrönt. Nach dem Tode seines Vaters Ferdinand III. 1657 erhielt er trotz des französischen Einflusses und nach langen Verhandlungen die deutsche Kaiserkrone (1. August 1658). Obwol die neue Wahlcapitulation die Kaisergewalt noch mehr beschränkte und der rheinische Bund (1658—67) dieselbe für eine Zeit vollkommen gebunden hielt, gelang es L., die Oberhoheit zu behaupten und die Unabhängigkeit des Reiches, namentlich gegen Frankreich zu bewahren. Er verfocht in allen seinen Kriegen ein gemeinsames österreichisches und deutsches Interesse. Durch seine eigene Macht, wie durch Bündnisse mit deutschen Fürsten, namentlich mit Brandenburg, Sachsen und Baiern ergänzte er die mangelhafte militärische Organisation des Deutschen Reichs. Statt der ordentlichen Reichsdeputation wurde 1663 der permanente deutsche Reichstag in Regensburg eingeführt. Derselbe behielt die Form der drei alten Reichscollegien, des kurfürstlichen, fürstlichen und reichsstädtischen, aber er war hinfort nur eine schwerfällige Versammlung diplomatischer Vertreter ohne eingreifende politische Bedeutung. Der Kaiser anerkannte 1692 den Herzog von Hannover als den neunten Kurfürsten und wünschte auch die böhmische Kur auf dem Reichstage vertreten zu sehen, was 1693 und 1695 oppositionelle Kurvereine veranlaßte. Als der wichtigste Schritt erschien der Kronvertrag vom 16. November 1700, in welchem Friedrich III., der Kurfürst von Brandenburg, als souveräner König von Preußen eine europäische Stellung erhielt. Derselbe verpflichtete sich dafür, 10,000 Mann für den Kaiser ins Feld zu stellen und im Reiche nur den bisherigen Rang in Anspruch zu nehmen. In Oesterreich befolgte L. die erhaltende Politik seiner Vorfahren. Er ließ den föderativen Staatsbau, die Verfassung der Provinzialstände und die feudale Verwaltung unberührt; in der Regierung stützte er sich auf den Adel und die Geistlichen, milderte jedoch nach der böhmischen Bauernrevolution 1680 die Robot und die bäuerlichen Lasten. Die katholische Religion blieb die Staatsreligion, viele neue Klöster wurden gegründet; die Jesuiten verloren zwar ihren politischen Einfluß, beherrschten aber noch immer die Hoch- und Mittelschulen, die Censur und Litteratur. Die Centralgewalt ruhte in dem geheimen Rath und in den Conferenzen. Die ersten Minister Leopolds waren Fürst Johann Portia, Fürst Johann Auersperg, gestürzt 1669, Fürst Wenzel Lobkowitz, 1674 verbannt, die Obersthofmeister Graf Max Lamberg, Graf Ferdinand Harrach und die österreichischen Hofkanzler Johann Paul Hocher, Theodor Strattmann und Johann Friedrich Bucelini. Alle unterstützten die Politik des Gesammtstaates und den Absolutismus der Krone; die einen in altständischer,|die anderen in mehr bureaukratischer Wese. Die oberste Leitung der Finanzen hatten Graf Ludwig Sinzendorf, welcher 1680 wegen Unterschleif sein Amt verlor, Graf Rosenberg, Bischof Kolonics, Seifried Breuner, Graf Salaburg und 1703 Graf Gundaker Stahremberg. Der Staatshaushalt blieb jedoch in der ganzen leopoldinischen Zeit in Unordnung. Neben diesen Ministern ragten in der kriegerischen Zeit die Feldherren hervor: Graf Raimund Montecuculi, Herzog Karl von Lothringen, Prinz Eugen von Savoyen, Ludwig von Baden, Graf Rüdiger und Guido Stahremberg u. a. Die Errichtung einer stehenden Armee in Oesterreich, welche schon Montecuculi verlangte, hat L. abgelehnt, aber die Dinge drängten von selbst dazu; die neuen Regimenter, welche 1672 ins Feld zogen, wurden nicht wieder aufgelöst. So friedliebend die Natur Leopolds war, brachte er doch sein Leben mit geringen Unterbrechungen im Kriege zu: gegen die Schweden 1657—60, gegen die Türken 1662—64 und 1683—99, gegen Frankreich 1672—79, von 1688—97 und 1702 bis zu seinem Tode 1705. Den nordischen Krieg übernahm L. von seinem Vater als Bundesgenosse von Polen gegen Karl X., den König von Schweden, welcher Polen bis an die Karpathen eroberte und sich mit Georg Rágózcy, dem Fürsten von Siebenbürgen, in Verbindung setzte. Nachdem sich der Kurfürst von Brandenburg 1658 dem Kaiser angeschlossen hatte, rückten die Verbündeten in Holstein, Schleswig und Jütland ein, eroberten Schwedisch-Pommern und Kurland und zwangen die Schweden nach dem Tode Karls X. zum Frieden von Oliva (3. Mai 1660), durch welchen die Unabhängigkeit Polens hergestellt und die ungarische Grenze gesichert wurde. Rágózcy wurde von der Pforte entsetzt, starb bald nachher (8. Juli 1660), nachdem er das türkische Heer bei Großwardein geschlagen hatte. Als die Pforte Siebenbürgen vollständig unterwerfen wollte, unterstützte Oesterreich den Nachfolger Rágózcy's, Johann Kemény, welcher bald nachher, 1662, in einem Gefechte fiel. Der Parteikrieg in Siebenbürgen veranlaßte den Türkenkrieg 1662—64. Der Großvezier rückte im Frühjahre 1663 mit 120,000 Mann und 12,000 Janitscharen durch das offene Land bis Gran vor, bedrohte Wien, eroberte dann die Festung Neuhäusel und zog sich im Herbst in das tiefere Ungarn zurück. Montecuculi deckte Preßburg, konnte jedoch 1663 nichts unternehmen. Erst als 1664 die deutschen Rheinbundtruppen unter Graf Hohenlohe mit 6000 Mann Franzosen nach Oesterreich kamen, rückte Montecuculi mit seiner kleinen Armee, während de Souches den Feldzug in Oberungarn führte, über die Donau, vereinigte sich mit den deutschen und ungarischen Truppen und schlug am 1. August 1664 den Großvezier bei St. Gotthard an der Raab. Statt den Sieg zu benützen, ließ der Kaiser in Rücksicht auf die allgemeine politische Lage am 10. August 1664 den Frieden von Vasvár abschließen, in welchem die Pforte Großwardein und Neuhäusel behielt und den Fürsten Michael Apaffy als unabhängigen Herrn von Siebenbürgen anerkannte. Im folgenden Jahre wurde Graf Walther Leslie, ein Theilnehmer an der Execution Wallenstein's für österreichische und deutsche Handelszwecke als Botschafter nach Constantinopel entsendet. Nach seiner Rückkehr berichtete er der Regierung von dem tiefen inneren Verfall des türkischen Reiches und der allgemeinen Unzufriedenheit der Ungarn. Die Bedrückung der Protestanten und die Willkür der Regierung, welche seit 1658 statt des Reichstages von der Krone ernannte Notabeln berief, führten zu einer weitverzweigten Verschwörung, anfangs zum Schutze der Verfassung, dann zur Losreißung von Oesterreich mit Hülfe Frankreichs und der Pforte. Die Führer derselben waren die Palatine Graf Franz Wesseleny, welcher schon 1667 starb, der Hofrichter Graf Franz Nádasdy, der Ban von Kroatien Peter Zriny, dessen Schwager Graf Franz Frangepani, der steierische Edelmann Graf Hanns Erasmus von Tattenbach und Graf Karl von|Thurn, Landeshauptmann von Görz. Nádasdy und Zriny unterwarfen sich 1669. Sie setzten jedoch ihre geheime Verbindung fort, welche von der Pforte und einigen Mitverschworenen angezeigt wurde. Nádasdy, Zriny und Frangepani wurden in Wien festgenommen und 1671 mit dem Schwerte hingerichtet. Tattenbach wurde in Graz hingerichtet und Thurn kam in lebenslängliche Haft. Von 1672—79 wurde Ungarn wie ein erobertes Land betrachtet, die Verfassung gestürzt, 1673 eine absolute Regierung unter dem Gubernator, dem Deutschmeister Kaspar Ampringer eingeführt und gegen die Protestanten eine harte Verfolgung geübt. Nach wenigen Jahren, 1679, als sich die nationale und protestantische Partei unter Graf Emerich Tököly abermals erhob, wurde die deutsche Regierung wieder aufgelöst, die Verfassung und das Palatinat hergestellt und der Kaiser gewährte auf dem Reichstage zu Oedenburg 1681 den Protestanten eine beschränkte Religionsfreiheit. Nach dem Tode des Großvezier Achmed Köprili, welcher den Frieden mit Oesterreich wollte, begannen die Türken sich wieder in die ungarischen Verhältnisse einzumischen. Von den Empörern in Ungarn zu Hülfe gerufen und von König Ludwig XIV. angespornt, stürmten die Türken 1683 mit einem Heere von 200,000 Mann unter dem Großvezier Kara Mustapha durch Ungarn bis vor Wien, das sie einschlossen und vom 13. Juli bis 12. September belagerten. Während Graf Rüdiger Stahremberg mit der Besatzung und den Bürgern die Stadt tapfer vertheidigte, rückte ein von den Kurfürsten von Sachsen und Baiern geführtes Reichsheer und ein polnisches Corps von 26,000 Mann unter König Johann III. Sobiesky zum Entsatze heran. Herzog Karl von Lothringen, seit 1678 Schwager des Kaisers, vereinigte die kaiserlichen, deutschen und polnischen Truppen, im Ganzen 84,000 Mann bei Tuln an der Donau (7., 8. September), führte sie über den Kahlenberg in die Ebene von Wien und erfocht dort am 12. September 1683 den glänzenden Sieg über die Türken, welcher die Stadt befreite und Wien aus einer befestigten Grenzstadt wieder zu einer bedeutenden Handelsstadt und dem Mittelpunkt der Macht Oesterreichs erhob. Die folgenden Kriegsjahre bezeichnen den Niedergang des türkischen Paschaliks in Ungarn und die Gründung der Machtstellung Oesterreichs im Osten. Karl von Lothringen siegte 1683 und 1685 bei Parkany und Gran, eroberte 1686 Ofen, welches 145 Jahre unter türkischer Herrschaft gestanden, schlug die Türken 1687 bei Mohacs. Der Kurfürst eroberte 1688 Belgrad, Ludwig von Baden erfocht 1691 den Sieg bei Salankemen und Prinz Eugen 1697 (11. September) den berühmten Sieg bei Zentha an der Theiß. Diesen glorreichen Feldzügen folgte 1699 (26. Januar) der Friede von Karlowitz, in welchem die Pforte den Besitz von Slavonien, Siebenbürgen und Ungarn mit Ausnahme des Banates an Oesterreich, Morea an die Republik Venedig und Podolien mit einem Theile der Ukraine an Polen abtrat. Der Führer der Insurgenten, Tököly, hatte sich den Türken angeschlossen, wurde jedoch 1685 gefangen und nach Kleinasien gebracht. Nochmals versuchte General Caraffa (Bd. III S. 777) 1687 durch das Blutgericht zu Eperies die Ungarn zu unterdrücken, aber L. durch die glänzenden Erfolge sicher gemacht, befolgte eine andere Politik, versöhnte den ungarischen Adel und war bemüht, die dynastischen und Kronrechte sicher zu stellen. Auf dem Reichstag zu Preßburg 1687—88 wurde die österreichische Erbfolge in Ungarn anerkannt, der alte Krönungseid geändert, das Recht des bewaffneten Widerstandes, welches die goldene Bulle von 1222 eingeführt, aufgehoben, der Gesetzartikel von 1681 zu Gunsten der Protestanten neuerdings bestätigt und zuletzt der Kronprinz Joseph I. am 9. December 1687 als erblicher König von Ungarn gekrönt. Auch Siebenbürgen erhielt durch das Diplom Leopolds vom 4. December 1691 seine alte Verfassung mit der politischen Autonomie der vier Nationen und wurde nach der Resignation des jüngern|Apaffy 1697 wieder mit dem Reiche vereinigt. Die Versuche einer Insurgirung der Süddonauländer gegen die Pforte waren 1688 und 1690 gescheitert; dafür übersiedelten 36,000 serbische und albanesische Familien nach Südungarn und Slavonien und verstärkten die südslavische Nation. L. gewährte ihnen in den Freiheitsbriefen 1690 (21. August) und 1695 (4. März) die Freiheit der griechischen Religion und eine autonome Verwaltung.

    Weniger glücklich war L. in den Kriegen gegen Frankreich. Oesterreichische und deutsche Interessen flossen dabei ineinander, aber der Verlauf der ersten Kriege bezeichnete die Ohnmacht des Reiches, die Zerfahrenheit der Fürsten und den Einfluß Frankreichs auf geistliche und weltliche Höfe. Die vornehmste Ursache der Mißerfolge lag in dem veralteten militärischen System, von dem sich Frankreich damals befreite. Sicherheit und Schutz fand Deutschland damals nur in den selbständigen Militärkräften Oesterreichs und Brandenburgs. Der erste Krieg (1672—79) wurde von L. in Verbindung mit Deutschland und Spanien unternommen, um dem bedrohten Lothringen und Holland beizustehen. Die Erfolge waren am Rhein und in den Niederlanden wechselnd und gering. Die Franzosen siegten 1674 bei Senef in den Niederlanden, bei Sinzheim und Enzheim, 1675 schlug Montecuculi die Feinde bei Saßbach, drang über den Rhein und fiel in Frankreich ein. Im Ganzen blieb jedoch Ludwig XIV. durch seine Waffen und Politik den Verbündeten überlegen. Spanien und Holland verglichen sich mit Frankreich 1678 im Frieden zu Nymwegen, der Kaiser und das Reich schlossen sich demselben 1679 an. Frankreich behielt die Freigrafschaft, eine Reihe fester Städte in den Niederlanden, Freiburg im Breisgau, gab aber Lothringen nicht zurück. In der Friedenszeit von 1679—83 mußte Deutschland abermals den Uebermuth des Erbfeindes empfinden. Der König errichtete 1680 die sogen. Reunionskammern und ließ eine Reihe deutscher Landschaften, Städte und Dörfer mit Frankreich vereinigen. Ebenso entriß er mitten im Frieden 1681, von dem Verrathe einiger Stadträthe und des Bischofs Egon v. Fürstenberg (Bd. VII S. 297) unterstützt, dem Deutschen Reiche die freie Reichsstadt Straßburg. Der Congreß von Frankfurt, welcher 1681 diesen Gewaltthaten ein Ziel setzen sollte, führte zu keinem Resultate. L. trat 1682 dem Bündnisse zwischen Holland und Schweden bei und bemühte sich auch, die deutschen Reichsstände dafür zu gewinnen. Der Kurfürst von Brandenburg hielt jedoch zurück und L., von dem Türkenkrieg auf das höchste in Anspruch genommen, mußte 1684 in einem Waffenstillstand den Franzosen sämmtliche Landschaften, welche die Reunionskammern dem König zugesprochen hatten, sowie Straßburg und die Kehler Schanze überlassen. Als jedoch Ludwig XIV. 1685 nach dem Aussterben der Simmern’schen Linie des Hauses Kurpfalz den besten Theil der pfälzischen Länder als ein Erbgut der Herzogin von Orleans in Anspruch nahm, vereinigten sich 1686 der Kaiser und die meisten deutschen Fürsten im Augsburger Bunde zur Vertheidigung der deutschen Landesgrenze. Ludwig XIV. erklärte deshalb 1688 an den Kaiser den Krieg, der bis 1697 dauerte; das ganze Rheinland mit Ausnahme von Koblenz und Köln kam in französische Gewalt. Der König ließ 1689 die Pfalz und die badischen Lande durch seine Heerführer furchtbar verwüsten, die Städte brandschatzen und niederbrennen. Der Kaiser schloß damals mit dem großen Oranier Wilhelm III. von Holland und England, mit Spanien, Savoyen, Dänemark und mit den meisten deutschen Fürsten, besonders Hannover und Brandenburg die große Alliance, um Frankreich energisch zu bekämpfen. Es gelang ihm, das deutsche Land wieder zu befreien; aber der Krieg zeigte doch nur geringe Resultate. Die Verbündeten wurden bei Fleurus in den Niederlanden geschlagen, Ludwig von Baden drängte die Franzosen über den Rhein, konnte jedoch wegen der Uneinigkeit und Thatlosigkeit der deutschen Truppen|keinen Offensivkrieg führen. In Italien befehligte Prinz Eugen die kaiserlichen und savoyischen Truppen, drang in französisches Gebiet ein, nahm 1695 Casale, verließ jedoch, als der Herzog von Savoyen von dem Bündnisse 1696 abfiel, Italien und übernahm den Oberbefehl in Ungarn. Als dann endlich 1697 der Friede zu Ryswick zu Stande kam, mußte das Deutsche Reich die Bedingungen annehmen, die ihm die fremden Mächte stellten. Frankreich behielt die Landschaften, welche ihm die Reunionskammern im Elsaß zugesprochen, ebenso Saarlouis und Straßburg, alles andere, Freiburg, Luxemburg, Breisach, Mömpelgard u. a. mußte der König herausgeben; der kirchliche Zustand blieb im status quo, wodurch viele protestantische Gemeinden in der Pfalz katholisirt wurden. Den dritten Krieg mit Frankreich führte L. wegen der spanischen Erbfolge, welche die europäischen Mächte und namentlich Oesterreich und Frankreich schon seit 25 Jahren beschäftigte, weil das Erlöschen der spanischen Habsburger mit Philipp IV. und Karl II. in Aussicht stand. L. stützte sich dabei auf die alten Erbverträge der beiden Linien des Hauses Habsburg und auf das Erbrecht seiner ersten Frau, Margaretha Theresia, der jüngeren Tochter Philipps IV. Der König von Frankreich hielt das Erbrecht seiner Gemahlin Maria Theresia, der älteren Tochter Philipps IV., trotz der Verzichtleistung derselben für mehr begründet. Weil König Karl II. und die nationale Partei die spanische Monarchie ungetheilt erhalten wollten, wurde der Kurprinz von Baiern, Joseph Ferdinand, ein Enkel Leopolds von seiner Tochter Maria Antonia, als Thronfolger ausersehen. Frankreich und Oesterreich hatten sich schon 1668 in einem geheimen Vertrage über die Theilung der spanischen Monarchie geeinigt. Auch die Seemächte nahmen den Grundsatz der Theilung auf; sie schlossen mit Frankreich 1698 und als der Kurprinz 1699 nur sieben Jahre alt gestorben war, im März 1700 einen zweiten Theilungsvertrag, in welchem dem Hause Oesterreich Spanien und die Niederlande, dem Hause Bourbon die italienischen Lande zugesprochen wurden. In dem Testamente, welches Karl II. kurz vor seinem Tode (1. Novbr. 1700) unterzeichnet hatte, wurde jedoch die ganze spanische Monarchie dem Enkel Ludwigs XIV., Philipp von Anjou, vererbt. Der König nahm das Testament an und sprach damals die kühnen Worte: „Es gibt keine Pyrenäen mehr!“ Während sein Enkel in Madrid als Philipp V. anerkannt wurde, bildete sich 1701 die große Coalition zwischen England, Holland, dem Kaiser und dem Deutschen Reich, mit Ausnahme von Baiern und Köln, welche zu Frankreich hielten. Auch Savoyen und Portugal traten zur Alliance. Auf Verlangen der Seemächte übertrug L. (16. September 1703) sein Erbfolgerecht in Spanien an seinen zweiten Sohn Karl; dieser kam im März 1704 nach Spanien, wurde von einer Partei als König Karl III. anerkannt und behauptete sich zumeist in Catalonien. Der Krieg wurde in Italien, in den Niederlanden, am Rhein und in Spanien mit Erfolg geführt. L. erlebte es noch, daß Frankreich gedemüthigt, Deutschland befreit und die Hoffnung auf einen ruhmvollen Ausgang eröffnet wurde. 1701 schlug Prinz Eugen die Franzosen bei Carpi und Chiari, 1702 bei Luzzara; 1703 scheiterte der Einfall der Franzosen und Baiern in Tirol an der mannhaften Erhebung des Volkes; 1704 siegten der englische Feldherr Marlborough und Prinz Eugen über die Franzosen und Baiern bei Hochstädt oder Blindheim am 13. August 1704. Dieser Sieg bewirkte den Rückzug der Franzosen über den Rhein und die Besitznahme Baierns durch Oesterreich, während die ungarischen Insurgenten unter Rágóczy II., Károly und Bercseny trotz des Sieges der Oesterreicher bei Tyrnau Oberungarn eroberten. Den Ausgang des großen Krieges und der ungarischen Revolution hat L. nicht mehr erlebt. Er starb am 5. Mai 1705, 65 Jahre alt, nach einer Regierung von 48 Jahren. In seiner Jugend war er unsicher, unerfahren, schwach und|wurde von Ministern und Günstlingen beherrscht; in der zweiten Hälfte seines Lebens griff er thätig und selbständig in die Politik und Regierung ein. Ein kluges Ausbiegen und Nachgeben, die zähe Ausdauer und das Vertrauen auf sein Recht verschafften ihm Glück und Sieg. Als deutscher Kaiser vermochte er bei der Landeshoheit und Selbständigkeit der territorialen Gewalten die Kräfte des Reiches niemals ganz zusammen zu fassen, aber in Oesterreich war er durchaus der gebietende Herr. Seine Enkelin sagte von ihm: „Leopold I. war unter meinen Vorfahren derjenige, so über seine landesfürstliche Autorität Hand hielt und solche gegen Jedermann zu mainteniren gedachte“. Er erschien als der erste Kaiser von Oesterreich, indem er überall das österreichische Staatsinteresse voranstellte. Durch die Eroberung von Ungarn und Siebenbürgen vollendete er den Staatsbau, wie ihn Ferdinand I. 1526 gegründet. Er vereinigte 1665, als die Tiroler Linie des Hauses Oesterreich mit dem Erzherzog Sigismund erlosch, Tirol wieder mit dem Reiche und verwendete die Gelderbschaft zur Einlösung der schlesischen Fürstenthümer Oppeln und Ratibor, welche Ferdinand III. an Polen verpfändet hatte. Als politischer Charakter hat er nicht die Höhe eines Maximilian I. oder Ferdinand I. erreicht, aber er genoß bei den Zeitgenossen wegen seiner Gerechtigkeit und seines Wohlwollens die höchste Achtung. Der Kaiser war klein, sein Blick düster, die Unterlippe nach Habsburger Art hervorragend. In seinen mittleren Jahren war er ein starker, gesunder, rüstiger Mann, ein tüchtiger Reiter und Jäger. Große Reisen hat er nicht unternommen, er lebte zumeist in Wien oder auf seinen Schlössern Laxenburg, Ebersdorf und Schönbrunn bei Wien. Er trug das spanische Kleid und eine mächtige Allongeperrücke. Der Hof war zahlreich, man zählte allein 200 Kämmerer. Die Gesandten berichten von dem majestätischen Anblick, wenn der Kaiser in der Stadt zu Pferde oder im Wagen erschien. Uebrigens waren seine Gebäude, die Einrichtung und das Einkommen nicht nach dem Range, den er als der erste Monarch der Christenheit einnahm. Bei besonders feierlichen Gelegenheiten entfaltete der Hof einen großartigen Prunk, so 1698 bei dem Besuche Peters des Großen in Wien. L. besaß Geist, ein kluges, rasches Urtheil, viel Neigung und Aufmerksamkeit für die Geschäfte, nur zeigte er in öffentlichen Dingen eine vorsichtige Zurückhaltung. Das Volk wünschte ihn mehr kriegerisch als fromm, aber er ist nie ein Soldat und Feldherr geworden, wie sein Vater. Gleich Philipp II. von Spanien regierte L. von seinem Cabinet aus. In seiner politischen Denkart war er ein absoluter Herr und leitete wie alle Fürsten der Zeit seine Gewalt von göttlichem Willen, von göttlicher Vollmacht ab. Gegen Andersgläubige zeigte er ebenso wenig Milde, wie die Ferdinande. Eine Reihe von protestantischen Adelsfamilien in Nieder- und Oberösterreich, welche seit Ferdinand II. eine persönliche Glaubensfreiheit genossen, wanderte damals (1655—88) nach Deutschland aus. Dabei unterstützte L. seinen Beichtvater, den Franziscaner Rojas-Spinola, in dem Bestreben, die christlichen Confessionen zu versöhnen und einen allgemeinen Kirchenfrieden herzustellen. Der Kaiser war in Sprachen wohlunterrichtet; er schrieb außerordentlich viel und meist deutsch mit italienischen, spanischen und lateinischen Worten untermischt. Die Staatssprache war in Oesterreich deutsch, in Ungarn lateinisch. L. zeigte eine Neigung zur historischen Wissenschaft und ließ durch seinen Hofgelehrten Peter Lambeck Bücher, Münzen und Antiken sammeln. Die Universitäten Innsbruck und Olmütz, in Deutschland Halle und Breslau, entstanden unter seiner Mitwirkung. Die deutsche leopoldinische Gesellschaft für Naturforschung trägt seinen Namen. Der große Leibniz stand bei ihm in Gunst. Eine besondere Vorliebe zeigte L. für die Kirchen- und Opernmusik seiner Zeit, er componirte selbst einige Kirchengesänge.|Der Aufwand für die „Hofmusikanten“ war bedeutend. In seinem Privatleben erschien L. makellos. Die venetianer Gesandten rühmen gegenüber dem Verderbniß der anderen Höfe seine Sittenreinheit, Frömmigkeit und Wohlthätigkeit. L. war dreimal verheirathet: in erster Ehe mit Margaretha Theresia von Spanien (1666—73), in zweiter mit Claudia Felicitas von Tirol (1673—76), in dritter Ehe mit der deutschen Prinzessin Eleonore von Pfalz-Neuburg (1676 bis 1705). Die letztere allein hat dem Kaiser Söhne geboren, die Erzherzoge Joseph und Karl, welche dem Kaiser in Deutschland und Oesterreich nachfolgten.

    • Literatur

      F. Wagner, Historia Leop. M. 1719 u. 1731, Rink, Leben u. Thaten Leopolds I., 1713, Noorden, Geschichte des 18. Jahrhunderts, I. II., Wurzbach, Biograph. Lex., VI. 418—432, Krones, Oesterreichische Geschichte, III. IV., Berlin 1878, Wolf, Fürst Wenzel Lobkowitz, 1869, R. Baumstark, Kaiser Leopold I., 1873.

  • Autor/in

    A. Wolf.
  • Zitierweise

    Wolf, Adam, "Leopold I." in: Allgemeine Deutsche Biographie 18 (1883), S. 316-322 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118571869.html#adbcontent

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