Lebensdaten
1865 – 1951
Geburtsort
Hannover
Sterbeort
Kükenbruch bei Rinteln
Beruf/Funktion
Zeitungsverleger ; Unternehmer ; Politiker
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118554565 | OGND | VIAF: 72185793
Namensvarianten
  • Hugenberg, Alfred
  • Hugenberg, A.
  • Hugenberg, Alfred Ernst Christian Alexander

Orte

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Zitierweise

Hugenberg, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118554565.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Karl (1836–82), Schatzrat in H., Mitgl. d. preuß. Landtags, S d. Christian, Justizrat u. Notar in Osnabrück, u. d. Mathilde Meyer-Schledehausen, beide aus Landwirtsfam.;
    M Erneste (1842–1917), T d. Ernst Frdr. Adickes (1811–76), Gutsbes. in Heuhausen u. Mitgl. d. hannov. Landtags (s. L), u. d. Doris Müller;
    Frankfurt/M. 1900 Gertrud (1878–1960, Cousine 2. Grades), T d. Franz Adickes ( 1915), Oberbgm. v. Frankfurt/M. (s. NDB I); Schwieger-S d. Schwägerin Paul Hindemith ( 1963), Komponist (s. NDB IX);
    1 S, 3 T.

  • Biographie

    H. studierte in Göttingen, Heidelberg und Berlin Jura und, im Anschluß an das Referendarexamen, Volkswirtschaft in Straßburg. Dort promovierte er 1888 bei F. G. Knapp|mit einer umfangreichen Arbeit über die Besiedlung nordwestdeutscher Moore. 1890 gründete H. den späteren „Alldeutschen Verband“. Obgleich er in der Verbandsarbeit fortan nur selten öffentlich hervortrat, blieb er als mehrjähriges Mitglied des Geschäftsführenden Ausschusses und später über den Verbandsvorsitzenden H. Claß stets einflußreich. 1894-99 arbeitete er bei der preuß. Ansiedlungskommission in Posen und faßte deren Tätigkeit als Beitrag zum Nationalitätenkampf auf. Ebenso verstand er sein Wirken als Verbandsdirektor der Raiffeisengenossenschaften in Posen, wo er genossenschaftliche Lager- und Krediteinrichtungen gründete, um die deutschen Landwirte gegen die poln. Konkurrenz zu stärken. Um H. bildete sich ein Kreis Gleichgesinnter, dessen Verbindungen in das deutsche Vereinswesen, in Agrarorganisationen und in die öffentliche Verwaltung reichten und der auf diesem Wege schwer durchschaubaren politischen Einfluß gewann. Einige seiner wichtigsten Freundschaften datierten aus dieser Zeit. 1903 trat er abermals in den Staatsdienst ein, nahm 1907 jedoch seinen Abschied als Geheimer und Vortragender Rat im preuß. Finanzministerium. Als Grund hierfür spielte – außer pekuniären Erwägungen – auch sein Unmut über die ihm unzureichend erscheinende Germanisierungspolitik in den preuß. Provinzen eine Rolle. 1909 wurde er Vorsitzender des Krupp-Direktoriums, leitete notwendig gewordene finanzielle Umstellungen und entwickelte neue Formen des Arbeiter-Siedlungswesens. Politisch belangvoll sollte die Organisierung und Kontrolle industrieller Spendentätigkeit an patriotische Vereine sowie die Schaffung eines Anzeigenunternehmens für die Ruhrindustrie werden. Dank seiner Stellung und organisatorischen Begabung erhielt H. zahlreiche Aufsichtsratssitze und mehrere Führungsposten bei namhaften westdeutschen Wirtschaftsverbänden; aus letzteren zog er sich in der 1. Hälfte der 20er Jahre zurück. Bei Kriegsausbruch stand er sogleich an der Spitze annexionistischer Bestrebungen. Ein wesentliches Motiv für diese Aktivität bildete das Argument, daß dem voraussehbaren Demokratisierungsbegehren breiter Volksschichten eindrucksvolle Gebietsgewinne entgegengesetzt werden müßten. Spätestens im Frühjahr 1918 suchte H. bei Krupp v. Bohlen um seine Entlassung zum Kriegsende nach. Die Gründe für diesen Wunsch sind ungeklärt; seine Inanspruchnahme durch das Pressewesen, in dem er mittlerweile tätig war, dürfte seine Entscheidung erheblich mitbestimmt haben.

    Ein alter Gedanke, nationalpolitischen Zielsetzungen wirkungsvolle Verbreitungsformen zu verschaffen, bewog H. 1916, im Auftrage einer Industriellengruppe den Scherl-Verlag zu erwerben, zu sanieren und zu leiten. Ferner gründete er die „Deutsche Lichtspielgesellschaft“ zur Herstellung von Wochenschauen. Zu Beginn der 20er Jahre hatte er im wesentlichen den Aufbau eines Pressekonzerns abgeschlossen; zum Scherl-Konzern gehörten u. a. die Annoncenexpedition ALA, die Nachrichtenagentur „Telegraphen-Union“, Zeitungs-Beratungs- und Kredit-Institute, ein Materndienst, mehrere parlamentarische Korrespondenzdienste und ein Großreklamezweig. Darüber hinaus hatte H. etliche Kapitalbeteiligungen bei Zeitungen unterbringen können. Die beiden alten Zeitungskonzerne Ullstein und Mosse sowie das „Wolffsche Telegraphen-Bureau“ erhielten binnen kurzem eine beachtliche und auf einigen Gebieten sogar überlegene Konkurrenz. 1927 erwarb H. die Stimmrechtmehrheit in der heruntergewirtschafteten Universum-Film-AG (Ufa). Die wirtschaftliche Lage der Ufa wurde bemerkenswert rasch verbessert, und bald gehörte die Ufa nach Umfang und Qualität der Produktion, nach Umfang des Verleihgeschäfts und Zahl eigener Lichtspielhäuser zu den führenden Unternehmen der internationalen Filmbranche. Sodann befaßte sich H. im Weltkrieg erneut mit der Organisierung und Finanzierung der sog. „inneren Kolonisation“. Nach dem Kriege engagierte er den Konzern in diesem Zusammenhang bei mehreren landwirtschaftlichen Kreditinstituten. H.s Absicht, den zersplitterten landwirtschaftlichen Kreditapparat zu einem kapitalkräftigen Zentralinstitut zu verschmelzen, scheiterte an verschiedenen Widerständen. Nicht zuletzt dieser Umstand und geschäftliche Fehlschläge im Bereich des landwirtschaftlichen Bankwesens bewogen ihn 1925-29 zur Lösung des agrarischen Engagements. Der Gesamtkonzern wurde von einem aus „12 nationalen Männern“ bestehenden Gremium geführt, das sich auf H.s Anregung hin 1919 als „Wirtschaftsvereinigung zur Förderung der geistigen Wiederaufbaukräfte“ gebildet hatte. Satzungsgemäß sollten die Konzernerträge „gemeinnützigen politischen Zwecken“ zugeführt werden. Außer Frage stehen Geldzuwendungen an die Deutschnationale Volkspartei (DNVP); größere Zahlungen an andere rechtsgerichtete Organisationen sind bisher nicht nachgewiesen und angesichts des hohen Kapitalbedarfs des Konzerns wenig wahrscheinlich.

    Richtunggebende Bestandteile der politischen Leitideen in H.s Wirken sind bis in seine frühen Mannesjahre zurückzuverfolgen. Sie gehören in die geistige Umgebung eines radikalen Nationalliberalismus wilhelminischer Prägung. Seine politische Gedankenwelt wies einen hohen Grad innerer Systematik und Kontinuität auf; sie wurde unter den veränderten innen- und außenpolitischen Bedingungen der Weimarer Republik allerdings zunehmend realitätsferner. H. hielt eine materiell und militärisch gesicherte Zukunft Deutschlands nur für denkbar, wenn es eine den aufstrebenden Mächten USA und Rußland vergleichbare „Weltmacht“-Stellung erreichen und seine internationalen Wirtschaftsverflechtungen auf ein Mindestmaß einschränken würde. Der Forderung nach starker autoritärer Staatsführung entsprach die Ablehnung der Demokratisierung, mindestens solange weite Bevölkerungsteile mangels immobilen Eigentums einen unterentwickelten Sinn für nationale Interessen hätten. Diese Grundgedanken mündeten ein in eine mehr oder minder klar ausgedrückte Abneigung gegen Großfinanz und Großhandel, gegen Gewerkschaften, sozialistische und linksliberale Parteien. Aus H.s Sozialkonzeption ragte der selbständige Unternehmer oder Landwirt als Ideal heraus; der Siedlungsgedanke ergänzte folgerichtig diese Zielvorstellung weitestgehender Bodenständigkeit.

    H.s Distanz zur politischen Führung des Wilhelminischen Reiches verschärfte sich zur grundsätzlichen Opposition gegen den parlamentarisch-demokratischen Aufbau und gegen die Außenpolitik der Weimarer Republik. Völkisch-antisemitischen oder monarchistischen Stimmungen, die zuweilen in die Publikationen des Scherl-Verlags Eingang fanden, erlag er nicht. Sein Einfluß auf die politischen Aussagen der von ihm kontrollierten Medien ist schwer bestimmbar. Bezüglich der Scherlpresse sind politische Direktiven H.s nachweisbar. Nicht erwiesen sind die bezüglich der Telegraphen-Union und der dem Konzern nahestehenden Provinzpresse. Um die Ufa-Produktion kümmerte er sich, abgesehen von wirtschaftlichen Belangen, offenbar gar nicht.

    1919 wurde H. für die DNVP in die Nationalversammlung gewählt; er behielt – seit 1933 als Gast der NSDAP – sein Mandat in den Reichstagen bis 1945. Die parlamentarische Arbeit verachtete er, dennoch wurde ihm von Anbeginn ein erheblicher Einfluß in der Fraktion nachgesagt. Finanziell und publizistisch förderte er vor allem den alldeutsch gesinnten Flügel der DNVP, der dann auch erfolgreich H.s Wahl zum Parteivorsitzenden am 20.10.1928 betrieb. Diese Wahl erfolgte nach einer schweren deutschnationalen Wahlniederlage bei den Reichstagswahlen vom Mai und inmitten grundsätzlicher Richtungsstreitigkeiten. Zwecks Beseitigung aller bisherigen innerparteilichen Krisenherde arbeitete H. auf zwei einschneidende Neuerungen hin: Einerseits erwirkte er gegen mannigfache Widerstände schließlich sog. „diktatorische“ Führungsvollmachten und versuchte, die Honoratiorenpartei in eine Art „Hugenberg-Bewegung“ umzuwandeln. Zum andern verlagerte er das Hauptgewicht der Parteiarbeit auf den außerparlamentarischen Bereich mit dem Ziel, die Ablösung der parlamentarischen Regierungsweise durch ein autoritäres Regime zu erzwingen. Hierbei wurde die Bekämpfung des Youngplans und seiner Folgen zum Angelpunkt seiner politischen Strategie, die auf die Bildung einer „nationalen Sammlung“ unter Einschluß der NSDAP hinauslief (Kampagne gegen den Youngplan Ende 1929; „Harzburger Front“ vom Okt. 1931) und die zugleich die DNVP auf eine Frontstellung gegen Hindenburg und das halbautoritäre Kabinett Brüning festlegen sollte. Dieses Gesamtkonzept löste jedoch eine Reihe von Fehlschlägen aus: Die NSDAP zog allein Vorteil aus der Radikalisierung des Bürgertums und machte den deutschnationalen Führungsanspruch fragwürdig. Gleichzeitig pflanzte sich in der DNVP die Abspaltungsbewegung von gemäßigten Parteigruppierungen fort, die ihre materiellen Interessen und ihr national-konservatives Selbstverständnis in einer konstruktiven Beziehung zum bestehenden Staat besser gewahrt fanden als im Obstruktionskurs H.s.

    Im Frühjahr 1932 sah H. seine Absicht, die NSDAP der deutschnationalen Politik dienstbar zu machen, als gescheitert an und begann, die nationalsozialistische Gefahr für Staat und Gesellschaft zu beschwören. Diese Kursänderung kam indessen zu spät, um ihm in den politischen Entscheidungszentren noch nützlich sein zu können: Auf die Bildung der Präsidialkabinette Papen und Schleicher hatte H. keinen, auf deren Politik keinen nennenswerten Einfluß nehmen können. Überdies mehrten sich Anzeichen, daß unter seinen Anhängern das ursprüngliche Vertrauen in seine Führungsbefähigung sank.

    Entgegen eigenen Bedenken trat H. 1933 in das Hitlerkabinett ein und übernahm die Reichs- und preuß. Wirtschafts-, Landwirtschafts und Ernährungsministerien. Mit der ihm eigenen starken Arbeitsintensität versuchte er vor allem, die Landwirtschaft zu sanieren. Trotz der erzielten Erfolge blieb seine Stellung als vermeintlicher „Wirtschaftsdiktator“ schwach. Nationalsozialistische Quertreibereien gegen seine Politik und seine Ressortwünsche häuften sich, im Kabinett geriet er in wachsende Isolierung. Den letzten Anstoß zu seinem Rücktritt am 27.6.1933 gab die amtliche und offiziöse Behandlung seines eigenwilligen Auftretens auf der Londoner Weltwirtschaftskonferenz.

    Die Verbindungen zu seiner vom Nationalsozialismus bedrängten Partei lockerten sich unterdessen infolge von H.s Arbeitsbelastung als Minister und seiner Geringschätzung der Parteiarbeit. Am Tage seines Rücktritts löste sich seine Partei gegen sein Votum auf. Vom politischen Leben entfernt, versuchte er nunmehr, dem nationalsozialistischen Druck auf den Konzern zu begegnen. 1933 und 1934 mußte er sich zum Verkauf wichtiger Zweige des Pressebereichs verstehen. 1937 wurde der Verkauf der Ufa an das Reich erzwungen und, entgegen wiederholt gegebenen Zusagen, 1944 auch der Verkauf des Scherl-Verlags. 1946 kam H. in brit. Internierung und wurde anschließend nach mehreren Entnazifizierungsverfahren 1951 als „Entlasteter“ eingestuft.

    Die politische Geschichtsschreibung gleich welcher Tendenz fällte herbe Urteile über den Politiker H.; er wird im allgemeinen zu den wichtigsten Wegbereitern Hitlers gezählt. Gleichwohl gilt sein Patriotismus als uneigennützig. Seine Integrität wurde auch von Gegnern, an denen es schon wegen seiner Schroffheit nicht fehlte, nur selten angezweifelt. Seine ungewöhnliche Begabung auf finanztechnischem und betriebsorganisatorischem Gebiet ist unbestritten.

  • Werke

    u. a. Quartett, Dichtungen, hrsg. v. K. Henckell, 1886;
    Innere Colonisation im Nordwesten Dtld.s, 1891;
    Bank- u. Kreditwirtsch. d. dt. Mittelstandes, 1906;
    Streiflichter aus Vergangenheit u. Gegenwart, ²1927;
    Die soz. Frage in Dtld., 1932;
    Die neue Stadt, 1935.

  • Literatur

    L. Bernhard, Der H.-Konzern, 1928;
    O. Kriegk, H., 1932 (P);
    Wahrmund (Ps. f. P. Weber u. a.), Gericht üb. H., 1932;
    R. Lipschütz, Der Ufa-Konzern, 1932;
    W. Herrmann, Die Gesch. d. ALA 1938;
    J. Borchmeyer, H.s Ringen in dt. Schicksalsstunden, 1951;
    O. Schmidt-Hannover, Umdenken od. Anarchie, 1959 (P);
    P. de Mendelssohn, Zeitungsstadt Berlin, 1959;
    V. Dietrich, A. H., Ein Manager in d. Publizistik, Diss. FU Berlin 1960;
    F. Frhr. Hiller v. Gaertringen, Die Dt.nat. Volkspartei, in: Das Ende der Parteien, 1930, S. 543-652;
    ders., Das Ende d. Dt.nat. Volkspartei im Frühj. 1933, in: G. Jasper (Hrsg.), Von Weimar zu Hitler, 1930–1933, 1968, S. 246-78;
    A. Ritthaler, Eine Etappe auf Hitlers Weg z. ungeteilten Macht, H.s Rücktritt als Reichsmin., in: Vjhh. f. Zeitgesch. 8, 1960;
    H., in: Der Spiegel v. 4.11.1964, S. 89-95;
    A. Thimme, Flucht in d. Mythos, Die Dt.nat. Volkspartei u. d. Niederlage v. 1918, 1969;
    J. L. Heinemann, Constantin v. Neurath and German Policy at the London Economic Conference of 1933: Background to the Resignation of A. H., in: Journal of Mod. Hist. 41, 1969;
    D. Guratzsch, Macht durch Organisation, A. H.s Einfluß im Wilhelmin. Dtld., Diss. Hamburg 1970;
    J. A. Leopold, A. H. and German Politics, Ph. D. Thesis Catholic University of America, Washington D. C. 1970;
    K. Koszyk, Dt. Presse 1914–45, 1972;
    Rhdb. (P). - Zu Gvm E. F. Adickes: W. Rothert, Allg. hannov. Biogr. II, 1914.

  • Porträts

    Büste u. Relief v. V. H. Seifert (in Fam.bes.).

  • Autor/in

    Klaus-Peter Hoepke
  • Zitierweise

    Hoepke, Klaus-Peter, "Hugenberg, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 10 (1974), S. 10-13 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118554565.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA