Lebensdaten
1891 – 1971
Geburtsort
Schieder/Lippe
Sterbeort
Florenz
Beruf/Funktion
Politiker ; Reichsminister ; Publizist
Konfession
reformiert
Normdaten
GND: 121419169 | OGND | VIAF: 37773596
Namensvarianten
  • Treviranus, Gottfried Reinhold Alexander
  • Treviranus, Gottfried
  • Treviranus, Gottfried Reinhold Alexander
  • mehr

Verknüpfungen

Verknüpfungen auf die Person andernorts

Verknüpfungen zu anderen Personen wurden aus den Registerangaben von NDB und ADB übernommen und durch computerlinguistische Analyse und Identifikation gewonnen. Soweit möglich wird auf Artikel verwiesen, andernfalls auf das Digitalisat.

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Treviranus, Gottfried, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd121419169.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Heinrich (1866–1937), aus Sch., Domänenpächter, Oberamtmann, 1917/18 Mitgl. d. Preuß. Abg. hauses (Kons. Partei) (s. Biogr. Hdb. Preuß. Abg. haus I), S d. Gottfried Reinhold (1838–88), Rr.gutsbes., Domänenpächter, u. d. Alma Höcker (1845–1922);
    M Margaret (1867–1943), T d. Alexander Stewart (* 1802), aus Irland, Dr. iur., Anwalt, Theol., u. d. Maria Griffith, aus Jamaica;
    Urur-Gvv Gottfried Reinhold (s. 1);
    Ur-Gvv Heinrich (1802–65), Domänenpächter (s. Gen. 1);
    5 jüngere B u. a. Alexander Stewart (1895–1976), Oberlt., um 1940–47 in d. Schweiz, Farmer, Großwildjäger in Afrika u. Indien, Gerhard (1905–78), Dr. iur., 1934–39 Anwalt in Berlin, b. d. Heeresverw. tätig, 1947–70 Oberkreisdir. in Halle (Westfalen), 1 jüngere Schw; – 1) 1916 1954 Agnes Elisabeth (1887–1980), T d. Erich v. Baumbach (1855–93), auf Lenderscheid, u. d. Anna v. Baumbach a. d. H. Ropperhausen (1859–1929), 2) 1955 Elisabeth (1919–2006, 1] Friedrich Rudolf Hohl, 1916–79, aus Berlin, Jur., Dichter, befreundet mit Niklas Luhmann, 1967–84 Dir. d. Goethe-Institute in Palermo, Lyon u. Neapel), T d. Gottfried v. Dryander (1876–1951), Dr. iur., Geh. Oberreg.rat, 1921–24 DNVP-Abg. d. Preuß. LT u. 1924–30 d. RT (DNVP), 1942–44 wiss. Mitarb. d. Dt. Inst. f. Wirtsch.forsch. in Berlin (s. Schumacher, M. d. R.; NDB IV*), u. d. Margarete v. Hoffmann (* 1883);
    2 S aus 1), 1 T aus 1), 1 S aus 2).

  • Biographie

    Nach dem Abitur auf dem Ernestinum in Rinteln/Weser 1909 trat T. in die ksl. Kriegsmarine ein, schied 1919 als Kapitänleutnant aus und wurde bei der landwirtschaftlichen Buchführungsgenossenschaft für das Land Lippe angestellt, 1922 als Direktor der neu gebildeten Landwirtschaftskammer Lippe. 1924 zog er als Landbundführer von Minden-Ravensberg und Paderborn für die DNVP in den Reichstag ein. 1925/26 nahm er einige Monate zugleich ein Landtagsmandat im Freistaat Lippe wahr. Er agierte an der Seite Kuno Gf. v. Westarps (1864–1945), Vorsitzender der DNVP und der Reichstagsfraktion, als Politischer Beauftragter der Parteiführung. Die Bildung des Kabinetts Marx IV Anfang 1927, einer Rechtskoalition unter Einbeziehung der DNVP, hielt sich T. rückblickend als sein „Gesellenstück“ zugute, das die Spaltung der Partei jedoch nur vertagte. Im Dez. 1929 trat T., Gegner des radikalen Rechtskurses von Alfred Hugenberg (1865–1951), nach der Auseinandersetzung um den auch von ihm abgelehnten Young-Plan mit elf weiteren Abgeordneten aus der DNVP aus, mit denen er im Reichstag die „Deutschnationale Arbeitsgemeinschaft“ bildete. Aus deren Zusammenschluß mit der „Volkskonservativen Vereinigung“ unter T.s Vorsitz entstand 1930 die „Konservative Volkspartei“ (KVP). T. gehörte ihrem Führungsgremium als Geschäftsführer eines Sechserausschusses bis Okt. 1930 an. Bei den Reichstagswahlen im Sept. 1930 erhielt die KVP nur vier Mandate. Inwieweit T. das Ende des Kabinetts Müller II im Frühjahr 1930 aktiv mit herbeigeführt hatte, ist strittig. Als jüngstes Mitglied gehörte er beiden Kabinetten Brüning an, zunächst als Reichsminister für die besetzten Gebiete (30. 3. 1930 bis z. Aufhebung d. Min. am 1. 10. 1930). Vor den Reichstagswahlen im Sept. 1930 unterstrich er seinen Ruf als nationalistischer „Trommler“ mit seiner die Ostgrenze in Frage stellenden „Polen-Rede“.

    Auch nach dem Mißerfolg der KVP blieb T., der weiterhin das Vertrauen des Kanzlers und des Reichspräsidenten genoß, 1930/31 als Reichskommissar für die Osthilfe (Min. ohne Geschäftsbereich) im Amt. Als Reichsverkehrsminister im zweiten Kabinett Brüning 1931/32 ließ er Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durch den Bau von Autobahnen planen. Im Frühjahr 1932 setzte er sich als Organisator mit guten Kontakten zu Industriekreisen und als Redner für die Wiederwahl Hindenburgs ein. Nach dem Ende der Regierung Brüning und dem Verlust seines Reichtagsmandats 1932 hatte T. als Wirtschaftsberater auch mehrere Aufsichtsratsmandate industrieller Unternehmen inne, u. a. war er geschäftsführender Vorsitzender des Aufsichtsrats der „Deutschen Schuh-Aktiengesellschaft Bata“ in Ottmuth (Oberschlesien).

    Beim „Röhm-Putsch“ am 30. 6. 1934 entkam T., der im Frühjahr 1932 von den Nationalsozialisten umworben worden war, nur knapp der Verhaftung. Mit Hilfe des brit. Geheimdienstes und des Eugenikers Hermann Muckermann (1877–1962) gelangte er Mitte Juli 1934 über die Niederlande nach England, wo wenig später auch seine Familie eintraf. In London war er zunächst für ein Zürcher Investitionssyndikat tätig. Seit Ende 1934 war T. im Visier der Gestapo, u. a. wegen seiner vermuteten Mitarbeit an der Prager Exilzeitschrift „Die Deutsche Revolution“, dem Organ Otto Straßers (1897–1974), und seiner Freundschaft mit David Yaskiel (1899–1979),|einem nach England emigrierten jüd. Verleger „deutschfeindlicher“ Literatur. T. reiste seit 1934 wiederholt zu Gesprächen mit dt. Exilpolitikern auf den Kontinent. 1938 ausgebürgert, war er 1938/39 Treuhänder der „Union Rubber Co. Nelson Incs.“ in Lancashire.

    1939 klagte T. bei einer Veranstaltung des Lord-Baldwin-Flüchtlingsfonds in Chester das NS-Regime an und nannte seinen ehemaligen Marinekameraden Martin Niemöller (1892–1984) als prominentes Opfer der Verfolgung. T. fand Zugang zu brit. Politikern, auch dem damaligen Oppositionsführer Churchill, und engagierte sich in der „Notgemeinschaft für deutsche Wissenschaftler im Ausland“. Im Sept. 1939 hielt er sich besuchsweise in Kanada und den USA auf, wo er u. a. Brüning traf, wanderte 1940 mit der Familie nach Kanada aus (kanad. Staatsbürger 1943), reiste im Sept. 1942 nach Befürwortung des State Departments in die USA ein und traf dort auch Brüning. Seine Bewegungsfreiheit verdankte er u. a. seiner Kooperation mit dem amerik. „Office of Strategic Services“ (OSS). Im kanad. Exil schmiedete er Pläne, den Widerstand im Reich von außen durch das Einschleusen bewaffneter dt. Kräfte anzufachen, entzog sich aber wie Brüning allen Plänen für eine dt. Exilregierung. Seine wirtschaftliche Lage, anfangs als Farmarbeiter und Pächter in Ontario, 1946/47 als Leiter einer Werkzeugfabrik in Michigan (USA), war stets prekär.

    1947 kehrte T., der nach Kriegsende Hilfsaktionen für Europa koordinierte, erstmals nach Deutschland zurück. Seit 1949 sondierte er für amerik. Finanzgruppen Anlagemöglichkeiten beim Wiederaufbau der westdt. Stahlindustrie und suchte als Lobbyist erfolglos die Nähe zur Bonner Politik. T.s Versuche, selbst unternehmerisch tätig zu werden, scheiterten. Er übersiedelte in die Schweiz, wo er in Basel seit 1954 die „TREAG AG“, Tochtergesellschaft einer engl. Straßenbaufirma, repräsentierte. Später wohnte er in Porto Ronco sopra Ascona, zuletzt in Palermo. Jahrelang kämpfte er um Entschädigung für den durch die Emigration erlittenen Berufs- und Vermögensschaden und erhielt seit 1957 als ehemaliger Seeoffizier eine staatliche Pension; 1958 wurde er wieder dt. Staatsbürger. In der HS-30-Schützenpanzer-Affäre hatte T. 1968 seinen letzten öffentlichen Auftritt als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß des Dt. Bundestags, wo er Hinweise zur Bestechung von CDU-Bundestagsabgeordneten durch die Fa. „Hispano-Suiza“ bestätigte.

    Seit 1932 publizierte T. als Zeitzeuge, seit 1953 in der Wochenzeitung „Das Parlament“ und in der „Deutschen Rundschau“, seine Memoiren vollendete er nicht. Trotz seiner vielfältigen Kontakte in alle politischen Lager blieb er als Parteipolitiker und Wirtschaftslobbyist letztlich erfolglos. Ein Eingeständnis seiner Mitverantwortung für das Scheitern der Weimarer Republik ließ T., der mit seinen Erinnerungsbüchern maßgeblich zur „Brüning-Legende“ beigetragen hat, nicht erkennen.

  • Auszeichnungen

    A E. K. II. u. I. Kl.;
    Ehrenkreuz d. fürstl. lipp. Hausordens.

  • Werke

    W Dt.nat. Innenpol. im RT, 1925;
    Volk u. Siedlung, [1926];
    Auf neuen Wegen, 1930;
    Ansprache z. Goethefeier d. Stadt London in d. Fishmongers’ Hall, 1932;
    Revolutions in Russia, Their Lessons for the Western World, 1944, span. 1946;
    Zur Rolle u. z. Person Kurt v. Schleichers, in: Staat, Wirtsch. u. Pol. in d. Weimarer Rep., FS. f. Heinrich Brüning, 1967, S. 363–82;
    Das Ende v. Weimar, Heinrich Brüning u. seine Zeit, 1968;
    Für Dtld. im Exil, 1973;
    Roman-Übers.: R. Graves, Strich drunter, 1930.

  • Quellen

    Qu Restnachlaß: Privatbes. (Schweiz); Ausbürgerungsakte im Pol. Archiv d. AA, Berlin; Entschädigungsakte, Landesamt f. Bürger- u. Ordnungsangelegenheiten, Berlin.

  • Literatur

    L H. Möller, G. R. T., Ein Konservativer zw. d. Zeiten, in: Um d. Freiheit willen, FS f. Johannes u. Karin Schauff z. 80. Geb.tag, hg. v. P. Gordan, 1983, Nachdr. 2003, S. 118–46;
    U. Backes u. a., Reichtagsbrand, Aufklärung e. hist. Legende, 1986, S. 209–13;
    D. Stokes, Secret Intelligence and Anti-Nazi-Resistance, The Mysterious Exile of G. R. T., in: The Internat. Hist. Review 28, 2006, S. 226–45;
    R. Morsey, T. als Interpret Brünings (1955–1973), in: Gesch.wiss. u. Zeiterkenntnis, Von d. Aufklärung bis z. Gegenwart, FS z. 65. Geb.tag v. H. Möller, hg. v. K. Hildebrand u. a., 2008, S. 597–608;
    W. Stich, „Seekadett“ aus Schieder, Das Leben d. Reichsmin. G. T., in: Heimatland Lippe, Zs. d. Lipp. Heimatbundes 2013, S. 6–9;
    Rhdb. (P);
    BHdE I;
    Biogr. Lex. Weimarer Rep.;
    Schumacher, M. d. R.;
    Lex. Konservatismus;
    Nachrufe: P. J. Winters, in: FAZ v. 11. 6. 1971 (P);
    J. Tern, in: Dt. Ztg. v. 18. 6. 1971 (P); K.-H. Janßen, in: Die Zeit v. 18. 6. 1971 (P).

  • Autor/in

    Martin Schumacher
  • Zitierweise

    Schumacher, Martin, "Treviranus, Gottfried" in: Neue Deutsche Biographie 26 (2016), S. 409-410 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd121419169.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA