Lebensdaten
unbekannt
Beruf/Funktion
fränkisches Hochadelsgeschlecht
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118721003 | OGND | VIAF: 50020166
Namensvarianten
  • Karlinger (nach Károlus, der lat. Form des Leitnamens Karl)
  • Karolinger
  • Karlinger (nach Károlus, der lat. Form des Leitnamens Karl)
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Zitierweise

Karolinger, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118721003.html [19.03.2024].

CC0

  • Biographie

    Genealogische Aufzeichnungen des 9. Jahrhunderts, in denen die Familie über das frühe 7. Jahrhundert hinaus sowohl auf gallorömischen Senatorenadel wie auf die merowingische Königsdynastie zurückgeführt wird, sind Fiktionen vornehmlich aus Metzer Sicht. Die erkennbare Geschichte des Hauses (die hier nur in den Hauptlinien des Mannesstammes verfolgt werden kann; s. Tafel) setzt 613 ein, als der im Raum von Metz und Verdun begüterte Arnulf gemeinsam mit Pippin dem Älteren, dessen Besitzungen im Maaslande nördlich der Ardennen lagen, an der Spitze des austrischen Adels im Kampf gegen die Königin Brunichild dem Neustrier Chlothar II. zum Siege verhalf. Trotz der Wiederherstellung des stärker in Neustrien verwurzelten fränkischen Gesamtkönigtums bahnte sich damit eine politische Gewichtsverschiebung zum stärker germanischen Austrien und seinem einheimischen Adel an. Pippin der Ältere ( 640) wurde Hausmeier (maior domus), Arnulf – 614 Bischof von Metz geworden – geistlicher Berater des 623 eingesetzten austrischen Unterkönigs Dagobert I. Arnulf zog sich bald (626?, 629?) ins religiöse Leben zurück ( circa 640, s. NDB I). Sein Sohn Ansegisel, vielleicht identisch mit dem dux Adalgisel, der 633-38 als Regent für den neuen austrischen Unterkönig Sigibert III. waltete, war mit Pippins des Älteren Tochter Begga ( 693) vermählt, während dessen Sohn Grimoald I. sich nach 640 als austrischer Hausmeier, ja als faktischer Herrscher im Ostreich durchsetzte. Als pippinidische Stiftungen entstanden um die Mitte des 7. Jahrhunderts die Klöster Stablo-Malmedy und Nivelles. Grimoald I. wagte sogar, wenn auch nicht für sich selber, den Griff nach der Königswürde; neuere Forschungen haben ergeben, daß er dabei mehr Erfolg hatte, als man vorher annahm. Er ließ seinen Sohn von dem jungen Sigibert III. unter dem Merowingernamen Childebert adoptieren und nach Sigiberts Tod 656 zum König erheben; aber als dieser Childebert (III.) wohl 662 starb, wurde Grimoald gestürzt und hingerichtet (s. NDB VII). Im Gefolge dieses verfrühten Staatsstreiches war damit der Mannesstamm der Pippiniden schon in der 2. Generation erloschen, aber in der gleichen Generation war, durch die Ehe Beggas mit Ansegisel, ihr Familien- und Besitzerbe an die Arnulfinger übergegangen.

    Nach der Katastrophe von 662 blieben jedoch auch sie vorerst im Hintergrunde. Ansegisel ( vor 679) tritt nicht mehr in erkennbarer Weise hervor. Erst gegen 680 gewann sein Sohn Pippin der Mittlere die Führung im Kampf des austrischen Adels gegen neustrische Vorherrschaft. Sein entscheidender Sieg bei Tertry (im Raum von Saint-Quentin) sicherte 687 den Vorrang Austriens im Reich und begründete die stetige Herrschaft der arnulfingisch-karolingischen Dynastie. Ihre Besitzbasis hatte sich sehr ausgeweitet durch Pippins Vermählung mit Plektrud aus einer im Umkreise von Trier reich begüterten Familie, die Echternach und Oeren gestiftet hatte.

    Seit Tertry steht die Geschichte des Frankenreiches im Zeichen der neuen Herrscherfamilie, oft genug bis ins biographische Detail. Die Herrschaft Pippins des Mittleren war zunächst ein Prinzipat rein faktischer Art und erfaßte nur die austrisch-neustrische Francia, den Kernraum des Gesamtreiches. Pippin setzte den Teilungen des Reiches unter mehrere Könige ein Ende, respektierte aber das Thronrecht der Merowinger und bekleidete selber nur zeitweilig das Amt des Hausmeiers. Nur begrenzte Erfolge hatte er bei dem Versuch, die außerfränkischen Länder Galliens und Germaniens wieder enger ans Reich zu binden; historische Bedeutung gewannen jedoch die von ihm geförderten Anfänge der angelsächsischen Mission in Friesland (Willibrord). Er überlebte seine Söhne aus der Ehe mit Plektrud – den dux Drogo ( 708) und den Hausmeier Grimoald II. ( 714) –, so daß bei seinem Tode (714) kein regierungsfähiger Nachfolger bereitstand und der eben errichtete Prinzipat erstmals einem politischen Zusammenbruch oder einem dynastischen Erlöschen ausgesetzt war.

    Erstmals aber spielte zugleich das noch fließende Familien-, Ehe- und Erbrecht, das neben der vollgültigen Muntehe die vergleichsweise lockere Friedelehe kannte, in die |Karolinger politisch-dynastischen Entscheidungen hinein. Von seiner Friedelfrau Chalpaida (Alphaida) hatte Pippin der Mittlere einen Sohn, den ersten Träger des Namens Karl, später Karl Martell genannt. Nach anfänglichen Rüdeschlägen setzte dieser sich sowohl gegen Plektrud (fraglicher später Überlieferung zufolge 725 in Köln) wie gegen die Neustrier durch und erneuerte mit dem austrisch-karolingischen Prinzipat die fränkische Reichsgewalt nach innen und außen. Über die territoriale Ausgangsbasis und über die Autorität seines Vaters weit hinausgreifend, schuf er sich durch großzügige Besitzvergabungen, oft auf Kosten der Kirchen und in der Rechtsform der Vasallität, eine breite Anhängerschaft und zog faktisch bereits alle königlichen Befugnisse an sich. Er ließ den Königsthron seit 737 unbesetzt und verfügte nach königlicher Rechtstradition, ehe er 741 starb u. in der Königsabtei Saint Denis beigesetzt wurde (s. NDB XI), eine Herrschaftsteilung unter den Söhnen aus seiner Ehe mit Chrotrud ( 725), indem er Karlmann (* vor 714) Austrien, Pippin dem Jüngeren (* 714) Neustrien zusprach, beiden als Hausmeiern und jeweils mit Nebenländern, offenbar aber mit der Auflage, seinen Sohn von der bayerischen Agilolfingerin Swanahild ( nach 741), Grifo, mit einem Gebiet im Reichsinnern auszustatten. Unter Ausnutzung der noch unabgeklärten Rechtsbegriffe bestritten Karlmann und Pippin der Jüngere jedoch die Vollbürtigkeit Grifos – wahrscheinlich zu Unrecht – und schoben ihn beiseite ( 753, s. NDB VII).

    Der Generationswechsel von 741 bezeichnete einen bruchlosen Neuansatz. Das Werk des Vaters fortführend, brachten Karlmann und Pippin in den germanischen und gallischen Ländern die Reichshoheit zu verstärkter, wenn auch noch abgestufter Geltung, zugleich aber leiteten sie im Bunde mit Bonifatius eine umfassend geplante kirchliche Erneuerung ein, durch die sie in eine zunächst mittelbare, dann direkte Verbindung zum römischen Papsttum traten und auch ihre politische Autorität in neuartiger Weise religiös-moralisch festigten. Angesichts starker Widerstände sahen sie sich jedoch sehr bald zu behutsamer Rücksicht auf überkommene Rechtsanschauungen und Interessen gezwungen: sie verstanden sich dazu, nochmals einen Merowingerkönig (Childerich III., 743) einzusetzen und die entfremdeten Kirchengüter den Inhabern zu Leiherecht zu belassen, was sehr zur Verknüpfung der Landleihe mit der Vasallität, das heißt zur Ausbildung des mittelalterlichen Lehnswesens beitrug. Aus vorwiegend, wenn nicht ausschließlich religiösen Motiven entsagte der Hausmeier Karlmann 747 der Herrschaft und zog sich ins Mönchsleben nach Italien zurück ( 754, s. NDB XI). Indem Pippin den Söhnen Karlmanns, deren einer Drogo hieß, einen Anteil an der Reichsgewalt verweigerte, ergab sich erstmals die Reduzierung auf eine Alleinherrschaft, was sich in der Karolingerdynastie noch dreimal wiederholte und den Gang der politischen Geschichte wesentlich bestimmt hat. Einen Übergang des Schwerpunktes an Neustrien hatte dieser Wechsel kaum zur Folge, zumal sich die austrische Besitzbasis inzwischen nochmals verbreitert hatte: Pippins Gemahlin Bertrada brachte dem Karolingerhause die 721 gegründete Abtei Prüm ein. Pippin der Jüngere wagte nunmehr den entscheidenden Schritt, indem er sich, mit moralischem Rückhalt am Papst Zacharias, 751 in Soissons von der fränkischen Reichsversammlung zum König ausrufen ließ. Eine kirchliche Königsweihe in Gestalt einer traditionsbegründenden Salbung nach alttestamentlichem Vorbilde gab der neuen Dynastie eine neuartige Legitimation in Verknüpfung des Geblütsrechtes mit einem sakralen Idoneitäts- und Amtsgedanken.

    Als König (751–68) festigte Pippin der Jüngere durch die feierliche Begegnung mit Stephan II., durch die abermalige geistliche Sanktionierung seiner Erbmonarchie und durch die Errichtung des Kirchenstaates (754–56) den Bund der fränkischen Staatsgewalt mit der römischen Kirche, der die neue Welt des abendländischen Mittelalters begründete. Er setzte die Kirchenreform im bonifatianisch-römischem Geiste fort und gliederte das außerfränkische Gallien endgültig dem Reiche ein. Auch er verfügte eine Reichsteilung im Königsstil und fand in Saint Denis sein Grab, aber er wich von den merowingischen Teilreichen ab, indem er den Westen und Norden für den älteren Sohn Karl (* 747?), die mittleren und südlichen Länder für Karlmann (* 751) bestimmte, doch spielte sich durch den frühen Tod Karlmanns und die Flucht seiner Gemahlin Gerberga mit dem Sohn Pippin Ende 771 die Einheit des Gesamtreiches wieder ein (s. NDB XI). Die lange Regierung Karls des Großen (768/71-814, s. NDB XI) darf in ihrem ereignisreichen Verlauf, in ihren vielfältigen Ergebnissen und Auswirkungen – von der gewaltigen territorialen Expansion über die Kirchen- und Bildungsreform bis zum Kaisertum – gewiß nicht zu einflächig oder gar als vorauskonzipiert gesehen werden, doch bleibt es offenkundig, daß sie durch die von Pippin dem Jüngeren gewiesenen Bahnen, durch die außergewöhnliche Persönlichkeit Karls, aber auch durch familiäre Bedingungen und Schicksale aufs stärkste geprägt worden ist.|Wenn Karls Verbindung mit Himiltrud, wie meist angenommen wird, eine bloße Friedelehe war, so spricht doch der Name des Sohnes Pippin (des Buckligen, * von 770) sehr dafür, daß diesem ein vorläufiges oder subsidiäres Erbrecht zugedacht war. Auf Betreiben seiner Mutter Bertrada ( 783) ging Karl 769 die Ehe mit einer – nicht namentlich bekannten – Tochter des Langobardenkönigs Desiderius ein, die er aber 770/71 verstieß. Dies ist in der Karolingergeschichte die einzige bedeutende „außenpolitische“ Eheverbindung geblieben. Die 781 abgesprochene Verlobung von Karls Tochter Rotrud (circa 775–810) mit dem byzantinischen Kaiser Konstantin VI. wurde 787 wieder gelöst. Ob die aus griechischer Quelle stammende Nachricht, Karl selber habe 801/02 eine Vermählung mit der Kaiserin Irene angeboten, ernstgenommen werden kann, steht dahin. Die anderen byzantinischen Heiratspläne, von denen für Karls Schwester Gisela (757–810), für seinen Urenkel Ludwig II. und dessen Tochter Irmingard (852/55-96) die Rede ist, kamen ebensowenig zustande wie die um 790 erwogenen Verbindungen Karls des Jüngeren (* 772/73) und Bertas (* 779/80) mit dem Königshause von Mercia in England. Karls des Kahlen Tochter Judith (circa 844-nach 870) war von 856 an mit dem angelsächsischen König Aethelwulf ( 858), dann mit dessen Nachfolger Aethelbald ( 860), der Westfranke Karl III. („der Einfältige“) seit circa 919 mit der angelsächsischen Prinzessin Eadgifu vermählt. Aus politischen Augenblickssituationen erklären sich die Verlobung von Karls des Kahlen Sohn Ludwig (des Stammlers, * 846) mit einer Tochter des Bretonenherzogs Erispoë (856), die Vermählung von Lothars II. Tochter Gisela mit dem Normannenfürsten Gottfried (882), Ludwigs IV. von Westfranken mit der Liudolfingerin Gerberga (939) und seiner Tochter Mathilde (943–891/92) mit König Konrad von Burgund (circa 964). Solche auswärtigen Verbindungen sind also nicht eben häufig, ganz überwiegend vermählten sich die Karolinger im Hochadel des Frankenreiches.

    Seit circa 771 mit der alemannisch-fränkischen Hildegard (758–83) vermählt, stellte Karl eine „Ansippung“ an die frühere Königsdynastie her, indem er seinen 778 geborenen Zwillingssöhnen die altmerowingischen Namen Ludwig (d. Fromme, = Chlodwig) und Lothar (= Chlothar, 779/80) gab, die seither neben den Karolingernamen Karl, Karlmann und Pippin bei den vollbürtigen Sprossen des Hauses stets wiederkehren. Pippin der Bucklige wurde anscheinend ausdrücklich für regierungsunfähig erklärt, indem sein Name 781 auf den 777 geborenen Karlmann überging. Nach dem Tode der Fränkin Fastrada (794) und der Alemannin Liutgard (800) schloß Karl keine vollgültige Ehe mehr. Für die nicht vollberechtigten Söhne des Hauses kamen in der Folge teils altkarolingische Namen wie Drogo und später Arnulf, teils fremde wie Bernhard und Hugo in Gebrauch. Die Abgrenzung ist daher im allgemeinen klar. Die „Illegitimen“ wurden mit Vorzug für geistliche Ämter bestimmt, zum Beispiel Karls des Großen Söhne Drogo (Bischof von Metz, 855, s. NDB IV) und Hugo (Abt von Sankt Quentin und Sankt Bertin, 802/06-44). Ob solche Söhne im Einzelfall politische Ansprüche geltend machen konnten, war stets eine situationsbedingte Tatsachenfrage, wie sie sich unter Karl dem Großeen bei dem rasch erstickten Aufstande jenes Pippin des Buckligen 792 stellte. Bevorzugte Namen legitimer Töchter waren Rotrud, Berta, Gisela, Hildegard. Vollgültige Ehen seiner eigenen Töchter ließ Karl der Große nicht zu, so daß es vorerst nicht zur Entstehung von Seitenlinien des Karolingerhauses kam.

    Dem Zusammenhalt des politisch und kulturell sowohl fränkisch-germanischen wie christlich-römischen Großreiches dienten innerdynastische Regelungen: Karl ließ 781 Pippin (* 777) und Ludwig (* 778), seinen zweiten und dritten Sohn aus der Ehe mit Hildegard, vom Papst Hadrian I. zu Königen salben und krönen und bestellte sie zu Unterkönigen in den durch historisch-politisches Eigenbewußtsein geprägten Ländern des Südens: Pippin in Italien, Ludwig in Aquitanien. Erst am Weihnachtstage 800, gleichzeitig mit der Kaiserproklamation, folgte die Königsweihe des ersten Sohnes, Karls des Jüngeren, durch Leo III. Ihm sprach der Vater bei der Erbteilung und Nachfolgeordnung von 806 die weiten fränkischen Kernländer zu. Ohne formelle Abkehr von der Teilungstradition war damit ein Vorrang Karls vor seinen Brüdern Pippin und Ludwig angebahnt, zumal sich vermuten läßt, daß Karl auch für die Nachfolge im Kaisertum ausersehen war. Aber der Tod Pippins (810) und Karls des Jüngeren (811, s. NDB XI) zerschlug alle Pläne und Vorentscheidungen. Der Kaiser ließ 812/13 Pippins – kaum vollbürtigen – Sohn Bernhard (* circa 797) als italienischen Unterkönig folgen, ohne ihn jedoch an der Reichsherrschaft zu beteiligen, während er Ludwig 813 in der zur faktischen Residenz ausgestalteten Pfalz Aachen zum Mitkaiser krönte. Zum dritten Male – nach 747 und 771 – ließen also familiäre Schicksale die Alleinherrschaft über ein ungeteiltes Reich wieder aufleben.

    Die Kirchen- und Staatsmänner der neuen Generation aber gedachten, diese Reichseinheit dem dynastischen Zufall zu entziehen und zum Rechtsprinzip zu erheben. Die Aachener Ordinatio imperii von 817 bestimmte Ludwigs des Frommen ältesten Sohn Lothar I. (* 795) zum Mitkaiser und Nachfolger; ihm sollten, unter Verbot weiterer Teilungen, die anderen Söhne aus des Kaisers Ehe mit Irmingard ( 818), Pippin (* circa 797) und Ludwig der Deutsche (* circa 806), als Unterkönige von Aquitanien und Bayern nachgeordnet bleiben – das seiner Natur nach genossenschaftliche Teilungsprinzip war auch damit nicht aufgegeben, aber herrschaftlich überlagert. Die weitere Geschichte des Frankenreiches, ja des abendländischen Europa, ist dadurch bestimmt, daß dieses Programm, das gewiß dem Rechtsdenken und den administrativen Möglichkeiten des Zeitalters weit vorauseilte, zunächst an der karolingischen Dynastie, schließlich auch am Eigenwillen der teils alten, teils durch die karolingischen Teilungen geformten historisch-politischen Landschaften gescheitert ist.

    Eine über das unmittelbare Eigeninteresse hinausreichende Bereitschaft zum Kampf für die Prinzipien von 817 ist bei keinem der Karolingersprossen erkennbar. Eine Auflehnung des in der Ordinatio übergangenen Bernhard von Italien endete 818 mit dessen Blendung und Tod; auf ihn geht eine Nebenlinie mit dem Leitnamen Heribert (von Vermandois) zurück, die biologisch dem karolingischen Mannesstamm zugehört, aber weder Könige noch Prätendenten gestellt hat und zu den nachkarolingischen französischen Fürstenfamilien zählt. Lothar I. übernahm 822 die Regierung Italiens und erscheint seit 825 als formeller Mitregent des Vaters. Aber die neue Kaiserin (seit 819), die Welfin Judith ( 843, s. NDB X), erwirkte nach zähem Bemühen, daß ihr 823 geborener Sohn Karl (der Kahle), der vierte Kaisersohn, 829 entgegen dem Geiste der Ordinatio mit einem alemannisch-burgundischen Dukat ausgestattet wurde. Dieser offenkundig gewordene Kurswechsel löste eine mehrjährige schwere Krise aus. Eine loyale Palastrevolution, die das Programm der Ordinatio retten wollte, trug 830 Lothar I. an die Spitze des Reiches, aber nur für kurze Zeit. Rasch wechselnde, an immer neuen Teilungsplänen ablesbare Gegensätze in Dynastie und Hochadel gipfelten 833 in einem Aufstande der drei älteren Söhne – Lothars I., Ludwigs des Deutschen, Pippins I. von Aquitanien – und im Sturz Ludwigs des Frommen. Aber Lothar I. zerstritt sich sehr bald mit seinen Brüdern, mußte sich 834 seinem wiedereingesetzten Vater unterwerfen und wurde nach Italien verwiesen. Die Teilungsfrage, vor allem die Ausstattung des jüngsten Kaisersohnes Karl, blieb offen. Der Kaiser beschränkte Ludwig den Deutschen auf Bayern, überging nach dem Tode Pippins I. von Aquitanien (838) den Erbanspruch des Sohnes (seines Enkels) Pippin II. (* circa 823) und verfügte 839 eine Teilung des Gesamtreiches außer Bayern nur zwischen Lothar I. und Karl dem Kahlen. Dieser Entscheidung widersetzten sich nicht nur Ludwig der Deutsche von Bayern u. ein Teil des aquitanischen Adels, der Pippin II. zum König ausrief, auch Lothar schob sie nach dem Tode Ludwigs des Frommen (840) beiseite und beanspruchte alle Kaiserrechte aus der Ordinatio von 817. Damit beschwor er einen neuerlichen Frontwechsel, ein Bündnis Ludwigs des Deutschen und Karls des Kahlen herauf und mußte sich 843 zu dem Vertrag von Verdun verstehen, der von den Randpositionen Italien, Bayern und Aquitanien aus – unter abermaliger Übergehung Pippins II. – drei Zuständigkeitsbereiche schuf. Dem Kaiser Lothar I. verblieb zwischen dem Westreich Karls und dem Ostreich Ludwigs ein um die Kaiserstädte Rom und Aachen gruppiertes Mittelreich, das von Italien über die Provence bis Friesland reichte. Obgleich das regnum Francorum weiterhin als eine ideelle Einheit unter der Samtherrschaft der karolingischen Brüder galt, war die Idee der im Kaiser gipfelnden echten Reichseinheit dem dynastischen Teilungsrecht erlogen.

    Zwar dürfen gerade die letzten Abmachungen nicht mehr als ausschließliche Familienangelegenheit verstanden werden, da mittlerweile der Adel ein entscheidendes Wort mitsprach, aber seit dem Erlöschen des Gesamtreiches verstärkten sich noch die Wechselwirkungen zwischen den Lebensschicksalen der Karolinger und der Ausformung politischer Räume. Die lange Lebens- u. Regierungszeit Ludwigs des Deutschen ( 876) und Karls des Kahlen ( 877, s. NDB XI) gewöhnte die an sich heterogenen Länder Ostund Westfrankens an eine politische Gemeinsamkeit, doch blieben Teilungsrecht und dynastische Kontinuität in gegenseitiger Überlagerung noch auf Generationen bestimmend. Nur mit größter Mühe vermochte der Westkönig Karl den Neffen Pippin II. von Aquitanien aus dem Felde zu schlagen ( nach 864), also eine weitere Karolingerlinie und ein weiteres Teilreich zu verhindern. Pippins jüngerer Bruder Karl (* 825/30) war zu Ludwig dem Deutschen geflohen und von diesem zum Erzbischof von Mainz bestellt worden ( 863, s. NDB XI). Der Kaiser Lothar I. dagegen unternahm keinen Versuch, sein Mittelreich, das er von der Aachener Zentrallandschaft aus regierte, durch einen Verzicht auf weitere Teilungen zusammenzuhalten. Er betraute seinen ältesten Sohn Ludwig II (* circa 825) mit der Regierung des ohnehin relativ selbständigen Italien. Ludwig wurde dort vom Papst 844 zum König, 850 zum Kaiser gekrönt, womit das Kaisertum nach Rom zurückgekehrt war. Vor seinem Tode (855) verfügte Lothar I. eine Teilung, mit der sich, anders als 747, 771, 817 und 838, das „Eintrittsrecht“ der (drei) Söhne gegen das „Anwachsungsrecht“ der überlebenden Brüder durchsetzte. Er sprach Italien dem Kaiser Ludwig II., die Rhonelande dem jüngsten Sohne Karl (* circa 845), die nördlichen Gebiete Lothar II. (* circa 835) zu.

    Teils noch gesamtfränkisches, teils bereits partikulares politisches Denken, freilich im Bunde mit handfesten Eigeninteressen, begann sich in diesen Jahren den rein dynastisch motivierten Aktionen zu widersetzen. Aquitanisch-westfränkische Adelsgruppen gingen 853, 856 und 858 Ludwig den Deutschen um Hilfe an; er entsandte 854 seinen Sohn Ludwig den Jüngeren (* circa 835) und zog 858 selber nach Westfranken, aber beide Unternehmungen scheiterten an der „westfränkischen“ Loyalität anderer Magnaten, voran des Episkopats. Im Mittelreich wollten Ludwig II und Lothar II ihren noch jungen, an Epilepsie leidenden Bruder Karl nicht zur Herrschaft zulassen, doch erzwangen die provenzalischen Großen 856 die Respektierung der im Vorjahr verfügten Teilung. Als Karl jedoch 863 starb, teilten sich seine Brüder in die Rhoneländer. Das Mittelreich blieb also nicht drei-, sondern zweigeteilt: in Italien waltete Ludwig II., trotz des Kaisertitels nur ein karolingischer Partikularfürst neben anderen, zwischen den Alpen und der Nordsee regierte Lothar II die Länder beiderseits der Maas, denen der Name regnum Lotharii, Lotharingien, Lothringen geblieben ist, ein Symptom dafür, daß diesem zentralen, traditionsreichen Gebilde eine politische Zukunft zwischen West- und Ostfranken offen stand, sofern es auch hier zu dynastischer Kontinuität kam. Lothar II., dessen Ehe mit Theutberga ( 869/75) kinderlos blieb, suchte daher mit allen Mitteln zu erwirken, daß seine Friedelehe mit Waldrada ( nach 869) als vollgültig und sein Sohn Hugo (* 855/60, jedenfalls vor 863) als vollbürtig anerkannt würden. Vom Episkopat seines Landes und von seinem (selber söhnelosen) kaiserlichen Bruder unterstützt, hatte er 862/63 Erfolg (seinen Töchtern gab er die „vollkarolingischen“ Namen Gisela [* 860/65] und Berta [* circa 863]), aber er scheiterte schließlich am strenger gewordenen kirchlichen Rechtsdenken und am politischen Widerstand seiner Oheime im Westen und Osten.

    Daß Lothar II 869 ohne legitimen Erben starb, war ein überaus folgenschweres Ereignis. Der Westfranke Karl der Kahle ergriff sofort von Lothars Reich Besitz, mußte sich aber 870 im Vertrag von Meersen zu einer Teilung mit Ludwig dem Deutschen von Ostfranken verstehen; damit war die gesamte Regelung von 843 nördlich der Alpen durch eine bloße Zweiteilung abgelöst worden. Karl und Ludwig hatten sich nicht nur über das nähere Erbrecht ihres Neffen Ludwig II hinweggesetzt, sie rüsteten auch zum Kampf um dessen doppelte Nachfolge im italienischen Königtum und in der Kaiserwürde. Der Ostfranke erwirkte eine innerdynastische Designation seines ältesten Sohnes Karlmann (* circa 830) durch den söhnelosen Kaiser (872, 874), während der Westfranke sich vom Papst die Nachfolge im Kaisertum zusagen ließ. Mit dem Tode Ludwigs II ging 875 die bisherige Eigenständigkeit Italiens zu Ende. Karl der Kahle kam seinem ostfränkischen Neffen zuvor und wurde am Weihnachtstage 875 in Rom von Johann VIII. zum Kaiser gekrönt; die päpstliche Krönung blieb seither konstitutiv für die Kaiserwürde. Als 876 Ludwig der Deutsche starb, trat eine seit langem festgelegte Teilung Ostfrankens unter seinen Söhnen in Kraft; Bayern fiel an Karlmann, Schwaben an Karl III. (* 839), Rhein- und Mainfranken mit dem Norden an Ludwig den Jüngeren. Karl der Kahle wagte in dieser Situation den Griff nach der Osthälfte Lotharingiens, wurde aber noch 876 von Ludwig dem Jüngeren bei Andernach geschlagen. Als er dann 877 vor Karlmann auch aus Italien weichen mußte und alsbald starb, war die westkarolingische Großreichs- und Kaiserpolitik endgültig gescheitert.

    Die sprungartig ansteigende äußere Bedrohung durch die Wikinger, der neue Generationswechsel, persönliches Versagen, physische Verfallserscheinungen und frühe Todesfälle im Herrscherhause ließen im Zusammenwirken mit Gegensätzen in der Aristokratie das Gefüge der Samtherrschaft auseinanderfallen. In Westfranken starb bereits 879 Karls des Kahlen einziger überlebender Sohn, der kaum regierungsfähige Ludwig der Stammler (* 846), und wieder verquickte sich die politische Willensbildung mit Fragen der eherechtlich-dynastischen Legitimität. Ludwigs des Stammlers Ehe mit Ansgard ( nach 879), aus der Ludwig III. (* 863/65) und Karlmann (* 866) stammten, war nach 866 gelöst worden. Wenn die Söhne demnach nicht als vollbürtig und erbberechtigt galten, war die|westfränkische Linie erloschen; Ludwigs des Stammlers 2. Gemahlin Adelheid ( nach 901) kam erst im Herbst 879 mit dem nachgeborenen Karl (III., dem Einfältigen) nieder. Ein Teil der westfränkischen Großen wandte sich daher – den Ansätzen von 853, 856, 858 vergleichbar – dem Ostfranken Ludwig des Jüngeren zu. Dieser aber ließ sich von der westfränkischen Gegenpartei unter Abtretung der Westhälfte Lotharingiens zum Verzicht bewegen (Verträge von Verdun 879 und Ribemont 880). Diese aus dynastischen Wirren erwachsene Augenblicksregelung machte die Teilung von 870 rückgängig und wurde eine Vorentscheidung über die Westgrenze des mittelalterlichen Deutschen Reiches. In Westfranken wurden nunmehr die beiden älteren Söhne Ludwigs des Stammlers als nachfolgeberechtigt anerkannt, so daß der nachgeborene Karl als illegitim gelten mußte. Er wurde daher übergangen, als Anfang 880 bei der Teilung in Amiens der Norden Ludwig III., der Süden Karlmann zugesprochen wurde. Ludwig III. erfocht 881 bei Saucourt unweit der Küste den Normannensieg, den das althochdeutsche Ludwigslied feiert.

    Im einstigen Mittelreich kam es 879 dagegen zu neuartigen Initiativen, in denen sich der Ansatz zu politischer Autonomie mit karolingischen Legitimitätsansprüchen vermischte. Lothars II. Sohn Hugo nahm den Kampf um das väterliche Erbe auf, während sich in der Provence Boso von Vienne zum König ausrufen ließ; dieser war kein Karolinger, aber Schwiegersohn des Kaisers Ludwig II. und Schwager des Kaisers Karl des Kahlen, gründete seinen Anspruch jedoch zusätzlich auf eine von der Legitimität unabhängige Wahl. Mit beiden Usurpatoren gab es hartnäckige Kämpfe, die in der Hauptsache von den ostfränkischen Karolingern ausgetragen werden mußten.

    Zwar waren alle Nachkommen Ludwigs des Deutschen (aus der Ehe mit der Welfin Hemma [ 876], der Schwester der Kaiserin Judith), von schwerer Erbkrankheit befallen (die unpräzisen Nachrichten lassen auf Schlaganfälle, mindestens bei Karl III. auf Epilepsie schließen), aber ihre Regierung hat weittragende historische Entscheidungen teils aktiver, teils passiver Art gezeitigt. Die rasch aufeinanderfolgenden Todesfälle dieser Jahre haben verhindert, daß die Aufgliederung des regnum Francorum in mindestens fünf Karolingerreiche, wie sie sich, von Italien sogar abgesehen, 879/80 eingespielt hatte, ins europäische Mittelalter hinein Bestand hatte was durchaus möglich gewesen wäre. Der persönlich offenbar nicht eben bedeutende Karl III. von Schwaben wurde paradoxerweise geradezu eine Schlüsselgestalt. Durch den Tod seiner Brüder Karlmann (880; dessen nicht vollbürtiger Sohn Arnulf [* circa 850] auf die südöstlichen Grenzmarken beschränkt blieb) und Ludwig der Jüngere (882) erbte er das dreigeteilte Ostfranken wieder zusammen, er nahm 880 in Ravenna die Huldigung als König von Italien, 881 in Rom die Kaiserkrone entgegen. Diese monarchische Konzentration in Ostfranken und der Übergang der karolingischen Italien- und Kaiserpolitik an die ostfränkische Linie haben sich wiederum als Vorentscheidungen für das deutsche Mittelalter erwiesen. Karl III. erfüllte freilich weder in Italien noch gegen die Normannen die auf ihn gesetzten Hoffnungen. Dem dänischen Wikingerfürsten Gottfried überließ er 882 Friesland und willigte in seine Vermählung mit Lothars II. Tochter Gisela ein.

    Als im gleichen Jahre 882 durch einen Unfall Ludwig III. von Westfranken starb, endete auch hier die eben erst vereinbarte Teilung, indem Karlmann auch im Norden als König anerkannt wurde. Aber Karlmann selber starb, wiederum durch Unfall, Ende 884. Der fünfjährige Karl „der Einfältige“ konnte, nachdem man sich 879 für seine Halbbrüder entschieden hatte, nicht als vollbürtig gelten. Die westfränkischen Großen übergingen ihn daher, betrachteten die legitime Linie ihres Teilreiches als erloschen und erkannten den Kaiser Karl III. auch als ihren König an. Dynastisch-personeller Notstand hatte damit zu einer Wiedervereinigung des Gesamtreiches geführt, abgesehen von der nicht anerkannten Teilherrschaft Bosos. Freilich stellte dieses Gesamtreich nur noch eine Summe von Teilreichen dar; die Urkundenformel Karls III. gibt zu erkennen, daß sich in der Folge zweier Generationen Ostfranken, Italien und Westfranken, nicht jedoch die kleineren Teilbezirke, als relative Einheiten konsolidiert hatten.

    Ein besonderer Unruheherd blieb Lotharingien, wo Hugo sich mit seinem normannischen Schwager Gottfried verbündet hatte. Ein neuer Schlag gegen die lotharische Linie vernichtete 885 diese Gegner: zu Verhandlungen gelockt, wurde Gottfried erschlagen, Hugo geblendet und in Klosterhaft verbracht ( nach 895 in Prüm, s. NDB X; seine Schwester Gisela, Gottfrieds Witwe, starb 907 als Äbtissin von Nivelles und Fosse; die andere Schwester Berta [ 925] war seit circa 880 mit dem Grafen Theobald von Arles [ 887/95], seit 895/98 mit Markgraf Adalbert von Tuscien [ 915] vermählt).

    Aber auch die legitime Hauptlinie stand vor dem Erlöschen. Karls III. Ehe mit Richardis ( circa 900 als Äbtissin von Andlau) blieb kinderlos. Vergeblich versuchte er 885 seinem Illegitimus Bernhard, dann 887 Ludwig (* circa 880?), dem von ihm adoptierten Sohn des inzwischen (Anfang 887) verstorbenen Boso und Enkel Ludwigs II., die Nachfolge zu sichern. Als die Regierungsunfähigkeit des schwer erkrankten Kaisers offenkundig wurde, stellte sich sein Neffe, der gleichfalls nicht vollbürtige Markgraf Arnulf, an die Spitze eines Aufstandes und ließ sich Ende 887 zum ostfränkischen König ausrufen. Karl III. wich kampflos und starb Anfang 888 (s. NDB XI).

    Sein Tod riß ein dynastisches Vakuum auf, denn neben dem ostfränkischen Friedelsohn Arnulf repräsentierte nur noch der 8jährige Westfranke Karl III. der Einfältige, gleichfalls von fraglicher Legitimität, den karolingischen Mannesstamm. In den Teilreichen drängten mächtige duces und Markgrafen zur Königswürde. Sie stammten teilweise in weiblicher Linie von den Karolingern ab: der Unruochinger Berengar von Friaul ( 924) war der Sohn von Ludwigs des Frommen Tochter Gisela ( nach 874); der schon genannte Ludwig („der Blinde“, 928) war der Sohn von Ludwigs II. Tochter Irmingard ( 896); später setzte sich in Italien Bertas Sohn (Lothars II. Enkel) Hugo durch ( 947), auf den sein Sohn Lothar folgte ( 950). Dem Karolingerhause seitenverwandt war der Welfe Rudolf I. von Hochburgund ( 912). Entscheidend aber waren solche Verbindungen nicht: wie die Gegenbeispiele des Robertiners Odo in Westfranken ( 898) und des Spoletiners Wido in Italien ( 894) zeigen, bedeuteten Wahl und faktische Anerkennung mehr als eine sekundäre Legitimität.

    All diesen Nachfolgekönigen hatte Arnulf die Zugehörigkeit zum Karolingerhause und die stabilste Herrschaft voraus, aber einem Angebot aus Westfranken wich er aus (ob im bewußten Rückblick auf 854, 858 und 879, steht dahin) und begnügte sich, auch nachdem 893 in Westfranken Karl der Einfältige dem Robertiner entgegengestellt worden war, mit einer lockeren, kaum mehr als symbolischen Lehnssuprematie über den Westen und Süden des einstigen Gesamtreiches, wahrte jedoch die Herrschaft in Lotharingien. Er ließ seinen Neffen Bernhard 891/92 beseitigen, nachdem er schon 889 für seine illegitimen Söhne Zwentibold (* 870/71) und Ratold (Daten unbekannt, zuletzt erwähnt 896) ein bedingtes Nachfolgerecht erwirkt hatte, das jedoch 893 mit der Geburt Ludwigs „des Kindes“ hinfällig wurde. Aus politischen und persönlichen Gründen nahm er 895 eine – letzte – Reichsteilung vorweg und setzte Zwentibold als König in Lotharingien ein. 896 empfing er als letzter Karolinger in Rom die Kaiserwürde, verfiel alsbald aber unheilbarem Siechtum. Nach seinem Tode (899, s. NDB I) wurde Ludwig das Kind sowohl in Ostfranken wie in Lotharingien, also unter Aufhebung der Teilung von 895, als König anerkannt (Zwentibold fiel 900 im Kampf), aber nach glückloser Regierung erlosch mit Ludwigs Tode 911 die ostfränkische Linie. Ostfranken-Deutschland wählte sich neue Könige, blieb freilich, wie allein schon der Rang Aachens und das Kaisertum zu erkennen geben, aufs stärkste vom karolingischen Erbe geprägt.

    In Westfranken hatte sich unterdes seit 898 Karl III. der Einfältige durchgesetzt, von dem eine letzte Karolingerlinie ihren Ausgang nahm. Sie lag in einer generationenlangen wechselvollen Rivalität mit den Robertinern-Kapetingern, die wiederholt ihre Wellen auch nach Deutschland schlug, so wie überhaupt die überkommene Gemeinsamkeit sich erst allmählich verlor. Karl hatte schon 898 einen – fehlgeschlagenen – Griff nach Lotharingien gewagt, aber nach dem Tode Ludwigs des Kindes fiel ihm Ende 911 dieses Stammland seiner Dynastie zu, wo er mit Vorzug Residenz nahm. Damit schien die Grenzregelung von 879/80 rückgängig gemacht, zumal sich Karl im Bonner Vertrag von 921 mit dem neuen ostfränkischen König Heinrich I. in gegenseitiger Anerkennung verständigte. Aber Karl geriet 923 in die Gewalt seiner westfränkischen Gegner und starb 929 als Gefangener (s. NDB XI). Heinrich I. konnte daher 923/25 Lotharingien wieder für das Ostreich zurückgewinnen.

    Karls Gemahlin, die angelsächsische Prinzessin Eadgifu ( nach 951), war 923 mit ihrem Sohn Ludwig IV. (* 920/21; „der Überseeische, d'Outre-mer“) nach England geflohen. Im Gefolge einer karolingischen Restauration aber kehrte dieser 936 als König nach Westfranken zurück, wo ihm freilich nur noch eine sehr geschrumpfte Besitzbasis zur Verfügung stand. Vielleicht in der Hoffnung, sich wie sein Vater des altkarolingischen Lothringen bemächtigen zu können, griff er 939 in den Aufstand gegen Otto I. ein und vermählte sich nach dem Fehlschlag mit Ottos Schwester Gerberga, der Witwe des lothringischen Herzogs Giselbert. Die Folge war eine gegen Ludwig gerichtete militärische Intervention Ottos (940), doch seit dem Ausgleich von 942 war dem von den Robertinern bedrängten Spätkarolinger der Rückhalt am liudolfingischen König sicher (neue Intervention 946, Synode von Ingelheim 948), nicht zum wenigsten dank der Vermittlung der Königin Gerberga ( 968/69, s. NDB VI) und ihres Bruders, des EB Brun von Köln ( 965). So konnte 954 nach dem Unfalltod Ludwigs IV. dessen Sohn Lothar (* 941) folgen, der 965/66 Emma (* 948/50, nach 988) ehelichte, die Tochter Lothars von Italien und Adelheids von Burgund, der nunmehrigen Kaiserin.

    Die Freundschaft überdauerte jedoch nicht den nächsten Generationswechsel. Um erneuten karolingischen Ansprüchen auf Lothringen vorzubeugen, setzte Otto II. Lothars jüngeren Bruder Karl (* 953), der sich mit dem König überworfen hatte, 977 als Herzog von Niederlothringen ein. Es folgten 978 Lothars Überfall auf Aachen und Ottos Strafzug, dann aber 980 ein Friedensschluß mit formellem Verzicht Lothars auf Lothringen. Aber während der deutschen Thronwirren nach dem Tode Ottos II. (983) besetzte Lothar 984 Verdun und nahm unter anderem Graf Gottfried von Verdun, den Bruder des EB Adalbero von Reims, in Haft. Die Gegensätze waren unbereinigt, als Lothar 986 starb und sein kinderloser Sohn Ludwig V. (* circa 966/67) 987 einem Jagdunfall erlag. Die westfränkischen Fürsten setzten sich, nicht zum wenigsten unter dem Einfluß des EB Adalbero, über den Erbanspruch Karls von Niederlothringen hinweg und wählten den Robertiner Hugo Capet zum König, der sofort den Konflikt mit dem ottonischen Hof beilegte und Verdun räumte.

    Karl gab seine Sache noch nicht verloren, geriet aber nach zeitweiligen Erfolgen in die Gefangenschaft Hugos und starb 992/95 (s. NDB XI). Sein ältester Sohn mit dem unkarolingischen Namen Otto folgte ihm als Herzog von Niederlothringen, ohne jedoch im Dienste Ottos III. und Heinrichs II. noch eine hervorragende Rolle zu spielen. Mit seinem Tode – spätestens 1012 – erlosch im eigenen Stammlande, nach vierhundertjähriger Geschichte, die Herrscherdynastie, die Europa neugestaltet hatte und am Anfang sowohl der deutschen wie der französischen Geschichte steht.

  • Literatur

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    ders., Ausgew. Abhh., hrsg. v. H. Beumann, 1961, S. 293 ff.;
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    H. Mitteis, Der Vertrag v. Verdun im Rahmen d. karoling. Vfg.gesch., in: Der Vertrag v. Verdun, hrsg. v. Th. Mayer, 1943, S. 66 ff.;
    Reinh. Schneider, Brüdergemeine u. Schwurfreundschaft, 1964. - Punktuelle Präzisierungen:
    E. Hlawitschka, Merowingerblut b. d. Karolingern?, in: Adel u. Kirche, Festschr. f. G. Tellenbach, 1968, S. 66 ff.;
    H. Thomas, Die Namenliste d. Diptychon Barberini u. d. Sturz d. Hausmeiers Grimoald, in: DA 25, 1969, S. 17 ff.;
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    E. Hlawitschka, Lotharingien u. d. Reich an d. Schwelle d. dt. Gesch., 1968 (zu 879, 884/85, 888 ff.); Ẓur fortwirkenden fränk.-karoling. Tradition in d. westöstl. Gemeinsamkeit d. 10. Jh.:
    C. Brühl, Die Anfänge d. dt. Gesch., 1972.

  • Autor/in

    Theodor Schieffer
  • Zitierweise

    Schieffer, Theodor, "Karolinger" in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 284-292 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118721003.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA