Wieser, Friedrich Freiherr von

Lebensdaten
1851 – 1926
Geburtsort
Wien
Sterbeort
Brunnwinkl, Sankt Gilgen (Salzburg)
Beruf/Funktion
Jurist ; österreichischer Handelsminister ; Nationalökonom ; Professor der Rechts- und Staatswissenschaften in Wien ; Soziologe ; Wirtschaftswissenschaftler
Konfession
katholisch?
Normdaten
GND: 119111403 | OGND | VIAF: 34519286
Namensvarianten

  • Wieser, Friedrich Ritter von
  • Wieser, Friedrich von
  • Wieser, Friedrich Freiherr von
  • Wieser, Friedrich Ritter von
  • Wieser, Friedrich von
  • Fu-Feng-Weisai'er
  • Weisai'er, Fu feng
  • Wieser, Friedrich F. von
  • Wieser, Friedr. von
  • Wieser, Friedrich
  • Von Wieser, Friedrich, Freiherr
  • Wieser, Friedrich, Freiherr von
  • Wieser, Friedrich Ritther von

Vernetzte Angebote

Verknüpfungen

Orte

Symbole auf der Karte
Marker Geburtsort Geburtsort
Marker Wirkungsort Wirkungsort
Marker Sterbeort Sterbeort
Marker Begräbnisort Begräbnisort

Auf der Karte werden im Anfangszustand bereits alle zu der Person lokalisierten Orte eingetragen und bei Überlagerung je nach Zoomstufe zusammengefaßt. Der Schatten des Symbols ist etwas stärker und es kann durch Klick aufgefaltet werden. Jeder Ort bietet bei Klick oder Mouseover einen Infokasten. Über den Ortsnamen kann eine Suche im Datenbestand ausgelöst werden.

Zitierweise

Wieser, Friedrich Freiherr von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd119111403.html [16.12.2025].

CC0

  • Wieser, Friedrich Freiherr von

    | Nationalökonom, Soziologe, * 10.7.1851 Wien, † 22.7.1926 Brunnwinkl, Sankt Gilgen (Salzburg), ⚰Wien, Dornbacher Friedhof (Ehrengrab). (katholisch)

  • Genealogie

    Aus Wiener Fam., deren Stammreihe mit Johann Georg W. (1703–77), Festungsbaumeister d. Eugen Prinz v. Savoyen, beginnt;
    V Leopold (1819–1902, österr. Rr. 1858, Frhr. 1889), k. k. Kriegskommissär, HR im österr. Kriegsmin., GR, WGR, Sektionschef, Vizepräs. d. Obersten Gemeinsamen Rechnungshofes, Gründer d. „Österr. Ges. f. vervielfältigende Kunst“, S d. Johann W. (1791–1852) u. d. Antonia Planinz (?) (* 1795);
    M Mathilde (1822–90), T d. Hyazinth Rr. v. Schulheim (1778–1826), aus Olmütz, Feldkriegskommissär in Graz, u. d. Aloisia (1783–1869);
    8 Geschw u. a. 4 B Hyazinth (1848–78), Historienmaler in Rom (s. AKL), Georg (1850–1902), Ing. in Mondsee, Joseph (1853–1918, Melanie Tauber, 1854–1908), Architekt in W., um 1880–90 in Bürogemeinschaft mit Arnold Lotz, 1891–1917 Doz. f. techn. Zeichnen an d. Kunstgewerbeschule in W., Gutsbes. in Raach b. Graz, Aquarellmaler, 1879 Mitgl. d. Österr. Ing.- u. Architekten-Ver. u. 1884 d. Genossenschaft d. bildenden Künstler Wiens (s. AKL; ÖBL), Leopold (1860 –|1912, Christine v. Markhof, 1869–1931, 1] Josef Homan, 1905), Dr. iur., k. u. k. Rechnungsrat am Obersten Gemeinsamen Rechnungshof, 3 Schw Mathilde (1854–1920, Andreas Groll, 1850–1907, Historienmaler in W., s. ThB; ÖBL; Biogr. Lex. Böhmen), Paula (1856–1928, Eugen Rr. v. Böhm-Bawerk, 1851–1914, Nat.ök., Pol., s. ÖBL; NDB II), Amalie (* 1858, Anton Rr. Oelzelt v. Newin, 1854–1925, Dr. phil., PD an d. Univ. Bern, Vf. phil. Schrr., S d. Anton Oelzelt v. Newin, 1817–75, Hofbaumeister in W., beide s. ÖBL);
    Prag 1886 Marianne, T d. Achill(e) Wolf(f) (1834–1891), Architekt in Prag (s. AKL), u. d. Friederika Schuhla (* 1839);
    K u. a. T Marianne (1888–1920, Franz Exner, 1881–1947, o. Prof. f. Strafrecht 1916 in Prag, 1919 in Tübingen, 1921 in Leipzig u. 1933 in München, s. A. E. Sebald, Der Kriminalbiol. F. E. (1881–1947), Gratwanderung e. Wiss. durch d. Zeit d. NS, 2008; NDB IV);
    Schwager Hyacinth v. Schulheim (1815–75), Jur., Schriftst. (s. ADB 32; ÖBL).

  • Biographie

    W. absolvierte das Schottengymnasium in Wien (Matura 1868), wo Heinrich Friedjung (1851–1920) und Eugen v. Böhm-Bawerk seine Mitschüler waren. Im anschließenden Studium der Jurisprudenz an der Univ. Wien hörte er nationalökonomische Vorlesungen bei Lorenz v. Stein (1815–90). Stärker waren jedoch Einflüsse der Lektüre der Werke Herbert Spencers und Carl Mengers (1840–1921).

    Nach Abschluß des Studiums trat W. 1874 in den Dienst der niederösterr. Finanzlandesdirektion. Ein Reisestipendium ermöglichte ihm 1875–77 Aufenthalte in Heidelberg, Leipzig und Jena sowie Besuche der Seminare von Karl Knies (1821–1898), Wilhelm Roscher (1817–1894) und Bruno Hildebrand (1812–1878).

    Mit seinem erstem Hauptwerk „Über den Ursprung und die Hauptgesetze des wirthschaftlichen Werthes“ (1884) habilitierte W. sich 1883 an der Univ. Wien. 1884 erfolgte die Berufung als ao. Professor an die Dt. Univ. Prag (1889 Ordinarius, 1901/02 Rektor). Sein frühes Opus Magnum (Der natürl. Werth, 1889, Neudr. 1968, engl. Übers. v. W. Smart u. d. T. Natural Value, 1893, Neudr. 1930, 1956, 1989, 2000, chines. 1997) trug wesentlich zur Verbreitung der Österr. Schule der Nationalökonomie bei.

    In W.s ökonomischen Hauptwerken kommt ein ausgeprägtes Verständnis für die analytischen Herausforderungen des wirtschaftlichen Kreislaufs und des Zurechnungsproblems zum Ausdruck. W. entfaltete den „Grenznutzen“ (1884, weiterentwickelt in: „Der natürl. Werth“, 1889) und die „Opportunitätskosten“ (in: „Theorie d. gesellschaftl. Wirtsch.“, in: Grundriß d. Sozialökonomik 1, 1914, S. 125–444, ²1924, Neudr. 1985, engl. Übers. v. A. Ford Hinrichs u. d. T. Social Economics, mit e. Vorw. v. W. C. Mitchell, 1927, Neudr. 2003) im Kontext allgemeingültiger Effizienzbedingung für menschliches Wirtschaften.

    Beide Begriffe sind W.s Schöpfungen. Gleichzeitig werden sein origineller Methodenmix, sein Interesse und Verständnis für historische und institutionelle Zusammenhänge, für Sozialpolitik und handlungstheoretische Grundfragen deutlich. W.s Inaugurationsrede als Rektor der Dt. Univ. Prag „Über die gesellschaftlichen Gewalten“ (1901) antizipierte, wie auch „Arma virumque cano“ (1907), Ideen seiner späteren soziologischen Werke, in denen W.s Interesse an Institutionen und sozialen Prozessen jenseits der Logik von Konkurrenzmärkten forschungsleitend wurde.

    In seinem soziologischen Hauptwerk „Das Gesetz der Macht“ (1926, engl. 1983) stellte W. dem „Gesetz der großen Zahl“, das etwa auf Wettbewerbsmärkten bestimmend ist, das „Gesetz der kleinen Zahl“ gegenüber, das in unterschiedlichen Kontexten wie der unternehmerischen Durchsetzung wirtschaftlicher Innovationen, dem politischen und militärischen Führertum oder künstlerischer Avantgarde eine Rolle spielt.

    Mit der Berufung an die Univ. Wien 1903 (Dekan 1904/05, 1914/15, 1915/16, em. 1922) als Nachfolger Carl Mengers wurde W. zum einflußreichsten Lehrer der Österr. Schule der Nationalökonomie. Zu seinen Schülern zählen Joseph A. Schumpeter (1883–1950), Ludwig v. Mises (1881–1973), Friedrich August v. Hayek (1899–1992) und Hans Mayer (1879–1955). W.s Antrittsvorlesung „Der Geldwert und seine geschichtlichen Veränderungen“ (in: Zs. f. Volkswirtsch., Soz.pol. u. Verw. 13, 1904, S. 43–64) belegt seine publizistisch reichhaltig dokumentierten geldtheoretischen Interessen.

    In methodischer Beziehung ist W.s „Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft“ bemerkenswert, die das Operieren mit isolierenden Annahmen, Idealtypen und der „abnehmenden Abstraktion“, also der sukzessiven Anreicherung der theoretischen Betrachtung mit empirisch relevanten Umständen, gezielt vorexerziert. Wirtschaftspolitisch gilt W. innerhalb der Österr. Schule vielfach als Außenseiter, da er deren markant wirtschaftsliberale Ausrichtung durch ein ausgeprägtes Verständnis für die Rolle des Staates relativiert. 1917 in das österr. Herrenhaus berufen, war W. 1917/18 Handelsminister in Österreichs letzten drei Kriegskabinetten. Bis zu seinem Tod war er Präsident der von seinem Vater gegründeten „Österr. Gesellschaft für vervielfältigende Kunst“ und gilt als Musikkenner,|der früh den Genius von Komponisten wie Hugo Wolf (1860–1903) erkannte.

  • Auszeichnungen

    |Mitgl. d. Ak. d. Wiss. Wien (korr. 1906, wirkl. 1915) u. mehrerer ausländ. Akademien d. Wiss.;
    mehrere Ehrendoktorate, u. a. Dr. rer. pol. h. c. (Wien 1920).

  • Werke

    |The Austrian School and the Theory of Value, in: Economic Journ. 1, 1891, S. 108–21;
    Probleme d. directen Besteuerung in Oesterr., in: Volkswirtschaftl. Wschr. 37, 1902, S. 359–68;
    Recht u. Macht, Sechs Vortrr., 1910, Neudr. 2014;
    Machtpsychol., in: Zs. f. Volkswirtsch. u. Soz.pol. N. F. 3, 1923;
    Das geschichtl. Werk d. Gewalt, in: Österr. Rdsch. 19, 1923;
    Gesammelte Abhh., m. e. biogr. Einl. hg. v. F. A. v. Hayek, 1929;
    Mithg.: Zs. f. Volkswirtsch. u. Soz.pol. (1904–26);
    Hdwb. d. Staatswiss.;
    W-Verz. v. M. Kastner auf d. Internetseite www.mises.de.

  • Literatur

    |F. A. v. Hayek, in: Jbb. f. Nat.ök. u. Statistik 125, 1926, S. 513–30;
    A. Menzel, in: Jber. d. Wiener Ak. d. Wiss. 1927, S. 354–57 (L, P);
    O. Morgenstern, F. v. W. (1851–1926), 1927;
    L. Elster, in: Hdwb. d. Staatswiss., 4. Aufl., Bd. 8, 1928, S. 1048;
    H. D. Kurz u. R. Sturn, Zur Bedeutung d. Werttheorie W.s f. d. weitere Entwicklung d. mikroökonom. Theorie, in: H. Hax (Hg.), Vademecum zu e. Klassiker d. österr. Schule, 1999, S. 59–103;
    S. Bostaph, W. on Economic Calculation under Socialism, in: Quarterly Journ. of Austrian Economics 6, H. 2, 2003, S. 3–34;
    R. Sturn, F. Frhr. v. W., Der Ursprung u. d. Hauptgesetze d. wirthschaftl. Werthes, in: D. Herz u. a. (Hg.), Lex. d. ökonom. Werke, 2006, S. 559 f.;
    ders., in: G. Faccarello u. H. D. Kurz (Hg.), Handbook of the Hist. of Economic Analysis, Bd. 1, 2016, S. 363–66;
    G. Mikl-Horke, Macht, Ungleichheit u. Preise, F. W. u. d. Wirtsch.soziol., in: D. Bögenhold (Hg.), Soziol. d. Wirtschaftl., 2014, S. 117–44;
    T. König, Aufsteigen, Verdrängen, Nachholen, Soz.wiss. a. d. Univ. Wien, in: K. Kniefacz u. a. (Hg.), 650 J. Univ. Wien, Bd. 1, 2015, S. 169–82;
    S. Kolev, Reincorporating F. v. W. and the Concept of Power into the Austrian Research Program (January 30, 2017), Center for the Hist. of Political Economy Working Paper Series, CHOPE Working Paper No. 2017–06 (Internet);
    ÖBL.

  • Porträts

    |Gedenktafel v. R. Schmidt, 1957 (Univ. Wien, Arkadenhof).

  • Autor/in

    Richard Sturn
  • Zitierweise

    Sturn, Richard, "Wieser, Friedrich Freiherr von" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 104-106 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd119111403.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA