Lebensdaten
1917 – 1966
Geburtsort
Bayreuth
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Opernregisseur ; Bühnenbildner ; Festspielleiter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118770764 | OGND | VIAF: 44426423
Namensvarianten
  • Wagner, Adolf Gottfried Wieland
  • Wagner, Wieland
  • Wagner, Adolf Gottfried Wieland
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Zitierweise

Wagner, Wieland, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770764.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Siegfried (s. 3), S d. Richard (s. 1) u. d. Cosima de Flavigny (s. 2);
    M Winifred Williams Klindworth (s. 4);
    B Wolfgang (s. 6);
    Schw Friedelind (1918–91), Musikpäd. (s. Gen. 3), Verena (* 1920, Bodo Lafferentz, 1897–1975, SS-Obersturmbannführer, s. Gen. 3);
    Bayreuth 1941 Gertrud (1916–98), aus Passau, Tänzerin u. Choreographin, absolvierte ihre Ausbildung 1937–40 an d. Günther-Schule München, Vfn. v. Erinnerungen (s. Munzinger; Kosch, Theater-Lex.), T d. Adolf Reissinger (1877–1954), aus Beerbach (Mittelfranken), Math., Geol., Lehrer in B., Silberne Leibniz-Medaille 1942 (s. Pogg. VII a), u. d. Luise N. N.;
    1 S Wolf-Siegfried (* 1943), Architekt, Bauuntern., 3 T Iris-Diana (1942–2014), Autorin, Übers., Photogr. (s. FAZ v. 10. 1. 2014; SZ v. 10. 1. 2014), Nike (* 1945), Autorin, Intendantin (s. L), Daphne (* 1946, 1] Udo Proksch, 1934–2001, Untern., Designer, wegen Mordes im „Fall Lucona“ verurteilt, 2] Tilman Spengler, * 1947, Sinol., Schriftst., Journ.), Schausp. (s. Kosch, Theater-Lex.);
    Ov d. Ehefrau Hans C. Reissinger (1890–1972), Dipl.-Ing., Architekt 1918 in B., 1927 Stadtbaurat in Düsseldorf, plante u. a. d. Gauforum in B., Reg.baumeister, 1931 Mitgl. d. Dt. Ak. f. Städtebau u. Landesplanung, 1951/52 Bühnenbildner f. d. „Meistersinger v. Nürnberg“ (s. L).

  • Biographie

    Bereits als Schüler am Humanistischen Gymnasium Bayreuth 1927–36 interessierte sich W. für Photographie, Malerei und Bühnenbild. Noch während der Abiturvorbereitung gestaltete er Bühnenbildentwürfe für „Der Bärenhäuter“, eine Märchenoper seines Vaters, die im Febr. 1936 in Lübeck aufgeführt wurde.

    Wesentliche Impulse für sein Verständnis der Bühnenkunst als Raumkunst vermittelten ihm Alfred Roller (1864–1935) und Ulrich Roller (1911–41), der als fachmännischer Mentor im Bereich Bühnen- und Kostümwesen fungierte. Nach seinem szenographischen Bayreuth-Debüt (Parsifal 1937) entschloß sich W. zu einem Privatstudium der Malerei, das er im Okt. 1938 bei Ferdinand Staeger (1880–1976) in München begann. Ab demselben Jahr auf Weisung Adolf Hitlers Mitglied der NSDAP, wurde W. jedoch als dessen Protegé vom Kriegsdienst befreit. Ab 1940 (–1951) erhielt er zudem Musikunterricht bei dem österr. Dirigenten und Komponisten Kurt Overhoff (1902–86) – neben umfassenden Partiturkenntnissen von Richard Wagners Œuvre auch philosophische Grundlagen – und konnte unter der Leitung Overhoffs am Landestheater Altenburg (Thür.) eine Tätigkeit als Regisseur der dortigen Opernbühne übernehmen. Von Sept. 1943 bis Mai 1944 inszenierte er hier den gesamten „Ring des Nibelungen“ (Dirigent K. Overhoff; Regie, Bühnenbild u. Kostüme W.; choreograph. Mitarbeit Gertrud Wagner).

    Von Sept. 1944 bis April 1945 war W. durch Vermittlung seines Schwagers Bodo Lafferentz im Bayreuther „Institut für physikalische Forschung“, einem Außenlager des KZ Flossenbürg, tätig. Dort befaßte er sich, im Austausch mit Experten für Optik, die aus Flossenbürg überstellt worden waren, mit bühnentechnischen Belangen, dem Bau von Modellen und der Ausarbeitung von Lichtsystemen.

    Nach dem 2. Luftangriff auf Bayreuth am 8. 4. 1945 brachen W. und Lafferentz zu ihren Familien nach Nußdorf/ Bodensee auf, wo sie bis Herbst 1948 in der nunmehr franz. Zone lebten, nachdem ein Fluchtversuch über den Bodensee in die Schweiz gescheitert war. Über den Arzt Sven Schwedt, der Carl Gustav Jung (1875–1961) persönlich kannte, kamen W. und seine Frau hier mit dessen Werk in Berührung. Schriften über das „Ich und das Unbewusste“ (1916 ff.) inspirierten sie zur Erarbeitung einer psychologisch motivierten Regieführung für die Werke Richard Wagners.

    Von Mitte Nov. bis Anfang Dez. 1947 hielt sich W. erstmals wieder in Bayreuth auf, wo ein Familienrat über die Zukunft der Bayreuther Festspiele einberufen worden war. In seinem Spruchkammerverfahren verschwieg er seine Tätigkeit im Außenlager Bayreuth ebenso wie seine enge Beziehung zu Hitler und wurde am 10. 12. 1948 als Mitläufer eingestuft. Infolge der Verzichtserklärung von Winifred Wagner (25. 1. 1949) zugunsten ihrer Söhne Wieland und Wolfgang und der Freigabe der Festspiele aus der Treuhänderschaft am 11. 4. 1949 wurden, trotz der ideologischen Belastung des Familienunternehmens, administrative und künstlerische Initiativen zur Neugründung der Bayreuther Festspiele möglich.

    Mit W.s Neuinszenierung des „Parsifal“ wurden die Bayreuther Festspiele am 30. 7. 1951 wiedereröffnet. Die hier gezeigte reduzierte Bühnenästhetik – ein zentrales, szenisches Podest („Scheibe“), Rundhorizont, Lichtprojektionen – und eine minimale Bewegungsregie wurde zur später oft kopierten visuellen Signatur von Neu-Bayreuth. W. setzte sein innovatives „archetypisches Theater“ dem herkömmlichen Operntheater und gleichzeitig den nationalvölkischen Fehldeutungen von Richard Wagners musikdramatischem Werk durch die ideologische Bayreuther Tradition entgegen.

    Von entscheidender Bedeutung für die Inszenierungskonzeptionen W.s waren die Erkenntnisse der Psychologie und der Mythos der antiken Tragödie im Sinne Richard Wagners. 1951–66 im steten brieflichen Austausch mit Carl Orff (1895–1982), dessen kultisches Musiktheater ihn seit der Erstaufführung der „Antigonae“ 1951 in München faszinierte, entwickelte W. neue transnationale Deutungen für die Bayreuther Wagner-Szene der 1950er Jahre, v. a. jene des „Ring“ (1951 ff.), der „Meistersinger“ (1956 ff.) und des „Lohengrin“ (1958 ff.).

    Das „Ring“-Gastspiel in Neapel März 1952 – April 1953 wurde der erste Auslandserfolg von Neu-Bayreuth. Seit 1953 inszenierte W. auch Opern anderer Komponisten wie Ch. W. Gluck, L. v. Beethoven, C. Orff, G. Verdi, R. Strauss und A. Berg.

    W.s „archetypisches Theater“ erfuhr bis 1966 unterschiedliche Ausdrucksformen. So wich der „leere Raum“ von Henry Moore inspirierten plastischen Symbolen als szenischen Chiffren (Tristan u. Isolde 1962) sowie einer expressiveren Farbgebung und werkabhängig realistischen Tendenzen, die sich auch in einer dynamischeren Personenführung abbildeten (z. B. Der fliegende Holländer 1959, Meistersinger 1963, Ring 1965, Lulu 1966). Als Deutungsmatrix kam Sigmund Freuds Eros-Thanatos-Thematik – für W. „seit dem griechischen Theater ewige Wahrheit“ – prägend hinzu (u. a. Orpheus u. Eurydike 1955, Tannhäuser 1954 / 61, Carmen 1958, Tristan u. Isolde 1962, Ring 1963 / 65, Salome 1962 / 66, Othello 1965).

    W.s Neuinszenierungen der „Meistersinger von Nürnberg“ 1963 und des „Ring“ 1965 spiegelten seine genaue Kenntnis von Bertolt Brechts Theater und Theorie wider – und gleichermaßen seine Opposition gegen ein rauschhaftes Wagnererleben, weshalb er in der musikalischen Interpretation nach einem neuen Klangbild (Luzidität durch Tempo, Dynamik, Agogik) strebte. So engagierte er zuletzt Pierre Boulez als „Parsifal“-Dirigenten nach Bayreuth, nachdem 1966 bereits eine gemeinsame Produktion von Bergs „Wozzeck“ in Frankfurt realisiert worden war.

    In enger Zusammenarbeit mit dem Redakteur der Festspiel-Programmhefte Herbert Barth (1910–98) konnten international renommierte Musik- und Geisteswissenschaftler als Autoren gewonnen werden, u. a. Ernest Newman, Willy Haas (1891–1973), der im Londoner Exil lebende Victor Valentin Rosenfeld („VIVIAR“, 1886–1970) und in den 1960er Jahren Ernst Bloch (1885–1977) sowie Wolfgang Schadewaldt (1900–74).

    Als interpretierender Regisseur und Bühnenbildner ebnete W. dem modernen Regietheater den Weg in der Welt der Oper. Gleichzeitig stellte er mit seiner radikalen Reform der Wagner-Szene den Anschluß Bayreuths an die Theatermoderne des frühen 20. Jh. her. Zu seinen Pionierleistungen zählten die Etablierung des Sänger-Darstellers und dessen choreographisch motivierte Präsenz im szenischen Raum, die er gemeinsam mit seiner Frau realisierte, sowie die Rehabilitation der zwischen 1933 und 1945 verfemten Moderne (Abstraktion, Expressionismus).

    W.s ehemaliger Bayreuther Assistent, der Regisseur Nikolaus Lehnhoff (1939–2015), führte relevante Prinzipien von W.s künstlerischer Arbeit in seinen eigenen Opernproduktionen fort, insbesondere mit Blick auf die Präzision der Personenführung und die Intensität der Gesamtwirkung einer Inszenierung. Ähnliches gelingt gegenwärtig auch dem Schweizer Regisseur und Bühnenbildner Marco Arturo Marelli (* 1949).

  • Auszeichnungen

    |Bayer. Verdienstorden (1959);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1966);
    Goldener Ehrenring d. Stadt Bayreuth;
    W.-W.-Str. in Bayreuth (1966).

  • Werke

    Weitere W u. a. Schrr.: Richard Wagner u. d. Neue Bayreuth, 1962 (Hg.);
    Hundert J. Tristan, 1965 (Hg.);
    Verz. d. Bühnenbilder u. Inszenierungen 1936–66, in: W. W., Wegbereiter … (s. L), S. 344–47;
    Nachlaß: Richard-Wagner-Mus. (Bühnenbildentwürfe f. Parsifal, 1937, Die Meistersinger v. Nürnberg, 1943 u. f. d. Ring-Neuinszenierung, 1965);
    Zustiftung Wolfgang Wagner (Presse- u. Bildarchiv, Akten, Korr., Entwürfe, Modelle, Regieauszüge etc. zu d. Produktionen d. Bayreuther Festspiele 1951–86) seit 2016 im Nat.archiv d. Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth;
    Internat. Siegfried-Wagner-Ges. u. Privatbes. (Entwürfe u. Figurinen zu d. Opern v. Siegfried Wagner);
    Korr. mit Ulrich Roller: Theatermus. Wien (Nachlaß Alfred Roller);
    mit Kurt Overhoff, Hans Knappertsbusch, Willy Krienitz u. Wolfgang Schadewaldt: Bayer. Staatsbibl. München;
    mit Carl Orff: Orff-Zentrum München;
    Teilnachlaß: Bayer. HStA München.

  • Literatur

    | W. Panofsky, W. W., 1964;
    H.-H. Stuckenschmidt, Oper in dieser Zeit, Europ. Opernereignisse aus vier Jahrzehnten, 1964, S. 164–90;
    E. Salzman, The world of W. W., in: Opera News 31, 1967, Nr. 13, Jan 21;
    A. Goléa, Gespräche mit W. W., 1968;
    C. Lust, W. W. et la survie du théâtre lyrique, 1969;
    W. E. Schäfer, W. W., Persönlichkeit u. Leistung, 1970;
    G. Skelton, The Positive Sceptic, 1971;
    W. Seifert, Die Stunde Null v. Neubayreuth, Dokumente u. Interviews z. Vorgesch. d. Wiedereröffnung d. Richard-Wagner-Festspiele im J. 1951, in: Neue Zs. f. Musik 132, 1971, H. 1 u. 2;
    V. Schmid, Studien zu W. W.s Inszenierungskonzeption u. zu seiner Regiepraxis, Diss. München 1973;
    H. Barth (Hg.), Bayreuther Dramaturgie, Der Ring des Nibelungen, 1980;
    E.-Ch. Vollmer, Die Bühnenbildentwürfe W. W.s zu d. Opern seines Vaters (I–III), in: Mitt.bll. d. Internat. Siegfried-Wagner-Ges. XIII, Jan. 1980, S. 16–32, XIV, Aug. 1980, S. 4–21 u. XV, Nov. 1985, S. 9–17;
    O. G. Bauer (Hg.), W. W., Sein Denken, Aufss., Reden, Interviews, Briefe, 1991;
    ders., Die Gesch. d. Bayreuther Festspiele, 2 Bde., 2016 (P);
    Nike Wagner, Künstler zw. Anpassung u. Widerstand, W. W. u. d. Meistersinger in Bayreuth, in: NZZ v. 26. 2. 1992;
    dies., Wagnertheater, 1998;
    F. Spotts, Eine Gesch. d. Bayreuther Festspiele, 1994;
    C.-H. Bachmann, Bayreuth zu Lebzeiten W. W.s, Das geträumte Sein u. d. traumlose Nichts, Orig.btr. f. Gondroms Festspielmag., 1997;
    D. D. Scholz, „Kinder! Macht Neues!“ 125 J. Bayreuther Festspiele –50 J. „Neubayreuth“, 2001;
    A. Bald u. J. Skriebeleit, Das Außenlager Bayreuth d. KZ Flossenbürg, mit e. Vorwort v. B. Hamann, 2003 (P);
    I. Kapsamer, Zu W. W.s Ring-Inszenierungen 1951 u. 1965, in: Die Szene als Modell, Die Bühnenbildmodelle d. Richard-Wagner-Mus. u. d. Ring des Nibelungen in Bayreuth 1876–2000, 2006;
    dies., W. W., Wegbereiter u. Weltwirkung, 2010 (P);
    M. Ashman, Wagner on stage, aesthetic, dramaturgical and social considerations, in: Th. Grey (Hg.), The Cambridge Companion to Wagner, 2008, S. 246–75;
    P. Carnegy, Wagner and the art of the theatre, 2006, ²2013;
    T. Haberfeld u. O. G. Bauer, W. W., Revolutionär u. Visionär d. Musiktheaters, 2017 (P, Ill.);
    Kosch, Theater-Lex.;
    MGG (P);
    MGG² (P);
    Biogr. Lex. Drittes Reich;
    zu Gertrud: R. Schostack, Hinter Wahnfrieds Mauern, ²1998;
    zu Hans C. Reissinger: Elisabeth Reissinger, H. C. R. u. d. ev. Kirchenbau d. 50er u. 60er Jahre in Franken, 1995;
    Klimesch;
    Kulturlex. Drittes Reich.

  • Porträts

    |Photogr. v. S. Lauterwasser, 1965 (?) (Bayreuth, Richard-Wagner-Mus.), Abb. in: MGG² u. in: T. Haberfeld u. O. G. Bauer (s. L), S. 4.

  • Autor/in

    Ingrid Kapsamer
  • Zitierweise

    Kapsamer, Ingrid, "Wagner, Wieland" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 221-223 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118770764.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA