Lebensdaten
1919 – 2010
Geburtsort
Bayreuth
Sterbeort
Bayreuth
Beruf/Funktion
Regisseur ; Bühnenbildner ; Leiter der Bayreuther Festspiele
Konfession
evangelisch
Namensvarianten
  • Wagner, Wolfgang Manfred Martin
  • Wagner, Wolfgang
  • Wagner, Wolfgang Manfred Martin

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Zitierweise

Wagner, Wolfgang, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/sfz138189.html [29.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Siegfried (s. 3), S d. Richard (s. 1) u. d. Cosima de Flavigny (s. 2);
    M Winifred Williams Klindworth (s. 4);
    B Wieland (s. 5);
    1) 1943 1976 Ellen Drexel (1919–2002), Tänzerin u. a. an d. Staatsoper in Berlin, 2) 1976 Gudrun Armann (1944–2007, 1] 1970–75 Dietrich Mack, * 1940, Dramaturg, Regieassistent u. Pressechef d. Bayreuther Festspiele, 1988 Leiter d. Hauptabt. Fernsehfilm u. Musik b. Südwestrundfunk, Autor, Mithg. d. Tagebücher v. Cosima Wagner|), aus Allenstein (Ostpr.), Fremdsprachenkorrespondentin, 1975 Leiterin d. Büros d. Bayreuther Festspiele, Persönl. Referentin v. W., 1993 Chevalier des arts et lettres, 1996 Ehrenmitgl. d. internat. Richard-Wagner-Verbands (s. The Guardian v. 4. 12. 2007; SZ v. 17. 5. 2010);
    1 S aus 1) Gottfried (* 1947), Regisseur, Publ., Musikwiss. (s. Kosch, Theater-Lex.), 1 T aus 1) Eva W.-Pasquier (* 1945), Theatermanagerin, 2008–15 Festspielleiterin in B. (s. Kosch, Theater-Lex.), 1 T aus 2) Katharina (* 1978), Musiktheaterregisseurin, seit 2008 Festspielleiterin in B. (s. Kosch, Theater-Lex.).

  • Biographie

    W., dessen Jugend von einer Mischung aus politisch streng dt.nationaler Gesinnung und Künstlerbohème geprägt war, wuchs als Enkel Richard Wagners mit seinen drei Geschwistern im Bayreuther Familiensitz Wahnfried auf. Bereits seit 1923 war seine Mutter Winifred mit Adolf Hitler befreundet, den die Kinder „Onkel Wolf“ nennen durften. Als W. – noch nicht 11jährig – 1930 den Vater verlor, übernahm die Mutter die Leitung der Festspiele. Der engste ihrer Mitarbeiter, der Regisseur, Dirigent und Intendant der Berliner Staatsoper Heinz Tietjen (1881–1967), mit dem sie sich nach 1930 nichtehelich verband, wurde ein wenig geliebter Ersatzvater.

    Seit der „Machtergreifung“ 1933 standen die Familie Wagner und die Bayreuther Festspiele unter besonderer Protektion Hitlers, der die Festspiele durch großzügige Subventionen aus der anhaltenden Existenzkrise befreite und sie bis 1940 auch regelmäßig besuchte. Während der erstgeborene Wieland als „Bayreuther Kronprinz“ die besondere Aufmerksamkeit und Wertschätzung Hitlers besaß, konnte der weniger beachtete W. in etwas größerer Distanz bleiben.

    Im Unterschied zu Wieland, der vom Kriegsdienst befreit worden war, wurde W. eingezogen und bereits zu Beginn des Polen-Feldzugs 1939 schwer verwundet. Nur aufgrund der besonderen Stellung der Familie Wagner in der Berliner Charité von Ferdinand Sauerbruch persönlich operiert, konnte sein linker Arm gerettet werden. Die Funktion der Hand blieb jedoch zeitlebens stark eingeschränkt, wodurch eine Musikerlaufbahn ausgeschlossen war. 1940 begann W. eine theaterpraktische Ausbildung an der Staatsoper Berlin, arbeitete als Regieassistent und debütierte dort im Juni 1944 als Regisseur mit einer Inszenierung der Oper „Bruder Lustig“ seines Vaters (unter dem zeitgemäßeren Titel „Andreasnacht“) aus Anlaß von dessen 75. Geburtstag.

    Nach dem 2. Weltkrieg übernahm W. gemeinsam mit seinem Bruder Wieland die Leitung der Bayreuther Festspiele, die seit 1951 bis heute wieder jährlich stattfinden. Während Wieland hauptsächlich als künstlerischer Leiter fungierte, der mit seinen Inszenierungen den „Neu-Bayreuther Stil“ prägte und die Festspiele so zumindest äußerlich von ihrer politisch belasteten und ästhetisch überholten Tradition befreite, übernahm W. die kaufmännischen und administrativen Aufgaben und schuf durch seriöses und solides Management das Fundament des Festspielunternehmens. Wesentlich hierbei war v. a. die Gründung des Mäzenatenvereins der „Gesellschaft der Freunde von Bayreuth“ 1949. Als Regisseur und Bühnenbildner inszenierte er 1953 „Lohengrin“, 1955 „Der fliegende Holländer“, 1957 „Tristan und Isolde“ und 1960 den „Ring des Nibelungen“.

    Nach dem frühen Tod Wielands 1966 übernahm W. für mehr als 40 Jahre die alleinige Leitung der Bayreuther Festspiele. Er öffnete das Bayreuther Festspielhaus erstmals für externe Regisseure und ermöglichte unter dem auf die stets unvollendete Arbeit am Werk deutenden Begriff „Werkstatt Bayreuth“ einen stilistischen Pluralismus der Inszenierungen und Deutungen. Darunter fanden sich ebenso spektakuläre und epochale wie provokante und skandalträchtige Produktionen wie der „Tannhäuser“ von Götz Friedrich 1972, der „Fliegende Holländer“ von Harry Kupfer 1978, der sog. „Jahrhundert-Ring“ 1976 von Patrice Chéreau, „Tristan und Isolde“ von Heiner Müller 1993 und Christoph Marthaler 2005, „Parsifal“ von Christoph Schlingensief 2004 oder „Die Meistersinger von Nürnberg“ 2007, das Bayreuther Regie-Debüt seiner Tochter Katharina. Er selbst blieb als Regisseur und Bühnenbildner seinem eher konservativen Stil bis zuletzt treu und inszenierte 1967 erneut „Lohengrin“, 1968, 1981 und 1996 „Die Meistersinger von Nürnberg“, 1970 zum zweiten Mal den „Ring des Nibelungen“, 1975 und 1989 „Parsifal“ sowie 1985 „Tannhäuser“. Als Garanten für konstant hohe musikalische Qualität verpflichtete er Dirigenten wie Carlos Kleiber, Sir Colin Davis, Daniel Barenboim, Peter Schneider, James Levine, Sir Georg Solti, Giuseppe Sinopoli und Christian Thielemann.

    Mit der Gründung der „Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth“ 1973 wurden das Erbe Richard Wagners, das Festspielhaus und das Wahnfried-Archiv samt handschriftlichem Nachlaß der öffentlichen Hand übertragen und so auf Dauer gesichert. Im Jahr des 100. Festspieljubiläums 1976 wurde das Haus Wahnfried zum Richard Wagner Museum, W. selbst bewohnte mit seiner Familie schon seit 1955 ein eigenes Anwesen am Bayreuther Grünen Hügel in unmittelbarer Nähe des Festspielhauses.

    1986 wurde das Ein-Personen-Unternehmen der Bayreuther Festspiele zur wirtschaftlichen Absicherung W.s in eine GmbH umgewandelt, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er wurde, seit 1987 mit einem Vertrag auf Lebenszeit. Dank der Pflege eines breiten Netzwerks von Sponsoren und Mäzenen gelang es W., den Anteil öffentlicher Zuschüsse stets unter 40 % zu halten und zugleich die Sozialverträglichkeit der Eintrittspreise zu gewährleisten. Aufgrund seines hohen Alters entspann sich ab 2001 eine langwierige und schwierige Diskussion um seine Nachfolge als Festspielleiter. Während der Stiftungsrat der Richard-Wagner-Stiftung Eva Wagner-Pasquier nominierte, bestand W. darauf, seine zweite Ehefrau Gudrun einzusetzen. Nach deren überraschendem Tod Ende Nov. 2007 stimmte er einer gemeinsamen Nachfolge seiner Töchter Eva und Katharina zu und legte nach den Festspielen 2008 sein Amt nieder.

  • Auszeichnungen

    |Bayer. Verdienstorden (1961);
    Goldener Ehrenring (1961) u. Ehrenbürger d. Stadt Bayreuth (1976);
    Gr. BVK (1974) mit Stern (2005) u. Schulterbd. (2009);
    Commandeur des Arts et des Lettres (1984);
    Bayer. Maximiliansorden f. Wiss. u. Kunst (1984);
    Wilhelm-Pitz-Preis (1984);
    o. Mitgl. d. Bayer. Ak. d. Schönen Künste (1986);
    Ehrenmitgl. d. Hochschule f. Musik u. darst. Kunst Graz (1986);
    Ehrensenator d. Musikhochschule München (1987) u. d. Univ. Tübingen (1988);
    Mitgl. d. Wiss. Beirats d. Forsch.inst. f. Musiktheater in Thurnau (1988);
    Bayer. Vfg.medaille in Gold (1988);
    Friedrich-Baur-Preis f. Darstellende Kunst u. f. Musik (1993);
    Dr. h. c. (Bayreuth 1994);
    Frankenwürfel (1994);
    Europ. Kulturpreis (2003);
    Rr. d. franz. Ehrenlegion (2010).

  • Werke

    Weitere W u. a. Autobiogr.: Lebens-Akte, Autobiogr., 1994 (P), Tb. 1997 (P), engl. u. d. T. Acts, 1994 (P);
    Nachlaß: München, Bayer. HStA (Privatnachlaß);
    Bayreuth, Nat.archiv d. Richard-Wagner-Stiftung (Dokumentarmaterial d. Bayreuther Festspiele).

  • Literatur

    |H. Schreiber u. G. Mangold, Werkstatt Bayreuth, 1986;
    J. Thies u. G. van Well (Hg.), Auf d. Suche nach d. Gestalt Europas, FS f. W. W. z. 65. Geb.tag, 1990 (P);
    M. Linhardt, Mit ihm, Musiktheatergesch., W. W. z. 75. Geb.tag, Kat. zu e. Ausst. d. Kath. Univ. Eichstätt u. d. Forsch.inst. f. Musiktheater d. Univ. Bayreuth, 1994;
    B. Hamann, W. W. oder Hitlers Bayreuth, 2002 (P) (engl. u. d. T. A Life at the Heart of Hitler’s Bayreuth, 2005);
    J. Carr, Der W.-Clan, Gesch. e. dt. Fam., 2008 (P);
    W. W., d. Festspielleiter, d. Regisseur, d. Bauherr, hg. v. O. G. Bauer, o. J. [2011] (P);
    O. G. Bauer, Die Gesch. d. Bayreuther Festspiele, 2 Bde., 2016 (P);
    Kosch, Theater-Lex.;
    Filme: P. Adlon, W. W., Herr d. Ringe, 1985 (ARD, BR);
    W. Herzog, Die Verwandlung d. Welt in Musik, Bayreuth vor d. Premiere, 1994 (arte, Unitel, ZDF).

  • Autor/in

    Sven Friedrich
  • Zitierweise

    Friedrich, Sven, "Wagner, Wolfgang" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 223-224 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/sfz138189.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA