Lebensdaten
1488 – 1540
Geburtsort
Halgehausen bei Frankenberg (Hessen)
Sterbeort
Marburg/Lahn
Beruf/Funktion
Humanist ; neulateinischer Dichter
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118704249 | OGND | VIAF: 71412338
Namensvarianten
  • Eobanus
  • Koch, Helius
  • Eobanus Hessus, Helius
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Zitierweise

Eobanus Hessus, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118704249.html [28.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hans Koch, Bauer in Halgehausen, stammte aus der Gfsch. Wittgenstein, stand im Dienstverhältnis z. Zisterzienserkloster Haina;
    M Katharina ( vor 1529) aus Gemünden/Wohra;
    1514 Katharina ( vor 1543), T des Erfurter Bürgers Heinr. Spater;
    5 S, 1 T.

  • Biographie

    Der Aufstieg aus der elterlichen Armut und Abhängigkeit begann für E., als ihm der Abt Dietmar von Haina den ersten Unterricht angedeihen ließ. Dieser bot die Grundlage für die weitere Ausbildung in Gemünden in der Lateinschule des Johannes Mebes, in Frankenberg in der Schule des Jak. Horlaeus und seit 1504 an der Universität Erfurt. Dort wurde E. 1507 Rektor der Stiftsschule von Sankt Severi und erlangte Sommer 1509 den Grad eines Magister artium. – Schon bei dem 10jährigen Knaben regte sich ein Hang zum Versemachen. Seit 1506 trat E. als Dichter an die Öffentlichkeit: mit zwei lateinischen Gelegenheitsgedichten über Universitätsereignisse, einem Gedicht auf Erfurt und die Hochschule, mit einer Prosaschrift „De amantium infelicitate“ (1508) und schließlich mit dem „Bucolicon“ (Erfurt 1509, erweitert Hagenau 1528), einem Zyklus von elf Eklogen. Die unter dem Einfluß Virgils und des Baptista Mantuanus stehende Hirtendichtung ist meist nur allegorische Verkleidung des Dichters und seiner Erfurter Freunde, Mutianus Rufus, Herbord von der Marthen, Georg Spalatin, Justus Jonas, Peter Eberbach und andere. Namentlich von Mutian erhielt E. Aufmunterung,|Leitung und Klärung seines Talentes. – Im Herbst 1509 verließ E. Erfurt und übernahm die Stelle eines Sekretärs des Bischofs Hiob von Dobeneck in Riesenburg. Dort dichtete er zwei Sylven „Prussia et Amor“ (Leipzig 1514), eine Beschreibung Preußens und eine Warnung vor der Liebe an den Freund Theodor Collucius. Auf Wunsch des Bischofs bezog E. Frühjahr 1513 die Universität Frankfurt/Oder, um die Rechtswissenschaften zu studieren, ging aber bereits Herbst 1513 nach Leipzig und 1514 zurück nach Erfurt. In Leipzig veröffentlichte E. die „Heroides christianae“ (1514, vollständig Hagenau 1532), poetische Briefe nach Ovids Vorbild, jedoch christlich-biblischer und legendarischer Heldinnen. In der ersten Hälfte 1515 entstand die Elegie „De vera nobilitate“ und 1517 die Dichtung „Victoria Christi ab inferis“. Mit den christlichen Heroiden begann E. großer Dichterruhm. Er wurde das Haupt des Erfurter Poetenkreises und erhielt 1517 eine Professur für lateinische Sprache an der Universität. Herbst 1518 begab sich E. zu Erasmus in die Niederlande und beschrieb die Reise in einem „Hodoeporicon“ (Erfurt 1519). Im Pfefferkorn-Reuchlinschen Streit stand er auf seiten Reuchlins. In den reformatorischen Auseinandersetzungen schloß er sich Luther an. – Schon in der Frühzeit ist bei E. ein ausgeprägter Zug zur Gelegenheitsdichtung wahrzunehmen. Er war imstande, innerhalb kürzester Zeit über alles und jedes ein kunstvolles Gedicht zu machen: an Freunde und Gegner, an Könige und Kaiser, Epithalamien und Epicedien, Gedichte über religiöse und moralische Dinge, fröhliche und traurige Ereignisse, Tages- und Zeitgeschehnisse, an Erasmus und für Luther, zum Schutze der Wissenschaften und zum Lobe der Medizin. Alle zusammen spiegeln sie die Stimmungen der Gelehrten- und Humanistenkreise wider am Vorabend der Reformation und der ersten zwei Jahrzehnte der religiösen Auseinandersetzungen. Mit den Epicedien auf Reuchlin, Hutten, Mutian, Dürer, Pirckheimer, Erasmus und andere ist E. für die neulateinische Dichtung vorbildlich geworden. Ein Teil dieser Gelegenheitsdichtungen ist gesammelt in den 6 Büchern „Sylvae“ (Hagenau 1535, vermehrt um 6 weitere 1539).

    Materielle Nöte bewogen E., 1523 mit dem Studium der Medizin zu beginnen. Doch 1526 konnte er als Lehrer der Poetik an das Aegidiengymnasium nach Nürnberg übersiedeln. Der Mathematiker Johannes Schöner und J. Camerarius waren dort seine Kollegen, Dürer wurde sein Freund. In Nürnberg entstanden an Schriften und Dichtungen: eine Anleitung zum Versemachen (Nürnberg 1526), das Epicedion auf Dürer (ebenda 1528, neugedruckt bei H. Rupprich, Dürers Schriftlicher Nachlaß I, 1956, S. 298), die 7 Gedichte „De tumultibus horum temporum Querela“ (ebenda 1528), Erläuterungen zu Virgils Bucolica und Georgica (Hagenau 1529) und vor allem die „Noriberga illustrata“ (Nürnberg 1532, neu herausgegeben von J. Neff, 1896). – Im Zuge der Wiederherstellung der Universität Erfurt wurde E. 1533 als Professor zurückgeholt. Doch schon 1536 nahm er einen Ruf als Professor für Geschichte an die Universität Marburg an. Diese letzte Lebensphase ist charakterisiert durch eine Abnahme der originalen Produktion und Vorwiegen der Übersetzertätigkeit. Im Jahre vor E. Tod erschien die Hauptsammlung der Werke: „Operum farragines duae“ (Schwäbisch Hall 1539, ²1564). – E. Übersetzungen in lateinische Verse gehören teils in das Gebiet der mnemotechnisch praktischen Formung und leicht faßlichen Gruppierung biblisch-kirchlicher Inhalte, andernteils dienen sie der Rezeption griechischer Literaturwerke. Die Übertragungen setzen ein mit einzelnen Psalmen (Nürnberg 1527 und 1530), den 36 Idyllen des Theokrit (Hagenau 1531), dem Prediger Salomonis (Nürnberg 1532), Homerischen Stellen (ebenda 1533) und der Dichtung des Koluthus „Vom Raube der Helena“ (Erfurt 1534). Ihnen folgten das Psalterium (Marburg 1537, insgesamt über 50 Auflagen) und die Ilias (Basel 1540). – Wie bei andern Humanisten ist auch für E. der familiäre lateinische Brief Träger der neuen Lebensform und des wissenschaftlichen Gedankenaustausches. Die wichtigsten Sammlungen sind: Epistolarum familiarum libri XII, herausgegeben von J. Draconites, Marburg 1543, und drei Sammlungen des J. Camerarius, Leipzig 1557, 1561, 1568. Weitere Briefe sind bei Krause II, S. 277 f. (siehe Literatur) und Schottenloher I, S. 219 f. verzeichnet.

  • Literatur

    ADB XII (unter Hessus);
    J. Draconites, Trostpredigt üb. d. Leiche E. H., Straßburg 1541;
    J. Micyllus, Epicedia in mortem E. H. etc., Wittenberg 1542;
    J. Camerarius, Narratio de Helio Eobano Hesso, Nürnberg 1553, Leipzig 1696, 1843;
    G. Schwertzell, H. E. H., e. Lb. a. d. Ref.zeit, 1874;
    C. Krause, H. E. H., Sein Leben u. s. Werke, 2 Bde., 1879;
    ders., in: Zbl. f. Bibl.wesen 11, 1894, S. 163 ff.;
    H. Hermelink u. S. A. Kähler, Die Philipps-Univ. zu Marburg 1527-1927, 1927, S. 109 u. 145 ff.;
    O. Clemen, in: Archiv f. Schreib- u. Buchwesen 3, 1929, S. 7 f.;
    G. Ellinger, Die neulat. Lyrik Dtld.s in d. ersten Hälfte d. 16. Jh., 1929, S. 3 ff.;
    H. Steiger, Bayr. Bll. f. d. Gymnasialschulwesen 66, 1930, S. 72 ff.;
    W. Stammler, Von d. Mystik zum Barock, ²1950, S. 138 ff.;
    Goedeke II, S. 91 f.

  • Porträts

    Silberstiftzeichnung v. A. Dürer, 1526 (London, Brit. Mus.), Abb. b. F. Winkler, Die Zeichnungen A. Dürers IV, 1939, Nr. 905;
    Holzschnitt nach dieser Zeichnung, vgl. J. Meder, Dürer-Kat., 1932, Nr. 257.

  • Autor/in

    Hans Rupprich
  • Zitierweise

    Rupprich, Hans, "Eobanus Hessus" in: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), S. 543-545 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118704249.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Hessus: Helius Eobanus H., ist am 6. Jan. 1488 im hessischen Dorfe Halgehausen geboren und am 4. Octbr. 1540 in Marburg gestorben. Sein Familienname war wahrscheinlich Koch; den dreigetheilten Dichternamen führte er dem Sonntage, an dem er geboren wurde (Helius), dem Heiligen seines Namenstages (Eoban) und seinem Vaterlande (Hessus) zu Ehren. Nachdem er vom Abte Dietmar in Haina, dann auf der Lateinschule zu Gmünden unterrichtet worden, kam er 14jährig in die Schule des Jacob Horläus, welcher zuerst sein Dichtertalent erkannte. 1504 bezog er die Universität Erfurt, wo er mit|Aelteren, wie Mutian118735411 , mit Jüngeren, wie Spalatin, Hutten, Crotus, Cordus anregend und angeregt den größten Theil seines Lebens zubringen sollte. Erst 16 Jahre alt trat er mit kleinen poetischen Arbeiten hervor, erlangte rasch die akademischen Grade und erhielt 1507 das Rectorat an der Schule St. Severi, das er bald wieder verlor. 1509 erscheint er zu Riesenburg, am Hofe des Bischofs Hiob von Dobeneck, als Kanzleibeamter, als Hofmann und Gelegenheitsdichter, als Freund der Gelehrten, z. B. Joh. Dantiskus und als Trinker ersten Ranges, der durch seine Leistungen die Freunde in Staunen und Schrecken setzt und seine Gesundheit untergräbt. Im Auftrage des Bischofs ging er (1513) nach Frankfurt a. O., um durch das Studium der Jurisprudenz sich zum ordentlichen Beamten auszubilden, verließ aber bald das Studium und die Universität, gab sich in Leipzig wieder den Humaniora hin und kehrte im August 1514 nach Erfurt zurück. Hier wurde er von den Freunden empfangen, nahm als König (ἑσσῆν) die Huldigungen der Genossen gerne an und wandte nun bis zum Ende seines Lebens in übermäßiger Weise diesen Königsnamen auf sich, seine Frau, Catharina Spater, die er im Jahre 1515 heimführte, und seine zahlreichen Kinder an. Durch diese Verheirathung, seine Trunksucht und sein ungeregeltes Leben gerieth er in Noth und Elend, die er durch beständige Betteleien, mit denen er Freunden und Gönnern lästig wurde, zu besiegen strebte. Einer regelmäßigen Thätigkeit war er feind, weil er durch dieselbe eine Hemmung seines dichterischen Fluges befürchtete; er gab vor, sich nach einem Amte zu sehnen, so lange er frei war und erfüllte seine Pflichten schlecht, sobald er ein Amt erlangt hatte. 1517 wurde er nach langen vergeblichen Bemühungen seiner Freunde Professor der lateinischen Sprache in Erfurt. Als Führer des Erfurtischen Dichterbundes betheiligte er sich an dem Reuchlin’schen Streite durch Briefe, kleine Gedichte, schwerlich aber durch Mitarbeit an größeren satirischen Werken; ließ sich durch Hutten anregen zur Erwiderung patriotischer Elegien (Maximilian an Italien!, machte die Schwärmerei für Erasmus mit, der er seinen Tribut zollte durch eine Reise, die er zu dem großen Manne unternahm, durch eine Beschreibung derselben (Hodoeporicon), durch viele überschwengliche Briefe und durch eine Betheiligung an den Beschimpfungen des Engländers Eduard Lee, welcher den Erasmus anzugreifen gewagt hatte und schloß sich endlich Luther an, feierte ihn und sein Werk in Gedichten, nachdem die Erfurter Universität sich für den Reformator erklärt hatte. Aber alle diese Parteiäußerungen mit Ausnahme der Antheilnahme für Reuchlin, als dem ersten Vertreter des humanistischen Gedankens, kamen ihm nicht recht voll Herzen; Betheuerungen des Patriotismus waren ihm poetische Floskeln und Huttens kühne Thaten und Ansichten fanden bei ihm so geringes Verständniß, daß er den kühnen Ritter später verleugnete, sein Vermächtniß nicht erfüllte und sein Andenken ungeehrt ließ; die Verehrung für Erasmus hielt nur so lange vor, als sie mit gleicher Münze erwidert wurde und machte erbittertem Haße Platz, sobald Erasmus sich feinen Spott und offenen Tadel erlaubte; die Stellung zur Reformation war eine halbe, mehr nach persönlichem Vortheil, als nach religiöser Gesinnung bestimmt, so daß er im halbkatholischen Erfurt sich mit den Protestanten vertrug und in dem ganz protestantischen Nürnberg die Berührung mit den Feinden des Evangeliums scheute. Nicht in Parteischristen daher, sondern in harmlosen Dichtungen (Sylvae) und Briefen gefiel er sich, an seinen Gönner G. Sturz, an seine Freunde Joachim Camerarius, Justus Jonas, Joh. Drako und viele Andere. Aber das frische fröhliche Leben in Erfurt schwand bald, die Freunde zogen fort, die Studenten suchten Wittenberg auf, die religiösen und politischen Interessen wogen vor, die lutherischen Prädicanten in Erfurt eiferten, wie wenige Jahre vorher die katholischen Priester, gegen die Wissenschaft als religionsfeindlich.|Gegen sie versuchte Eoban in prosaischen Satiren aufzutreten, richtete aber nichts aus, wendete sich, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der Medicin zu und schrieb — im Lernen lehrend — eine poetische Schrift, in welcher er die auf der Alten geschöpften ärztlichen Vorschriften und naturwissenschaftlichen Anschauungen in Verse brachte. Aber auch in dem neuen Berufe hatte er kein Glück; durch die Bauernunruhen litt auch er, er verlor seinen Gehalt, die einzige, wenn auch schwache materielle Stütze, an der er sich bisher gehalten hatte und war sehr froh, als er durch Melanchthon's und Camerarius' Vermittlung einen Ruf an die neugebildete höhere Schule nach Nürnberg erhielt (1526). Hier schloß er sich seinem Collegen Camerarius aufs Engste an, erlernte die griechische Sprache und benutzte die neuerworbene Kenntniß zu manchen Uebersetzungen, schrieb Lobgedichte auf dir Stadt Nürnberg u. a., die theils dazu bestimmt waren ihm die Gunst, theils und besonders dazu den klingenden Lohn der Machthaber zu verschaffen, veröffentlichte Anleitungen zum Versemachen und gab sich mehr als es seiner Gesundheit, seinen Geldverhältnissen und seinen litterarischen Arbeiten gut war, einem heiteren Leben hin. Zu seinen in Nürnberg gewonnenen Freunden gehörte besonders Albrecht Dürer, von den älteren Genossen sah er 1530 die Wittenberger und Dantiskus in Augsburg wieder, wo er es an einer Begrüßung des Kaisers und einer an denselben gerichteten Ermahnung einen Türkenkrieg zu beginnen, nicht fehlen ließ. Auf die Dauer aber war in Nürnberg, wo die Entwicklung der Schule dem glänzenden Anfängen nicht entsprach und das regelmäßige Kaufmannsleben die Ungezwungenheit litterarischen Treibens nicht duldete, seines Bleibens nicht; er sehnte sich nach Erfurt zurück und erlangte nach manchen Bitten und Demüthigungen, eine Berufung dahin, welcher er im Mai 1533 folgte. Doch hier hatten sich die Zustände sehr verändert; die Universität war und blieb verödet, dir Freunde, außer G. Sturz, waren gestorben oder fortgegangen; statt der frühern fröhlichen Einigkeit, herrschte Zwietracht unter den Professoren. Auch die literarische Production war erlahmt — man konnte nicht immer Trinkgedichte schreiben und zu Gelagen einladen—Uebersetzungen und poetische Bearbeitungen unbedeutender Werke traten an die Stelle der Originalarbeiten. So auch in dem ehemals liebgewesenen Erfurt unbefriedigt, sehnte sich Eoban fort, suchte und erlangte durch ein großes historisches Gedicht auf den siegreichen Zug der Hessen nach Württemberg, die Gunst des Landgrafen von Hessen und erhielt einen Ruf nach Marburg (1536), wo er seine letzten Arbeiten beendete, seine fröhliche Laune, seine Lust an: Trinken und seine Gewandtheit, seine Freunde auszunützen, behielt und im Alter von 52 Jahren starb. H. besaß ein großes poetisches Talent. Alles gestaltete sich leicht bei ihm zum Verse und diese Leichtigkeit des Versemachens hat ihm mehr Ruhm verschafft, als der Gehali der Gedichte. Seine Gelegenheitsgedichte sind überaus zahlreich, gewandt und anmuthig, aber häufig inhaltsleer und phrasenhaft; er dichtet auf Bestellung und in Hoffnung auf Bezahlung und wird dadurch unwahr. Seine beschreibenden und erzählenden Gedichte, über kleine Erfurter Localereignisse, Beschreibung Preußens, Schilderung der Stadt Nürnberg, Erzählung des hessisch-württembergischen Kampfes sind für historisch-geographische Werke zu ungenau und für Gedichte zu sehr mit Thatsachen angefüllt. Seine poetischen Uebersetzungen, unier denen die der Ilias und der Psalmen die größten und wichtigsten sind, sind freie geschmackvolle Bearbeitungen, welche eine unglaubliche Beherrschung der lateinischen Sprache und ein seines Verständniß der Originale verrathen, Bearbeitungen, welche in jener Zeit in zahllosen Auflagen erschienen und als Wunderwerke angestaunt wurden, für uns aber nur den Werth ehrwürdiger Antiquitäten haben. Sein einziges größeres Originalwerk sind die „Heroiden“, poetische Briefe der Heiligen von Maria bis Kunigunde, der Gemahlin des deutschen|Kaisers Heinrich II., welche ihren Stoff aus der Bibel und aus der Legende entnehmen und christliche Frömmigkeit in antikem Gewande verkünden. Auch ihr Werth ist ein wesentlich literarhistorischer. Keiner wird sich heute mehr an diesen Dichtungen erbauen; dir Meisten werden nur die Leichtigkeit seiner Verse und die Kühnheit bewundern, mit welcher er in einer der Antike huldigenden Zeit einen christlichen Stoff wählte und besang. Eoban besaß Talent aber keinen Charakter. Im heitern Lebensgenuß war er allen voran, in Bethätigung seiner Ueberzeugung stand er hinter den Meisten zurück. Er trat vielen persönlich nahe, aber zog sich zurück, sobald seine Eigenliebe gekränkt war (Pirkheimer, Erasmus), verleugnete die Freunde wie Hutten, sobald ihm die Annäherung an dieselben gefährlich schien. Er war Luther wohlgesinnt, aber über die Leipziger Disputation und über die Bannbulle sprach er kein Wort, erklärte sich erst für ihn, als die Erfurter lebhaft Partei genommen hatten, wollte es mit keiner Seite ganz verderben, verhielt sich gut mit den Erfurter Papisten und hatte für Nürnbergs treuen Protestantismus kein Wort des Lobes. Er besaß auch keine politische Treue und keine nationale Gluth: er bediente sich in keinem Werke der deutschen Sprache — nur ein deutsches Briefchen ist von ihm bekannt —, seine Gedichte an den Kaiser sind Schulübungen, seine patriotischen Verse voll von erborgter Empfindung; früher hatte er Sickingens Lob gesungen, nach dessen Untergänge will er den Sieg des Landgrafen über ihn preisen. Seine Spielerei mit dem ihm in Scherz verliehenen poetischen Königthum ist kindisch, seine beständigen Betteleien, in denen er den gegenwärtigen Gönner auf Kosten des vergangenen lobt oder sein augenblickliches Elend durch unwahre Schilderungen frühern Glückes recht augenfällig zu machen sucht, erniedrigen ihn in den Augen selbst mitleidiger Beurtheiler. Sein leichtes Talent und seine liebenswürdige Laune haben ihm während seines Lebens viele Anerkennung, auch nach seinem Tode große Bewunderung verschafft, die aber von einer nüchternen Kritik auf das gebührende Maß zurückgeführt werden muß.

    • Literatur

      Hauptsammlung seiner Werke: Operum farragines duae, Halae Suev. 1539; Psalterium. Marp. 1537; Ilias, Basel 1540; Epistolae familiares. Marp. 1543 und drei Sammlungen des Camerarius. Leipzig 1557, 1561, 1568; Camerarius' Narratio de Eob. Hesso erschien zuerst Nürnberg 1553. Die neuesten Biographen: G. Schwertzell: H. E. H., ein Lebensbild aus der Reformationszeit. Halle 1874: C. Krause: H. E. H., sein Leben und seine Werke. Zwei Bände. Gotha 1879.

  • Autor/in

    Ludwig Geiger.
  • Zitierweise

    Geiger, Ludwig, "Eobanus Hessus" in: Allgemeine Deutsche Biographie 12 (1880), S. 316-319 unter Hessus [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118704249.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA