Lebensdaten
1875 – 1951
Geburtsort
Barmen bei Wuppertal
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Chirurg ; Arzt
Konfession
keine Angabe
Normdaten
GND: 118605798 | OGND | VIAF: 10638496
Namensvarianten
  • Sauerbruch, Ernst Ferdinand
  • Sauerbruch, Ferdinand
  • Sauerbruch, Ernst Ferdinand
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Zitierweise

Sauerbruch, Ferdinand, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118605798.html [16.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ferdinand (1840–77), kaufm. Angest. e. Tuchweberei in Barmen, zuletzt Schuhhändler ebd., S d. Wilhelm (1812–59), aus Schwelm, Mühlenbauer u. Schreinermeister in Barmen, u. d. Anna Christina Friederika Homberg (1810–87), aus Barmen;
    M Helene (1843–1920), T d. Friedrich Hammerschmidt (1810–87), aus Barmen, Schuhmachermeister in Elberfeld, u. d. Helma Rahmann (1816-56), aus Elberfeld;
    1) 1908 Adeline (Adda) (* um 1888), T d. Hugo Schulz (1853–1932), aus Wesel, o. Prof. d. Pharmakol. in Greifswald, Geh. Med.rat (s. Pagel; Wi. 1928; Med. d. Gegenwart in Selbstdarst. I, 1923, S. 247-50), 2) Margot Grossmann (1905–95), Internistin in Berlin;
    5 K aus 1) u. a. Hans (1910–96), Maler, zuletzt in Konstanz (s. SZ v. 13.3.1996), Peter (* 1913), Hptm. i. G., Rr.kreuz 1943, Mitwisser d. Attentats v. 20. Juli 1944, Vorstandsvors. d. Mobil Oil (s. FAZ v. 6.6.2003), Marilen (* 1917, Arthur Georgi, 1902–70, Mitinh. d. Verlags Paul Parey in Hamburg u. Berlin, 1953-56 1. Vors. d. Börsenver. Dt. Verleger- u. Buchhändlerverbände in Frankfurt/M., s. Munzinger, E d. Dr. Otto Georgi, 1831–1918, 1871-96 OB v. Leipzig, s. NDB VI).

  • Biographie

    S. besuchte 1885-95 das Realgymnasium in Elberfeld und studierte anschließend Medizin und Naturwissenschaften in Marburg, Jena und Leipzig, wo er 1901 das med. Staatsexamen ablegte und 1902 mit der Arbeit „Ein Beitrag zum Stoffwechsel des Kalks und der Phosphorsäure bei infantiler Osteomalacie“ bei Heinrich Curschmann (1846–1910) zum Dr. med. promoviert wurde. 1901-03 arbeitete er als Assistenzarzt in der chirurgischen Abteilung des Diakonissenkrankenhauses in Kassel, im städtischen Krankenhaus in Erfurt sowie am pathologischen Institut in Berlin-Moabit. Im Okt. 1903 ging S. nach Breslau, wo er an der chirurgischen Universitätsklinik als Volontärarzt Schüler von Johannes v. Mikulicz-Radecki (1850–1905) wurde, dessen Forschungen über die Thoraxchirurgie ihn stark beeinflußten. Im Juni 1905 habilitierte sich S. in Breslau mit der Schrift „Experimentelles zur Chirurgie des Brustteils der Speiseröhre“ für das Fach Chirurgie. Nach dem Tod Mikulicz-Radeckis wurde S. 1905 von Paul Leopold Friedrich (1864–1916), seinem früheren Leipziger Lehrer, als Assistenzarzt an die chirurgische Universitätsklinik nach Greifswald berufen (1905 PD, 1906 2. Oberarzt). 1907 wechselte er als 1. Oberarzt nach Marburg, wo er im Dez. 1908 zum ao. Professor und Leiter der chirurgischen Poliklinik befördert wurde. Im Dez. 1910 erfolgte seine Berufung als o. Professor und Direktor der chirurgischen Universitätsklinik in Zürich. Nachdem er sich 1914 als Kriegsfreiwilliger gemeldet hatte, wirkte S. während des 1. Weltkrieges zunächst als beratender Chirurg des 15. Armeekorps; seit 1915 wieder an der Greifswalder chirurgischen Klinik tätig, übernahm er die Leitung eines Reservelazaretts, in dem v. a. Amputationen durchgeführt wurden. Rufe nach Königsberg und Halle lehnte er ab, nahm jedoch 1918 die Berufung nach München an, wo er die chirurgische Universitätsklinik zu großer Blüte führte. 1927 wechselte er an die Berliner Charité, deren chirurgische Universitätsklinik er bis zu seiner Emeritierung als Ordinarius für Chirurgie 1949 leitete. In Berlin erreichte er mit der Bildung der international bedeutenden „Sauerbruch-Schule“ den Höhepunkt seiner Laufbahn.

    Seit 1920 mit Hitler persönlich bekannt, war S. auch während der Zeit der NS-Herrschaft eine brillante Karriere vergönnt. Mit mehrfachen Ehrungen (Nat.preis d. Dt. Reiches, 1937, Kriegsverdienstkreuz I. Kl. mit Schwertern u. Rr.kreuz, 1942) versuchte das Regime, ihn zu vereinnahmen. Nach dem 2. Weltkrieg wurde ihm eine Affinität zum Nationalsozialismus vorgeworfen, doch distanzierte sich S., der nie der NSDAP beigetreten und kein Antisemit war, schon während der NS-Zeit von den Nationalsozialisten und setzte sich erfolgreich für politisch und rassisch Verfolgte ein. Zu seinem Freundeskreis zählten Richard Willstätter und Max Liebermann. Er war Mitglied der Berliner „Mittwochsgesellschaft“, der auch prominente|Mitglieder der Verschwörergruppe des 20. Juli 1944 angehörten, von deren Attentatsplänen S. Kenntnis hatte. Sein Sohn Peter wurde wegen seiner Korrespondenz mit Stauffenberg verhaftet und auch S. selbst war zeitweise von Verhaftung bedroht, als die Gestapo eine Einladungsliste zu S.s Geburtstag am 3.7.1944 fand, auf der die Namen mehrerer Teilnehmer an dem Hitler-Attentat standen. Nach Kriegsende beteiligte er sich am Wiederaufbau des Berliner Gesundheitswesens. S.s letzte Lebensjahre wurden durch eine rasch voranschreitende Hirnsklerose verdüstert, die schwerwiegende (auch) chirurgische Fehlleistungen zur Folge hatte. Diese Alterserkrankung ist auch bei der Lektüre seiner bekannten Autobiographie „Das war mein Leben“ (1951, verfilmt 1954) zu berücksichtigen.

    S. war der führende dt. Chirurg in der ersten Hälfte des 20. Jh. Seine Forschungen auf dem Gebiet der Thorax- und Abdominalchirurgie waren bahnbrechend. Angeregt durch Mikulicz-Radecki, entwickelte S. bereits als Volontärarzt in Breslau ausgeklügelte Techniken für die Thoraxoperation in Unterdruckkammern, die der Brustraumchirurgie neue Möglichkeiten eröffneten. Es konnten nun erstmals Eingriffe am offenen Brustkorb durchgeführt werden, ohne daß ein sog. Pneumothorax befürchtet werden mußte, d. h. eine Ansammlung von Luft zwischen Lungen- und Rippenfell, die zum partiellen oder vollständigen Kollaps eines Lungenflügels führt. In Zürich verfeinerte S. zur besseren operativen Behandlung der Lungentuberkulose diese wegweisenden chirurgischen Techniken, die sein weltweites Ansehen begründeten. Daneben beschäftigte er sich sehr erfolgreich mit der Entwicklung einer Handprothese für Kriegsversehrte („Sauerbruchhand“), deren Finger der Patient willkürlich bewegen konnte. Weitere bedeutende Erfolge wie die erste gelungene operative Entfernung eines Herzaneurysmas (1931) steigerten seine Ruhm nochmals; dennoch verlor S. nie den einzelnen Patienten aus den Augen, dem er sich stets fürsorglich zuzuwenden pflegte.|

  • Auszeichnungen

    GHR (1918);
    preuß. Staatsrat (1934);
    Kußmaul-Preis d. Univ. Heidelberg (1922);
    Dr. h. c. (Uppsala);
    Mitgl. d. Dt. Ak. d. Wiss. (1937), d. Leopoldina (1933) u. d. Berliner Chirurg. Ges. (Vors. 1948–50, Ehrenpräs. 1950);
    Vorstandsmitgl. d. Dt. Ges. f. Chirurgie;
    Ferdinand-Sauerbruch-Forsch.-preis d. Berliner Chirurg. Ges. (seit 1993).

  • Werke

    Technik d. Thoraxchirurgie, 1911 (mit E. D. Schumacher), u. d. T. Die Chirurgie d. Brustorgane, 2 Bde., ²1920-25, ³1928-30;
    Die willkürl. bewegbare künstl. Hand, 2 Bde., 1916-23;
    Wesen u. Bedeutung d. Schmerzes, 1936 (mit H. Wenke);
    Allg. Operationslehre, 1. T., in: Bier-Braun-Kümmell (Hg.), Chirurg. Operationslehre, ⁶1933;
    Mithg.
    Münchner Med. Wschr.;
    Zs. f. Tuberkulose;
    Zs. f. d. ges. experimentelle Med.;
    Med. Klinik;
    Dt. Zs. f. Chirurgie;
    Archiv f. Chirurgie;
    Zbl. f. Chirurgie.

  • Literatur

    F. Gundlach, Cat. professorum Academiae Marburgensis, 1927;
    L. Norpoth, in: Rhein. Lb. I, 1961, S. 207-23 (P);
    F. Kudlien u. Ch. Andree, S. u. d. NS, in: Med.-hist. Journal 15, 1980, S. 201-22;
    W. Genschorek, F. S., Ein Leben f. d. Chirurgie, ⁸1989;
    W. U. Eckart, in: FAZ v. 15.7.2000 (P);
    S. M. Cherian, R. Nicks u. R. S. A. Lord, E. F. S., Rise and Fall of the Pioneer of Thoracic Surgery, in: World Journal of Surgery 25, H. 8, 2001, S. 1012-20;
    Rhdb. (P);
    Fischer;
    Berlin. Lb., Mediziner, 1987;
    K. Voßschulte, in: Klassiker d. Med., hg. v. D. v. Engelhardt u. a., II, 1991, S. 336-49;
    Biogr. Lex. Drittes Reich;
    Who is Who d. Soz. Arbeit, 1998; |

  • Quellen

    Qu Univ.archiv Greifswald, Personalakte 2447; Nachlaß in d. Staatsbibl. Preuß. Kulturbes., Berlin.

  • Porträts

    Ölgem. v. M. Liebermann, 1931/32 (Hamburg, Kunsthalle), Abb. in: Rhein. Lb. I (s. L) u. in: Max Liebermann u. seine Zeit, Ausst.kat. Berlin/München 1979/80, S. 371.

  • Autor/in

    Werner E. Gerabek
  • Zitierweise

    Gerabek, Werner E., "Sauerbruch, Ferdinand" in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 459-460 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118605798.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA