Lebensdaten
1864 – 1905
Geburtsort
Clausthal (Harz)
Sterbeort
Salò am Gardasee
Beruf/Funktion
Schriftsteller ; Librettist
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118546198 | OGND | VIAF: 44566392
Namensvarianten
  • Erich, Otto (Pseudonym)
  • Ipse, Henrik (Pseudonym)
  • Hartleben, Otto Erich
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Zitierweise

Hartleben, Otto Erich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546198.html [07.10.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1829–79), Revierbeamter, S d. Wilhelm (1788–1856), Bergmeister in Osterwald, zuletzt Leiter e. Bergwerks in Brasilien (Vorfahren in vielen Generationen Harzer Bergbeamte), u. d. Juliane Buschmann;
    M Elwine (1838–76), T d. Bergschmiedemeisters u. Senators Ernst Eduard Angerstein (1805–93) in Hannover u. d. Henr. Wilhelmine Joseph;
    Schw Else ( Ferd. Noack, 1865–1931, Prof. d. Archäol. in Berlin);
    - Berlin 1893 Selma (1868–1930), T d. Kupferschmieds Chrstn. Aug. Hesse in Halle/S. u. d. Anna Marg. Schnautz;
    N Ulrich Noack (1899-1974), Prof. d. Gesch.

  • Biographie

    Der früh verwaiste H. wurde mit seinen fünf Geschwistern vom Großvater Angerstein betreut, einem ebenso gütigen wie herrschsüchtigen Manne. Ein wenig disziplinierter Schüler, der sich frühzeitig gegen alles Autoritative auflehnte und satirisch-kritische Züge entwickelte, mußte H. zweimal die Schule wechseln, bis er 1885 am Gymnasium in Celle das Abiturientenexamen bestand. Dem Willen des Großvaters folgend, studierte er ohne rechte Freude in Berlin Jura und wurde Referendar. Die erste Ausbildungszeit verbrachte er am Amtsgericht Stolberg im Harz. Aber schon während der Landgerichtsstation|in Magdeburg gab der längst literarisch Tätige, von dem seit einigen Jahren Gedichte in Zeitungen und Sammelbänden gedruckt wurden und dessen erstes Gedichtbuch „Studententagebuch“ 1887 erschienen war, die juristische Laufbahn auf und ging als freier Schriftsteller im Herbst 1890 nach Berlin. Hier war er bald einer der temperamentvollsten Mitstreiter der jungen Dichtergeneration, die mit Arno Holz, Hermann Conradi, den Brüdern Hart und anderen das seit Hebbels Tod herrschende Epigonentum aus der deutschen Dichtung fortfegte und einen neuen Geistesfrühling heraufführte: die Wirklichkeitskunst der Natürlichkeit und Wahrheit im Sinne Ibsens, Tolstois und Zolas, die unter der allzu summarischen Bezeichnung „Naturalismus“ in die Literaturgeschichten eingegangen ist. Eine starke soziale Note war ihr eigen, und manche der kämpferischen Verse des jungen H., der damals auch in sozialistischen Veranstaltungen als zündender Redner auftrat („Der ganze Mensch war ein Versprechen von Freiheit“ schrieb Hermann Bahr), waren von dieser Note geprägt. Freilich offenbarte sich dabei zugleich die Doppelnatur des Dichters: der Stürmer und witzige Spötter, der über seine heute verschollenen gesellschaftskritischen Dramen das Motto „In philistros!“ setzte und ein dem Eros und dem Dionysos huldigendes Bohemienleben führte, war ein Jünger Platens, ein Meister der Form, in dessen frühen Tagebüchern sich viele Betrachtungen über die Gesetze der Metrik finden, und so kam es, daß er selbst seine aufbegehrenden Verse oft ins Odenmaß gefügt hat. Eine alkäische Ode „Im Arm der Liebe schliefen wir selig ein…“ gehört denn auch zum bleibenden Bestand der deutschen Liebeslyrik. Seine hohe Sprachkultur hat der aus dem Sturm und Drang seiner Frühzeit bald zu einem epikuräischen Lebensgenuß und schließlich bei vorzeitigem Nachlassen seiner unbedenklich vergeudeten Kräfte zu stillerer Beschaulichkeit eingekehrte Dichter in seinem „Goethe-Brevier“ (1895), seinem „Logaubüchlein“ (1904) und seinen eigenen „Schlußreimen“: „Der Halkyonier“ (1904) bewährt. Von seinem dramatischen Schaffen hat die bühnenwirksame, aber dichterisch wenig bedeutende Offizierstragödie „Rosenmontag“ (1900) den größten und dauerhaftesten Erfolg gehabt. H.s wesentliche Bedeutung liegt in der kunstvoll lockeren Prosa hingeplauderter Geschichten von lächelndem Humor, die einen neuen Ton in die deutsche Erzählkunst brachten, ihm den Namen eines „deutschen Maupassant“ eintrugen, vor allem aber auch Fontanesche Züge aufweisen. Drei Meisterstücke, die „Geschichte vom Abgerissenen Knopfe“ (1893), „Vom Gastfreien Pastor“ (1895) und „Vom Einhornapotheker“ (1895) haben sich, obwohl ihre Gegenstände längst zeitlich entrückt sind, als dauerhaft erwiesen. H. trat auch als Übersetzer und witziger Parodist (Ibsen, Hauptmann und so weiter) hervor. Er starb 40jährig in seiner Villa Halkyone zu Salò am Gardasee, wohin er, körperlich leidend und seelisch vom Zwiespalt zwischen zwei Frauen geplagt, sich zu stiller Einkehr zurückgezogen hatte. Wie schon zu seinen Lebzeiten, so umranken noch immer zahlreiche Anekdoten von seinen Eulenspiegeleien sein Andenken. Sein letzter lustiger Einfall, die Gründung einer „Akademie für unangewandte Wissenschaften“, lebt als H.-Gedächtnisvereinigung fort.

  • Werke

    Weitere W Angele, Komödie, 1891;
    Hanna Jagert, Komödie, 1893;
    Meine Verse, 1895;
    Die sittliche Forderung, Komödie, 1897;
    Von reifen Früchten, Meiner Verse 2. T., 1902;
    Liebe kleine Mama, 1904;
    Im grünen Baum z. Nachtigall, Studentenstück, 1905;
    Diogenes, Komödie, 1905;
    Ausgew. Werke in 3 Bdn., 1909. - Biographisches a. d. Nachlaß: Tagebuch, Fragmente e. Lebens, 1906;
    Briefe an s. Frau (Selma), hrsg. v. F. F. Heitmueller, 1908 (P);
    Briefe an s. Freundin (Ellen Birr), hrsg. v. F. B. Hardt, 1910 (P);
    Briefe an Freunde, hrsg. v. F. F. Heitmueller, 1912 (P);
    Halkyon. Brevier mit Erinnerungen d. Schwester Annemarie Pallat, hrsg. v. C. F. W. Behl u. Ch. v. Klement, 1962.

  • Literatur

    C. Flaischlen, O. E. H., Btr. zu e. Gesch. d. modernen Dichtung, 1896;
    H. Landsberg, O. E. H., 1905;
    Selma Hartleben, Mei Erich, Aus Otto Erichs Leben, 1910;
    A. v. Klement, Die Bücher v. O. E. H., Eine Bibliogr., 1951 (mit Abb.);
    H. Reif, Das dramat. Werk O. E. H.s, Diss. Wien 1963 (ungedr.).

  • Porträts

    Radierung v. A. Pickel, 1899, nach Ölbild v. G. L. Meyn, 1894, Abb. b. Klement, s. L;
    Karikatur v. O. Gulbransson, 1904, Abb. in: Verlag Albert Langen, Verlagskat. 1894-1904, S. 59;
    zahlr. Aufnahmen in d. Brief-Bänden, s. W.

  • Autor/in

    Carl Friedrich Wilhelm Behl
  • Zitierweise

    Behl, Carl Friedrich Wilhelm, "Hartleben, Otto Erich" in: Neue Deutsche Biographie 7 (1966), S. 720-721 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118546198.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA