Lebensdaten
1863 – 1929
Geburtsort
Rastenburg (Ostpreußen)
Sterbeort
Berlin-Wilmersdorf
Beruf/Funktion
Dichter
Konfession
mehrkonfessionell
Normdaten
GND: 118553216 | OGND | VIAF: 66516702
Namensvarianten
  • Holmsen, Bjarne P. (Pseudonym)
  • Holz, Arno
  • Holmsen, Bjarne P. (Pseudonym)
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Zitierweise

Holz, Arno, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118553216.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1825–86), Apotheker in R., später in Berlin u. Frankfurt/M., S d. Apothekers Aug. Heinrich u. d. Joh. Justine Leerbaß;
    M Franziska (1833–1920), T d. Rittergutsbes. u. Rittmeisters Ferd. Werner in Insterburg u. d. Heinriette Heyne;
    1) Berlin-Wilmersdorf 1893 ( 1926) Emilie (* 1867), T d. Besitzers Leop. Wittenberg u. d. Karoline Lapßies, 2) Berlin-Schöneberg 1926 Anita (* 1886), T d. Kaufm. Paul Gewelke in Buenos Aires;
    3 S aus 1), u. a. Günter (1900–61), Dir. d. Buderus’schen Handelsges. in Frankfurt/M.

  • Biographie

    H. kam 1875 von Rastenburg nach Berlin, wo sein Vater eine Stellung als Apothekenvertreter annahm und blieb bis zu seinem Tode in der Stadt. Er besuchte dort das Humboldt- und später das Königstädtische Gymnasium, das er 1881 verließ. Von diesem Zeitpunkt an blieb er Autodidakt. Als Dichter meist von finanziellen Mißerfolgen begleitet, geriet H. zeitweise in starke wirtschaftliche Schwierigkeiten und war gezwungen, um sich und seine Familie zu ernähren, Kinderspielzeug zu verfertigen. Daneben fand er immer wieder die Unterstützung von Freunden und Gönnern. Zu erwähnen sind dabei hauptsächlich der Gesangspädagoge und Rezitator Robert Reß (1871–1935), der Komponist und Lyriker Georg Stolzenberg (1857–1941) und Max Wagner (1879–1949), der Gründer des Arno-Holz-Archives. Für seine Gedichtbände „Klinginsherz“ und „Buch der Zeit“ erhielt H. je ein Stipendium der Augsburger Schillerstiftung; für den Nobelpreis wurde er mehrfach vorgeschlagen.

    Am Rande des dichterischen Lebenswerkes von H. liegt die zeitweise literarische Zusammenarbeit mit Oskar Jerschke (1862–1918), die hauptsächlich konventionelle Dramen wie „Traumulus“ (1905), „Frei!“ (1907) und „Büxl“ (1911) hervorbrachte. Die Tragödie „Traumulus“ wurde 1936 von Carl Froelich mit E. Jannings in der Hauptrolle verfilmt. Entscheidender für den literarischen Werdegang von H. war die gemeinsame Arbeit mit J. Schlaf in den Jahren 1887/88. Unter dem Pseudonym Bjarne P. Holmsen veröffentlichten beide die Prosaskizze „Papa Hamlet“ (1889) und das Drama „Die Familie Selicke“ (1890). Die gesammelten Experimente dieses von H. selbst so bezeichneten „konsequenten Naturalismus“ erschienen 1892 unter dem Titel „Neue Gleise“. Nach anfänglicher Mitarbeit an der Literatur- und Kunstzeitschrift „Pan“ und nach einer kurzen Tätigkeit als erster Schriftleiter der Zeitschrift „Freie Bühne“ blieb H. sein Leben lang ein ausgeprägter dichterischer Einzelgänger und Außenseiter.

    Auf der einen Seite spiegelt die literarische Persönlichkeit H.s die ganze Vielgestaltigkeit und auch Widersprüchlichkeit seiner Zeit wider, auf der anderen Seite weist sie, trotz aller Einseitigkeit und allem Dogmatismus, zukunftsweisende Züge auf. Die lyrischen Erstlinge des Dichters sind nach Inhalt und Form als gänzlich epigonal zu bezeichnen. Die geläufige Beherrschung aller gängigen Stilformen zeigt sich auch in dem inhaltlich grundverschiedenen „Buch der Zeit“ (1886, ²1892 erweitert). Die radikalrevolutionäre Grundhaltung und die zeit- und literaturkritischen Tendenzen dieses Gedichtbandes rückten H. schlagartig an die Spitze der Berliner „Moderne“. Die Großstadt mit ihren sozialen Problemen, der Lobpreis der modernen Technik, die leidenschaftliche Verdammung des Christentums im Sinne Nietzsches und eine fast ausnahmslose Verurteilung der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts sind die Hauptthemen des „Buchs der Zeit“. Stofflich stellt es eine der wichtigsten Vorstufen zum späteren Hauptwerk, dem „Phantasus“, dar. Vor allem in der sentimentalen Figur des verhungernden Dachstubenpoeten, der im krassen Alltagsmilieu genauso wie in seinen weltweiten Träumen beheimatet ist, hat die für H. grundsätzliche Thematik um das Innen und Außen des dichterischen Erfahrungsbereiches erstmals Gestalt angenommen. Der an Zola orientierte Versuch einer naturwissenschaftlichen Begründung der Dichtung führte H. in der Folge zu intensiven kunsttheoretischen Studien. In der geistigen Auseinandersetzung mit Taine, Comte, Mill, Spencer und Vertretern der modernen Naturwissenschaft versuchte er, Wesen und Gesetz der Kunst endgültig zu finden und neu zu formulieren. Das Ergebnis dieser Bemühungen ist der oft mißverstandene programmatische Satz: „Die Kunst hat die Tendenz, wieder die Natur zu sein“. Mittler in diesem Prozeß ist der individuelle Künstler in seiner Einmaligkeit. Dabei meinte H. mit „Natur“ die gesamten existentiellen Gegebenheiten des Menschen; Kunst ist demnach nichts anderes als umfassende Darstellung der inneren und äußeren Wirklichkeit des menschlichen Daseins. Allerdings mußte H. in seinem fanatischen Bemühen, den Dualismus von Natur und Kunst aufzulösen, zwangsläufig die Subjektivität des Künstlers verabsolutieren. Das wiederum führte zu einer echten Aporie, denn jeder Künstler ist in seinen Mitteln beschränkt. Trotzdem reicht die Problematik, die mit dem H.schen „Kunstgesetz“ angeschnitten ist, bis hin zu den|modernsten literarischen Strömungen, über James Joyce und die Surrealisten bis zum Nouveau Roman oder der Pop Art. Dieses Streben nach totaler Wirklichkeitserfassung wollte H. zuerst im Drama realisieren. Der auf zehn Stücke geplante Zyklus „Berlin, Die Wende einer Zeit in Dramen“ blieb ein Torso. Der satirischen Literaturkomödie „Sozialaristokraten“ (1896) folgte erst 12 Jahre später die Künstlertragödie „Sonnenfinsternis“, in der sich der Dichter eindringlich mit Wesen und Sinn der künstlerischen Existenz auseinandersetzte. Den Abschluß bildet das Weltanschauungsdrama „Ignorabimus“ (1913), eine Abrechnung mit den geistigen Strömungen der Zeit vom Positivismus bis zur Parapsychologie. Parallel dazu versuchte H. in dem „lyrischen Portrait aus dem 17. Jahrhundert“, dem „Dafnis“ (1904) mit den Mitteln der Barocksprache (Vorbild: C. Stielers „Geharnschte Venus“, 1660) sein künstlerisches Anliegen auch auf diesem Felde zu verwirklichen. Von hier aus und den früheren Stilparodien des „Buchs der Zeit“ führt ein gerader Weg zu „Die Blechschmiede“ (1902), dem phantastisch-satirischen Symboldrama, das in mehreren Stufen zu einem immer umfänglicheren Sprachgebilde anschwoll und sich als Satyr-Pendant zum „Phantasus“ herausbildete. „Die Blechschmiede“, die Parodie, Literatursatire und weltanschauliche Groteske in einem ist, kann wohl als die respektloseste Auseinandersetzung des Dichters mit seiner Zeit gelten und ist in der Kühnheit ihrer Aussage einmalig in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seinen Platz in der modernen Literaturgeschichte nimmt H. jedoch vor allem durch sein Hauptwerk, den „Phantasus“ (1. Fassung, 2 Hefte, 1898 folgende) ein. In dieser breitangelegten, zyklisch aufgebauten Dichtung gelang es H., ein dichterisches Weltbild seiner Epoche, der Zeit um 1900, zu gestalten. Typisch ist dabei die lyrische Grundform, wie parallele Versuche Momberts, Däublers, Liliencrons, Dehmels oder Georges zeigen.

    Über 30 Jahre hat H. am „Phantasus“ gearbeitet. Er erschien in insgesamt 5 Fassungen. Der Grund für diesen eigentümlichen Entwicklungsprozeß ist das spezifische Formprinzip des „Phantasus“, ein „immanenter“, das heißt „natürlicher Rhythmus“, nach dessen „Gesetzmäßigkeit“ H. die schon frühzeitig grundgelegte Motivik des Werkes immer intensiver durcharbeitete. Es ist typisch für H., daß er diesen „immanenten Rhythmus“ bald zu einem „notwendigen Rhythmus“ erklärt; die Entscheidung darüber, ob diese oder jene sprachlich-rhythmische Erscheinung dem Wesen des betreffenden Naturausschnittes entspricht, liegt immer nur beim Dichter selbst. In der grundsätzlichen Abwendung von jeder traditionellen Poetik wird das durch keinerlei objektive Prinzipien mehr eingeengte, nur subjektive Empfinden des Dichters zur letzten künstlerischen Instanz erklärt. Stofflich gesehen handelt es sich beim „Phantasus“ in seinen einzelnen Stufen um eine fortlaufende innere Aufschwellung aller vorkommenden Motive. Um oft sehr kleine Motivkerne, wie die auf eine „unsichtbare Mittelachse“ gestellten reimlosen Sprachgebilde einfachster Prägung in der 1. Fassung, bildete sich ein üppiges Rankenwerk immer weiterer Stoffbezüge aus, die sich später im Ganzen der Dichtung wechselseitig verschlangen. Formal bedeutet das, daß alle ursprünglichen Gedichte wörtlich in der neuen Fassung wieder auftauchen und die Erweiterungen, die H. vornahm, darin bestehen, daß jeder sprachlichen Bestimmung immer neue Inhaltsmomente aus Gründen der genannten Gesetzmäßigkeit angehängt werden. Eine rauschhafte Wortanhäufung wird entfesselt und führt zu einer ekstatischen Dynamik der dichterischen Aussage. Es entsteht der Eindruck, als ob H. eine Art Mehrdimensionalität des sprachlichen Ausdrucks anstreben wollte. Als Ganzes kann der „Phantasus“ als ein nicht näher eingrenzbarer Versuch gelten, alle verfügbaren Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache zu einer einzigen Aussageform zusammenzupressen. – Aus der Tradition des 19. Jahrhunderts kommend, weist die „literarische Revolution“ H.s zwischen und neben Impressionismus und Expressionismus am Beginn der Literaturgeschichte unserer Zeit doch voraus auf die spezifischen Bemühungen um die dichterische Gestaltung der Welt in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.|

  • Auszeichnungen

    Dr. phil. h. c. (Königsberg 1923), Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Künste zu Berlin (1926).

  • Werke

    Weitere W Die Kunst, Ihr Wesen u. ihre Gesetze, 1891/92;
    Rev. d. Lyrik, 1899;
    Das Werk, 1. Ausg., 10 Bde., 1924/25 (P);
    Briefe, Eine Ausw. hrsg. v. Anita Holz u. M. Wagner, 1948;
    Werke, hrsg. v. W. Emrich u. Anita Holz, 7 Bde., 1961-64 (ausführt W-Verz.).|

  • Nachlass

    Nachlaß in Staatsbibl. Berlin, Stiftung Preuß. Kulturbes., Teilnachlaß im A.-H.-Archiv, Berlin, Amerika-Gedenkbibl.

  • Literatur

    H. W. Fischer, A. H., Eine Einführung in s. Werk, 1924 (P);
    J. Nadler, in: DBJ XI, S. 132-40 (W, L);
    W. Milch, A. H., Theoretiker, Kämpfer, Dichter, 1933;
    K. Turley, A. H., Der Weg e. Künstlers, 1935 (P);
    H. Motekat, A. H., Persönlichkeit u. Werk, 1953 (P);
    H. G. Rappl, Die Wortkunsttheorie v. A. H., Diss. Köln 1957;
    W. Emrich, A. H. u. d. moderne Kunst, in: ders., Protest u. Verheißung, Stud. z. klass. u. modernen Dichtung, 1960, ³1968;
    K. Geisendörfer, Motive und Motivgeflecht im „Phantasus“ von A. H., Diss. Würzburg 1962;
    A. H., Ausstellung z. 100. Geb. tag d. Dichters, zusammengest. u. bearb. v. B. Sauer, 1963 (Kat., W, L, P);
    A. Klein, Die Akte A. H., 1965;
    D. Schickling, Interpretationen u. Stud. z. Entwicklung u. geistesgeschichtl. Stellung d. Werkes v. A. H., Diss. Tübingen 1965;
    W. Beimdick, A. H.: Berlin, Die Wende e. Zeit in Dramen, Diss. Münster 1965;
    S. Berthold, Der sog. „konsequente Naturalismus“ v. A. H. u. J. Schlaf, Diss. Bonn 1966;
    I. Strohschneider-Kohrs, Sprache u. Wirklichkeit v. A. H., in: Poetica 1, 1967;
    Soergel I (P);
    Soergel-Hohoff I (P);
    Körner;
    Eppelsheimer I-IX;
    Kosch, Lit.-Lex.;
    - L- u. P-Hinweise
    v. A.-H.-Archiv.

  • Porträts

    Lith. v. E. Büttner, 1917 (A.-H.-Archiv, Berlin);
    2 Lith. v. L. Corinth, um 1923 (ebd.), Abb. im Ausstellungskat. z. 100. Geb.tag v. A. H. (s. L);
    11 Radierungen v. K. H. Isenstein, 1925, Abb. in: A. H., Werke, Monumental-Ausg., 1926;
    Büste v. dems., 1925 (A.-H.-Archiv), Abb. im Ausstellungskat. z. 100. Geb.tag v. A. H. (s. L);
    Relief-P v. dems. (Berlin-Schöneberg, Stübbenstr. 5);
    Totenmaske, abgenommen v. dems. 1929 (A.-H.-Archiv), Abb. ebd.

  • Autor/in

    Karl Geisendörfer
  • Zitierweise

    Geisendörfer, Karl, "Holz, Arno" in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 564-567 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118553216.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA