Lebensdaten
1845 – 1923
Geburtsort
Lennep bei Remscheid (Rheinland)
Sterbeort
München
Beruf/Funktion
Physiker ; Nobelpreisträger für Physik (1901)
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118745743 | OGND | VIAF: 30332202
Namensvarianten
  • Roentgen, Wilhelm Conrad
  • Röntgen, Wilhelm Conrad
  • Röntgen, Wilhelm Conrad von
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Orte

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Zitierweise

Roentgen, Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118745743.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Friedrich Conrad (1801–84), Kaufm. u. Tuchfabr. in L., später in Apeldoorn, S d. Johann Heinrich (1759–1842), Tuchfabr. u. Kupferschläger in L., u. d. Anna Louise Frowein (1773–1844);
    M Charlotte Constanze (1806–88), T d. Johann Wilhelm Frowein (1775–1860), aus L., Kaufm. in Amsterdam, B d. Anna Louise (s. o.);
    Apeldoorn 1872 Anna Bertha (1839–1919), T d. Johann Gottfried Ludwig, Gastwirt u. Fechtmeister d. Studenten in Zürich, Vt d. Otto Ludwig (1813–65), Dichter, Schriftst. (s. NDB 14), u. d. Elisabeth Gschwend;
    1 Adoptiv-T Josephine Bertha Ludwig (1881–1972); im 17. Jh. wohl nicht näher nachzuweisende gemeinsame Vorfahren mit Abraham u. David R. (s. NDB 21).

  • Biographie

    R. wuchs in Apeldoorn (Holland) auf, wohin die Familie wohl aus geschäftlichen Gründen 1848 übergesiedelt war. Er besuchte die dortige Schule und seit 1862 die Technische Schule in Utrecht, von der er 1864, vermutlich wegen eines Schülerstreichs, ohne Reifezeugnis verwiesen wurde. Da er auch die in Holland ersatzweise mögliche Zulassungsprüfung für eine Universität nicht bestand, nahm er Ende 1865 am Eidgenöss. Polytechnikum in Zürich, wo dies ohne Prüfung möglich war, ein Ingenieurstudium auf, das er 1868 mit dem Diplom in Maschinenbau abschloß. R. hatte während des Studiums Vorlesungen u. a. bei Rudolf Clausius (1822–88) und Gustav Zeuner (1828–1907) gehört. Er wandte sich nun vollends der Physik zu und hörte auch bei August Kundt (1839–94). 1870 an der Univ. Zürich mit einer Arbeit zur Gastheorie promoviert, folgte er Kundt im selben Jahr als Assistent nach Würzburg und 1872 an die neugegründete Reichsuniv. Straßburg, wo er sich 1873 habilitierte. 1875 wurde R. o. Professor für Mathematik und Physik an der Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim, 1876 erhielt er an der Straßburger Univ. das Extraordinariat für Physik neben Kundt. Mit diesem entstanden u. a. mehrere Arbeiten zur elektromagnetischen Drehung der Polarisationsebene des Lichtes in Gasen; auch|befaßte sich R. mit der Wärmeleitung in Kristallen.

    1879 wurde R. Ordinarius an der Univ. Gießen, 1888 an der Univ. Würzburg als Nachfolger von Friedrich Kohlrausch (1840–1910). In Gießen gelang R. 1888 der Nachweis, daß in einem zwischen elektrisch geladenen Kondensatorplatten bewegten Dielektrikum eine magnetische Wirkung („Röntgenstrom“) hervorgerufen wird. In Würzburg wandte sich R. der Untersuchung der Elektrizitätsleitung in Gasen und insbes. den Kathodenstrahlen zu. 1895 entdeckte er dabei die X-Strahlen (im dt. Sprachraum Röntgen-Strahlen genannt) und erhielt dafür 1901 den erstmals verliehenen Nobelpreis für Physik.

    Zum Sommersemester 1900 wurde R. an die Univ. München berufen, wo u. a. Walter Friedrich (1883–1968), Abram F. Joffe (1880–1960), Paul Knipping (1883–1935), Peter Paul Koch (1879–1945), Rudolph Ladenburg (1882–1952) und Peter Pringsheim (1881–1963) seine Schüler wurden. R.s Münchner Hauptarbeitsgebiet waren die elektrischen Eigenschaften der Kristalle, während mehrere seiner Schüler sich auch spezifischen Untersuchungen der Röntgenstrahlen widmeten. Hervorzuheben sind die 1912 durchgeführten Interferenzversuche von Röntgenstrahlen an Kristallen durch Friedrich, Knipping und Max v. Laue (1879–1960), wofür letzterer den Physik-Nobelpreis 1914 erhielt. Eine mögliche Berufung als Präsident der Phvsikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin (zu deren Kuratoren er seit 1897 zählte) lehnte R. 1904 ab, ebenso 1912 eine Forschungsprofessur der Preuß. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Eine wichtige organisatorische Leistung R.s für München war die Wiederbelebung des seit zehn Jahren verwaisten theoretischen Ordinariats, auf das 1905 Arnold Sommerfeld (1868–1951) berufen wurde. 1920 emeritiert, verbrachte R. seine letzten Jahre einsam; sein bescheidenes Vermögen verlor er durch die Inflation.

    Bei seiner Beschäftigung mit Kathodenstrahlen, deren Eigenschaften noch weitgehend unbekannt waren, stieß R. 1894 auf eine Arbeit von Philipp Lenard (1862–1947), der gefunden hatte, daß man die Strahlen durch ein Aluminium-Fenster aus der Entladungsröhre austreten lassen und außerhalb der Röhre untersuchen könne. R. wiederholte Lenards Experimente, zunächst offenbar ohne dabei ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, doch er war ein besonders gründlicher Beobachter. Dabei stellte R. am 8.11.1895 eher zufällig fest, daß ein in der Nähe der verhüllten Entladungsröhre stehender Fluoreszenzschirm im verdunkelten Raum hell aufleuchtete. Bei näherer Untersuchung zeigte sich, daß diese Erscheinung von einer bisher unbekannten Art von Strahlen herrührte, die R. „X-Strahlung“ nannte. Noch in den Weihnachtstagen 1895 schrieb er eine erste Abhandlung hierüber und verschickte sie am Neujahrstag; sie wurde sofort mit Begeisterung aufgenommen. Insbesondere die als Beleg beigefügten Fotos, darunter eine „Röntgen-Aufnahme“ der Hand seiner Frau, regten sofort eine praktische Nutzung in Medizin und Technik an. Sein langsamer, pedantischer Arbeitsstil erwies sich für die weitere Erforschung der Röntgenstrahlung als nicht sehr förderlich, und so verlor R. trotz seiner Pionierrolle schnell den Anschluß an die internationale Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet. Nach seiner dritten Publikation hierzu (1897) erlosch sein Interesse an dieser Thematik und er wandte sich erneut der Kristallphysik zu. Indirekt wurde die schnelle technische Weiterentwicklung auch dadurch gefördert, daß R. keinerlei Patentansprüche anmeldete. Er hielt über seine Entdeckung nur einen öffentlichen Vortrag, und zwar am 23.1.1896 vor der Physikalisch-Medicinischen Gesellschaft zu Würzburg, am 12.1.1896 hatte er vor Ks. Wilhelm II. in Berlin eine Privatdemonstration vorzuführen, doch hielt R. nicht einmal anläßlich der Nobelpreisverleihung den erwünschten Vortrag. Die Röntgenstrahlen gehören nicht nur zu den grundlegenden Entdeckungen, die die moderne Physik des 20. Jh. einleiteten, da sie sich mit den Mitteln der Klassischen Physik letztlich nicht erklären ließen, sondern auch zu den wenigen wissenschaftlichen Grundlagenentdeckungen, die unmittelbar zu einer (aus heutiger Sicht vielleicht etwas übereilten) technischen Nutzung führten.|

  • Auszeichnungen

    zahlr. Orden u. Auszeichnungen, u. a. Prix Lacaze d. Ac. des Sciences Paris (1896), Rumford-Medaille d. Royal Soc. London (1896);
    Dr. h. c. (Würzburg 1896;
    Frankfurt/M. 1920;
    TH München 1918);
    Titel „Exzellenz“ (1908);
    Ehrenbürger v. Lennep (1896) u. Würzburg (1921);
    Mitgl. d. Preuß. Ak. d. Wiss. (korr. 1896) u. d. Bayer. Ak. d. Wiss. (korr. 1896, o. 1900);
    bayer. Kronenorden (1896, d. damit verbundene Nobilitierung lehnte R. ab);
    Orden Pour le mérite f. Wiss. u. Künste (1911).

  • Werke

    60 Arbb., u. a.: Über d. durch Bewegung e. im homogenen elektr. Felde befindl. Dielektricums hervorgerufene elektrodynamische Kraft, in: SB Berlin, Phys.-Math. Kl. 7, 1888, S. 23-28;
    Ueber e. neue Art v. Strahlen, in: Ann. d. Physik u. Chemie NF 64, 1898, S. 1-37 [enthält d. Wiederabdruck d. 3 Originalarbb.: Ueber e. neue Art v. Strahlen (Vorläufige Mittheilung), in: SB d. Würzburger physikalmed. Ges., 1895;
    Eine neue Art v. Strahlen, 2. Mitt., ebd. 1896;
    Weitere Beobachtungen über d. Eigenschaften d. X-Strahlen, SB Preuß. Ak. d. Wiss. zu Berlin, Physikal.-math. Kl. 27, 1897, S. 576-92];
    Über e. neue Art v. Strahlen, hg. v. F. Krafft, 1972 (Unveränd. Nachdr. d. z. siebzigsten Geb.tag d. Vf. v. d. Physikal.-Med. Ges. in Würzburg hg. Ausg.: W. C. R.s grundlegende Abhh. über d. X-Strahlen, Enthält auch e. biogr. Essay v. W. Gerlach);
    Briefe an L. Zehnder, hg. v. L. Zehnder, 1935. – R. hat z. Lebensende zahlr. Dok. vernichtet;
    Materialien werden im 1930 gegr. Dt. Röntgen-Mus. in Remscheid-Lennep gesammelt.

  • Literatur

    O. Glasser, W. C. R. u. d. Gesch. d. Röntgenstrahlen, 1931, ³1995 (P);
    W. R. Nitske, The Life of W. C. R., Discoverer of the X Ray, 1971 (P);
    W. Beier, W. C. R. 1985, ²1995 (P);
    W. Speitkamp, in: Archiv f. Kulturgesch. 75, 1993, S. 123-52;
    A. Fölsing, W. C. R., Aufbruch ins Innere d. Materie, 1995 (P);
    F. H. W. Heuck u. E. Macherauch (Hg.), Forschung mit Röntgenstrahlen, Bilanz e. Jh. (1895–1995), 1995;
    A. Schedel u. G. Keil, Der Blick in den Menschen, W. C. R. u. seine Zeit, 1995 (P);
    Pogg. III-VII a;
    DSB;
    DBE.

  • Porträts

    Bronzemedaille v. E. Esseö, 1923, Abb. in: Die Bayer. Ak. d. Wiss. u. ihre Mitgll. im Spiegel v. Medaillen u. Plaketten, bearb. v. M. Wesche, 1997, Nr. 62, S. 81.

  • Autor/in

    Horst Kant
  • Zitierweise

    Kant, Horst, "Roentgen, Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 732-34 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118745743.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA