Lebensdaten
1655 – 1707
Geburtsort
Paris
Sterbeort
Rastatt
Beruf/Funktion
Markgraf von Baden-Baden ; Feldherr
Konfession
katholisch
Normdaten
GND: 118729500 | OGND | VIAF: 36991808
Namensvarianten
  • Türken-Louis (genannt)
  • der Rote König (von seinen türkischen Gegnern genannt)
  • Ludwig Wilhelm I.
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Zitierweise

Ludwig Wilhelm, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729500.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Mgf. Ferdinand Maximilian v. B.-B. (1625–69), S d. Mgf. Wilhelm v. B.-B. (1593–1677), seit 1652 Reichskammerrichter (s. ADB 42), u. d. Ursula Katharina Gfn. v. Hohenzollern-Hechingen;
    M Louise (1627–89), T d. Hzg. Thomas Franz v. Savoyen-Carignan (1596–1656) u. d. Marie v. Soissons;
    Ov Mgf. Leopold Wilhelm ( 1671, s. NDB 14), Mgf. Hermann (1628–91), seit 1664 in span., seit 1673 in kaiserl. Kriegsdiensten, seit 1881 Generalfeldmarschall, seit 1682 Präs. d. Hofkriegsrats, Gegner d. Pol. Hzg. Karls V. v. Lothringen, Befürworter e. Aussöhnung mit d. Türken, um gegen Frankreich vorgehen zu können (s. ADB XII);
    Vt Eugen Prinz v. Savoyen ( 1736), Feldherr u. Staatsmann (s. NDB IV);
    - 1690 Sibylle (1675–1733), vollendete d. Rastatter Schloß, leitete nach d. Friedensschlüssen v. Rastatt u. Baden den Wiederaufstieg der Markgrafschaft ein, T d. Hzg. Julius Franz v. Sachsen-Lauenburg (1641–89), Letzter d. Geschl. (s. ADB 14), u. d. Marie Hedwig Auguste Pfalzgfn. v. Sulzbach;
    5 S (3 früh †), 4 T (3 früh †), u. a. Mgf. Ludwig Georg (1702–61), Mgf. August Georg (1706–71).

  • Biographie

    Vollendung des von ihm Begonnenen durch andere, oder schließliches Scheitern seiner Pläne an übermächtigen, widrigen Gegebenheiten – unter diesem tragischen Motto steht das Lebenswerk L.s, der einer der großen deutschen Feldherren des späten 17. Jh. und eine bedeutende politische Begabung gewesen ist. Allerdings war der Markgraf nicht schuldlos an seinem Schicksal. Sein komplizierter Charakter und die Zwiespältigkeit seiner Stellung als Reichsfürst einerseits, kaiserl. Generalleutnant und damit Inhaber des höchsten Ranges in der kaiserl. Armee andererseits, die Spannung also zwischen seinen politischen Intentionen und Interessen und den übernommenen Pflichten als Soldat des Kaisers, erwiesen sich häufig als Hindernisse auf seinem Weg. Ihm selbst war diese Spannung durchaus bewußt, wie sein Satz, Verständnis bei den entscheidenden Ministern und Beratern am Kaiserhof könne|er nicht erwarten, „da er das peccatum originale habe, Generalleutnant, ehrlicher Mann, und, was mehr als alles ist, Reichsfürst zu sein“, beweist; Reichsfürst zudem eines Territoriums, das im Brennpunkt des Spannungsbereichs zwischen dem Kaiser und dem nach der europ. Hegemonie strebenden Frankreich Ludwigs XIV. lag.

    In Paris als Sohn des bad. Erbprinzen Ferdinand Maximilian geboren, war L. mit den Bourbonen und dem Hause Savoyen verwandt, mit der Familie Mazarins verschwägert; Ludwig XIV. war sein Taufpate. Da die Mutter Paris nicht mit Mahlberg und Baden-Baden vertauschen wollte, nahm der Vater den Säugling im Herbst 1655 in die Heimat mit; von einer „Entführung“ kann wohl kaum die Rede sein (O. Flake). Von seinem Großvater, dem fähigen Mgf. Wilhelm, wurde er sorgfältig erzogen. Dieser starb am 22.5.1677, worauf ihm L. nach kurzer Vormundschaftsregierung am 20.4.1678 als Regent nachfolgte.

    Bereits 1674 hatte sich L. der kaiserl. Armee im Reichskrieg gegen Frankreich als Volontär angeschlossen. Dies geschah wohl im Sinne der Instruktion seines Vaters (1657) für seine Erziehung, in der Gehorsam gegen den Papst, Liebe zu Deutschland und Treue gegen den Kaiser empfohlen wurden. Allerdings wurde der Sohn auch ermahnt, er möge zwar einige Monate als Volontär im Kriegsdienst verbringen, um „ein heroisches Gemüt“ zu bekommen, aber im übrigen ein Friedensfürst werden. Eine antifranzösische Tendenz war der Erziehung L.s zweifellos zu eigen gewesen. Bezeichnenderweise hatte der Großvater den jungen Markgrafen auf seiner Kavalierstour 1670 zwar in das span. Besançon und von dort nach Turin, Florenz, Rom, Venedig und Innsbruck, nicht aber nach Frankreich geschickt. Auch verwies die Familientradition L. an das Haus Habsburg, standen doch zwei Brüder seines Vaters, Leopold Wilhelm und Hermann, als Soldaten im Dienste des Kaisers. Und nur ein gutes Verhältnis zu diesem konnte L. den Weg zu einer Standeserhöhung eröffnen, die der Markgraf, einem Zug der Zeit folgend, offenbar anstrebte; dieses Ziel scheint eine der Haupttriebfedern seines politischen Verhaltens gewesen zu sein (Ch. Greiner). Hermann, unter dessen Kommando sich L. an der Belagerung Philippsburgs 1676 beteiligt hatte, hat die Karriere des Neffen, dessen militärisches Talent und persönliche Kühnheit schon bald offenkundig wurden, zielstrebig gefördert. So hat er schon vor dem Fall Philippsburgs (9.9.1676) am 11. Juli das ihm vom Kaiser verliehene Infanterieregiment an L. konferiert und dem jungen Obristinhaber damit eine beträchtliche Einkommensquelle eröffnet.

    1682 wurde L. Feldmarschalleutnant, zu diesem Zeitpunkt auch noch begünstigt von Karl von Lothringen. Im Feldzug von 1683 zeichnete er sich mehrfach aus, nicht zuletzt beim Entsatz von Preßburg und in der Schlacht am Kahlenberg (12.9.) sowie bei dem Gefecht von Parkany, in dem L. die Palanke erstürmte und die Vernichtung des türk. Korps ermöglichte; die Ernennung zum General der Kavallerie im Nov. 1683 war sein Lohn hierfür. Im Feldzug von 1685 war er es, der auf den Entsatz des von den Türken bedrohten Gran drängte und sich in der Schlacht von Gran, in der die Operation gipfelte, durch Tollkühnheit und Umsicht zugleich auszeichnete. Schon jetzt stand er in kritischem Gegensatz zu Karl von Lothringen, den er in seinen Berichten an seinen Onkel Hermann schonungslos und ungerecht kritisierte. L. fühlte sich von dem Herzog zurückgesetzt und erstrebte ein selbständiges Kommando. Doch als ihm ein solches auf dem Nebenkriegsschauplatz Oberungarn – er sollte dort den tüchtigen General Johann Gf. Schulz im Kommando ablösen – angeboten wurde, lehnte er ab („Es mag der Schulz seine Narrenpossen selbst ausmachen!“).

    Auch bei der Eroberung Ofens 1686 zeichnete sich L. aus; man hatte ihn wegen des Gegensatzes zu Karl von Lothringen dem Kf. Max Emanuel von Bayern, der eine eigene Armeeabteilung führte, als Adlatus beigegeben. Nach der Eroberung Ofens nahm L., der nun endlich sein erstes selbständiges Kommando erhielt, das rechte Donauufer bis zur Drau in Besitz und vernichtete die Brücke von Esseg, eine wichtige Einfallspforte der Türken. Doch Kanisza, Stuhlweißenburg und Sziget blieben in türk. Hand. 1687 – inzwischen herrschte offene Feindschaft zwischen L. und Karl – befand sich L. wiederum bei Max Emanuel. Die Schlacht bei Mohacs am Berge Harsany (18. Aug. 1687) war weitgehend sein Werk, veranlaßt durch einen auf seinen Rat unternommenen Rückzug, der die Türken zur Verfolgung animierte. Er und Max Emanuel trugen entscheidend zum Siege bei. Daß bei einem im Anschluß an die Schlacht erfolgten Unternehmen ihm, den der Kaiser nun zum Feldmarschall ernannt hatte, der dem Lothringer ergebene, allerdings sehr tüchtige General Graf Dünewald im Kommando vorgezogen wurde, hat er dem Herzog nie verziehen. Überhaupt war L. ein schwieriger Untergebener und überaus empfindlich. Der Marquis und spätere Herzog von Villars, selbst einer der großen Generale der Epoche, der ihn damals gut kannte, hat ihn in seinen Memoiren als tapferen, fleißigen und umsichtigen Kriegsmann charakterisiert. Allerdings sei er hochmütig und undiplomatisch, höre nie auf Ratschläge und verstehe sich nicht auf die höfischen Umgangsformen. „Er besitzt alle Fähigkeiten, die man braucht, um eine Armee zu befehligen, und alle Fehler, die einem die Lust nehmen, sie ihm anzuvertrauen.“ So stand der stolze, starrsinnige Mann in vielem sich selbst im Wege.

    Was er zu leisten vermochte, wenn man ihm Verantwortung übertrug, zeigte er erstmals glanzvoll 1688, als er – neben Max Emanuel – eine kleine Heeresabteilung von 5 000 Mann selbständig kommandierte. Er schlug bei Derbend (5.9.1688) mit nur 3 000 Reitern den Pascha von Bosnien, der 15 000 Türken kommandierte, vernichtend und eroberte Nordbosnien. Seither nannten die Türken den Markgrafen, der sich selbst in das Handgemenge gestürzt und eigenhändig fünf Türken erschlagen hatte, wegen der Farbe seiner Uniform den „roten König“. Daß er ein Feldherr von Format war, bewies L. anschließend durch seine – in typisch scharfer, unverbindlicher Form vorgetragene – Ablehnung der Zumutung des Kaiserhofs, nun noch in einem Herbst- und Winterfeldzug mit seinen wenigen Soldaten den Rest Bosniens, die Herzegowina und Dalmatien zu erobern. Der am Kaiserhof eingerissenen Phantastik und Geringschätzung des türk. Gegners setzte er seinen unbeirrbaren Realitätssinn entgegen, wobei er sich nicht scheute, den Ratgebern des Kaisers gegenüber seine bessere Sachkenntnis zu betonen. Freunde schuf er sich damit nicht.

    1689, da durch den Angriff Ludwigs XIV. auf das Reich im nunmehrigen Zweifrontenkrieg Karl von Lothringen und Max Emanuel von Bayern am Rhein eingesetzt wurden, erhielt L. erstmals den Oberbefehl im Osten. Nur 24 000 Mann standen ihm, der selbst in einer Denkschrift empfohlen hatte, die Hauptkräfte im Westen einzusetzen und den Krieg gegen die Türken defensiv zu führen, zur Verfügung. Geld, Kriegsmaterial und Lebensmittel waren nur mangelhaft bereitgestellt; zum Hofkriegsrat, der ihn ständig kritisierte, stand er in schlechtem Verhältnis. Trotzdem gelang ihm ein voller Erfolg. Am 29.8.1689 schlug er die Tataren bei Grabova. Bei Nissa vernichtete er einen Monat später den mehr als doppelt so starken Feind in einer Schlacht mit verkehrten Fronten. Ein militärisches Meisterstück war ihm damit gelungen. Serbien war erobert, der Türke schien am Ende seiner Kraft, erstarkte jedoch unter dem Wesir Mustafa Köprülü erneut. Zwar konnte L. gegen große Übermacht Siebenbürgen behaupten, aber Belgrad, Widdin, Nissa und Orsowa gingen wieder verloren. Das Jahr 1691 sah L.s größten militärischen Triumph: Szlankamen (19.8.). Aus schlechter Ausgangsposition heraus – die Türken standen mit mindestens doppelter Übermacht verschanzt auf einer Höhenstellung quer über der Rückzugslinie des Markgrafen – gelang es L. durch die Kombination fesselnder Frontalangriffe mit einer Umgehung, den Feind restlos zu schlagen. Der Großwesir war auf dem Schlachtfeld geblieben, L.s Armee hatte allerdings ein Viertel ihres Bestandes eingebüßt. Aber die Türkengefahr war auf Jahre hinaus beseitigt. Leopold I. verlieh L. am 27.8.1691 die seit dem Tode Karls von Lothringen (18.4.1690) erledigte höchste militärische Charge eines kaiserl. Generalleutnants. Der aus Geld- und Soldatenmangel ergebnislos gebliebene Feldzug von 1692 sah den „Türkenlouis“ zum letzten Mal als Oberbefehlshaber in Ungarn. Der „Wendepunkt seines Lebens“ (A. Schulte) war erreicht: Seit 1693 stand L. nur noch gegen Frankreich im Felde, nachdem er auf Wunsch der Fränk, und Schwäb. Reichskreise das Kommando am Oberrhein übernommen hatte.

    War L. bis zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich Soldat, so wurde er nun in zunehmendem Maße zum Politiker, der über eine Stärkung der Kreisorganisation die Schlagkraft der Kreistruppen zu erhöhen suchte. Als Feldherr, der mit schlechteren Truppen und bei zahlenmäßiger Unterlegenheit der Modellarmee jener Epoche gegenüberstand, der überdies im Westen wesentlich weniger Raumtiefe zum Operieren vorfand, wandelte sich L. vom kühn zupackenden, die Schlacht suchenden Angreifer zu einem bedächtigen, jedes unnötige Risiko vermeidenden Defensivstrategen. Daß es ihm dennoch gelang, nach einem schwierigen ersten Jahr, in dem er die Franzosen erst bei Heilbronn von weiteren Vorstößen in das Innere Süddeutschlands abhalten konnte, bis zum Frieden von Rijswijk die Oberrheinlinie zu halten und einen Durchbruch der Franzosen durch die Schwarzwaldpässe zu verhindern, ist eine große, wenn auch äußeren Glanzes entbehrende Feldherrenleistung. Sie ist um so höher zu bewerten, als sie trotz mangelnder Unterstützung durch den Kaiserhof, zu dem L. nun in immer schärferen politischen Gegensatz geriet, erbracht wurde. So wurde er damals zum Haupt der Fürstenopposition gegen die Schaffung einer neunten Kurwürde für Hannover, da er darin eine durch nichts gerechtfertigte Standeserhöhung eines Mitfürsten erblickte, der keineswegs ähnliche Verdienste um Kaiser und Reich habe wie er. So beklagte er sich in Wien über die mangelnde Unterstützung des Kaiserhofs für seine Frau im Lauenburg. Erbstreit, in dem sie Ratzeburg und Lauenburg als Allod für sich und ihre Schwester beanspruchte, der Herzog von Braunschweig-Lüneburg aber das strittige Ländchen mit Gewalt besetzte. So klagte er mit Recht über mangelnde Unterstützung durch den Kaiserhof bei seiner Bewerbung (1696/97) um die poln. Thronfolge, die schließlich an Geldmangel scheiterte. Vor allem aber schuf ihm die mit Johann Philipp von Mainz und dem württ. Rat Kulpis betriebene Assoziationspolitik der Reichskreise Feinde am Wiener Hof. Die am 8.6.1691 geschlossene Assoziation des Schwäb. und Fränk. Kreises sollte erweitert, eine Sicherung des Oberrheins durch die Schaffung einer Reichsbarriere, und wenn dies nicht gelang, doch mindestens die Rückgewinnung Straßburgs erreicht und eine politisch und militärisch selbständige Rolle der Assoziation angestrebt werden. Eine Reise nach London 1694 zu Wilhelm von Oranien diente ebenso diesem Zweck, wie die am 23.1.1697 zustande gekommene Assoziation der sechs Vorderen Reichskreise, die unter anderem die Errichtung einer Kreisarmee von 40 000 Mann im Frieden vorsah. Doch gelang es der Assoziation nicht, bei den Verhandlungen von Rijswijk eine Rolle zu spielen; auch L.s Pläne, das gemeinsame Gouvernement der Reichsfestungen Philippsburg und Kehl, sowie der kaiserl. Festungen Freiburg und Breisach, Konstanz und der Waldstädte zu erhalten, nachdem auf kaiserl. Druck hin die Assoziation im Frieden nicht mehr in Erscheinung treten sollte, wurden von Wien aus zunichte gemacht. Dennoch übernahm L. bei Ausbruch des Span. Erbfolgekrieges – nach dreimonatigen Verhandlungen, in denen er sich große finanzielle und vage territoriale Zugeständnisse heraushandeln konnte – das Kommando am Oberrhein. Franz. Angebote, die ihm in unklarer Form sogar die erstrebte Standeserhöhung in Aussicht stellten, hatte er abgelehnt. Zu stark war doch offenbar seine Bindung an Kaiser und Reich. Wiederum waren die Mittel ungenügend. Dennoch konnte L. am 9.9.1702 Landau erobern und durch die unentschiedene Schlacht von Friedlingen (14.10. 1702) Villars am Durchbruch durch den Schwarzwald hindern. Dagegen gelang es ihm 1703, trotz erfolgreicher Verteidigung der neu angelegten Stollhofener Linien im Frühjahr, nicht mehr, eine Vereinigung der Franzosen mit den Bayern zu vereiteln. Im Feldzug von 1704 kam er mit dem ihm mißtrauenden Marlborough, mit dem er im Kommando alternierte, und mit dem Prinzen Eugen – ihre Kriegführung erschien ihm zu aggressiv und gewagt – nicht zurecht. Er versuchte vergebens, Max Emanuel durch Verhandlungen zu gewinnen. In der Schlacht am Schellenberg (2.7.) führte er durch einen kühnen Angriff die Entscheidung herbei. Damals empfing er die Wunde, an deren Folgen er schließlich sterben sollte. Am Sieg von Höchstädt (13.8.1704) war er nicht beteiligt. Bis zu seinem Tod kommandierte er am Oberrhein, abseits der großen Ereignisse und ausgeschaltet von den Entscheidungen, von Wien mit ungeleugnetem Mißtrauen betrachtet, trotz seiner erst 51 Lebensjahre verbraucht, einer vergangenen Generation angehörig.

    L. starb als ein verbitterter Mann, dem die Erfüllung seiner Pläne versagt blieb: Die Ernte seiner türk. Erfolge hatte sein Vetter Eugen 1697 mit dem Sieg von Zenta, dem der Friede von Carlowitz (1699) folgte, eingebracht. Seine Kreisassoziations- und Reichsverteidigungspläne waren in Nichts zerfallen, ein großer Erfolg gegen die Franzosen war ausgeblieben, ebenso die angestrebte Standeserhöhung. Dem prachtliebenden, großartig und selbstbewußt auftretenden Barockfürsten, der immer nur Schulden hatte, ging die Geschmeidigkeit ab, deren es bedurft hätte, um sich am Hofe beliebt zu machen. Die Markgrafschaft Baden war zu klein, um ihn als Bundesgenossen für den Kaiser wichtig erscheinen zu lassen. Als Landesherr fand er wenig Zeit, sich um sein Territorium zu kümmern. Eine bleibende Leistung stellt der Bau des Rastatter Schlosses dar, den er 1700 mit Hilfe des Italieners Domenico Egidio Rossi als planenden Architekten in Angriff nahm, wobei er selbst sehr dezidierte Wünsche zur Gestaltung einbrachte. – L. gehörte zu den ersten Feldherren seiner Zeit. Kühner und persönlich tapferer Taktiker, war er zugleich ein weitblickender Stratege, der sich in den Türkenkriegen als stürmischer Angreifer bewährte. Die gänzlich anders gearteten, weit ungünstigeren Verhältnisse am Oberrhein machten ihn zum vorsichtigen Methodiker, den immer mehr ein Zug von Skepsis und Resignation charakterisierte. Der Konflikt zwischen zweifellos vorhandener Kaiser- und Reichstreue, reichsständischem Bewußtsein, das eine Stärkung der Reichskreise erstrebte, und landesherrlichem Egoismus zerrieb ihn schließlich. L. war sicherlich nicht der „größte Schildträger Deutschlands gegen Ludwig XIV.“ (A. Rapp), und er hat wohl auch kaum „die aus den Türkensiegen sich erhebende … Idee einer Erneuerung des Reichs der Deutschen“ (R. Lorenz) an den Oberrhein verpflanzt, doch war wohl auch das Motiv der Standeserhöhung nicht ausschließlich bestimmend für ihn. Gerade die Tatsache, daß in seinem Handeln divergierende Motive sich überschnitten, daß die daraus hervorgehenden Spannungen sein Wirken beeinträchtigten und hemmten, macht die Tragik seines Lebens aus, dem trotz höchster Anlagen die letzte Krönung versagt blieb.

  • Literatur

    ADB 19;
    Ph. Frhr. Röder v. Diersburg, Des Mgf. L. W. v. B. Feldzüge wider d. Türken, 2 Bde., 1839-42;
    ders., Kriegs- u. Staatsschrr. d. Mgf. L. W. v. B. üb. d. Span. Erbfolgekrieg 1700–07, 2 Bde., 1850;
    A. Schulte, Mgf. L. W. v. B. u. d. Reichskrieg gegen Frankreich 1693–97, 2 Bde., ²1901;
    O. Flake, Türkenlouis. Gem. e. Zeit, 1937;
    R. Lorenz, Ein Jh. oberrhein.-österr. Gesch., Vom Türkenlouis b. z. Ende d. Alten Reiches, in: ders., Drei Jhh. Volk, Staat u. Reich, 1942;
    M. Braubach, Franz. Bemühungen um d. Mgf. L. W. v. B. vor Ausbruch d. Span. Erbfolgekrieges, in: ZGORh 101, NF 62, 1953, wieder in: ders., Diplomatie u. geistiges Leben im 17. u. 18. Jh., Ges. Abhh., 1969;
    Der Türkenlouis, Ill. Kat. d. Ausst. z. 300. Geb.tag d. Mgf. L. W. v. B., Karlsruhe, 1955;
    B. Zimmermann, in: W. v. Groote (Hrsg.), Große Soldaten d. europ. Gesch., 1961;
    H. Petrasch, Der Türkenlouis, Mgf. L. W. v. B., in: Die Türken vor Wien, Europa u. d. Entwicklung an d. Donau 1683, 1982;
    Ch. Greiner, Der Eintritt d. Mgf. L. W. v. B. -
    Baden in kaiserl. Dienste 1676, in: ZGORh 132, NF 93, 1984.

  • Porträts

    Ölgem. v. F. van Stampart (im Bes. d. Mgf. Berthold v. Baden), Abb. in: Der Türkenlouis, 1955, s. L, Kat. Nr. 53.

  • Autor/in

    Hans Schmidt
  • Zitierweise

    Schmidt, Hans, "Ludwig Wilhelm" in: Neue Deutsche Biographie 15 (1987), S. 350-354 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729500.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Biographie

    Ludwig Wilhelm I., Markgraf von Baden, von seinen Zeitgenossen der „Türken-Louis“ genannt, Regent der Markgrafschaft Baden, kaiserlicher Generallieutenant, Reichsfeldmarschall, Ritter des goldenen Vließes, Inhaber des k. k. Infanterieregiments Nr. 23, geb. den 8. April 1655 zu Paris, den 4. Januar 1707 zu Rastadt, gehörte der von Bernhard III. (Bd. II S. 416) gestifteten Linie der Markgrafen von Baden-Baden an und war der Sohn des badischen Erbprinzen Ferdinand Maximilian und der Luise Christiana, Prinzessin von Savoyen-Carignan. Ludwigs zufällige Geburt auf Frankreichs Boden blieb ohne allen Einfluß auf dessen Charakterentwicklung, denn kaum drei Monate alt wurde er von Paris, welches seine Mutter nicht verlassen wollte, förmlich entführt, nach Baden gebracht und dort bis 1669 unter seines Vaters Leitung, und nach dessen Tode unter jener seines Großvaters, des Markgrafen Wilhelm, sorgfältig und strenge zum Regenten und Krieger herangebildet. Echt deutsche Gesinnung, opferfähige Treue, sowie seltene Ausdauer bei Durchführung dessen, was sein scharfer Verstand beschlossen, waren die Resultate dieser Erziehung, überdies kennzeichnete L. zeitlebens ein hoher Grad von mannhafter Selbständigkeit, welche Eigenschaft jedoch bei allzu rücksichtslosem Freimuthe ihm viele Gegner schuf und ihm mehrfach die Gebote der Fügsamkeit, die Beachtung der Ansichten Anderer vergessen ließ. Auf beiden ihm gewordenen Lebenspfaden erwarb sich aber L. reichlich Ehre und Ruhm, sowol als Regent, der thatkräftig die Interessen seines Landes beschützte, sowie als Krieger und Feldherr, welcher die seinerzeit höchst bedeutungsvolle Lagerkunst meisterhaft beherrschte und dem es gelungen, in keinem der mitgemachten vielen Feldzüge besiegt zu werden, weder von den Türken, denen er kühn und unternehmend entgegentrat, noch von den Franzosen, die er den damaligen eigenartigen Verhältnissen entsprechend, bei Vermeidung entschiedener Offensive bekriegte. Marlborough nennt L. in einem Schreiben vom 17. Januar 1707 an General Janus eine hochberühmte Persönlichkeit, für die er stets nur Achtung empfunden; Prinz Eugen von Savoyen bezeichnet ihn in einem Briefe von gleichem Datum an den Hofkanzler Grafen Strattmann als den besten Feldherrn der Monarchie, der zuverlässig, nie unglücklich gewesen, jederzeit mit Bedachtsamkeit wirkte und „immer mit dem Bewußtsein seines künftigen Standpunktes, auch im Falle des Fehlschlagens seiner Unternehmung“ gekämpft hat. 1674 trat L. mit des Markgrafen Wilhelm Genehmigung in das kaiserliche Heer und focht 1675—1678 unter Montecuccoli und Karl von Lothringen gegen die Franzosen, allerorts viele Selbständigkeit und Geistesgegenwart beweisend, besonders 1676 bei Philippsburg, 1677 bei Freiburg. 1678 bei Stauffen, wo er auch verwundet wurde. In Anerkennung seiner wiederholt belobten, namentlich bei Philippsburg ausdauernden Tapferkeit ernannte ihn Kaiser Leopold I. zum Regimentsinhaber. Bald hierauf, 1678, wurde L. die kaiserliche gnadenweise Volljährigkeitserklärung und somit die Möglichkeit zu theil, die Regierung von Baden nach dem 1677 erfolgten Tode seines Großvaters, Markgrafen Wilhelm, übernehmen zu können. Nunmehr widmete sich L., 1678—82, ausschließlich der Regierungsleitung, wobei er nicht nur für die Behebung der durch den Krieg erwachsenen Schäden lebhaft bemüht gewesen, sondern auch nachdrücklichst in Wort und Schrift sein Land vor Verkleinerungen zu bewahren suchte, die selben durch das habsüchtige Auftreten der französischen Reunionskammern wiederholt drohten. 1679 rückte er zum Generalfeldwachtmeister vor. Und als ein erneuerter Kampf mit Frankreich in Aussicht stand, da erbat sich|L. vom Kaiser eine Wiederverwendung im Heere. Selbe wurde ihm auch unter gleichzeitiger Ernennung zum Feldmarschalllieutenant, 1682, zugestanden; da aber der Krieg gegen die Türken früher zum Ausbruche kam, so erfolgte 1683 seine Berufung nach Ungarn. L. eilte so rasch dahin, daß er sich schon an den Gefechten während des Vorrückens gegen Wien betheiligen und Herzog Karl von Lothringen nach dem Treffen bei Preßburg berichten konnte: „es habe Prinz Louy die avangarde gehabt und solche mit großer conduite geführt und gepostiret.“ Unter den Helden des Entsatztages der Kaiserstadt, den 12. September, glänzt aber L. auf das vortheilhafteste; er bahnte tagsüber an der Spitze zu Fuß fechtender sächsischer Dragonerregimenter den nachrückenden Truppen den Weg über die Abhänge des Kahlenberges, während er des Abends im Vereine mit der aus dem Schottenthore ausgefallenen Besatzung die Türken aus den Laufgräben Vertrieb. Im selben Jahre kam L. ferner den 9. October bei Párkány dem Könige Sobieski rechtzeitig zu Hilfe, besetzte hierauf die Palanka (ein feindliches Verschanzungswerk), bewirkte die Sprengung des Festungsthores und betheiligte sich den 27. October an der Einnahme von Gran. Die vorzugsweise Ernennung zum General der Cavallerie ehrte Ludwigs vielverdiente Thätigkeit, welcher sich bald neue ausgezeichnete Leistungen anschlossen, so 1684 ganz besonders jene im Reitertreffen bei Hanszabek, den 22. Juli, wo L. den Feind zur Flucht nöthigte und während der Verfolgung dessen sämmtliche „Stücker“ (Geschütze) eroberte, dann 1685 bei Gran, den 16. August, an welchem Tage L. nachhaltig die Absichten des Herzogs von Lothringen zu fördern wußte und zur Zurückweisung der tollkühn angreifenden feindlichen Reiterei erfolgreich beitrug. Schon damals hatte sich L. durch Selbständigkeit. Kühnheit und verläßliches, rasches Urtheil das Vertrauen des Kaisers in solch' einem Grade erworben, daß er 1686 als zweiter Befehlshaber und kriegserfahrener Berather der vom Kurfürsten Max Emanuel von Baiern commandirten Belagerungsarmee vor Ofen zugewiesen wurde. Umsicht und Unermüdlichkeit kennzeichneten auch dieses Mal sein Wirken; er leitete allerorts die Belagerungsarbeiten und als es zum Kampfe kam, da nahm er ungeachtet einer neuerlich erhaltenen Verwundung nicht nur an der Erstürmung Ofens Theil, sondern bemächtigte sich auch noch den 2. September des Ofener Schlosses. Bei den weiteren Operationen fiel aber L. mit einer besonders zusammengestellten Armee die Vertreibung des Gegners bis hinter die Drau zu. Es war dies seine erste, vollkommen selbständiges Handeln erfordernde Aufgabe, deren Lösung ihm nebst der Feldmarschallswürde die Anerkennung brachte, er habe behufs vorheriger Vereinigung mit dem ihm als Verstärkung zugewiesenen kroatischen Armeecorps die vom Gegner besetzten festen Plätze geschickt und rasch umgangen und dann durch die unaufgeschobene, thatkräftige Unterwerfung von Fünfkirchen den 17. October und Kaposvár den 12. November, wo ihm ein Pferd unter dem Leibe erschossen wurde, das rechte Donauufer fast ganz vom Feinde befreit. In dem hierauf folgenden Feldzuge 1687 erhielt L. wieder die Bestimmung als Adlatus im Heere des Kurfürsten Max Emanuel von Baiern. Sein Wunsch nach entscheidenden Thaten blieb aber lange unerfüllt, so daß er mit scharfen Worten über die Unschlüssigkeit und das Schwanken der Heeresoberleitung unter Herzog Karl von Lothringen nach Wien berichtete, besonders als an seine pflichtgetreue Befolgung der kaiserlichen Instructionen bei Abwesenheit des Kurfürsten schwer zu vollführende Anforderungen gerichtet worden waren. Erst der Schlachttag beim Berge Hársany oder bei Mohácz den 18. August gab L. wieder Befriedigung, denn er bot ihm Gelegenheit des Feindes Umgehung zurückzuweisen, selben in kräftigen, gut geleiteten Attaquen große Verluste beizubringen und ihn schließlich aus dem Felde zu schlagen. Mit Genehmigung des Kaisers begab sich nun L., welcher in fortwährenden|Mißhelligkeiten mit Herzog Karl von Lothringen gestanden hatte, vom Kriegsschauplatze direct nach Wien, wo er sich den Gegnern Lothringens anschloß und im Vereine mit selben dessen Wiederwahl zum Oberfeldherrn im folgenden Jahre unmöglich zu machen suchte. Für sich selbst aber erwirkte L. das Commando über jenen Armeetheil, welcher 1688 das Unternehmen der Hauptarmee auf Belgrad dadurch zu unterstützen hatte, daß von ihm beide Ufer der Save vom Feinde gesäubert wurden. Die Lösung dieses Auftrages zählt zu den schneidigsten Leistungen Ludwigs und erwarb ihm die wärmste Bewunderung in allen Theilen des Reiches; der Kaiser ehrte aber mittelst eines äußerst schmeichelhaften „Dank-Brifls“ den Feldherrn, der sein Ziel fest im Auge haltend, mit Sicherheit Kostajnica (Kastanovic), Dubica, Gradisca dem Feinde entriß und, als er sich bei Derbend, den 5. September, einer fünffachen Uebermacht gegenüber sah, weder stille hielt, noch auszuweichen suchte, sondern unerschrocken kühn den Angriff anordnete, seine kleine Schaar durch imponirende Ruhe und persönliche Tapferkeit zur opfervollen Ausdauer anzueifern wußte und als es zum hartnäckigen Handgemenge kam, in welchem sich selbst die Entwaffneten nicht ergeben wollten, gleich seinen todesmuthigen Reitern an dem Kampfe Mann gegen Mann theilgenommen hat. L., welcher nach diesem Erfolge mit vielen Gefangenen und reicher Beute an Geschützen und Fahnen nach Brod zurückkehrte und das weitere Vorrücken in Bosnien in einer gründlich motivirten Denkschrift von ausgiebigen Verstärkungen und hinreichenden Geldmitteln abhängig machte, bemächtigte sich nun noch den 15. September Zwornik's an der Drina, als der dringend nothwendigen Verbindung mit Serbien, worauf er dem Rufe nach Wien folgte, wo ihm in dem Doppelkrieg gegen Frankreich und die Türkei das Commando gegen letztere übertragen wurde. Der ihm hierbei in Rücksicht auf seine geringe Truppenmacht ertheilte Auftrag lautete, abgesehen von einigen unbestimmt ausgedrückten, weitgreifenden Entwürfen, der Hauptsache nach dahin, sich an der Morava auf die Defensive zu beschränken. Nachdem jedoch L. durch seine, auf langjähriger Kriegserfahrung fußenden „Verhaltungen vor, während und nach der Schlacht“ die Fechtart der Truppe in seinem Sinne gestaltet und das Vertrauen von Offizieren und Mannschaft, ungeachtet der ungünstigen Geld- und Verpflegungsverhältnisse, nach Bedürfniß gehoben hatte, ging er zur Offensive über und führte selbe namentlich an den siegreichen Tagen von Batocina, 30. August, Niš (Nissa) 24. September und Widdin 14.—19. October mit solchem Erfolge durch, daß am Schlusse des Feldzuges ein großer Theil der Wallachei, dann Serbien und Siebenbürgen durch kaiserliche Truppen besetzt waren und sowol die Kriegskosten als den Unterhalt des Heeres zahlen mußten. Unterdessen war des pflichtgetreuen, auf seinem Posten ausharrenden Markgrafen L. Residenz zu Rastadt von den Franzosen niedergebrannt worden, ohne daß er helfend hätte eingreifen können. Und als er bei Beendigung der Hauptoperationen zum Kaiser nach Augsburg geeilt war, da ging dennoch wieder vor Allem sein Mühen dahin, die Erfolge zu sichern, welche nach siebenjährigen blutigem und glücklichem Kampfe über die Feinde der Christenheit errungen worden waren. Leider fanden weder Ludwigs mannhaft freimüthige, die militärischen und politischen Verhältnisse klar erörternden Rathschläge den gebührenden Glauben, noch wurde auf seine, den Feldzug 1690 betreffenden Mémoires, Operationsentwürfe etc., die sich den besten Leistungen dieser Art anreihen lassen, die verdiente Rücksicht genommen. Allzeit ehrend bleibt es aber für den, seine Gegnerschaft genau kennenden Feldherrn, daß er es wagte dem Feldzugsentwurfe beizufügen: „Und wenn selber vielleicht nicht aller Orten gefällig oder genehm sein mag, so kann doch Euer kaiserlichen Majestät versichern, daß aus allerunterthänigst schuldigem Eifer nichts verhalte, was zu. Dero Dienst erachte.“ Selbstverständlich verzögerte sich unter diesen|Umständen und da L. auch noch für den Nachschub an Geld, Train, Bespannungen und sonstigen Kriegsbedürfnissen zu sorgen hatte, dessen Abreise zum Heere, wo übrigens ohne seiner Zustimmung das Sammeln der Regimenter erst für den Monat August anbefohlen worden war und mit der auf einer langgestreckten Linie zersplitterten geringen Truppenzahl von 11,000 Mann nichts unternommen werden konnte, bevor des Feindes Absichten klar zu Tage lagen. Den 23. August langte L. zu Jagodina an der Morava an und fand um dieselbe Zeit Tököly in Siebenbürgen eingebrochen und das für die dortige Truppenstellung entscheidende Gefecht bei Tolhány ernest) verloren, Widdin eingeschlossen und zur Capitulation gedrängt, Nissa cernirt. Jetzt, wo erst gehandelt werden konnte, aber auch mußte, erwies sich L. erneut als Mann der That. Er übergab sein von Hochherzigkeit und ritterlichem Sinne zeugendes Votum dem Kriegsrathe und nachdem dieser beschlossen, Nissa unter dem Helden Guido Starhemberg seinem Schicksale zu überlassen, Serbien zu räumen, wendete sich L. mit aller Energie und staunenswerther Kühnheit der Rettung Siebenbürgens und Oberungarns zu. In Eilmärschen durch den Eisernen Thorpaß vorrückend, trieb L. den Gegner bis Medias und weiter gegen die Moldau und als er gewahrte, es wolle selber ausweichen und sich über Klausenburg mit den Türken bei Temesvár vereinigen, da traf L. mit raschem Entschlusse alle Anordnungen diese Absicht zu durchkreuzen und hielt hieran fest, trotz der eingelangten Nachricht vom Falle Belgrads und der hieraus entstandenen Gefahr in Siebenbürgen eingeschlossen zu werden. Die Frucht dieser Ausdauer war, daß Tököly mit dem Verluste seines ganzen Trains nach Bukarest zurückgedrängt wurde und L. die ihm vom Kaiser angebotene Unterstützung durch das polnische Heer mit den Worten ablehnen konnte, „daß er die Polen nicht vonnöthen habe, zumalen die Sach bereits ohne deren Hilf gerichtet sei.“ Hierauf zog L., um die Oberhoheit des Kaisers in Siebenbürgen darzuthun, langsam und vorsätzlich auf längerem Wege über Karlsburg und Klausenburg nach Szathmar, von wo er nochmals im December mit Erfolg an die Befreiung Siebenbürgens ging, als dort Tököly mit Türken und Tataren das Land neuerlich zur Erhebung veranlassen wollte. Den 1. Januar 1691 befand sich L. wieder zu Szathmar, ließ nunmehr die Winterquartiere beziehen und begab sich nach Wien, wo dieses Mal seine Vorschläge für den nächsten Feldzug die möglichste Beachtung fanden und L. nebst freiem Dispositionsrecht auch ein achtunggebietendes Heer hatte. Mit diesem rückte er Mitte Juli von Essegg über Peterwardein gegen Semlin, wo er jedoch gleich die Unthunlichkeit erkannte, der Türken verschanztes Lager anzugreifen. Dennoch nahm er unter den Kanonen desselben Stellung, in der Hoffnung, die Türken zum Kampfe im Außenfelde zu verlocken. Und als diese Erwartung nicht in Erfüllung ging, da zog L. in gleicher Absicht in kleinen Märschen gegen Szlankamen. Nun folgte der Feind und nachdem derselbe L. auch noch umgangen, kam es den 19. August bei Szlankamen zur Schlacht, in welcher beide Theile der naturgemäßen Rückzugslinie entbehren mußten und das kaiserliche Heer überdies auf ein eingeengtes Operationsfeld beschränkt war. Ludwigs Feldherrngabe erhob sich aber an diesem Tage zu ihrer vollen Größe; sicher beherrschte sein Blick die Vorgänge am Schlachtfelde, bestimmt lauteten seine Befehle inmitten des erbitterten, ohne Pardonannahme geführten Kampfes und als Ludwigs persönliches Eingreifen nothwendig wurde, da führte es auch zur siegreichen Entscheidung. An der Tête der zu zweifacher Umgehung des feindlichen rechten Flügels geordneten Reiterregimenter jagte L. „fast in einem Trapp“ und „in völliger Carrera“ die Türken in die wildeste Verwirrung und in die Flucht bei riesigen Verlusten an Menschen, Waffen, Fahnen, Kassen, Zelten, Pferden, Büffeln, Kameelen, Maulthieren etc. auf ihrer Seite. Wahrheitsgetreu konnte er berichten, daß der „Türk mehr als eine Stund|lang so zu sagen die victori in Händen gehabt, nunmehr aber schwerlich vor dieses Jahr große Sprung thun werde.“ Hocherfreut über diesen Waffenerfolg Verlieh der Kaiser an L. die im Heere sehr geschätzte Würde eines Generallieutenants und das Recht zur selbständigen Ernennung der Offiziere. Nun ließ L. noch in diesem Jahre die Türken aus Slavonien vertreiben, nahm ferner günstigen Einfluß auf die Erhaltung Siebenbürgens und leitete endlich den Fall Großwardeins ein, indem er dessen Blokade anordnete, wobei es ihm jedoch nach seiner Meldung an den Kaiser schwer ankam, den Ort nicht gleich „durch eine Formalattaque bezwingen zu können; allein ich darf dem Wetter und der ankommenden Winterszeit nicht trauen und muß deshalb wider meinen Willen moderat werden.“ Am 5. Juni 1692 ergab sich Großwardein, bevor noch L. zur Armee gekommen und konnte sich selber sohin wieder direct zum Heere nach Essegg begeben. Dort wüthete aber Fieber und Ruhr; eine energische Action gegen die Türken bei Belgrad war mit den abgematteten Truppen rein unmöglich, und so rückte L., selbst vom Fieber ergriffen, aus allgemeinen Gesundheitsrücksichten auf die Höhen zwischen Kamenitz und Peterwardein, wo er ein verschanztes Lager bezog und zu gleicher Zeit die Herrichtung Peterwardeins zu einem Waffenplatze mit regelrechten Werken in Angriff nehmen ließ. Fast kampflos verlief die Zeit bis Ende October, in welchem Monate L. auf die Bitte der deutschen Reichsstände nach Wien berufen wurde behufs Uebernahme des Obercommandos der kaiserlichen und der Reichstruppen am Oberrhein. L. gehorchte, doch trennte er sich nicht gerne vom Heere, das ihm treu ergeben, vom Kriegsschauplatze, auf welchem sein Erscheinen vom Feinde gefürchtet war. Dazu gesellten sich weiter die mit den Jahren zunehmenden Nachwehen seiner mehrfachen Verwundungen, sowie wol auch die Sorge, es könnte sein durch glänzende Thaten errungener Ruhm unter den politischen und persönlichen Intriguen erbleichen, welche den Feldherrn des Reichsheeres in der Kriegführung beirrten. Achtunggebietend blieb aber sein Auftreten immer, sowol als er in meisterhaft geleiteten Manövern die Franzosen aus Schwaben über den Rhein drängte, sowie auch dann, als an Stelle seiner bisherigen Vorliebe zum Angriffskriege vorsichtiges Vermeiden jeder unsicheren Unternehmung trat, wobei er dem gleichfalls nicht angriffslustigen Feinde gegenüber 1693—1697 verharrte. L., welcher sich nach dem Tode Sobieski's, 1696, vergebens um den polnischen Thron beworben, widmete sich nach dem Ryswiker Friedensschlusse bis 1700 nur der Regierung seines Erblandes, welches während der vergangenen Kriegsjahre treu zu Kaiser und Reich gestanden und dieserhalben beim Einbruche der Franzosen die härtesten Bedrückungen erdulden mußte. Da trat 1701 des Kaisers Wunsch an L. heran, als Generalissimus das Obercommando des Heeres gegen Frankreich zu übernehmen und wenngleich sich L. in seinen Ansprüchen auf Polens Thron nicht hinreichend unterstützt gesehen und sonst auch mehrfach in seinen Rechten verletzt fühlte, so fügte er sich doch. L. wußte wol, daß angesichts der allgemeinen Gefahr er allein den Widerstreit unter den deutschen Reichsständen bannen könne und nachdem ihm dies durch die Association von Nördlingen zum Theil gelungen, wendete er sich der arg vernachlässigten Reichsgrenze zu, welche er durch Erbauung von Verschanzungen und Bollwerken vertheidigungsfähig Herrichten ließ. Hierauf entwarf L. den Operationsplan für den Feldzug 1702 und rückte, sobald selber genehmigt worden war, über den Rhein gegen Landau, welches in der Zeit vom 16. Mai bis 9. September eingeschlossen, belagert, wiederholt gestürmt und endlich zu Falle gebracht wurde. Ludwigs Thätigkeit hierbei glich wieder jener in den Türkenfeldzügen, seine dort gemachten Erfahrungen fanden hier eine nutzbringende Verwerthung, besonders da L. bei dem großen Mangel|an Ingenieuren fast die ganze Belagerung persönlich leiten mußte. Der Kaiser selbst dankte L. „für die siegreiche Eroberung der Stadt und Hauptfestung Landau, die ihm eben so erfreulich als dem Publico ergötzlich falle, und wofür dem Markgrafen großer Ehrenruhmb jetzt und bei der Nachweldt gebühre.“ Nun wollte L. in das Elsaß vorbrechen, als er die ganz Deutschland mit Schrecken erfüllende Nachricht von der beabsichtigten Verbindung der Baiern mit den Franzosen bei Hüningen erfuhr. Sein Entschluß in diesem ernsten Augenblicke war schnell gefaßt; er eilte mit Verstärkungen über den Rhein nach Friedlingen, wo es den 14. October zur Schlacht kam, welche L. mit bewährter Umsicht lenkte, so daß er den Feind, ungeachtet der Niederlage seiner eigenen Reiterei, derart zurückzuwerfen vermochte, daß der Kaiser Ludwigs „unermüdeten Vigilanz und standhaften valor den effect“ zuerkannte, „daß die linea der mit Churbayern abgezielten conjunction andurch unterbrochen worden.“ Auf den in diesem Jahre gehabten Erfolgen fußte aber L. nunmehr den Operationsentwurf für den nächsten Feldzug, welcher jedoch nicht zur Ausführung gelangen konnte, weil die Reichsstände L. eine zum schnellen Sammeln der Truppen viel zu gedehnte Winterpostirung aufdrängten und es weiter unterließen ihm 1703 rechtzeitig die versprochenen Verstärkungen zuzuschicken. L. mußte daher mit einer vollkommen unzulänglichen Truppenmacht hinter den nach seinen Angaben erweiterten Bühl-Stollhofner Verschanzungen Stellung nehmen. „Es ist zu erbarmen, allergnädigster Herr“, klagte er dem Kaiser, „daß aus Mangel der anstalten, so nit gemacht werden, und dato bei dero Hoff apparentlich nit gemacht werden wollen, alles zu grund gehen muß und ein in so schlechten Stand gestandener Feindt eine solche absolute Superiorität über Uns nehmen solle.“ Unterdessen waren Kehl und andere Orte verloren gegangen und wenngleich L. die übermächtigen fünftägigen Angriffe auf die Bühl-Stollhofner Linie im Monate April abzuschlagen verstand, so zog er doch nach der Vereinigung der Franzosen mit den Baiern an die Donau, wo er sich mit großer Ausdauer und anerkannter Geschicklichkeit gegen das bedeutend stärkere französisch-bairische Heer bis zum Spätherbste behauptete und trefflich manövrirend all' dessen Absichten vereitelte. Der Winter dagegen wurde mit Vorbereitungen für den Feldzug 1704 ausgefüllt, bei dessen Beginne sich L. mit Marlborough an der Iller vereinigte, von wo beide gegen Donauwörth rückten, in dessen Nähe den 2. Juli die Schlacht am Schellenberge gewonnen wurde. Hier erhielt L. jene schwere Verwundung, welche nie gänzlich heilen sollte, hier erstand die Mißstimmung zwischen Marlborough, dem geistigen Urheber der Disposition zur Schlacht, und L., dem thatsächlichen Sieger im Kampfe, welche in ihren Folgen dem Prinzen Eugen von Savoyen den Anlaß gegeben zum bitteren Tadel über die „Unthätigkeit Marlborough's und des Markgrafen seit dem Siege beim Schellenberge“. Prinz Eugen war es übrigens auch, der durch Mäßigung die entzweiten Feldherren zur Eintracht zurückführte, worauf L., der einstweilen Ingolstadt belagert hatte, auf den Wunsch Marlborough's wieder gegen Landau zog, welche Festung er nach hartnäckigem Widerstande am 25. November zur Uebergabe nöthigte. Schon während der Belagerung Landau's waren zwischen Prinz Eugen, Marlborough und L. die Operationen für das Jahr 1705 festgestellt worden. L. sollte auf Antrag Marlborough's über die Mosel gegen Frankreich vorgehen, welches Verlangen Kaiser Josef I. in Erinnerung an Kaiser Leopold mit den Worten unterstützte: „Wie es auch schon der Wille meines herzallerliebsten Herrn Vatter Selig gewesen, den Intentiones und operationes der Allürten in sonderheit des Uylord Duc de Marlborough zu bequemen und das gute Verstandnuß und harmony auf alle Weiß zu cultiviren“ Voll Hoffnung auf die Befriedigung seiner Thatenlust trat nun L. an die Spitze des unter großen Schwierigkeiten und Mühen zusammengebrachten|Heeres, doch schon bei Beginn der Vorrückung mußte er selbes verlassen, da seine aufgebrochene Wunde dringend einer Kur bedurfte. Und als er, kaum genesen, nach Lauterburg gekommen, fand er statt einer actionsfähigen Truppe, Unbotmäßigkeit, Ausflüchte etc. unter den Führern der verschiedenen Hilfstruppen. Mit einem solchen Heere eine größere Unternehmung zu wagen lag außer dem Bereiche der Möglichkeit; L. verließ sohin, nachdem alle seine Versuche zur Wiederherstellung der Pflichttreue erfolglos geblieben, verstimmt und niedergedrückt den Kriegsschauplatz. Trotz dieser herben Erfahrung ließ sich L. aber 1706 erneut zur Uebernahme der Befehlsführung bewegen, legte selbe aber definitiv nieder, als sich die Reibungen des verflossenen Jahres wiederholten, namentlich jedoch deshalb, weil ihm aus Ursache seiner durch Kriegsstrapazen und Verwundungen ernstlich erschütterten Gesundheit unbedingt andauernde Ruhe von den Aerzten empfohlen wurde. L. ließ diesen Rath nur insofern gelten, als er den Körper schonte, mit Geist und Herz diente er bis zum letzten Lebenshauche dem Vaterlande, wie dies aus verschiedenen hinterlassenen Mémoires, sowie aus des Kaisers Dankschreiben vom 7. November 1706 erhellt, welches lautet: „Daß der Markgraf sich der fortdauernden indisposition ohnerachtet, die Anstalten zum Schutze der Reichsgrenzen so sehr angelegen sein lasse, wie er denn dieses schon so lange Jahre her für das allgemeine Wohl sowol im gegenwärtigen als verwichenen schweren Reichskrieg mit Hintansetzung aller Rücksichten in der That zu vollführen niemals unterlassen habe.“ Der Verfall seiner Kräfte war hierauf immer mehr und mehr sichtlich, bis er seine Heldenseele am 4. Januar 1707 in Rastadt aushauchte. L. war seit 1690 mit Prinzessin Sybille von Sachsen-Lauenburg verehelicht; sein Sohn Wilhelm Ludwig übernahm nach ihm die Inhaberschaft des k. k. Infanterieregiments Nr. 23; mit seinem Sohne August Georg (Bd. I S. 659) erlosch die von Bernhard III. gestiftete Linie der Markgrafen von Baden-Baden.

    • Literatur

      Vgl. außer den bekannten allg. Werken: Röder, Des Mkgf. Ludw. Wilh. v. Baden Feldzüge Wider die Türken. Karlsruhe 1839 und 1842. Röder, Kriegs- und Staatsschriften des Mkgf. Ludwig Wilhelm v. Baden über den spanischen Erbfolgekrieg. Karlsruhe 1850. Angeli, Die k. k. Armee unter dem Commando des Markgrafen Ludw. von Baden in den Feldzügen 1689 bis 1692 gegen die Türken (In: Mittheilungen des k. k. Kriegsarchivs. Jahrg. 1877). Arneth, Prinz Eugen von Savoyen. Wien 1858. Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen. 2.—8. Bd. Wien 1876—1882. Feldzug der Oesterreicher gegen die Türken im J. 1689 (Aus Oesterr. milit. Zeitschrift, Wien 1840, 2. Bd.). Die Schlachten bei Patačin am 30. August und bei Nissa am 24. September 1689 (Aus Oesterr. milit. Zeitschrift, Wien 1819, 1. Bd.).

  • Autor/in

    Schzl.
  • Zitierweise

    Schzl., "Ludwig Wilhelm" in: Allgemeine Deutsche Biographie 19 (1884), S. 485-491 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118729500.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA