Lebensdaten
1881 – 1967
Geburtsort
Warnsdorf (heute Varnsdorf, Tschechien)
Sterbeort
Hamburg
Beruf/Funktion
Gewerkschaftsfunktionär ; Politiker ; Bauhandwerker ; Gewerkschaftsfunktionär
Konfession
konfessionslos
Normdaten
GND: 118514350 | OGND | VIAF: 3994149108457468780003
Namensvarianten
  • Brandler, Heinrich
  • Brandler
  • Brandler, H.
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Brandler, Heinrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118514350.html [28.03.2024].

CC0

  • Heinrich Brandler verhinderte als Vorsitzender der KPD den geplanten kommunistischen Aufstand von 1923 („Deutscher Oktober“) und bewahrte seine Partei vor der Zerschlagung. 1929 gründete er als scharfer Kritiker der Stalinisierung von KPD und Kommunistischer Internationale die Kommunistische Partei-Opposition.

    Lebensdaten

    Geboren am 3. Juli 1881 in Warnsdorf (heute Varnsdorf, Tschechien)
    Gestorben am 26. September 1967 in Hamburg
    Grabstätte Friedhof Ohlsdorf in Hamburg
    Konfession konfessionslos
    Heinrich Brandler (InC)
    Heinrich Brandler (InC)
  • Lebenslauf

    3. Juli 1881 - Warnsdorf (heute Varnsdorf, Tschechien)

    1893 - 1895 - Warnsdorf

    Schulbesuch

    Volksschule

    1895 - 1899 - Warnsdorf

    Maurerlehre

    1897 - Warnsdorf

    Schriftführer

    Maurerfachverein

    1897

    Gewerkschaftsmitglied

    Freie Gewerkschaften

    1899 - 1914 - Italien; Deutschland; Schweiz

    Wanderschaft (Walz), Bauarbeiter, Funktionärstätigkeiten

    1901 - 1915 - Hamburg

    Mitglied

    SPD

    1904 - Bremen

    Ausweisung aus Hamburg; Übersiedlung nach Bremen

    1908 - Nürnberg

    Mitglied der Jugendkommission auf dem Nürnberger Parteitag, Verbindung zu Karl Liebknecht (1871–1919)

    1908 - 1914 - Zürich

    u. a. Vizepräsident des politischen Komitees

    Arbeiterbildungsverein „Eintracht“

    1914 - 1921 - Chemnitz

    Sekretär

    Deutscher Bauarbeiterverband (DBV)

    1915 - 1918 - Chemnitz

    Aktivist der Antikriegsopposition; Herausgeber

    Spartakusbund; „Der Kämpfer“ (Zeitung)

    1917 - 1919 - Chemnitz

    Mitglied

    Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands

    1918

    kurzzeitige Ausweisung aus Deutschland

    1919 - Berlin

    Eintritt; Mitglied der Parteizentrale

    KPD

    1921 - Berlin

    Mitvorsitzender

    KPD

    1921 - Berlin

    Beteiligung am Putschversuch gegen die Republik („Märzaktion“)

    1921 - Berlin

    Hochverratsprozess und Verurteilung zu fünf Jahren Haft

    Landgericht

    1921 - Gollnow (heute Goleniów, Polen)

    Inhaftierung und Flucht

    Festung Gollnow

    1921 - 1922 - Moskau

    ständiger Vertreter der KPD im Exekutivkomitee

    Kommunistische Internationale

    1921 - 1922 - Moskau

    stellvertretender Generalsekretär des Vollzugsbüros

    Rote Gewerkschaftsinternationale

    1922 - Berlin

    Rückkehr nach Deutschland

    1922 - 1924 - Berlin

    Sekretär des Politbüros bzw. Vorsitzender

    KPD

    1923 - 1923 - Dresden

    Leiter der sächsischen Staatskanzlei

    Landesregierung von Sachsen

    1923 - 1923 - Sachsen

    Vorbereitung, dann Unterbindung eines kommunistischen Aufstandsversuchs („Deutscher Oktober“)

    1924 - 1929 - Moskau

    Mitglied

    Kommunistische Partei der Sowjetunion

    1924 - 1926 - Moskau

    leitender Mitarbeiter

    Oberster Volkswirtschaftsrat der Sowjetunion

    1926 - 1928 - Moskau

    zweiter Vorsitzender

    Rote Bauerninternationale

    1928/29 - 1939 - Berlin

    Kommunistische Partei-Opposition (KPO)

    1930 - 1939 - Berlin; Paris

    Gründer und Leiter

    Internationale Vereinigung der Kommunisten Parteiopposition

    1933 - Straßburg; Paris

    Emigration nach Frankreich

    1933 - 1940 - Paris

    Koordinierung der Widerstandstätigkeiten der KPO

    Leitung der Auslandskomitee der KPO

    1940 - 1947 - Havanna (Kuba)

    Flucht; u. a. Arbeit an den „Briefen aus der Ferne“

    1949 - Hamburg

    Aufhebung der Einreiseverweigerung; Rückkehr nach Deutschland

    1949 - 1956 - Hamburg

    Redakteur

    ARPO (Organ der „Gruppe Arbeiterpolitik“)

    26. September 1967 - Hamburg
  • Genealogie

    Vater Joseph Brandler gest. 1890 Maurer
    Mutter N. N. gest. 1893
    Geschwister keine
    Heirat 8.11.1917
    Ehefrau Getrud Kühn, geb. Seidel 1893–1981
    Scheidung 29.8.1932
    Kinder keine
    Diese Grafik wurde automatisch erzeugt und bietet nur einen Ausschnitt der Angaben zur Genealogie.

    Brandler, Heinrich (1881 – 1967)

    • Vater

      Joseph Brandler

      gest. 1890

      Maurer

      • Großvater väterlicherseits

      • Großmutter väterlicherseits

    • Mutter

      gest. 1893

      • Großvater mütterlicherseits

      • Großmutter mütterlicherseits

    • Heirat

      • Ehefrau

        Getrud Kühn

        1893–1981

  • Biografie

    Aus bescheidenen Verhältnissen stammend und bereits im Alter von zwölf Jahren Vollwaise, lernte Brandler nach Abschluss der Volksschule das Maurerhandwerk in seiner böhmischen Heimatstadt Warnsdorf, wo er gewerkschaftlich aktiv war. Auf Wanderschaft arbeitete er als Fliesenleger, besuchte Arbeiterbildungsvereine und engagierte sich als Lehrer in der Arbeiterbildung. 1901 trat er der SPD bei, in der er sich dem Flügel um Rosa Luxemburg (1871–1919) und Karl Liebknecht (1871–1919) anschloss.

    Seit 1913 leitete Brandler mit Fritz Heckert (1884–1936) die Zweigstelle des Deutschen Bauarbeiterverbands in Chemnitz, die im Ersten Weltkrieg ein wichtiges Zentrum des Spartakusbunds wurde. Als Gegner der „Burgfriedenspolitik“ wurde er 1915 aus der SPD ausgeschlossen und trat 1917 der USPD bei. Nach der Novemberrevolution bot ihm der bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner (1867–1919) den Posten eines Staatssekretärs für Auswärtige Beziehungen an.

    Seit 1919 Mitglied der KPD und der Parteizentrale, tat sich Brandler während des Kapp-Putsches 1920 als Realpolitiker hervor, indem er in Chemnitz und im Erzgebirge mit Erfolg eine Einheitsfront aus Gewerkschaften, Sozialdemokraten und Kommunisten gegen die Aufständischen formierte. Im Februar 1921 zum KPD-Vorsitzenden gewählt, beteiligte er sich an der gewaltsamen „Märzaktion“ in Mitteldeutschland, mit der eine Revolution nach bolschewistischem Vorbild herbeigeführt werden sollte. Ebenso wie sein engster politischer Weggefährte August Thalheimer (1884–1948) unterlag Brandler dabei einer Fehleinschätzung der politischen Kräfteverhältnisse. Der missglückte Aufstandsversuch führte im April 1921 zu seiner Verurteilung zu fünfjähriger Haft wegen Hochverrats durch das Berliner Landgericht. Brandler rückte in der Folgezeit von voluntaristischen Aufstandskonzepten ohne die Mehrheit oder gegen den Willen der sozialdemokratischen und gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft ab.

    Im November 1921 gelang Brandler die Flucht aus der ostpreußischen Festung Gollnow nach Moskau, wo er im Apparat der Kommunistischen Internationale (Komintern) und der Roten Gewerkschaftsinternationale Arbeit fand. 1922 amnestiert, kehrte er nach Deutschland zurück und revidierte mit Thalheimer den linksradikalen Kurs der KPD zugunsten einer Einheitsfrontpolitik, die eine taktische Kooperation mit SPD und Gewerkschaften vorsah.

    Im Oktober 1923 von Erich Zeigner (1886–1949) zum Chef der sächsischen Staatskanzlei berufen, unterstützte Brandler die Forderung Grigori Sinowjews (1883–1936) und Leo Trotzkis (1879–1940) mittels umfangreich zu bildender, bewaffneter proletarischer Hundertschaften einen kommunistischen Umsturzversuch zu unternehmen, sagte jedoch alle Aktionen ab, als die SPD und der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund (ADGB) ihre Unterstützung verweigerten. Fortan als Verräter an der Revolution geltend („Brandlerismus“ galt in der KPD nun als Synonym für opportunistisches oder parteifeindliches Verhalten), wurde er im Januar 1924 auf dem Frankfurter Parteitag von den ultralinken Wortführern um Ruth Fischer (1895–1961) und Arkadij Maslow (1891–1941) attackiert und mit großer Mehrheit als Parteivorsitzender abgesetzt.

    Brandler ging anschließend nach Moskau, trat der KPdSU bei und arbeitete seit 1924 im administrativen Bereich des Obersten Volkswirtschaftsrat der Sowjetunion. Seit 1926 übernahm er als stellvertretender Vorsitzender der Roten Bauerninternationale v. a. repräsentative Aufgaben und hielt zahlreiche Vorträge. Im Oktober 1928 gegen den Willen der KPD-Führung nach Berlin zurückgekehrt, wurde Brandler im Januar 1929 aufgrund seiner Opposition gegen die zunehmende Radikalisierung der Partei und Stalinisierung der Komintern aus der KPdSU ausgeschlossen.

    Überzeugt, den Aufstieg des Nationalsozialismus nur durch eine Kooperation der großen Arbeiterorganisationen aufhalten zu können, gründeten Brandler, Thalheimer und weitere Vertreter der „Parteirechten“ zur Jahreswende 1928/29 die Kommunistische Partei-Opposition (KPO). Trotz großer Resonanz ihrer Publikationsorgane „Gegen den Strom“ und „Arbeiterpolitik“ scheiterte ihr Ziel, als organisierte Opposition die Mehrheit innerhalb der KPD zu erobern. Von ihren Gegnern als „KPD Null“ verspottet, rief die KPO auch auf Seiten von SPD und ADGB Misstrauen hervor.

    Im März 1933 flohen Brandler und Thalheimer über Straßburg nach Paris, wo sie weitere Aktivitäten der KPO in Deutschland koordinierten und die Zeitungen „Gegen den Strom“ (bis 1935) und „Internationalen Klassenkampf“ herausgaben. Dank der Zuwendungen von Parteigenossen und internationalen Hilfsorganisationen überlebend, flohen Brandler und Thalheimer 1941 nach Kuba (eine Einreise in die USA wurde ihnen verweigert).

    Im Sommer 1947 ging Brandler nach London und kehrte 1949 mit Unterstützung des britischen Journalisten und Unterhausabgeordneten Fenner Brockway (1888–1988) nach Deutschland zurück, wo er ein führender Kopf der „Gruppe Arbeiterpolitik“ wurde, die er zu einer kommunistischen Bewegung mit demokratischen Strukturen und ohne stalinistische Bevormundung zu formen hoffte. In seinem politischen Denken an den praktischen Alltagsnöten der Arbeiterschaft orientiert, hielt er an einer beharrlichen Mitarbeit in den Gewerkschaften fest. Brandler lehnte ein Zusammengehen mit SPD und KPD konsequent ab, zog sich Mitte der 1950er Jahre aus der Öffentlichkeit zurück und lebte bis zu seinem Tod als Rentner in Hamburg.

  • Auszeichnungen

    1921 Ehrenvorsitzender auf dem III. Weltkongress der Komintern
  • Quellen

    Nachlass:

    Arbejderbevaegelsens Bibliotek og Arkiv, Kopenhagen, Arkiv 144.

    Weitere Archivmaterialien:

    Russisches Zentrum zur Aufbewahrung und zum Studium der Dokumente der neuesten Geschichte, Moskau, 495/205 (Kaderakte Heinrich Brandler); 495/292/4-14 (KPD-Korrespondenz); 495/18/153; 495/18/182; 495/18/402; 495/19/453.

    Bundesarchiv, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (SAMPO), I2/1/6–7, 17–19; I2/2/13–16, 29; I2/3/3, 7a, 8b, 62a, 68, 131, 183, 201–203, 207–209; I2/3/23; I2/5/19; I2/11/3643; I2/708/45, 49, 104; I2/711/12; I3/1–2/16; I6/3/67, 93, 115, 120, 126, 132, 150, 180; I6/10/53, 78–79; NL 4; NL 5; NL 36; NL 51; NL 169.

    Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde, TONY 1/2292–2294. (Vorträge von Brandler zur Geschichte der Arbeiterbewegung, Tondokumentsammlung); R 1507/1110 (Reichskommissar für Überwachung der öffentlichen Ordnung)

    Gedruckte Quellen:

    Der Hochverratsprozess gegen Heinrich Brandler vor dem außerordentlichen Gericht am 6. Juni 1921 in Berlin (mit einem Vorwort von Heinrich Brandler), hg. v. d. Zentrale der KPD, 1921.

    Unabhängige Kommunisten. Der Briefwechsel zwischen Heinrich Brandler und Isaac Deutscher 1949–1967, hg. v. Hermann Weber, 1981.

    Gegen den Strom. Organ der KPD-Opposition 1928–1935, vollst. Nachdr. in 3 Bde., 1985.

    Jens Becker/Theodor Bergmann/Alexander Watlin (Hg.), Das erste Tribunal. Das Moskauer Parteiverfahren gegen Brandler, Thalheimer und Radek, 1993.

  • Werke

    Durch die Räte zur Einheit der Arbeiterklasse und zum Kommunismus, [1919].

    Revolutionierung oder Verfall des deutschen Bauarbeiterverbandes, hg. v. Deutschen Bauarbeiterverband, Bezirksverein Chemnitz, 1920.

    Gewerkschaften und Betriebsräte. Referat auf dem Vereinigungsparteitag im Dezember 1920 in Berlin, 1920. Betriebsräte und politische Arbeiterräte, 1920.

    Die Aktion gegen den Kapp-Putsch in Westsachsen, 1920.

    Die Lehren des Kapp-Putsches, 1920.

    War die Märzaktion ein Bakunisten-Putsch?, 1921.

    Die Sowjetunion und die sozialistische Revolution (1950), hg. u. eingel. v. d. Gruppe Arbeiterpolitik, 1982.

  • Literatur

    Karl H. Tjaden, Struktur und Funktion der „KPD-Opposition“ (KPO). Eine organisationssoziologische Untersuchung zur „Rechts“-Opposition im deutschen Sozialismus zur Zeit der Weimarer Republik, 1964.

    Klaus P. Wittemann, Kommunistische Politik in Westdeutschland nach 1945. Der Ansatz der Gruppe Arbeiterpolitik, 1977, S. 357–368.

    Jens Becker/Harald Jentsch, Heinrich Brandler – biographische Skizze bis 1924, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1996, S. 273–295.

    Jens Becker/Harald Jentsch, Heinrich Brandler – biographische Skizze 1924–1967, in: Jahrbuch für Historische Kommunismusforschung 1998, S. 305–329.

    Jens Becker, August Thalheimer. Früher Kritiker der Stalinisierung, in: Theodor Bergmann/Mario Keßler (Hg.), Ketzer im Kommunismus. 23 biographische Essays, 22000, S. 75–100, hier S. 80–84.

    Jens Becker, Heinrich Brandler. Eine politische Biografie, 2001.

    Hermann Weber/Andreas Herbst, Deutsche Kommunisten. Biographisches Handbuch 1918 bis 1945, Berlin 2004, S. 117–119. (Onlineressource)

    Harald Jentsch, Die KPD und der „Deutsche Oktober“ 1923, 2005.

  • Onlineressourcen

  • Autor/in

    Jens Becker (Düsseldorf)

  • Zitierweise

    Becker, Jens, „Brandler, Heinrich“ in: NDB-online, veröffentlicht am 29.03.2022, zuletzt geändert am 01.10.2022, URL: https://www.deutsche-biographie.de/118514350.html#dbocontent

    CC-BY-NC-SA