Lebensdaten
1920 – 2015
Geburtsort
Stuttgart
Sterbeort
Berlin
Beruf/Funktion
Politiker ; Bundespräsident ; Jurist
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 118766570 | OGND | VIAF: 7405153
Namensvarianten
  • Weizsäcker, Richard Karl Freiherr von
  • Weizsäcker, Richard von
  • Weizsäcker, Richard Karl Freiherr von
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Weizsäcker, Richard von, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766570.html [23.04.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Ernst (s. 1);
    M Marianne v. Graevenitz;
    Ov Viktor (s. 2);
    B Carl Friedrich (s. 3);
    Hamburg-Blankenese u. Essen 1953 Marianne (* 1932), T d. Hans Oskar v. Kretschmann (1903–62), Kaufm., Dir. d. Benzolverbandes, u. d. Asta Mohr, adopt. v. Waldthausen (1908–71);
    3 S Robert K. (* 1954), Dr. rer. pol., Ökonom, 1992 Prof. f. Volkswirtsch.lehre an d. Univ. Halle-Wittenberg, 1995 an d. Univ. Mannheim, seit 2003 an d. TU München, 1997–99 Mitgl. d. Wiss.rats (s. Kürschner, Gel.-Kal. 2015), Andreas (1956–2008), Schreiner, Bildhauer, Prof. f. Bildhauerei an d. Ak. d. Bildenden Künste in München (s. A. v. W., Werkmonogr. u. Werkverz., 2014), Fritz (* 1960), Dr. med., 2003 Prof. f. Innere Med. an d. | Univ. Freiburg (Br.), 2005 Chefarzt f. Innere Med. in d. Schlosspark-Klinik Berlin, Dr. h. c. (Woronesch 2008) (s. Kürschner, Gel.-Kal. 2015), 1 T Marianne Beatrice (* 1958), Dr. iur., Jur., Autorin, Journ.

  • Biographie

    W. verbrachte, bedingt durch die diplomatische Tätigkeit des Vaters, die ersten Schuljahre im Ausland. Nach dem Abitur 1937 in Berlin studierte er zwei Semester Philosophie und Geschichte in Oxford und Grenoble und leistete 1938 den Reichsarbeitsdienst ab. Im 2. Weltkrieg nahm er als Soldat und Offizier im Potsdamer Infanterieregiment 9 an den Feldzügen gegen Polen, Frankreich und die Sowjetunion teil. 1945–50 studierte er Rechtswissenschaften in Göttingen (1. Staatsexamen 1950, 2. Staatsexamen 1953). 1948 / 49 wirkte W. als Hilfsverteidiger seines Vaters im „Wilhelmstraßenprozeß“. W. bezeichnete in seinen Erinnerungen die Anklage auf Führung eines Angriffskrieges gegen seinen Vater als „absurd“, sein Vater sei im Amt geblieben, um den Krieg zu verhindern, sei aber gescheitert.

    1950 trat W. als Mitarbeiter der Rechtsabteilung in die „Mannesmann AG“ ein und wurde, nach der Promotion zum Dr. iur. 1955 bei Wolfgang Siebert (1905–59) in Göttingen, 1957 Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung. 1958 wechselte er, auch wegen der familiären Verbindung seiner Frau Marianne, als Geschäftsführer zum Bankhaus „Waldthausen & Co.“, 1962–66 war er Mitglied der Geschäftsführung des Chemie- und Pharmaunternehmens „Boehringer Ingelheim“.

    1962 wurde W. in das Präsidium des Ev. Kirchentags gewählt (Präs. 1964–70 u. 1979–81). Er gehörte zu einem Kreis von Intellektuellen, der sich um die Ev. Studiengemeinschaft sammelte und dessen Kern der Pädagoge und Religionsphilosoph Georg Picht (1913–82) und W.s Bruder Carl Friedrich bildeten. W. war 1961 am „Tübinger Memorandum“ beteiligt, in dem Mitglieder des Kreises u. a. forderten, das Ziel der Wiedervereinigung nicht aufzugeben, aber mit dem Verzicht auf die Ostgebiete eine Normalisierung der Beziehungen zu den östlichen Nachbarn herzustellen.

    1965 lehnte W. (CDU-Mitgl. 1954) einen ersten Versuch des Fraktionsvorsitzenden der CDU im rheinland-pfälz. Landtag, Helmut Kohl (1930–2017), ab, ihn für eine Kandidatur zum Bundestag zu gewinnen, rückte aber 1967, nun Rechtsanwalt, in den CDU-Bundesvorstand auf. In einer Unions-Kampfabstimmung über die Kandidatur für das Bundespräsidentenamt unterlag W. dem Verteidigungsminister Gerhard Schröder (1910–89).

    1969 zog W. über die rheinland-pfälz. Landesliste in den Bundestag ein. Seit 1971 Vorsitzender der CDU-Grundsatzkommission, hatte er wesentlichen Einfluß auf das 1978 beschlossene CDU-Grundsatzprogramm und profilierte sich in der Ost- und Deutschlandpolitik: 1972 erreichte er eine Enthaltung der Fraktion in der Abstimmung über die Ostverträge, was deren Ratifizierung ermöglichte.

    1973 unterlag W. in der Abstimmung um den Unions-Fraktionsvorsitz gegen Karl Carstens (1914–92), wurde aber, auch durch Förderung des Parteivorsitzenden Kohl, stellv. Parteivorsitzender und trat 1974 bei der Bundespräsidentenwahl für die Union gegen den Favoriten Walter Scheel (1919–2016) an. 1979, als die Union über eine eigene Mehrheit verfügte, setzte v. a. die CSU die Kandidatur Carstens’ durch. W. wurde Bundestagsvizepräsident und 1981, nachdem er bereits 1979 Spitzenkandidat der CDU bei der Wahl zum West-Berliner Abgeordnetenhaus gewesen war, nach vorgezogenen Neuwahlen Regierender Bürgermeister West-Berlins.

    Als Kandidat der Unionsparteien wurde W. 1984 zum Bundespräsidenten gewählt. Die parteiübergreifende Zustimmung zu seiner Amtsführung zeigte sich bei seiner Wiederwahl 1989, als die Opposition erstmals keinen Gegenkandidaten benannte. W. profilierte sich als Bundespräsident durch rhetorische Brillanz, intellektuelle Unabhängigkeit und in seinem Selbstverständnis, „überparteilich, aber nie mit neutraler Standpunktlosigkeit“ (Dt. BT, 1. 7. 1984, S. 5796) zu wirken; er erlangte über politische Grenzen hinweg hohe Autorität. Ein Schwerpunkt seiner Amtsführung lag in der Reflexion über die historische Identität der Deutschen und den Umgang mit dem Nationalsozialismus. Breite Aufmerksamkeit fand seine Rede zum 40. Jahrestag der Kapitulation 1985, die zwei Mio. Mal gedruckt wurde. Darin bezeichnete W. den 8. 5. 1945 als „Tag der Befreiung“ und benannte auch nicht-dt. Opfergruppen der NS-Gewaltherrschaft, blieb aber in der Frage der Täter und der Verantwortlichkeiten „unterkomplex“ (Wirsching, S. 127). Im Ausland ließ sich die Rede als „Sternstunde in der Geschichte der Bundesrepublik“ (J. Ben-Ari, in: Gill/ Steffani, S. 25) lesen, weil sie den 8. 5. 1945 konsequent als „Ende eines Irrweges dt. Geschichte“ benannte. In seinen „Erinnerungen“ thematisierte W. zwar Verbrechen in der Wehrmacht (Vier Zeiten, S. 86), wandte sich aber gegen wissenschaftliche Thesen zu Verbrechen seines Regiments und „Wider die Selbstgerechtigkeit der Nachgeborenen“ (Die Zeit v. 8. 3. 1996).

    Als Bundespräsident nahm sich W. besonders der Ost- und Deutschlandpolitik an. Nachdem Bundeskanzler Kohl durch seinen Vergleich des sowjet. Generalsekretärs Michail Gorbatschow mit Joseph Goebbels außenpolitische Irritationen ausgelöst hatte, wirkte W. 1987 in Moskau entspannungspolitisch: Er benannte die „Leiden, die Deutsche über Russen gebracht haben“, und warb für den Aufbau gegenseitigen Vertrauens (Altrichter u. a., Michail Gorbatschow, S. 40). 1989 / 90 votierte er für einen „behutsamen“ Prozeß der Wiedervereinigung, der auch ein mentales Zusammenwachsen ermöglichen sollte. Zudem übte W. Kritik am dt. „Parteienstaat“ und der „Machtversessenheit“ der Parteien (Hofmann/ Perger, S. 164), was zu einer zunehmenden Distanz zwischen W. und Bundeskanzler Kohl beitrug.

    Zwei Drittel der Deutschen waren 1994 der Ansicht, W. sei das bedeutendste Staatsoberhaupt der Bundesrepublik (Küsters, S. 243).

    Nach dem Ende seiner Amtszeit wirkte W. in zahlreichen Kommissionen, u. a. war er 1993–95 Ko-Vorsitzender der auf Vorschlag von UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali gebildeten „Unabhängigen Arbeitsgruppe über die Zukunft der Vereinten Nationen“ und leitete 1999 / 2000 die von der Bundesregierung einberufene Kommission „Gemeinsame Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“.

  • Auszeichnungen

    |u. a. zahlr. hohe ausländ. Orden;
    E. K. II (1941) u. I (1941);
    Gr. BVK (1975), Sonderstufe d. Gr.kreuzes d. BVK (1984);
    Senator (1983) u. Harnack-Medaille d. MPG (1990);
    Theodor Heuss-Preis (1983);
    Dr. h. c. (Weizmann-Inst. of Science 1985, Karls-Univ. Prag 1995);
    Goldene Kamera (1987);
    Romano Guardini-Preis (1987);
    Atatürk-Friedenspreis (1987);
    Dt. Sportabzeichen in Gold (1987);
    Ehrenring d. dt. Handwerks (1988);
    Ehrenbürger d. Städte Bonn (1989), Berlin (1990), Stuttgart (1990) u. Danzig (mit L. Wałęsa u. G. Bush sen.) (1997);
    Goldmedaille d. jüd. Loge B’nai B’rith f. bes. Verdienste (1991);
    Heinrich Heine-Preis d. Stadt Düsseldorf (1991);
    Leo-Baeck-Preis d. Zentralrats d. Juden in Dtld. (1994);
    Buber-Rosenzweig-Medaille (1995);
    internat. Katalonienpreis (mit V. Havel) (1995);
    Humanismus-Preis d. Dt. Altphilologenverbandes (1998);
    Eric-M.-Warburg-Preis d. Atlantik-Brücke (2014).

  • Werke

    |Der fakt. Ver., Diss. Göttingen 1955;
    Die Krise als Chance, 1975;
    CDU-Grundsatzdiskussion, Btrr. aus Wiss. u. Pol., 1977 (Hg.);
    Die Dt. Gesch. geht weiter, 1983;
    Zum 40. J.tag d. Beendigung d. Krieges in Europa u. d. nat.soz. Gewaltherrschaft, Ansprache am 8. Mai 1985 in d. Gedenkstunde d. Dt. BT, 1985;
    Die pol. Kraft d. Kultur, 1987;
    Die erstrittene Freiheit verantwortl. gebrauchen, Interview d. Bundespräs. mit d. DDR-Fernsehen, 13. 12. 1989, in: Bull. d. Bundesreg., Nr. 143, 15. 12. 1989;
    R. v. W. im Gespräch mit G. Hofmann u. W. A. Perger, 1992;
    Vier Zeiten, Erinnerungen, 1997;
    Drei Mal Stunde Null?, 1949 –1969 –1989, Dtld.s europ. Zukunft, 2001;
    Der Weg z. Einheit, 2009;
    Qu Nachlaß: BA, N 1574;
    BA Koblenz, N 1225 (Nachlaß Georg Picht);
    Dt. BT, Plenarprotokolle (Internet).

  • Literatur

    | W. Filmer u. H. Schwan (Hg.), R. v. W., Profile e. Mannes, ³1984;
    U. Gill u. W. Steffani (Hg.), Eine Rede u. ihre Wirkung, Die Rede d. Bundespräs. R. v. W. v. 8. Mai 1985, 1986;
    F. W. Euler, Ahnentafel v. Weizsäcker – v. Graevenitz, 1992;
    F. Pflüger, R. v. W., Ein Portrait aus d. Nähe, 1990;
    H. Kohl, Erinnerungen, 3 Bde., 2004–07;
    H. Rudolph, R. v. W., Eine Biogr., 2010;
    A. Galkin u. a. (Hg.), Michail Gorbač ev i germanskij vopros, 2006, dt. u. d. T.: Michail Gorbatschow u. d. dt. Frage, Sowjet. Dok. 1986–1991, hg. v. H. Altrichter u. a., 2011;
    H. J. Küsters, R. v. W., Bundespräs. in Zeiten d. Wiedervereinigung, in: R. C. van Ooyen u. M. H. W. Möllers (Hg.), Der Bundespräs. im pol. System, 2012, S. 233–43;
    A. Wirsching, Primärerfahrung u. kulturelles Gedächtnis, R. v. W. u. d. Erinnerung an d. NS, in: F. Bajohr u. a. (Hg.), Mehr als e. Erz., Zeitgeschichtl. Perspektiven auf d. Bundesrep., 2016, S. 113–28;
    Biogr. Hdb. MdB;
    Nachrufe: P. Carstens, in: FAZ v. 31. 1. 2015;
    M. C. Schulte v. Dach, R. v. W. z. Kriegsende 1945, Wie e. Rede die Deutschen befreite, in: SZ v. 31. 1. 2015;
    O. Das Gupta, Der Bundeskg., ebd. v. 11. 2. 2015;
    K.-L. Günsche, Ein einziger, befreiender Satz, in: Der Spiegel online v. 31. 1. 2015;
    H. Schmidt, Ein Preuße aus Schwaben, R. v. W. war e. wahrer Repräsentant unserer Nation, in: Die Zeit v. 11. 2. 2015.

  • Porträts

    |Öl/ Lwd. v. J. Grützke, 1992, u. v. W. Wust (beide Berlin, Bundespräsidialamt);
    Öl/ Lwd. v. V. Henze, 2012 (Berlin, Schloß Bellevue);
    Photogrr. (BA, Bilddatenbank).

  • Autor/in

    Elke Seefried
  • Zitierweise

    Seefried, Elke, "Weizsäcker, Richard von" in: Neue Deutsche Biographie 27 (2020), S. 717-719 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118766570.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA