Wolff, Caspar Friedrich

Lebensdaten
1734 – 1794
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Sankt Petersburg
Beruf/Funktion
Botaniker ; Mediziner ; Embryologe ; Physiologe ; Anatom ; Arzt ; Biologe
Konfession
evangelisch
Normdaten
GND: 100706347 | OGND | VIAF: 59202156
Namensvarianten

  • Wolff, Kaspar Friedrich
  • Wolf, Kaspar Friedrich
  • Wolf, Caspar Friedrich
  • Wolff, Caspar Friedrich
  • Wolff, Kaspar Friedrich
  • Wolf, Kaspar Friedrich
  • Wolf, Caspar Friedrich
  • Euchyon, Diodorus
  • Wolf, Caspar F.
  • Wolff, Kaspar F.
  • Wolf, Kaspar F.
  • Wolff, Gaspard F.
  • Wolff, Caspar F.
  • Vol'f, Kaspar Fridrich
  • b10
  • Vol'f, Caspar Fridrich

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Zitierweise

Wolff, Caspar Friedrich, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd100706347.html [07.12.2025].

CC0

  • Wolff (auch Wolf), Caspar (auch Kaspar) Friedrich

    | Embryologe, Anatom, Botaniker, * 18.1.1734 Berlin, † 22. 2./5.3.1794 Sankt Petersburg.

  • Genealogie

    V Johann, aus Prenzlau (Uckermark), Schneidermeister u. Bürger in B., erwarb 1727 e. Haus in d. Neumannsgasse ebd.;
    M Anna Sophie Stiebeler: 1 B Christian Friedrich (* 1728), 3 Schw Anna Sophia (* 1723), Maria Elisabeth (* 1732), Dorothea Sophie;
    Berlin wohl 1767 N. N.;
    S Karl, 2 T Louisa, Maria.

  • Biographie

    W. wurde 1753–55 als Militärarzt am Collegium medico-chirurgicum in Berlin ausgebildet, an dem der Anatom Johann Friedrich Meckel d. Ä. (1724–74), der Botaniker Johann Gottlieb Gleditsch (1714–1786) und der Chirurg Simon Pallas (1694–1770) lehrten. Hier lernte er auch die Präparate und Methoden des Anatomen Johann Nathanael Lieberkühn (1711–1756) kennen. Seit 1755 studierte W. – u. a. bei Andreas Elias Büchner (1701–1769)–Medizin an der Univ. Halle/Saale, wo er mit der „Theoria generationis“ 1759 zum Dr. med. promoviert wurde. W., der in seiner Dissertation keinen Doktorvater erwähnte, gelang es, anhand mikroskopischer Untersuchungen die vorherrschende Präformationslehre mit seinen von Ernährung und Wachstum des Keimes ausgehenden, exakt durchgeführten Beobachtungen an Pflanzen und Tieren zu widerlegen. Obwohl sich seine Vorstellungen von der Entstehung der „Bläschen“, Gewebe und Gefäße in den Einzelheiten nicht bestätigten, dürfen sie als Vorläufer der Zellenlehre angesehen werden.

    W., der seine berufliche Zukunft nicht in der ärztlichen Praxis, sondern in der Naturforschung sah, erhielt weder an den kleinen Universitäten von Bützow und Rinteln die erwünschte Anstellung, noch kam eine von dem Mathematiker Leonhard Euler (1707–1783) empfohlene Berufung 1760 auf eine Professur in St. Petersburg zustande, wahrscheinlich aufgrund des Siebenjährigen Krieges.

    Stattdessen wirkte W. seit 1761 als preuß. Militärarzt im Feldlazarett Breslau, wo ihn der oberste Feldarzt Christian Andreas Cothenius (1708–1789) für anatomischen Unterricht der Wundärzte freistellte. 1763 nach Berlin zurückgekehrt, erhielt W. von Cothenius – trotz der Ablehnung der Professoren des Collegium medico-chirurgicum aus Sorge um Status und Einnahmen – die Erlaubnis zu privaten Vorlesungen über Physiologie. Obwohl die wohldurchdachten Lehrveranstaltungen viele Interessenten anzogen, wurde W. bei Neubesetzungen am Collegium medico-chirurgicum übergangen. Gleichzeitig setzte er seine entwicklungsbiologischen Arbeiten, v. a. am Hühnerembryo, fort. 1766 erhielt er einen Ruf als Mitglied sowie Professor der Anatomie und Physiologie an die Petersburger Akademie der Wissenschaften, wo er am 1.6.1767 mit seinem Einführungsvortrag über Epigenese das Amt übernahm. W. verwaltete das Anatomische Kabinett der Kunstkammer sowie das Anatomische Theater, zeitweise betreute er auch den Botanischen Garten und fungierte als Prosektor, der von der Polizei eingelieferte Leichen sezierte. Aus diesen vielfältigen Verpflichtungen ergaben sich fortwährend Ansätze für wissenschaftliche Arbeiten. Aufgrund seiner|genauen anatomischen Untersuchungen leistete er Pionierarbeit auf dem Gebiet der Teratologie, die ihn zu Fragen der Vererbung und der Veränderung der Arten führte.

    In den beiden ersten Teilen seiner Dissertation lieferte W. detaillreiche Beschreibungen von Untersuchungen zu frühen Keimstadien und im dritten Teil eine theoretische Erklärung für eine Neubildung von Geweben und Organen in der Embryogenese unter Beteiligung einer „wesentlichen Kraft“ (vis essentialis). Wachstum und Differenzierung begriff er als Neuorganisation von Naturstoffen gemäß den ihnen innewohnenden Gesetzmäßigkeiten. Mit seinen Ausführungen lieferte er überzeugende Argumente für die als Epigenese bezeichnete Auffassung einer „Generation“ (im Sinne von Entwicklung nach heutigem Verständnis) durch Neuorganisation und widerlegte so die Präformationstheorie, die in Wachstum und Differenzierung nur eine Ausformung vorhandener Strukturen sah. Der einflußreiche Physiologe Albrecht v. Haller (1708–77), Anhänger der Präformationstheorie und kritischer Korrespondenzpartner W.s, rezensierte 1760 W.s Schrift vorurteilsfrei in den „Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen“; 1764 gab W. in dt. Sprache eine erweiterte Überarbeitung seiner Dissertation als Lehrbuch für seine Berliner Vorlesungen und als Streitschrift heraus, in der er sich mit Argumenten der Präformationstheorie, v. a. von Charles Bonnet (1720–1793) und Haller, auseinandersetzte. 1768/69 brachte W. mit „De formatione intestinorum“ eine detaillierte Darstellung über die Bildung des Darmkanals im bebrüteten Huhn heraus, die als seine beste anatomische Arbeit erst in der von Johann Friedrich Meckel d. J. (1781–1833) vorgenommenen dt.sprachigen Ausgabe 1812 bekannt wurde. W. zeigte, wie sich der Darm durch Zusammenfaltung aus Vorstufen von Rinnen und Röhren bildet. Karl Ernst v. Baer (1792–1876), der W.s Analyse für die größte Meisterarbeit auf dem Felde der beobachtenden Naturwissenschaften hielt, führte mit Christian Heinrich Pander (1794–1865) die von W. begründete Embryologie-Tradition fort. 1789 publizierte W. in Verbindung mit der Veröffentlichung der Antworten, u. a. von Johann Friedrich Blumenbach (1752–1840), auf eine Preisfrage zum Wesen der Nutritionskraft der St. Petersburger Akademie seine Vorstellungen von der „wesentlichen Kraft“, die er gegen Blumenbachs Lebenskraft (vis vitalis) abgrenzte. W.s botanische Arbeiten wurden von Johann Wolfgang v. Goethe (1749–1832) v. a. in dessen Metamorphosen-Lehre aufgegriffen. W.s Name ist in den anatomischen Benennungen W.-Gang (Urnierengang, embryonal sich bildender Verbindungsgang zw. Enddarm u. Urniere) und W.sches Körperchen (Urniere) erhalten.

  • Auszeichnungen

    A C.-F.-W.-Medaille d. Biol. Ges. d. DDR (1986–89);
    C.-F.-W.-Medaille d. Dt. Ges. f. Gesch. u. Theorie d. Biol. (seit 2009).

  • Werke

    W Theoria generationis, 2. erw. Aufl., hg. v. Ph. F. Th. Meckel, 1774, dt. Übers. v. P. Samassa, Ostwalds Klassiker d. Exakten Wiss., 2 Bde., 1896, Nachdr. 1999;
    Theorie v. d. Generation, in zwo Abhh. erklärt u. bewiesen, 1764, Nachdr. hg. v. R. Herrlinger, 1966;
    De formatione intestinorum praecipue (…), in: Novi Commentarii Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae 12, 1768, S. 403–507 u. 13, 1769, S. 478–530;
    De leone observationes anatomicae, ebd. 15, 1771, S. 517–52;
    Von d. eigenthüml. u. wesentl. Kraft d. vegetabil. sowohl als auch d. animal. Substanz, als Erl. zu Zwo Abhh. über d. Nutritionskraft (…), 1789;
    Explicatio tabularum anatomicarum VII, VIII et IX, in: Nova Acta Academiae Scientiarum Imperialis Petropolitanae 12, 1801, S. 11–16;
    Über d. Bildung d. Darmkanals im bebrüteten Hühnchen, übers. u. mit e. einleitenden Abh. u. Anmm. v. J. F. Meckel, 1812;
    Objecta meditationum pro theoria monstrorum (lat. u. russ.) in: Predmety razmyšlenij v svjazi s teoriej urodov, übers. aus d. Lat. v. J. C. Kopelevič u. T. A. Lukina, 1973;
    über 30 weitere Arbb. in d. Ak.schrr. 1770–92;
    Nachlaß: Archiv d. Russ. Ak. d. Wiss., St. Petersburg.

  • Literatur

    L ADB 44;
    J. W. v. Goethe, Entdeckung e. treffl. Vorarbeiters, in: Zur Morphol., Bd. 1, 1817, H. 1, S. 80–83;
    ders., C. F. W. über Pflanzenbildung, ebd., S. 83–89;
    C. L. Mursinna, C. F. W. erneuertes Andenken, ebd., 1820, H. 2, S. 252–56;
    K. E. v. Baer, Ueber d. litterär. Nachlass v. C. F. W., ehem. Mitgl. d. Ak. d. Wiss. z. St. Petersburg. in: Bull. de la Classe physico-mathématique de l’Ac. impériale des sciences de St.-Pétersbourg, Bd. 5, 1847, Sp. 129–60;
    A. Kirchhoff, C. F. W., Sein Leben u. seine Bedeutung f. d. Lehre v. d. organ. Entwickelung, in: Jena. Zs. f. Med. u. Naturwiss. 4, 1868, S. 193–220;
    J. Schuster, C. F. W., Leben u. Gestalt e. dt. Biol., in: SB d. Ges. Naturforschender Freunde z. Berlin 1936, 1937, S. 175–95;
    ders., Der Streit um d. Erkenntnis d. organ. Werdens im Lichte d. Briefe C. F. W. an A. v. Haller, in: Sudhoffs Archiv f. Gesch. d. Med. u. d. Naturwiss. 34, 1941, S. 196–218;
    G. Uschmann, C. F. W., e. Pionier d. modernen Embryol., 1955 (P);
    A. E. Gaissinovitch, C. F. W. i uchenie o razvitii organizmov. Izdatel’stvo Akademii Nauk SSSR, 1961;
    B. E. Rajkov, C. F. W., in: Zool. Jbb., Abt. f. Systematik 91, 1964, S. 555–626 (P);
    T. A. Lukina, C. F. W. u. d. Petersburger Ak. d. Wiss., in: Acta Historica Leopoldina 9, 1975, S. 411–25;
    S. A. Roe, Matter, Life, and Generation, Eighteenth-Century Embryology and the Haller-W. Debate, 1981;
    R. Mocek, C. F. W. Epigenesis-Konzept, e. Problem im Wandel d. Zeit, in: Biol. Zbl. 114, 1995, S. 179–90;
    I. Jahn, Wer regte C. F. W. (1734–1794) z. seiner Diss. „Theoria generationis“ (1759) an?, in: Philosophia Scientiae S2, 1998/99, S. 35–54;
    dies., Biol. Fragestellungen in d. Epoche d. Aufklärung (18. Jh.), in: dies. (Hg.), Gesch. d. Biol., ³2000, S. 231–73;
    dies., C. F. W. (1734–1794), in: dies. u.|M. Schmitt (Hg.), Darwin &
    Co., e. Gesch. d. Biol. in Portraits, Bd. 1, 2001, S. 95–116 u. 505 f. (P);
    I. Drews, Die Frühzeit d. Embryol., Der wiss. Nachlaß v. K. F. W., Diss. Köln, 2001;
    L. van Speybroeck, D. de Waele u. G. van de Vijver, Theories in Early Embryology, Close Connections between Epigenesis, Preformationism, and Self-Organization, in: Ann. of the New York Ac. of Sciences 981, 2002, S. 7–49;
    Complete DSB.

  • Porträts

    P Schattenriß, 1784 (Archiv d. Russ. Ak. d. Wiss., St. Petersburg);
    Bronzemedaille v. S. Paul, 2009 (Münzkab. d. Staatl. Museen zu Berlin).

  • Autor/in

    Michael Kaasch
  • Zitierweise

    Kaasch, Michael, "Wolff (auch Wolf), Caspar (auch Kaspar) Friedrich" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 444-446 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100706347.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA

  • Wolff, Kaspar Friedrich

  • Biographie

    Wolff: Kaspar Friedrich W., Arzt und Botaniker, geboren zu Berlin 1733, zu Petersburg am 22. Februar 1794. Seine Schulbildung erhielt W. in seiner Vaterstadt und trat darauf 1753 in das dortige Collegium medico-chirurgicum ein behufs seiner fachmäßigen ärztlichen Ausbildung. Seine Lehrer waren hier in Anatomie und Secirübungen Joh. Fr. Meckel, in Botanik Ludolff und Gleditsch. Ausgerüstet mit guten Vorkenntnissen bezog W., wahrscheinlich noch vor 1756 die Universität Halle, wo er neben fachwissenschaftlichen auch philosophische Studien im Sinne der Leibniz-Wolff’schen Lehre trieb. Am 28. November 1759 wurde er auf Grund seiner Dissertation: „Theoria generationis“ zum Dr. med. promovirt. Diese Erstlingsarbeit war seine bedeutendste litterarische Leistung auf botanischem Gebiete. Mit ihr nahm er den Kampf gegen die damals herrschende Evolutionslehre auf, welche in dem Schweizer Physiologen Albrecht v. Haller ihren bedeutendsten Vertreter hatte und wurde der Wiederbeleber der aristotelischen Lehre vom wirklichen Werden, der moderne Begründer der Epigenesis. Haller war vorurtheilsfrei genug, in seinem Gegner nur den objectiv arbeitenden wackeren Forscher zu sehen und ihn durch eine anerkennende Recension seiner Arbeit in den Göttinger Gelehrten Anzeigen (1760, 143. Stück), sowie durch Eingehen eines wissenschaftlichen Briefwechsels mit ihm zu ehren. 1764 gab W. eine deutsche Bearbeitung seiner Dissertation: „Theorie von der Generation in zwo Abhandlungen erklärt und bewiesen“ heraus, welche in einem freieren Stil verfaßt, als die in der Dissertation noch herrschende herkömmliche Paragraphendarstellung war, neben einer Uebersicht seiner Theorie der Epigenesis, auch eine Kritik der früheren Versuche, organische Bildung zu erklären, enthält. Eine dritte, wieder lateinisch geschriebene, vermehrte Auflage der Theoria generationis erschien 1774. Von Berlin aus berief der Leibarzt Friedrich's des Großen, Cothenius, der Leiter des gesammten Militärmedicinalwesens in Preußen, den jungen W. nach Breslau mit der Aufgabe, in dem dortigen Lazareth medicinische Lehrvorträge zu halten. Ob W. hier auch praktische ärztliche Thätigkeit ausübte ist unbekannt geblieben. Ebensowenig kennt man den Grund, weswegen er Breslau verließ. Gewiß ist nur, daß seine Bemühungen, an der Universität Petersburg und in dem kleinen, damals schauenburgischen Universitätsstädtchen Rinteln eine Anstellung zu erhalten, scheiterten. Durch Cothenius' Vermittlung gelang es ihm jedoch, 1762 die Erlaubniß zu erhalten, an der Stätte seiner ersten Ausbildung am Berliner Collegium medicochirurgicum Vorlesungen über Physiologie u. A. zu halten, trotz des Widerspruchs der an dem Institut angestellten Professoren. Freilich war die Macht des ihm feindlichen Lehrkörpers groß genug, seinen Eintritt in seine Zunft zu verhindern, als zwei Stellen, je für einen Anatomen und einen Physiologen frei|wurden. W. war 33 Jahre alt, als er seine Vaterstadt verließ, um einem 1766 an ihn ergangenen ehrenvollen Ruf der Kaiserin Katharina II. an die Petersburger Akademie zu folgen. Bereits im Anfange des Jahres 1767 traf er in Petersburg ein und erweiterte in den 27 nun folgenden Jahren akademischer Thätigkeit seinen längst begründeten Ruf als ausgezeichneter Anatom und Physiologe durch Arbeiten, welche er in den „Novi Commentarii“ und „Nova Acta“ der Petersburger Akademie niederlegte, welche aber sämmtlich zoologischen Inhalts sind. Er lebte zurückgezogen, war indessen als Forscher wie als Mensch seines ehrlichen und freundlichen Charakters wegen von den Mitgliedern der Akademie geachtet und geliebt, die einen schweren Verlust betrauerte, als ein Schlagfluß im 61. Jahre seines Lebens seinem Schaffen ein plötzliches Ende bereitete.

    Die epochemachende Bedeutung der Wolff’schen Dissertation, welche vierzig Jahre lang bei den Botanikern unbeachtet blieb, liegt besonders darin, daß er seit Malpighi und Grew wieder der erste und einzige war, welcher der Anatomie der Pflanzen Arbeit und consequente Ausdauer zuwandte und zu einer Zeit, wo selbst die Structur der fertigen Pflanzenorgane beinahe in Vergessenheit gerathen war, die Entwicklungsgeschichte dieser Structur, die Entstehung des Zellengewebes zu ergründen suchte. Freilich leitete ihn bei seinen Untersuchungen vornehmlich das Streben, für seine Lehre von der Epigenesis inductive Fundamente zu gewinnen, wodurch er von der Verfolgung der rein phytotomischen Fragen vielfach abgelenkt wurde. Dennoch wußte er aus seinen Beobachtungen etwas zu machen und die sinnlichen Wahrnehmungen zur Grundlage einer Theorie zu benutzen. Die thatsächlichen Beobachtungen waren allerdings häufig genug unrichtig, was zum Theil wol die Mangelhaftigkeit seines Mikroscopes verschuldete. Nach Wolff's Theorie bestehen alle jüngsten Pflanzentheile, wie sie sich aus dem von ihm aufgefundenen und von ihm zuerst benannten Vegetationspunkt des Stengels entwickeln, ursprünglich aus einer durchsichtigen gallertartigen Substanz, einer tropfenartigen Ausschwitzung des schon vorhandnen älteren Theiles, die allmählich erhärtet. Der von der Wurzel her zudringende Nahrungssaft schafft sich in Form von anfangs sehr kleinen Tröpfchen in dem ursprünglich homogenen jungen Pflanzentheil Ablagerungsräume, mit Saft erfüllte „Bläschen“, welche, indem sie nach und nach an Umfang gewinnen, die Zwischensubstanz ausdehnen und so die heute als Zellen bezeichneten Hohlräume darstellen. Die Gefäße werden nach W. neben den Zellen dadurch erzeugt, daß ein Tropfen in der gallertartigen Grundsubstanz sich der Länge nach fortbewegt und so ein Canalsystem bildet, welches vornehmlich die Hauptmasse des Stengels darstellt. Denn die Anhangsorgane desselben, die Blätter, leiten den Saft nicht weiter, sondern speichern ihn in sich auf, bestehen daher vorzugsweise aus der zu Zellen umgewandelten soliden Grundsubstanz. Daneben aber erkannte W. auch, daß zuweilen, wie in den reifen Früchten, die Zellen sich isoliren lassen.

    Für die botanische Morphologie hat Wolff's Dissertation insofern ein besonderes Interesse, als ihn die hier niedergelegten Beobachtungen und Schlüsse als einen Vorläufer Goethe's in der Lehre von der Metamorphose der Pflanzen erscheinen lassen. Für die Entwicklungsgeschichte des Blattes diente ihm als Material der Weißkohl, für diejenige der Blüthe die Bohne. In der That entdeckte W. das Basiswachsthum der Kelch-, Staub- und Fruchtblätter, übersah es aber bei den Kronenblättern, deutete auch fälschlich die Staubblätter als Achselknospe der Kelchblätter, spricht aber doch entschieden den Satz aus, daß er zuletzt an der Pflanze nichts sehe, als Blätter und Stengel, wobei er die Wurzel zu letzterem rechnet. Als Erklärung für die Metamorphose, die er indessen noch nicht mit diesem Namen bezeichnet, gibt er die veränderte Ernährung|an. Speciell die Blüthe läßt er durch eine vegetatio languescens entstehen. Eine Ernährungsart ist nach ihm ebenfalls der Proceß der sexuellen Fortpflanzung der Gewächse. Schließlich sei noch die Stellung hervorgehoben, welche W. gegenüber der zu seiner Zeit herrschenden Theorie des Bildungstriebes oder der Lebenskraft einnahm, durch welche im lebenden Organismus die Entwicklungsvorgänge beeinflußt werden sollten. Seine Ansicht darüber hat er in einer 1789 in Petersburg veröffentlichten Schrift: „Von der eigenthümlichen und wesentlichen Kraft der vegetabilischen sowohl, als auch der animalischen Substanz“ niedergelegt. Indem er wie für die anorganische, so auch für die organische Natur an dem Causalnexus von Ursache und Wirkung festhält, hält er den sogenannten Bildungstrieb für eine besondere Form der Ernährungsfähigkeit, welche von einer dem speciellen Organismus eigenthümlichen Stoffaneignung und Stofforganisirung herrühre.

  • Literatur

    A. Kirchhoff, Idee der Pflanzen-Metamorphose bei Wolff und bei Goethe im 2. Jahresbericht der Luisenstädtischen Gewerbeschule in Berlin, 1867. —
    Sachs, Gesch. d. Botanik. —
    Pritzel, thes. litt. bot.

  • Autor/in

    E. Wunschmann.
  • Zitierweise

    Wunschmann, Ernst, "Wolff, Kaspar Friedrich" in: Allgemeine Deutsche Biographie 44 (1898), S. 41-43 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd100706347.html#adbcontent

    CC-BY-NC-SA