Lebensdaten
1879 – 1960
Geburtsort
Berlin
Sterbeort
Göttingen
Beruf/Funktion
Pädagoge ; Philosoph
Konfession
lutherisch
Normdaten
GND: 118588478 | OGND | VIAF: 100233767
Namensvarianten
  • Nohl, Hermann Julius (eigentlich)
  • Nohl, Herman
  • Nohl, Hermann Julius (eigentlich)
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Objekt/Werk(nachweise)

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Zitierweise

Nohl, Herman, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588478.html [19.03.2024].

CC0

  • Genealogie

    V Hermann (1850–1929), Oberlehrer am „Grauen Kloster“ in B., Mithg. d. Wschr. f. Klass. Philol. (s. W), S d. Hermann (1820–92), Hauptlehrer in Gummersbach, u. d. Caroline Bickenbach (1824–88);
    M Luise Gabriele (1858–85), T d. Rittergutsbes. Ernst Friedrich Doepke (* 1828, verschollen) u. d. Emeline Natalie Besig (1826–78);
    Stief-M (seit 1892) Elise Simon;
    B Johannes (1882–1963, Dore, 1883–1964, Schriftst., s. BHdE II, T d. Landschaftsmalers Julius Wentscher, 1842–1918, s. ThB), anarchist. Schriftst., befreundet mit Erich Mühsam (s. Kosch, Lit.-Lex.³; Killy);
    Wien 1905 Bertha (1878–1936), T d. Johann Oser (1833–1912), Prof. d. chem. Technol. an d. TH Wien (s. Pogg. IV-V; ÖBL), u. d. Josephine Wittgenstein (1844–1933), Schülerin Julius Stockhausens;
    1 S Christian (* 1916), Chirurg in London, 4 T Johanna (* 1906, Werner G. Brock, 1901–74, seit 1939 in Cambridge, seit 1946 Prof. d. Philos. in Freiburg, Br., s. Kürschner, Gel.-Kal. 1983, Nekr.), Dr. phil., Kläre (1908–88, Wilhelm Kamlah, 1905–76, Prof. d. Philos. in Erlangen), Marie (* 1909, Heinrich G. Kuhn, 1904–94, Prof. d. Physik in Oxford), Barbara (* 1911, Dr. Hans Martin Rotermund, * 1906, Pfarrer u. Kunsthist. in G.); Verwandter d. Ehefrau Ludwig Wittgenstein (1889–1951), Philosoph.

  • Biographie

    Nach Erwerb der Hochschulreife am „Grauen Kloster“ studierte N. 1898-1904 an der Univ. Berlin Philosophie, Geschichte und deutsche Literatur. Sein wichtigster Lehrer war Wilhelm Dilthey, dessen Famulus N. seit 1902 war und bei dem er 1904 über „Sokrates und die Ethik“ promovierte.

    Diltheys Einfluß zeigte sich vor allem in der Übernahme der hermeneutischen Methode und dem lebensphilosophischen Denkmodell, verbunden mit der Vorstellung des notwendigen Praktischwerdens der Philosophie. 1907 zog N. nach Jena und habilitierte sich 1908 bei Rudolf Eucken mit einer Arbeit über „Die Weltanschauungen der Malerei“. Seine Aktivitäten als Privatdozent galten zum einen der Erforschung der spezifisch deutschen Geistesentwicklung seit 1770 – hier gewann schon früh der Begriff der „Deutschen Bewegung“ Gestalt – zum anderen dem Ordnen von Diltheys Nachlaß und der Vorbereitung der Herausgabe der Gesammelten Schriften seines Lehrers zusammen mit Georg Misch (1914 ff.). Durch den „Sera-Kreis“ um den Verleger Eugen Diederichs gelangte N. in Kontakt zur Jugendbewegung, durch Reformschulen im Thüringer Wald zu den Vertretern der Reformpädagogik Gustav Wyneken, Paul Geheeb und Martin Luserke.

    Die Erfahrung des 1. Weltkriegs verlagerte seinen Schaffensschwerpunkt auf die Pädagogik, da er in ihr die Möglichkeit sah, das Auseinanderdriften des deutschen Volkes zu überwinden und dessen Sittlichkeit zu heben. 1919 gründete er mit Heinrich Weinel und Reinhard Buchwald die Jenaer Volkshochschule, die auf breite Resonanz stieß und der in Thüringen rasch viele andere Gründungen folgten. – Anfang 1920 wurde N. eine Professur für „Praktische Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogik“ in Göttingen übertragen, 1922 wurde er auf das neugeschaffene Göttinger Ordinariat für Pädagogik berufen. Im Zusammenhang mit dem Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922 und dem Jugendgerichtsgesetz von 1923 vertrat N. eine auf Zuwendung, Unterstützung und Resozialisierung gerichtete sozialpädagogische Position. Seine die praktische Arbeit begleitenden Vorträge wurden 1927 in dem Buch „Jugendwohlfahrt“ zusammengefaßt. 1928-33 gab N. zusammen mit Ludwig Pallat, dem Leiter des „Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht“ in Berlin, das fünfbändige „Handbuch der Pädagogik“ heraus, das eine Zusammenfassung aller Gebiete der Pädagogik aus neuer Sicht brachte. N. veröffentlichte darin die Beiträge Pädagogische Menschenkunde“, „Die pädagogische Bewegung in Deutschland“ und „Die Theorie der Bildung“. Die beiden letztgenannten Artikel konnten 1935, trotz des Mißtrauens, das N. und seiner Schule von den Nationalsozialisten entgegengebracht wurde, unter dem Titel „Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre Theorie“ noch als Monographie (mit Zugeständnissen an den Nationalsozialismus im Vor- und Nachwort) veröffentlicht werden (²1935; 101988; span. 1948). Das Werk enthält systematische Einsichten zum erzieherischen Verhältnis, dem „pädagogischen Bezug“, und begründet die Eigenständigkeit der Erziehung in Theorie und Praxis. 1937 wurde N. von den Nationalsozialisten zwangsemeritiert; er trat auch als Mitherausgeber der Zeitschrift „Die Erziehung“ zurück. In „Charakter und Schicksal, Eine pädagogische Menschenkunde“ (1938, ⁷1970; span. 1950, ²1954) wies er auf die Notwendigkeit einer anthropologischen Fundierung pädagogischer Theorie und Praxis hin. Im Zentrum seiner Überlegungen steht Platons Modell des Schichtenaufbaus der Seele. An eine grundlegende Diskussion ethischer Prinzipien wagte sich N. in der NS-Zeit mit seinem Buch „Die sittlichen Grunderfahrungen, Eine Einführung in die Ethik“ (1939, ³1949; span. 1952).

    1945 konnte N. seinen Lehrstuhl in Göttingen wieder einnehmen. 1947 emeritiert, vertrat er sich aber noch zwei Jahre selbst, bis ihm 1949 sein Schüler Erich Weniger nachfolgte. 1945-60 gab er die Zeitschrift „Die Sammlung“, die den Deutschen eine neue geistige Orientierung ermöglichen sollte, heraus. Im Zentrum seiner Vorträge und Veröffentlichungen während dieser Zeit stand das Werben um die Anerkennung der Polarität des ethischen und pädagogischen Lebens und des Aristotelischen Tugendbegriffs, des Ideals des Maßes, wodurch N. einer Anfälligkeit für totalitäre Versuchungen entgegenzuwirken hoffte. – Kritisch ist anzumerken, daß N. bis zu seinem Tod volksontologischem Denken verhaftet war und ihm die moderne Demokratie mit ihren konstitutiven Konkurrenzerfahrungen fremd blieb. Hiermit hängt zusammen, daß die von ihm begründete „Göttinger Schule“ Ende der 60er Jahre unter generellen Ideologieverdacht geriet. Seitens einer „kritischen“ Erziehungswissenschaft wurde ihr Blindheit gegenüber den gesellschaftlichen Machtverhältnissen vorgeworfen und ihre Pädagogik als überholt angesehen. Erst in jüngerer Zeit findet sich wieder eine differenziertere Würdigung.|

  • Auszeichnungen

    Gr. BVK (1953);
    Ehrenbürger v. Göttingen (1953);
    Dr. iur. h.c. (Hamburg 1949);
    Goethe-Plakette d. Stadt Frankfurt (1959).

  • Werke

    Weitere W Einf. in d. Philos., 1935, ⁶1960;
    Die ästhet. Wirklichkeit, 1935, ³1961;
    Päd. aus 30 J., 1949;
    Btrr. üb. Johann Heinrich Pestalozzi, Wilhelm Dilthey, Friedrich Schleiermacher, in: Die Gr. Deutschen, hg. v. H. Heimpel u. a., II, IV u. V, 1957;
    Erziehergestalten, 1958, ⁴1965;
    Die Dt. Bewegung, Vorlesungen u. Aufss. z. Geistesgesch. v. 1770-1830, hg. v. O. F. Bollnow u. F. Rodi, 1970;
    W-Verz.:
    E. Ahrens, I. Wedemeyer u. E. Weniger, Bibliogr. H. N., mit e. Einf. v. E. Weniger, 1954 (Nachträge in: Zs. f. Päd. 1, 1955, S. 132, 5, 1959, S. 454-57);
    |

  • Nachlass

    Nachlaß: Niedersächs. Staats- u. Univ.bibl. Göttingen, Abt. f. Hss. u. seltene Drucke; – Zu Hermann ( 1929): Index Vitruvianus, 1876 (Nachdr. 1983).

  • Literatur

    Btrr. z. Menschenbildung, H. N. z. 80. Geb.tag, in: Zs. f. Päd. 5, 1959, 1. Beih.;
    K. Mohr, Die Päd. H. N.s., in: K. H. Günther, K. Mohr, H. Roche u. A. Stenzel, Erziehung u. Leben, Vier Btrr. z. päd. Bewegung d. frühen 20. Jh., 1960, S. 70-95;
    E. Weniger, in: Göttinger Univ.reden 32, 1961, S. 1-32;
    K. Bartels, Die Päd. H. N.s, 1968;
    ders., H. N., in: Gesch. d. Päd. d. 20. Jh., II, hg. v. J. Speck, 1978, S. 35-50;
    E. Blochmann, H. N. in d. päd. Bewegung seiner Zeit, 1969 (P);
    H. J. Finckh, Der Begriff d. dt. Bewegung u. seine Bedeutung f. d. Päd. H. N.s, 1977 (W-Verz., L);
    Th. Schulze, „Der Sinn des Lebens liegt im Leben selbst…“, Ein neugieriger Rückblick auf d. geisteswiss. Päd., z. 100. Geb.tag v. H. N., in: Neue Slg. 19, 1979, S. 542-64;
    E. Ratzke, Das Päd. Inst. d. Univ. Göttingen, Ein Überblick üb. seine Entwicklung in d. J. 1923–49, in: Die Univ. Göttingen unter d. Nat.soz., hg. v. H. Becker u. a., 1987, S. 200-18;
    G. Geißler, in: Klassiker d. Päd. II, hg. v. H. Scheuert, ²1991, S. 225-40 (P);
    U. Henning u. A. Leschinsky, Der Briefwechsel zw. H. N. u. Aloys Fischer anläßl. ihrer Zwangsemeritierung im J. 1937, in: dies., Enttäuschung u. Widerspruch, 1991, S. 201-12;
    G. Thöny-Schwyn. Philos. u. Päd. b. Wilhelm Dilthey u. H. N., 1992;
    K.-P. Horn, Päd. Zss. im Nat.soz., 1996;
    E. Matthes, Geisteswiss. Päd. nach d. NS-Zeit, Pol. u. päd. Verarxbeitungsversuche, 1998;
    Päd. Lex. II, hg. v. W. Horney, J. P Ruppert, W. Schultze, 1970, S. 495-97;
    Kosch, Lit.-Lex.³;
    Killy;
    BBKL;
    Internat. Germanistenlex. 1800-1950 (in Vorbereitung).

  • Porträts

    Kohlezeichnung v. E. Kuithan, 1915;
    Pastell v. O. Herbig, 1937;
    Kohlezeichnung v. dems., 1938.

  • Autor/in

    Eva Matthes
  • Zitierweise

    Matthes, Eva, "Nohl, Herman" in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 323-324 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118588478.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA