Wolfenstein, Alfred

Lebensdaten
1883 – 1945
Geburtsort
Halle/Saale
Sterbeort
Paris
Beruf/Funktion
Dichter ; Dramatiker ; Schriftsteller ; Übersetzer ; Publizist ; Lyriker ; Übersetzer ; Jurist ; Essayist
Konfession
jüdisch
Normdaten
GND: 11864341X | OGND | VIAF: 57408154
Namensvarianten

  • Worlin, Albert (Pseudonym)
  • Wolfenstein, Alfred
  • Worlin, Albert (Pseudonym)
  • worlin, albert
  • A. W.
  • Worlin, Adolf
  • b15
  • b16
  • Worlin, Adolph

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Zitierweise

Wolfenstein, Alfred, Indexeintrag: Deutsche Biographie, https://www.deutsche-biographie.de/pnd11864341X.html [25.12.2025].

CC0

  • Wolfenstein, Alfred

    | Schriftsteller, Übersetzer, Publizist, * 28.12.1883 Halle/Saale, † (Suizid) 22.1.1945 Paris, ⚰ Paris, Père Lachaise. (jüdisch)

  • Genealogie

    Aus jüd.-dt. Kaufmannsfam.;
    V Heymann (1835–90), Kaufm. in H., S d. Koppel;
    M Clara Latz (1865–1942, Theresienstadt);
    Ov Moses (1838–1907), Kaufm., Vors. d. jüd. Gde. in Steglitz b. Berlin, Stifter d. Synagoge ebd.;
    Om Georg Zalten (eigtl. Georg Latz) (1848 – n. 1938), aus Posen, Schriftst., Mitarb. d. Zs. „Ulk“ (s. Heuer);
    1 Schw Sophie Loew-W. (1887–1955);
    Charlottenburg b. Berlin 1916 1930 Henriette Hardenberg (eigtl. Margarete Rosenberg, Ps. Martha v. Eschstruth) (1894–1993, 2] 1938 Kurt Frankenschwerth, 1901–82, Architekt, Lyriker, emigrierte 1937 n. England), aus Berlin, Lyrikerin, 1930 Privatsekr. d. Kunsthist. Richard Offner, emigrierte 1937 n. England, Übers., zuletzt in London (s. W, L), T d. Hugo Rosenberg (1859–1934), RA in Berlin, u. d. Marie Anne Rosenstein, 1 S Frank Thomas (1916–1993), Soldat;
    Schwager Hans Rosenberg (1890–1961), Dr. med., Arzt, Physiol., Dichter, emigrierte 1933 n. England, zuletzt in London (s. Heuer).

  • Biographie

    W. wuchs in Halle/Saale und seit 1889 in Dessau auf. Finanzielle Schwierigkeiten nach dem Tod des Vaters führten 1899 zur Unterbrechung der Schulausbildung am Hzgl. Friedrichs-Gymnasium in Dessau und Aufnahme einer Kaufmannslehre. 1901 setzte W. den Schulbesuch, unterstützt von Verwandten, am Askanischen Gymnasium in Berlin fort.

    Im Anschluß an das Abitur studierte er 1905–10 Jura in Freiburg (Br.), München, Halle und Berlin und absolvierte hier und in Naumburg sein Gerichtsreferendariat. Eine von Henriette Hardenberg erwähnte Promotion an der Univ. Erlangen 1916 konnte nicht nachgewiesen werden.

    In Berlin veröffentlichte W. seit 1912 Essays und Gedichte in Franz Pfemferts (1879–1954) „Die Aktion“, später auch in René Schickeles (1883–1940) „Die weißen Blätter“, und pflegte Kontakt zu Gottfried Benn (1886–1956), Robert Musil (1880–1942), Rainer Maria Rilke (1875–1926), Egmont Seyerlen (1889–1972) und Franz Werfel (1890–1945). 1914 erschien W.s erster Gedichtband „Die gottlosen Jahre“, der ihn – mit dem Folgeband „Die Freundschaft“ (1917) – zu einem führenden, wenn auch untypischen Vertreter des Expressionismus machte. Zwar entspricht W.s Lyrik in Sprache und Thematik diesem Stil, doch ist sie oft – wie sein berühmtestes Gedicht, das Sonett „Städter“ – in klassischer Form gehalten. 1916 übersiedelte W. nach München, wo er mit Johannes R. Becher (1891–1958), Ernst Toller (1893–1939) und v. a. Gustav Landauer (1870–1919) verkehrte. Geprägt vom expressionistischen Aktionismus, identifizierte sich W. stark mit der Münchner Räterepublik, deren Zerschlagung zu einer Zäsur in seinem Werk führte: Der Sammelband „Menschlicher Kämpfer“ (1919) schloß sein lyrisches Schaffen ab, das von ihm herausgegebene Jahrbuch „Die Erhebung“ (2 Bde., 1919/20) faßte, ähnlich wie Kurt Pinthus‘ (1886–1975) Band „Menschheitsdämmerung“ (1920), in dem W. mit 13 Gedichten vertreten ist, den lyrischen Expressionismus zusammen.

    Seit 1919 in Berlin lebend, schrieb W. zahlreiche, immer wieder überarbeitete programmatische Szenen und drei Dramen (Der Narr|der Insel, 1925; Bäume in d. Himmel, 1926; Die Nacht vor d. Beil, 1929), in denen er den Untergang eines Individuums in einer irrealen Umgebung darstellte. Das Thema der sozialen Isolation findet sich auch in dem vielbeachteten Essay „Jüdisches Wesen und neue Dichtung“ (1922), wo W. sie als Wesensmerkmal des Dichters beschreibt. Weniger abstrakt gehalten ist W.s seit 1918 entstandenes prosaisches Werk, in dem er zeitgenössische soziale und politische Entwicklungen anhand individueller Schicksale aufzeigte. Diese Tendenz verfolgte er auch in dem Roman „Frank“, der, 1937 begonnen, Fragment blieb. In den 1920er Jahren trat W. als Übersetzer u. a. von Victor Hugo, Molière, Arthur Rimbaud und Paul Verlaine hervor. 1933 emigrierte W. nach Prag, 1938 nach Paris. Seit 1940 lebte er im Untergrund in Südfrankreich; der v. a. von Stefan Zweig (1881–1942) und Thomas Mann (1875–1955) geförderte Versuch einer Ausreise in die USA scheiterte. Im Exil schrieb W. für verschiedene Zeitschriften, ohne einem darum gruppierten Schriftstellerkreis enger anzugehören. Als letzte eigenständige Veröffentlichung erschien der größtenteils frühere Texte zusammenfassende Erzählband „Die gefährlichen Engel“ (1936). Herzkrank und nach Jahren im Untergrund psychisch zerrüttet, schied W. im Hospital Rothschild freiwillig aus dem Leben.

    Die Rezeption W.s in der Bundesrepublik setzte in den 1950er Jahren ein und konzentrierte sich größtenteils auf die expressionistische Lyrik und das dichterische Exilwerk, wohingegen sein prosaisches und dramatisches Schaffen bislang deutlich weniger Beachtung erhielt. In der DDR wurde W. als linksbürgerlicher Intellektueller abgelehnt und von der Literaturforschung vernachlässigt.

    W.s Übersetzungen, v. a. aus dem Französischen, weisen eine erstaunliche Langlebigkeit auf.

  • Auszeichnungen

    |Dt. Übers.preis (1930);
    A.-W.-Str., Halle/Saale (seit 1945).

  • Werke

    Weitere W Die Nackten (Eine Dichtung), 1917;
    Der Lebendige (Novellen), 1918;
    Der gute Kampf, Eine Dichtung, 1920;
    Sturm auf d. Tod, Drama in e. Akt, 1921;
    Der Mann, Szen. Dichtungen, 1922;
    Mörder u. Träumer, Drei szen. Dichtungen, 1923;
    Unter d. Sternen, Novelle, 1924;
    Der Flügelmann, Eine Dichtung, 1924;
    Bewegungen, Eine Ausw. Dichtungen, 1928;
    Celestina, Schauspiel in zwei T., 1929;
    Die gefährl. Engel, Dreißig Gesch., 1936;
    – Werke, hg. v. H. Haarmann u. G. Holtz, 5 Bde., 1982–93 (P);
    A. W. Lesebuch, hg. v. B. Spring, 2011 (P);
    Hg.: Jean-Arthur Rimbaud, Leben, Werk, Briefe, 1930;
    Hier schreibt Paris, Ein Sammelwerk v. heute, 1931;
    Stimmen d. Völker, Die schönsten Gedichte aller Zeiten u. Länder, 1938;
    Nachlaß: Ak. d. Künste, Berlin;
    Dt. Exilarchiv d. Dt. Nat.bibl. Frankfurt/M.;
    DLA Marbach;
    Leo Baeck Inst. New York;
    zu Henriette Hardenberg: Dichtungen, hg. v. H. Vollmer, 1988.

  • Literatur

    |C. Mumm, A. W., Eine Einf. in sein Werk u. e. Ausw., 1955;
    P. Fischer, A. W., Der Expressionismus u. d. verendende Kunst, 1968;
    R. E. Brown, in: Expressionismus als Lit., Ges. Stud., hg. v. W. Rothe, 1969, S. 264–76;
    G. Holtz, Die lyr. Dichtung A. W.s, Thematik, Stil u. Textentwicklung, 1970;
    S. Schlenstedt, Der Dichter A. W. im Exil, in: Wider d. Faschismus, hg. v. S. Bauschinger u. S. L. Cocalis, 1993, S. 147–58;
    A. A. Wallas, in: IASL 21, 1996, S. 162–75;
    B. Spring, Eine mitteldt. Jugend, Dem Hallenser A. W. z. 125. Geb.tag, in: Jb. f. hall. Stadtgesch., 2009, S. 193–98;
    ders., Ein blutiger Berg niemals geahnter Leiden, A. W.s Hinwendung z. pol. Lit. während d. Ersten Weltkriegs, ebd., 2014, S. 89–104;
    ders., Ein einsamer Pfeifer, Der Dichter A. W. (1883–1945) als Dramatiker, in: Sachsen-Anhalt, Journ. f. Natur- u. Heimatfreunde 21, 2011, Nr. 1. S. 31 f.;
    KLL;
    Killy1+2;
    Kosch, Lit.-Lex.³ (W, L);
    BHdE II;
    Metzler Lex. dt.-jüd. Lit. (P);
    zu Henriette Hardenberg: Killy;
    Kosch, Lit.-Lex.³ P Zeichnung v. L. Meidner, 1915, Abb. in: K. Pinthus (Hg.), Menschheitsdämmerung, 1922, S. 265;
    Kaltnadelradierung v. dems., 1919 (Ludwig-Meidner-Archiv, Jüd. Mus. d. Stadt Frankfurt/M.);
    Photogrr. (Ak. d. Künste Berlin, A.-W.-Archiv).

  • Autor/in

    Bernhard Spring
  • Zitierweise

    Spring, Bernhard, "Wolfenstein, Alfred" in: Neue Deutsche Biographie 28 (2024), S. 421-422 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd11864341X.html#ndbcontent

    CC-BY-NC-SA